Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: in Klinik und Praxis
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: in Klinik und Praxis
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: in Klinik und Praxis
eBook1.482 Seiten12 Stunden

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: in Klinik und Praxis

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen, mit den häufigsten Verlaufsformen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, haben an Häufigkeit in den letzten Jahrzehnten immer mehr zugenommen.
Dieses Buch spannt einen Bogen von der Ursachenforschung über eine moderne Diagnostik mit Differentialdiagnostik bis hin zur Darstellung innovativer chirurgischer, internistischer und komplementärer Therapieformen.
Diese ausführliche Darstellung gibt Ärzten verschiedener Fachrichtungen Gelegenheit, die jeweils anderen Therapien zu verstehen, um diese dann in das Therapiekonzept für jeden einzelnen Patienten sinnvoll zu integrieren. Dabei werden alle Aspekte sowohl der klinisch-stationären Versorgung als auch der langfristigen Betreuung im ambulanten Bereich abgedeckt.

Das bewährte Werk wurde für die 3. Auflage überarbeitet, aktualisiert, etwas umstrukturiert und erweitert, um neuen bzw. Themen mit aktuell großer Relevanz, wie der Rolle des Mikrobioms, Psychosomatik, Begutachtung, Infektiologie oder Besonderheiten im höheren Lebensalter, Rechnung zu tragen.


SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum14. Sept. 2020
ISBN9783662591048
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: in Klinik und Praxis

Ähnlich wie Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Ähnliche E-Books

Medizin für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen - Jörg C. Hoffmann

    Hrsg.

    Jörg C. Hoffmann, Bodo Klump, Anton Kroesen und Britta Siegmund

    Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

    in Klinik und Praxis

    3. Aufl. 2020

    ../images/464887_3_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Hrsg.

    Jörg C. Hoffmann

    Medizinische Klinik I, St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus, Ludwigshafen, Deutschland

    Bodo Klump

    Klinik für Innere Medizin, Medius-Klinik Ostfildern-Ruit, Ostfildern, Deutschland

    Anton Kroesen

    Allg.-, Viszeral- & Unfallchirurgie, Krankenhaus Porz am Rhein, Köln, Deutschland

    Britta Siegmund

    Medizinische Klinik I, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland

    ISBN 978-3-662-59103-1e-ISBN 978-3-662-59104-8

    https://doi.org/10.1007/978-3-662-59104-8

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://​dnb.​d-nb.​de abrufbar.

    Ursprünglich erschienen bei Thieme Verlag, Stuttgart, 2004, 2009

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten.

    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Fotonachweis Umschlag: © Sebastian Kaulitzki/stock.​adobe.​com Fotonachweis Umschlag: (c) Sebastian Kaulitzki/stock.adobe.com//Umschlaggestaltung: deblik Berlin

    Umschlaggestaltung: deblik Berlin

    Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

    Vorwort zur 3. überarbeiteten und erweiterten Auflage

    Nach Erscheinen der 1. Auflage 2004 und der 2. Auflage 2009 wurde mit der jetzt vorliegenden 3. Auflage eine umfangreiche Überarbeitung und Erweiterung vorgenommen. Während die zahlreichen neuen Erkenntnisse über die Pathogenese jetzt in einem großen Kapitel zusammengezogen wurden, sind andere Themen (z. B. mikroskopische Kolitiden) ausführlicher in eigenen Kapiteln dargestellt. Da die Therapie zunehmend interdisziplinärer geworden ist, werden nun die verschiedenen Therapieansätze (z. B. medikamentös oder operativ) direkt nacheinander abgehandelt. Ergänzt wird dies durch neue Kapitel zur Supportivtherapie, wie Impfungen oder infektiologische Aspekte der CED-Therapie. Im weitesten Sinne gehört dazu auch ein neues Kapitel zur Psychosomatik bei CED-Patienten. Besondere Situationen wie die Behandlung von CED-Kindern, CED-Patienten im höheren Lebensalter, Familienplanung und Schwangerschaft, extraintestinale und assoziierte Erkrankungen, primär sklerosierende Cholangitis, Kurzdarmsyndrom und CED-assoziierte Karzinome werden im letzten Themenblock dargestellt und mit einem neuen Kapitel über Begutachtung bei CED-Patienten abgeschlossen.

    Somit haben wir versucht, die zahlreichen Neuerungen in der CED-Pathogenese, -Diagnostik und Therapie in die neue Auflage einzubauen, um das Buch ganz besonders an der täglichen Praxis auszurichten. Wir hoffen, dass die außerordentlich positive Resonanz auf die 2. Auflage, sich in die 3. Auflage fortträgt, sodass das Buch eine wichtige Hilfestellung für Klinik und Praxis sein wird.

    Erstmals stehen mit der neuen Auflage den Lesern – als besonderer Service – Medikamentenblätter zu allen Immunsuppressiva, Biologika und Aminosalizylaten zum Download zur Verfügung (Näheres dazu finden Sie auf der Eingangsseite von Kap. 15).

    Den zahlreichen neuen und „alten" Autoren danken wir für die exzellente Zusammenarbeit. Auch wenn einige heute nicht mehr an einer Universitätsklinik arbeiten, so zeigen ihre Kapitel eine sehr fundierte, differenzierte Sicht auf eine moderne CED-Therapie, die von großer klinischer Erfahrung zeugt.

