Einsturzhäufigkeit von Bauwerken: Brücken – Dämme – Tunnel – Stützbauwerke – Hochbauten
Von Dirk Proske
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Über dieses E-Book
Der rechnerische Nachweis der Sicherheit von Bauwerken kann über die Bestimmung der Versagenswahrscheinlichkeit oder unter Verwendung von Sicherheitselementen erfolgen. Beobachtete Schäden und Einstürze werden meistens im Rahmen von Gutachten bewertet, was auf Grund der großen Anzahl Unikate im Bauwesen sinnvoll erscheint. Allerding sollte es auch eine Prüfung der beobachteten Sicherheit über alle Bauwerke geben.
Deshalb werden in diesem Buch die Einsturzhäufigkeiten für verschiedene Bauwerkstypen, wie Brücken, Dämme, Tunnel, Stützbauwerke und Hochbauten, ermittelt. Die Einsturzhäufigkeit gehört wie die Versagenswahrscheinlichkeit zur Stochastik. Daher werden die beobachteten mittleren Einsturzhäufigkeiten und die berechneten mittleren Versagenswahrscheinlichkeiten verglichen. Bei diesem Vergleich zeigt sich, dass die Einsturzhäufigkeiten in der Regel niedriger sind als die berechneten Versagenswahrscheinlichkeiten. Zusätzlich werden Kernschadenshäufigkeiten und -wahrscheinlichkeiten angegeben, um den Vergleich auf ein anderes technisches Erzeugnis auszuweiten.
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Einsturzhäufigkeit von Bauwerken - Dirk Proske
Dirk Proske
Einsturzhäufigkeit von Bauwerken
Brücken – Dämme – Tunnel – Stützbauwerke – Hochbauten
1. Aufl. 2021
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Dirk Proske
Architektur, Holz und Bau, Berner Fachhochschule, Burgdorf, Bern, Schweiz
ISBN 978-3-658-35197-7e-ISBN 978-3-658-35198-4
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35198-4
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Lektorat: Dipl.-Ing. Ralf Harms
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Danksagung
Teile dieser Arbeit wurden im Rahmen einer Studie für die Schweizer Bundesbahn (SBB) erstellt. Ihr und namentlich Herbert Friedl sei an dieser Stelle für die Unterstützung herzlich gedankt.
Des Weiteren haben eine Vielzahl von Studenten Arbeiten für die zugrundeliegenden Veröffentlichungen durchgeführt. Das sind z.B. Christof Hofmann, Lukas Heinzelmann und Michael Schmid. Auch ihnen gebührt mein herzlichster Dank.
Ich möchte mich auch recht herzlich bei Prof. Panos Spyridis bedanken, mit dem ich zusammen die Untersuchungen für Tunnel durchführen konnte. Er hat maßgeblich zum Erfolg dieser Studie beigetragen.
Den Reviewer der einzelnen Journal-Veröffentlichungen danke ich für die zahlreichen Kommentare und Hinweise. Sie haben wesentlich zur Qualitätssteigerung der Arbeiten beigetragen.
Darüber hinaus ergab sich im Herbst 2020 eine intensive Diskussion zum Thema der Vergleichbarkeit von Versagenswahrscheinlichkeiten und Einsturzhäufigkeiten mit Prof. Ton Vrouwenvelder, Prof. Jochen Köhler und Prof. Michael Havbro Faber. Ihnen danke ich herzlich für die Kommentare und die Unterstützung.
Abschließend danke ich meiner Frau für ihre Korrekturlesung.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Ausgangslage 1
1.1 Einleitung 1
1.2 Ziel dieses Buches 4
1.3 Vergleichbarkeit von Versagenswahrscheinlichkeiten und Einsturzhäufigkeiten 5
1.4 Theoretische Überlegungen 14
Literatur 18
2 Vorbetrachtungen 23
2.1 Einleitung 23
2.2 Definition Bauwerke 23
2.3 Definition Einsturz 24
2.4 Berechnung Einsturzhäufigkeiten 26
2.5 Berechnung Versagenswahrscheinlichkeiten 26
Literatur 28
3 Brücken 31
3.1 Einleitung 31
3.2 Definition Brücken 32
3.3 Bestand an Brücken 34
3.4 Berechnung Einsturzhäufigkeit 34
3.4.1 Einleitung 34
3.4.2 Zentraler Schätzer 34
3.4.3 Streuungsmaß 39
3.4.4 Trend 40
3.5 Berechnung Versagenswahrscheinlichkeiten 40
3.6 Vergleich 40
3.7 Einsturzursachen 41
3.8 Mortalität und Opferzahlen 42
3.9 Zusammenfassung 45
Literatur 46
4 Dämme 51
4.1 Einleitung 51
4.2 Definition Dämme 51
4.3 Bestand an Dämmen 52
4.4 Berechnung Einsturzhäufigkeit 53
4.4.1 Einleitung 53
4.4.2 Zentraler Schätzer 53
4.4.3 Streuungsmaß 54
4.4.4 Trend 55
4.5 Berechnung Versagenswahrscheinlichkeiten 55
4.6 Vergleich 55
4.7 Einsturzursachen 56
4.8 Mortalität bzw. Opferzahlen 57
4.9 Zusammenfassung 59
Literatur 60
5 Tunnel 65
5.1 Einleitung 65
5.2 Definition Tunnel 65
5.3 Bestand an Tunneln 66
5.4 Berechnung Einsturzhäufigkeit 67
5.4.1 Einleitung 67
5.4.2 Zentraler Schätzer 67
5.4.3 Streuungsmaß 69
5.4.4 Trend 70
5.5 Berechnung Versagenswahrscheinlichkeiten 70
5.6 Vergleich 71
5.7 Einsturzursachen 71
5.8 Mortalität und Opferzahlen 73
5.9 Zusammenfassung 73
Literatur 75
6 Stützbauwerke 81
6.1 Einleitung 81
6.2 Definition Stützbauwerke 81
6.3 Bestand an Stützbauwerken 82
6.4 Berechnung Einsturzhäufigkeit 82
6.4.1 Einleitung 82
6.4.2 Zentraler Schätzer 83
6.4.3 Streuungsmaß 83
6.4.4 Trend 83
6.5 Berechnung Versagenswahrscheinlichkeiten 84
6.6 Vergleich 84
6.7 Einsturzursachen 84
6.8 Mortalität und Opferzahlen 85
6.9 Zusammenfassung 86
Literatur 86
7 Hochbauten und Gebäude 89
7.1 Einleitung 89
7.2 Definition Hochbauten und Gebäude 89
7.3 Bestand an Hochbauten und Gebäuden 90
7.4 Berechnung Einsturzhäufigkeit 93
7.4.1 Einleitung 93
7.4.2 Zentraler Schätzer 94
7.4.3 Streuungsmaß 95
7.4.4 Trend 95
7.5 Berechnung Versagenswahrscheinlichkeiten 96
7.6 Vergleich 96
7.7 Einsturzursachen 96
7.8 Mortalität und Opferzahlen 98
7.9 Zusammenfassung 101
Literatur 102
8 Kernkraftwerke 109
8.1 Einleitung 109
8.2 Definition Kernkraftwerke 110
8.3 Definition Kernschaden 110
8.4 Bestand an Kernkraftwerken 111
8.5 Berechnung Kernschadenshäufigkeit 111
8.5.1 Einleitung 111
8.5.2 Zentraler Schätzer 111
8.5.3 Streuungsmaß 113
8.5.4 Trend 113
8.6 Berechnete Kernschadenswahrscheinlichkeiten 113
8.7 Vergleich 114
8.8 Ursachen 114
8.9 Mortalität und Opferzahlen 116
8.10 Zusammenfassung 117
Literatur 117
9 Schlussbetrachtungen 121
9.1 Ergebnisse und kritische Bewertung 121
9.2 Mehrwert der Arbeit 129
Literatur 131
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021
D. ProskeEinsturzhäufigkeit von Bauwerkenhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-35198-4_1
1. Einleitung und Ausgangslage
Dirk Proske¹
(1)
Architektur, Holz und Bau, Berner Fachhochschule, Burgdorf, Bern, Schweiz
Dirk Proske
Email: dirk.proske@bfh.ch
1.1 Einleitung
Das menschliche Leben in und mit Bauwerken ist ein fester Bestandteil der täglichen Erfahrungswelt fast aller Menschen auf der Erde. Menschen leben praktisch in einer gebauten Umwelt. Abb. 1.1 zeigt als Beispiel dafür ein Bild der Stadt Tokio. Die Präsenz und Nutzung eines technischen Produktes in diesem Umfang ist einmalig und muss überwältigende Vorteile für die Menschheit versprechen. Gemäß UNO (United Nations 2018) besitzt jeder Mensch auf der Erde sogar das Recht auf eine Unterkunft.