    Eine so umfangreiche Überarbeitung und Erweiterung wäre nicht möglich, wenn es nicht ein hervorragendes Team im Springer-Verlag gäbe, das diese Neuauflage tatkräftig unterstützt hat. Stellvertretend dürfen wir uns daher bei Herrn Axel Treiber und Frau Dr. Katrin Lenhart herzlich bedanken.

    Jörg C. Hoffmann

    Anton Kroesen

    Bodo Klump

    Britta Siegmund

    LudwigshafenKölnEsslingenBerlin

    im Sommer 2019

    Inhaltsverzeichnis

    I Grundlagen

    1 Geschichte der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen​ 3

    Harro Jenss

    2 Epidemiologie der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen​ 13

    Antje Timmer

    3 Pathogenese chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen​ 51

    Britta Siegmund

    II Klinik

    4 Klinik des Morbus Crohn 73

    Max Reinshagen

    5 Klinik der Colitis ulcerosa und Pouchitis 87

    Gerhard Rogler und Luc Biedermann

    6 Klinik mikroskopischer Kolitiden und eosinophiler Erkrankungen des Gastrointestinal​traktes 95

    Ahmed Madisch und Stephan Miehlke

    7 Wichtige Differenzialdiag​nosen der CED 103

    Miriam Wiestler und Ursula Seidler

    8 Klassifikationen​, Indizes, Aktivitätsbeurte​ilung 117

    Gerhard Rogler und Luc Biedermann

    III Diagnostik

    9 Labordiagnostik bei CED 139

    Klaus Herrlinger

    10 Sonografie bei CED 145

    Claus Peter Trimborn und Jörg C. Hoffmann

    11 Bildgebende Verfahren:​ Computertomograf​ie, Kernspintomograf​ie, PET 159

    Andreas G. Schreyer und Hans Herfarth

    12 Endoskopie bei CED 167

    Thomas Klag und Martin Götz

    13 Pathologie der CED 173

    Frank Autschbach

    IV Therapie

    14 Grundprinzipien der CED-Behandlung 199

    Jörg C. Hoffmann

    15 Pharmakologie der CED-Medikamente 207

    Dirk O. Stichtenoth und Oliver Bachmann

    16 Medikamentöse Therapie des Morbus Crohn 229

    Jörg C. Hoffmann

    17 Endoskopische Therapie von Stenosen bei Morbus Crohn 259

    Jörg C. Hoffmann

    18 Morbus Crohn:​ Operative Behandlung von Stenosen 265

    Ekkehard Jehle

    19 Chirurgische Therapie von Fisteln 275

    Christoph Holmer und Martin E. Kreis

    20 Medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa und Pouchitis 285

    Luc Biedermann und Gerhard Rogler

    21 Operative Therapie der Colitis ulcerosa und Pouchitis 305

    Anton J. Kroesen

    22 Ernährungstherap​ie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen​ 319

    Stephan C. Bischoff

    23 Komplementäre Therapien bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen​ 333

    Jost Langhorst und Harald Matthes

    24 Infektionen bei CED 345

    Philipp Reuken und Andreas Stallmach

    25 Impfungen und Reisen unter immunmodulierend​er Therapie 361

    Niels Teich

    26 Therapie mikroskopischer Kolitiden und eosinophiler Erkrankungen des Gastrointestinal​traktes 367

    Ahmed Madisch und Stephan Miehlke

    V Besondere Aspekte

    27 CED-Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen 375

    Klaus-Michael Keller

    28 Medikamentöse Therapie der CED bei Kindern und Jugendlichen 393

    Klaus-Michael Keller

    29 Chirurgische Therapie von Kindern 427

    Anton Kroesen

    30 Familienplanung, Schwangerschaft und Stillzeit 433

    Christian von Tirpitz

    31 CED im höheren Lebensalter 443

    Franz Hartmann

    32 Extraintestinale​ Manifestationen und assoziierte Erkrankungen 453

    Rainer Duchmann

    33 Primär sklerosierende Cholangitis 467

    Jörg C. Hoffmann

    34 CED-assoziierte kolorektale Karzinome:​ Prävention und Überwachungsstra​tegien 483

    Bodo Klump

    35 Kurzdarmsyndrom – Darmversagen 489

    Karima Farrag und Jürgen Stein

    36 Psychosomatik 517

    Winfried Häuser

    37 Begutachtung von Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung 525

    Jörg Carstensen

    Serviceteil

    Stichwortverzeic​hnis 539

    Herausgeber‐ und Autorenverzeichnis

    Über die Herausgeber

    ../images/464887_3_De_BookFrontmatter_Figb_HTML.jpg

    Professor Dr. Jörg C. Hoffmann

    Chefarzt der Medizinischen Klinik I am St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus Ludwigshafen

    1983–1990 Studium der Humanmedizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg sowie der University of Southampton und University of Michigan, Ann Arbor

    1990–1992 Arzt im Praktikum am Deutschen Krebsforschungszentrum, Applied Immunology

    1992–1996 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Zentrum für Innere Medizin, Medizinische Hochschule Hannover

    1996 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Klinik für Innere Medizin I, Universität Tübingen

    1997–2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Klinik für Innere Medizin II, Universitätskliniken des Saarlandes

    1998–2006 Koordinator und Mitbegründer des Kompetenznetz CED (Saarland/Berlin)

    2000 Ludwig Demling-Preis der DCCV gestiftet von der Falk-Foundation

    1998 Facharzt für Innere Medizin, 2002 Diabetologe DDG, 2003 Facharzt für Gastroenterologie, 2007 Facharzt für Rheumatologie, 2011 Palliativmedizin, 2012 ESMO

    2001–2007 Oberarzt an der Med. Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin

    2002 Habilitation für das Fach Innere Medizin an der FU Berlin

    2005–2007 Geschäftsführender Oberarzt und Leiter der Zentralen Endoskopie, Charité

    2006 Master of Arts, Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, Universität Kaiserlautern und Universität Witten/Herdecke

    Seit 2007 Chefarzt der Medizinischen Klinik I Gastroenterologie, Diabetologie, Rheumatologie und Onkologie, am St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus Ludwigshafen

    Seit 2007 Sprecherkreis der Deutschen Colitis und Morbus Crohn-Vereinigung e. V.

    ../images/464887_3_De_BookFrontmatter_Figc_HTML.jpg

    Professor Dr. med. Anton Kroesen

    Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Krankenhaus Porz, Köln

    1984–1990 Medizinstudium Albertus-Magnus-Universität Köln

    1990–1991 Arzt im Praktikum Salisbury General Infirmary Abt. für Chirurgie, Großbritannien

    1991–1994 Arzt im Praktikum und wissenschaftlicher Mitarbeiter Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg (Prof. Dr. Ch. Herfarth)

    1994 Assistenzarzt Chirurgische Klinik I Universitätsklinikum Benjamin Franklin – FU Berlin (Prof. Dr. H.J. Buhr)

    1997 Forschungstätigkeit – Institut für Klinische Physiologie Benjamin Franklin – FU Berlin (Prof. Dr. M. Fromm)

    2001 Facharzt für Chirurgie

    2001–2004 Oberarzt Chirurgische Klinik I Universitätsklinikum Benjamin Franklin – FU Berlin (Prof. Dr. H.J. Buhr)

    2004–2008 Leitender Oberarzt und ständiger Vertreter des Direktors Chirurgische Klinik I Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin

    Seit 2008 Chefarzt der Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Unfallchirurgie am Krankenhaus Porz am Rhein, Köln

    ../images/464887_3_De_BookFrontmatter_Figd_HTML.jpg

    Prof. Dr. med. Bodo Klump

    Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und Tumormedizin an der medius Klinik Ostfildern-Ruit

    1984–1991 Studium der Humanmedizin an der Ruhr-Universität Bochum und Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn, Gastaufenthalte bei der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf und am Universitätsklinikum Buenos Aires, Argentinien, Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung

    ab 1988 Studium von Soziologie und Politologie an der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität

    1991–1993 Assistenzart in der Medizinischen Klinik des Johanniter-Krankenhauses Bonn

    1993 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Tübingen

    1998–2002 Sekretär und Mitbegründer des Kompetenznetz CED (Tübingen)

    2000 Anerkennung als Facharzt für Innere Medizin

    2002–2004 Oberarzt und ab 7/2002 Leitender Oberarzt der Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Tübingen

    2004 Anerkennung als Gastroenterologe

    2004 Habilitation für das Fach Innere Medizin an der Universität Tübingen

    2009 Ausserplanmäßige Professur, Universität Tübingen

    2004–2012 Niedergelassener Gastroenterologe in Stuttgart

    seit 2012 Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und Tumormedizin sowie Leiter des Darmkrebszentrums (DKG) an der medius Klinik Ostfildern-Ruit

    ../images/464887_3_De_BookFrontmatter_Fige_HTML.jpg

    Professorin Dr. Britta Siegmund

    Direktorin der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin

    1992–1998 Studium der Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Harvard Medical School, Boston

    1998–2000 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Med. Klinik Innenstadt der LMU

    2000–2002 Forschungsaufenthalt an der University of Colorado

    2002–2007 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an Med. Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

    2003–2007 Emmy-Noether Nachwuchsgruppe der DFG

    2006 Habilitation

    2007 Facharzt für Innere Medizin, 2009 Schwerpunktbezeichnung Gastroenterologie

    2012 Heisenbergprofessur für Translationale Gastroenterologie

    Seit 2013 Direktorin der Med. Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin

    Seit 2016 Ärztliche Centrumsleitung CC13 der Charité – Universitätsmedizin Berlin

    Seit 2017 Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina

    Seit 2019 Mitglied der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

    Autorenverzeichnis

    Frank Autschbach

    Institut für Pathologie, Klinikum am Gesundbrunnen, SLK-Kliniken Heilbronn GmbH, Heilbronn, Deutschland

    frank.autschbach@slk-kliniken.de

    Oliver Bachmann

    Zentrum für Innere Medizin, Siloah St. Trudpert Klinikum, Wilferdinger Straße 67, 75179 Pforzheim, Deutschland

    o.bachmann@siloah.de

    http://www.siloah.de/

    Luc Biedermann

    Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, UniversitätsSpital Zürich, Zürich, Schweiz

    luc.biedermann@usz.ch

    Stephan C. Bischoff

    Institut für Ernährungsmedizin (180), Universität Hohenheim, Stuttgart, Deutschland

    bischoff.stephan@uni-hohenheim.de

    Jörg Carstensen

    Wanderup, Deutschland

    JoergCarstensen@t-online.de

    Rainer Duchmann

    Medizinische Klinik, Hospital zum Heiligen Geist, Frankfurt, Deutschland

    rainer.duchmann@hohg.de

    Karima Farrag

    Abteilung Gastroenterologie/Ernährungsmedizin, DGD Kliniken Frankfurt Sachsenhausen, Frankfurt, Deutschland