../images/516791_1_De_1_Chapter/516791_1_De_1_Fig1_HTML.jpgAbb. 1.1
Bild von Tokio als Beispiel gebauter Umwelt (Foto: U. Proske)
Tatsächlich zählt die Idee eines Schutzes der Menschen vor klimatologischen Einflüssen, Räubern und Angriffen zu den ältesten Erfindungen der Menschheitsgeschichte, noch vor der Erfindung des Rads oder des Boots. Die Sinnhaftigkeit des Schutzes vor klimatologischen Einflüssen ist auch heute noch direkt prüfbar: Die Sterblichkeit schwankt über das Jahr im Rhythmus der Jahreszeiten (Proske 2021).
Ehrlicherweise muss man aber zugeben, dass die Idee des Schutzes vor klimatologischen Einflüssen nicht erst beim Menschen begann: zahlreiche Tierarten errichten Behausungen, seien es Höhlen, Nester oder Hügel. Die sprachliche Verbindung zu menschlichen Bauwerken stellt der Begriff „Bau" her, der häufig für Tierbehausungen verwendet wird.
Neben dem Schutz der Bewohner vor äußeren Einflüssen ermöglichen Bauwerke auch die Bewegung von Menschen und Gütern. Das erscheint zunächst einmal widersprüchlich. Bauwerke wie Brücken, Tunnel, Dämme und Stützbauwerke sind allerdings ein essenzieller Teil des Fahrweges der Verkehrsträger wie Bahn- oder Straßenverkehr. Sie bilden neben den Verkehrsmitteln die Grundlage für die Umsetzung der erforderlichen Transportkapazität. Und diese überschreitet inzwischen die natürlichen Masseströme auf der Erde (Proske 2021), denn die modernen Industriegesellschaften sind geprägt durch einen intensiven Verkehr und durch große Massen-, Güter- und Energietransporte.
Zusätzlich speichern menschliche Bauwerke außerordentlich große ökonomische Werte. In Deutschland betrug das Immobilienvermögen im Jahre 2016 mit 14 Billionen Euro ca. 80 % des Sachvermögens (ZIA 2017) und mehr als das Dreifache des jährlichen Bruttoinlandsproduktes.
Bauwerke existieren zwar in sehr großer Anzahl, sind aber in der Regel Unikate. Daher können sie neben dem ökonomischen Wert auch einen bedeutsamen kulturellen Wert repräsentieren. Erwähnt seien hier nur Sakralbauten, historische Zentren von Städten oder einzigartige Schlösser.
Solche Sakralbauten belegen auch, dass Bauwerke außerordentlich langlebig sein können. Bei Bedarf können Bauwerke aber auch für kurze Nutzungsdauern entworfen und errichtet werden.
Bisher existieren menschliche Bauwerke nur auf der Erde. Inzwischen gibt es erste Überlegungen zur Erstellung von Bauwerken auf dem Mond oder dem Mars (ESA 2016).
Der Gewinn an Lebensqualität und Sicherheit durch Bauwerke erfordert zwingend eine ausreichende Sicherheit in Bauwerken. Wie historische Gesetzessammlungen zeigen, z. B. die Gesetzessäule von Hammurabi, waren sich Menschen dieser Anforderung frühzeitig in der menschlichen Geschichte bewusst und haben sie juristisch verankert (Abb. 1.2). Dieses Buch geht der Frage nach, wie groß die Sicherheit von Bauwerken tatsächlich ist. Sicherheit wird dabei als Einsturzhäufigkeit und Mortalität verstanden. Beide Parameter werden für verschiedene Bauwerkstypen ermittelt. Bei den Bauwerkstypen handelt es sich um Brücken, Dämme, Tunnel, Stützbauwerke und Hochbauten.