    Martin Götz

    Medizinische Klinik IV – Gastroenterologie/Onkologie, Klinikum Sindelfingen-Böblingen, Kliniken Böblingen, Böblingen, Deutschland

    m.goetz@klinikverbund-suedwest.de

    Franz Hartmann

    MVZ Agaplesion Frankfurt, Frankfurt, Deutschland

    hartfra@me.com

    Winfried Häuser

    Klinik für Innere Medizin 1, Klinikum Saarbrücken gGmbH, Saarbrücken, Deutschland

    whaeuser@klinikum-saarbruecken.de

    Hans Herfarth

    Division of Gastroenterology & Hepatology, University of North Carolina, North Carolina, US

    Klaus Herrlinger

    Klinik für Innere Medizin I, Asklepios Klinik Nord Heidberg, Hamburg, Deutschland

    k.herrlinger@asklepios.com

    Jörg C. Hoffmann

    Medizinische Klinik I, St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus, Ludwigshafen, Deutschland

    joerg.hoffmann@st-marienkrankenhaus.de

    Christoph Holmer

    Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, St. Joseph, Krankenhaus Berlin, Berlin, Deutschland

    christoph.holmer@sjk.de

    Ekkehard Jehle

    Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie, St. Elisabethen-Klinikum, Oberschwabenklinik, Ravensburg, Deutschland

    Ekkehard.Jehle@oberschwabenklinik.de

    Harro Jenss

    Worpswede, Deutschland

    h.jenss@gmx.de

    Klaus-Michael Keller

    Deutsche Klinik für Diagnostik, Fachbereich Pädiatrie, DKD Helios Klinik, Wiesbaden, Deutschland

    Klaus-Michael.Keller@helios-gesundheit.de

    Thomas Klag

    bauchraum, Gastroenterologisches Zentrum, Stuttgart, Deutschland

    Thomas.Klag@gmx.de

    Bodo Klump

    Klinik für Innere Medizin, Medius-Klinik Ostfildern-Ruit, Ostfildern, Deutschland

    b.klump@medius-kliniken.de

    Anton J. Kroesen

    Köln, Deutschland

    a.kroesen@khporz.de

    Martin E. Kreis

    Klinik für Allgemein, Viszeral- und Gefäßchirurgie-Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland

    Martin.kreis@charite.de

    Jost Langhorst

    Kliniken Essen-Mitte, Essen, Deutschland

    j.langhorst@kliniken-essen-mitte.de

    Ahmed Madisch

    Innere Medizin, KRH Klinikum Siloah, Hannover, Deutschland

    ahmed.madisch@krh.eu

    Harald Matthes

    Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe gGmbH, Berlin, Deutschland

    hmatthes@havelhoehe.de

    Stephan Miehlke

    Magen-Darm-Zentrum, Facharztzentrum Eppendorf, Hamburg, Deutschland

    prof.miehlke@mdz-hamburg.de

    Max Reinshagen

    Medizinische Klinik I, Klinikum Braunschweig, Braunschweig, Deutschland

    m.reinshagen@klinikum-braunschweig.de

    Philipp Reuken

    Klinik für Innere Medizin IV, Universitätsklinikum Jena, Standort Lobeda, Jena, Deutschland

    Gerhard Rogler

    Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, UniversitätsSpital Zürich, Zürich, Schweiz

    gerhard.rogler@usz.ch

    Andreas G. Schreyer

    Radiologische Klinik, Klinikum Brandenburg, Brandenburg, Deutschland

    a.schreyer@klinikum-brandenburg.de

    Ursula Seidler

    Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

    Seidler.Ursula@mh-hannover.de

    Britta Siegmund

    Medizinische Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland

    britta.siegmund@charite.de

    Andreas Stallmach

    Klinik für Innere Medizin IV, Universitätsklinikum Jena, Standort Lobeda, Jena, Deutschland

    Andreas.Stallmach@med.uni-jena.de

    Jürgen Stein

    Abteilung Gastroenterologie/Ernährungsmedizin, DGD Kliniken Frankfurt Sachsenhausen, Frankfurt, Deutschland

    j.stein@em.uni-frankfurt.de

    Dirk O. Stichtenoth

    Institut für Klinische Pharmakologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

    Stichtenoth.Dirk@MH-Hannover.de

    http://www.mh-hannover.de/klinpharm.html

    Niels Teich

    Internistische Gemeinschaftspraxis für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Schkeuditz, Deutschland

    teich@igvs.de

    Antje Timmer

    Department für Versorgungsforschung, Fakultät VI, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Oldenburg, Deutschland

    antje.timmer@uni-oldenburg.de

    Christian von Tirpitz

    Medizinische Klinik – Gastroenterologie, Sana Kliniken Landkreis Biberach GmbH, Biberach, Deutschland

    Christian.vonTirpitz@Sana.de

    Claus Peter Trimborn

    Medizinische Klinik I, St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus, Salzburgerstr., Ludwigshafen, Deutschland

    peter.trimborn@st-marienkrankenhaus.de

    Miriam Wiestler

    Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

    Teil IGrundlagen

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1 Geschichte der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen​3

    Harro Jenss

    Kapitel 2 Epidemiologie der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen​13

    Antje Timmer

    Kapitel 3 Pathogenese chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen​51

    Britta Siegmund

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    J. C. Hoffmann et al. (Hrsg.)Chronisch-entzündliche Darmerkrankungenhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-59104-8_1

    1. Geschichte der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

    Harro Jenss¹  

    (1)

    Worpswede, Deutschland

    Harro Jenss

    Email: h.jenss@gmx.de

    1.1 Einleitung

    1.2 Colitis ulcerosa

    1.3 Morbus Crohn

    1.4 Entwicklung seit 1950

    1.5 Aspekte der medikamentösen Therapie

    Literatur

    1.1 Einleitung

    Zahlreiche historische Mitteilungen über Krankheitsverläufe und klinisch-pathologische Befunde legen es nahe, dass Menschen auch in früheren Jahrhunderten mit Symptomen erkrankten, die nach unserem heutigen Verständnis der Phänomenologie einer Colitis ulcerosa (CU) oder eines Morbus Crohn (MC) entsprachen (Bornstein und Steinhagen 2015; Crohn 1967; Kirsner 2001; Martini 1991; Mulder 2014; Myren 1986; Shapiro 1939). Der spätere Berner Chirurg und Stadtarzt Wilhelm Fabry berichtete im 17. Jahrhundert über Autopsiebefunde eines jungen Patienten, die retrospektiv mit einem MC vereinbar sind (Kirsner 2001). Der französische König Ludwig XIII. litt an einer chronischen Erkrankung mit rezidivierenden Diarrhöen und starb 1643 im Alter von 42 Jahren; die Obduktionsergebnisse lassen an eine Darmtuberkulose oder einen Morbus Crohn denken (Bernier et al. 1981). Kasuistiken mit entzündlichen, ulzerierenden und vernarbenden Veränderungen des terminalen Ileums verfassten der Pathologe Giovanni Battista Morgagni im 18. Jahrhundert, Charles Combe und William Saunders, London, sowie der Edinburgher Arzt John Abercrombie Anfang des 19. Jahrhunderts (Goldstein 1948; Kirsner 2001). Freilich müssen diese retrospektiven Zuordnungen zu den heute sehr gut definierten Erkrankungen CU und MC aus methodischen Gründen in hohem Maße spekulativ bleiben.

    Die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) waren über lange Zeit nicht als eigenständige Erkrankungen definierbar, da sie vor allem nicht von infektiösen Darmerkrankungen (Darmtuberkulose, Dysenterie) zu differenzieren waren. Erst mit dem Paradigmenwechsel in der Medizin seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit den Fortschritten in der Chemie, pathologischen Physiologie sowie der Bakteriologie und mit verbesserten Untersuchungstechniken der Pathologie und Histopathologie wurde es möglich, die „idiopathische ulzeröse Kolitis von den Kolitiden nachweisbarer Ursache abzugrenzen. Die nichttuberkulöse, granulomatöse, transmurale entzündliche Darmerkrankung, primär als „regional ileitis bezeichnet und seit Jahrzehnten mit dem Eponym Morbus Crohn belegt, wurde 1932 erstmals als Krankheitsentität beschrieben (Crohn et al. 1932). Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ermöglichten neben den klinischen Befunden endoskopische und pathologisch-histologische Kriterienkataloge in den meisten Situationen eine exakte Differenzierung der beiden „verwandten" Krankheitsbilder.

    Die Ätiologie der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ist bis heute nicht aufgeklärt, die Behandlung ist unverändert empirisch. Gleichwohl spiegelt sich in den modernen Konzepten für die Pathophysiologie beider Erkrankungen sowie in den differenzierten, am individuellen Krankheitsverlauf orientierten diagnostischen und therapeutischen Vorgehensweisen die enorme und rasche Dynamik des medizinischen Fortschritts der letzten 100 Jahre wider.

    1.2 Colitis ulcerosa

    Samuel Wilks, Guy’s Hospital London, teilte 1859 in einem „letter to the editor" seine Autopsiebefunde einer Patientin mit, bei der er ungewöhnliche, multiple, isolierte Ulzerationen der Kolonschleimhaut vorfand, die ihn an eine besondere Form der Kolitis im Unterschied zur Dysenterie oder zu toxischen Schleimhautveränderungen denken ließen (Wilks 1859). Diese Kasuistik wird zuweilen als „Erstbeschreibung der Colitis ulcerosa zitiert; allerdings zeigte in dem Bericht von Wilks das terminale Ileum über mehr als 50 cm („about three feet) entzündliche Veränderungen, sodass Zweifel an der Zuordnung der Befunde bestehen. 16 Jahre später stellte Wilks gemeinsam mit William Moxon die idiopathische ulzeröse Kolitis („simple ulcerative colitis) als eigene Erkrankung der bakteriellen Dysenterie gegenüber (Wilks und Moxon 1875). William H. Allchin, Westminster Hospital London, beschrieb 1885 erstmals den Befund einer jungen Patientin, die postpartal an einer fulminanten CU erkrankte und verstarb (Allchin 1885). Drei Jahre später war es William Hale-White, Guy’s Hospital London, der den Begriff „ulcerative colitis breiter bekannt machte, die Erkrankung scharf von bakteriellen Kolitiden, insbesondere der Dysenterie trennte und zahlreiche Fallbeschreibungen publizierte (Hale-White 1888; Allchin 1909). In jener Zeit waren die Möglichkeiten der Behandlung der neu definierten Darmerkrankung äußerst limitiert, im Vordergrund standen diätetische Maßnahmen und der Einsatz von Opiumpräparaten zur Reduktion der Stuhlfrequenzen. 1893 berichtete Arthur W. Mayo-Robson, Leeds, über die Behandlung einer CU mit einem passageren inguinalen Kolostoma zur Darmentlastung und -spülung (Mayo-Robson 1893). Die Stomaversorgung war freilich in der damaligen Zeit mit großen Problemen verbunden.