../images/516791_1_De_1_Chapter/516791_1_De_1_Fig2_HTML.jpgAbb. 1.2
Gesetzesstele des Codex Hammurabi (Gipsabdruck im Pergamon Museum Berlin des Originals im Louvre), ca. 2000 Jahre vor Christus (Foto: D. Proske)
Allerdings beginnt das Buch mit einer Diskussion der Vergleichbarkeit von berechneten Versagenswahrscheinlichkeiten, einem Sicherheitsnachweisformat im Bauwesen, und den beobachteten Einsturzhäufigkeiten.
Das Buch ist das Ergebnis zahlreicher wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu diesem Thema (Proske 2016, 2017a, 2017b, 2018a, 2018b, 2018c, 2019a, 2019b, 2019c, 2020a, 2020b, 2020c, 2020d, 2021; Proske et al. 2019; Hofmann et al. 2021; Proske und Schmid 2021; Spyridis und Proske 2021). Insofern beinhaltet das Buch wenig neue Ideen, es fasst die bisherigen Arbeiten aber zusammen und stellt sie in einen Kontext.
Auch die systematische Untersuchung und Bewertung von Bauwerkseinstürzen ist nicht neu, siehe z. B. Scheer (2001). So existieren zahlreiche Einzelfalluntersuchungen, aber auch Sammlungen von Einsturzuntersuchungen und sogar statistische Auswertungen für Bauwerkstypen. Es gibt sogar ein „International Journal of Forensic Engineering". Eine systematische Untersuchung der Einsturzhäufigkeit aller Bauwerkstypen steht allerdings noch aus bzw. erfolgte mit den oben genannten eigenen Studien. Eine solche Untersuchung ist aus Sicht des Verfassers aber unabdingbar, um die Wirksamkeit (Effektivität) und Verhältnismäßigkeit (Effizienz) der modernen Sicherheitskonzepte im Bauwesen zu bewerten.
1.2 Ziel dieses Buches
Ein Sicherheitskonzept ist ein Methode, um durch geeignete Maßnahmen Sicherheit zu erreichen. Sicherheit ist ein Zustand, in dem keine weiteren Maßnahmen mehr durchgeführt werden müssen (Proske 2021). Maßnahmen können z. B. organisatorischer Art sein, wie das Vier-Augen-Prinzip, Kompetenznachweise der am Bau Beteiligten oder die Anwendung von Sicherheitsfaktoren bei rechnerischen Nachweisen.
Allerdings muss man den Erfolg des Sicherheitskonzeptes in der Praxis prüfen. Bei Einstürzen und Schäden wird in der Regel im Rahmen von forensischen Untersuchungen, im Ingenieurwesen meistens in Form von Gutachten, eine Einzelfallbetrachtung durchgeführt. Da Bauwerke im Gegensatz zu verschiedenen Erzeugnissen im Maschinenbau, wie z. B. Kraftfahrzeugen, üblicherweise keine Massenprodukte sind, sondern Unikate, ergibt hier eine Einzelfallbetrachtung Sinn.
Trotzdem muss auch über die Summe aller Bauwerke eine ausreichende Sicherheit gewährleistet sein. Oder in anderen Worten: wenn sehr viele Bauwerke einstürzen, bei denen bei jedem Einsturz eine individuelle Ursache gefunden wurde, kann doch ein systematischer Fehler nicht ausgeschlossen werden, der erst bei einer ganzheitlichen Betrachtung erkennbar wird. Sehr schön hat man das bei den Kernkraftwerken gesehen. Dort war jeder einzelne Schwerststörfall, wie Lucens, Three Mile Island, Tschernobyl oder Fukushima ein individuelles Ereignis. Trotzdem hat man nach jedem dieser Ereignisse praktisch alle Kernkraftwerke weltweit erneut untersucht und bewertet. Heute weiß man, dass die