    Im deutschen Sprachraum war es der Begründer des Faches Gastroenterologie, Ismar Boas, der den Begriff „Colitis ulcerosa" prägte und verbreitete (Boas 1903). Zunächst im Berliner Verein für Innere Medizin vorgestellt und dann in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift publiziert, berichtete Boas über eine 28-jährige Patientin mit einer Colitis ulcerosa, die durch Anlage einer passageren Zökalfistel nach Ruhigstellung des Kolons sowie durch ante- und retrograde Spülungen mit Argentum- und Jodlösung „geheilt" worden sei (Abb. 1.1a, b). Elf Jahre später korrigierte Boas seine Mitteilung: die Patientin entwickelte 5 Jahre nach der erfolgreichen Therapie ein schweres Rezidiv (Boas 1916). In diesem Kontext betonte Boas die absolute Indikation zur sorgfältigen rektoskopisch-sigmoidoskopischen Untersuchung zur Etablierung der Diagnose CU sowie eines Rezidivs der Erkrankung. Die neben Boas frühen Berliner Gastroenterologen Theodor Rosenheim und Hermann Strauß sowie der Boas-Schüler Walter Zweig, Wien, haben sich ausführlich mit der CU beschäftigt und die Phänomenologie der Erkrankung mit einer Vielzahl von Eigenbeobachtungen präzise beschrieben (Rosenheim 1908; Strauß 1923; Zweig 1908). Sie waren vertraut mit der Heterogenität und Variabilität des Krankheitsbildes, mit der Rezidivhäufigkeit, mit den Komplikationen und den begrenzten Behandlungsmöglichkeiten. Hermann Strauß stellte 1903 sein weiterentwickeltes Rektosigmoidoskop (Straussches Sigmoidoskop) vor, mit dem vielfältige Erfahrungen über die Verlaufs- und Erscheinungsformen der CU im Rektum und distalen Sigma gesammelt wurden (Strauß 1903). Während der ersten Tagung über Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten 1914 in Bad Homburg – Boas hatte die gleichnamige wissenschaftliche Fachgesellschaft initiert – wurde im ersten Hauptreferat von Adolf Schmidt, Halle, einem ausgewiesen Darmspezialisten jener Zeit, ausführlich über die Colitis ulcerosa berichtet und anschließend intensiv diskutiert (Schmidt 1916). Bereits 1909 fand in London ein Symposium zur Colitis ulcerosa statt, bei dem die kooperativ in den Londoner Kliniken gesammelten Daten von 317 Patienten mit CU präsentiert wurden (Cammeron und Rippman 1909).

    ../images/464887_3_De_1_Chapter/464887_3_De_1_Fig1a_HTML.png../images/464887_3_De_1_Chapter/464887_3_De_1_Fig1b_HTML.jpg

    Abb. 1.1

    a Ismar Boas’ Mitteilung über eine Patientin mit Colitis ulcerosa, deren Erkrankung durch eine Zökalfistel und Ruhigstellung des Kolons in Remission gebracht wurde. Deutsche Medizinische Wochenschrift 1903; 29: 196. b Ismar Boas, Begründer der Gastroenterologie weltweit, Porträt um 1895.  (Heliogravüre einer Fotografie; Verlag Adolf Eckstein, Berlin, Privatsammlung Harro Jenss)

    John Percy Lockart-Mummery, Chirurg und spezialisiert in der Proktologie am St. Mark’s Hospital in London, unterstrich 1907 den Wert der endoskopischen Untersuchung von Analkanal, Rektum und distalem Sigma, um Ausdehnung und Ausprägung der CU exakt zu dokumentieren und andere Erkrankungen auszuschließen. In einer Serie von 36 Patienten mit CU fand er bei 7 Patienten ein Karzinom (Lockart-Mummery 1907). Jacob Arnold Bargen, 1923–1960 Gastroenterologe an der Mayo Clinic in Rochester, beschäftigte sich intensiv mit der CU. Auch er berichtete über die mögliche Assoziation der CU mit einem Kolonkarzinom, führte erste systematische Langzeituntersuchungen zum Verlauf der CU durch und teilte extraintestinale Manifestationen und Komplikationen der Erkrankung mit (Bargen 1928, 1929). Die Fragen zur Ätiologie der Erkrankung blieben ungelöst (Bargen 1930). In diesem Kontext sei erwähnt, dass seit Anfang der 1930er-Jahre psychosomatische Konzepte die Überlegungen zur Ätiologie der CU erweiterten (Murray 1930). Der Colitis ulcerosa wurde zunehmend Aufmerksamkeit gewidmet, insbesondere verfügte die Mayo Clinic, Rochester, über ein großes Patientenkollektiv: So berichtete die Arbeitsgruppe um J.A. Bargen 1950 über Krankheitsverläufe bei 2000 Patienten mit einer CU (Sloan et al. 1950).

    Mit der Einführung der Röntgendiagnostik war diese Methode trotz ihrer Limitationen für 6 Jahrzehnte neben der Rektosigmoidoskopie ein wichtiges Hilfsmittel, insbesondere um entzündliche Schleimhautveränderungen im Kolon proximal des Sigma erkennen zu können (Stierlin 1912). Erst die breite Einführung der Ileokoloskopie seit Beginn der 1970er-Jahre einschließlich bioptischer Untersuchungen eröffnete eine differenzierte Diagnostik: die sichere Abgrenzung zum MC, die exakte Beschreibung von Ausdehnung und Ausprägung der CU sowie Kontrollen des Kolons bei langjährigem Krankheitsverlauf zur Früherkennung möglicher prämaligner Schleimhautveränderungen. Seit Ende der 1970er-Jahre ergänzten die Ultraschalluntersuchung und die Computertomografie das heutige diagnostische Armentarium, insbesondere bei komplikativem Krankheitsverlauf, das Potenzial der Kernspintomografie kam später hinzu.

    Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten der CU waren bis in die 1950er-Jahre äußerst unbefriedigend, erst der Einsatz von Glukokortikosteroiden stellte einen Meilenstein dar (s. Abschn. 1.5). Die chirurgische Therapie mit Anlage einer Ileostomie bei der schweren Verlaufsform der CU war zunächst durch Stomaprobleme und ausgeprägte peristomale Hautläsionen belastet. Die Arbeiten von Bryan N. Brooke, Birmingham, ermöglichten eine bessere Stomaversorgung (Brooke 1952). Rupert B. Turnbull führte 1958 an der Cleveland Clinic, Ohio, die professionelle Stomapflege ein und gilt als „Vater der Enterostomatherapie. Einen Sonderweg beschritt Nils G. Kock, Göteborg, mit dem kontinenten Ileostoma („Kock-Pouch); das Verfahren setzte sich jedoch nicht durch (Kock 1969). Ein entscheidender Fortschritt in der chirurgischen Therapie der CU wurde mit der kontinenzerhaltenden Ileumpouch-analen Anastomose erzielt (Parks und Nicholls 1978; Parc et al. 1999).

    1.3 Morbus Crohn

    1903 beschrieb der Warschauer Chirurg Antoni Leśniowski benigne entzündliche Darmveränderungen unter Einbeziehung des terminalen Ileums, die er den bisher bekannten Krankheiten nicht zuordnen konnte. Sein Beitrag, in polnischer Sprache in einem polnischen Medizinjournal veröffentlicht, wurde erst Jahrzehnte später rezipiert (Leśniowski 1903; Lichtarowicz und Mayberry 1988). Ähnliche Befunde erschienen zwischen 1905 und 1930. Bespielhaft seien die Publikationen des Göttinger Chirurgen Heinrich Braun „Ueber entzündliche Geschwülste am Darm und des Breslauer Chirurgen Alexander Tietze „Über entzündliche Dickdarmgeschwülste (Braun 1909; Tietze 1920) erwähnt. In der Literatur häufiger zitiert wird die Mitteilung des Glasgower Chirurgen Thomas Kennedy Dalziel, die 1913 im British Medical Journal mit dem Titel „Chronic interstitial enteritis" erschien (Dalziel 1913; Fielding 1988). 1923 publizierte Eli Moschcowitz vom Mount Sinai Hospital, New York, gemeinsam mit Abraham O. Wilensky einen Beitrag über granulomatöse Schleimhautveränderungen im Dünndarm (Moschcowitz und Wilensky 1923). Allen diesen Berichten und etlichen weiteren hier nicht genannten Publikationen ist gemeinsam, dass sie vermutlich Befunde beschrieben und eine noch nicht näher definierte Erkrankung antizipierten, die Burrill B. Crohn, Leon Ginzburg und Gordon Oppenheimer 1932 als klinische und pathologische Entität formulierten und zusammenfassten.

    Seit Mitte der 1920er-Jahre wurde am Mount Sinai Hospital in New York auf Initiative des Leitenden Chirurgen, Albert Ashton Berg, in Kooperation mit den Pathologen um Paul Klemperer an Resektaten der von Berg operierten Patienten geforscht, die auffällige entzündliche Veränderungen des terminalen Ileums aufwiesen. Die Aufbereitung, Dokumentation und Auswertung der klinischen und pathologischen Befunde erfolgte durch die beiden Mitarbeiter Bergs Leon Ginzburg und Gordon D. Oppenheimer (Aufses 2000; Baron 2000; Ginzburg 1974, 1984[Brief], 1986; Kirsner 1984). Burrill Crohn, Gastroenterologe am Mount Sinai Hospital, fügte 2 eigene Patientenbeobachtungen zu den 12 Patienten von Berg, Ginzburg und Oppenheimer hinzu und referierte über die Befunde während des Kongresses der American Medical Association am 13. Mai 1932 in New Orleans. Im gleichen Jahr publizierte er den wegweisenden Beitrag über die Ileitis regionalis in JAMA, als Mitautoren wurden Ginzburg und Oppenheimer genannt (Crohn et al. 1932). Ursprünglich hatte Crohn den Begriff Ileitis terminalis vorgesehen, der jedoch auf Anregung Jacob A. Bargens in Regional Ileitis geändert wurde, um negative Konnotationen im Sinne einer terminalen Erkrankung zu vermeiden (Baron 2000; Abb. 1.2).

    ../images/464887_3_De_1_Chapter/464887_3_De_1_Fig2_HTML.png

    Abb. 1.2

    Titel und Beginn der der Originalarbeit von Burrill B. Crohn, Leon Ginzburg und Gordon D. Oppenheimer, Mount Sinai Hospital New York. Journal of the American Medical Association (JAMA) 1932; 99:1323–1328

    Die Publikation stellt bis heute die klassische Darstellung der klinischen Phänomenologie dieser Erkrankung dar, sie erregte rasch breite Aufmerksamkeit. Der JAMA-Beitrag enthält eine klare Beschreibung der Krankheitscharakteristika: „… affecting mainly young adults, characterized by a subacute or chronic necrotizing and cicatrizing inflammation, the ulceration of the mucosa is accompanied by a disproportionate connective tissue reaction of the remaining wall of the involved intestine, a process which frequently leads to stenosis of the lumen of the intestine, associated with the formation of multiple fistulas" (Crohn et al. 1932) Als Leitsymptome wurden Episoden mit Diarrhö, Unterbauchschmerzen, Fieber und Gewichtsverlust, außerdem Anämie, Obstruktion, auffälliger Palpationsbefund („mass) in der rechten Iliakalregion sowie innere und äußere Fisteln beschrieben. Die Geschichte hinter der Crohn-Ginzburg-Oppenheimer-Publikation („CGO-Paper) ist komplex, kontrovers und durch spätere Prioritätsdiskussionen belastet, zumal Ginzburg und Oppenheim bereits am 2. Mai 1932 während des Kongresses der American Gastroenterological Association (AGA) in Atlantic City einen Vortrag mit dem Titel „Non specific granulomata of the intestine" gehalten hatten und die Autorenschaft des Artikels in JAMA in alphabetischer Reihenfolge auf eine Entscheidung Albert A. Bergs zurückgeht, der selbst als Mitautor nicht erwähnt sein wollte (Baron 2000; Bornstein und Steinhagen 2015; Ginzburg 1984 [Brief], 1986; Kirsner 1984). Ginzburg und Oppenheimer veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Untersuchungen an insgesamt 52 Patienten mit entzündlichen nichttuberkulösen granulomatösen Darmveränderungen bei explizitem Ausschluss einer Divertikulitis 1933 in den Annals of Surgery (Baron 2000; Ginzburg und Oppenheimer 1933).

    Nach der Publikation des „Landmarkbeitrages von 1932 mit dem Titel „Regional Ileitis wurde rasch evident, dass die beschriebene Krankheit nicht allein auf das terminale Ileum begrenzt war und dass das Konzept der Erkrankung einer Erweiterung bedurfte. Ralph Colp, Chirurg am Mount Sinai Hospital, beschrieb 1934 granulomatöse Schleimhautveränderungen im Zökum, ein Befund, der mit Angaben von Ginzburg und Oppenheimer über entsprechende Veränderungen im Kolon in ihrem Beitrag von 1933 übereinstimmte. Auch Crohn selbst diskutierte die Manifestation der neu beschriebenen Krankheit im Dickdarm (Colp 1934; Crohn und Rosenak 1936; Ginzburg und Oppenheimer 1933). Während englische Kliniker bereits zu einem frühen Zeitpunkt einen Kolonbefall der „neuen Darmkrankheit annahmen, erlangte das Konzept einer segmentalen Manifestation der Erkrankung im gesamten Gastrointestinaltrakt in den USA erst Mitte der 1960er-Jahre allgemeine Akzeptanz (Crohn 1967; Janowitz et al. 1965; Janowitz 2000; Levine 1989). Der Chirurg Hugh E. Lockart-Mummery und der Pathologe Basil C. Morson vom St. Mark’s Hospital, London, publizierten 1960 Kriterien zur pathohistologischen Differenzierung zwischen der CU und dem „neuen, zunehmend als Morbus Crohn bezeichneten Krankheitsbild.

    Als Bezeichnung für die neue Entität wurde zunächst der Terminus Regional Ileitis oder Regional Enteritis benutzt, jedoch bereits 1933 wird der Name Crohn synonym in einzelnen Arbeiten erwähnt (Harris 1933). Besonders in England erschien seit 1937 in Publikationen das Eponym Morbus Crohn (Crohn’s disease) (Barrington-Ward und Norrish 1938; Colbeck et al. 1937; Ginzburg 1984 [Brief]). Während des 8. Internationalen Kongresses für Gastroenterologie, in Prag 1968 wurde offiziell die Bezeichnung Crohn Disease eingeführt (Kirsner 2001). Das Mount Sinai Hospital in New York blieb in den Jahrzehnten nach 1932 ein Zentrum zur Erforschung der beiden chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Konsequente Datenerhebung und Dokumentation der Krankheitsverläufe zeigten, dass es sich beim Morbus Crohn nicht nur um eine Erkrankung des Intestinaltraktes handelt. Die vielgestaltige Phänomenologie der Darmerkrankung und ihre Heterogenität mit möglichen Manifestationen an Gelenken, Augen, Haut, Leber und Gallenwegen ließen das Konzept plausibel erscheinen, dass es sich um eine „systemische Krankheit" und Reaktion auf immunologisch vermittelte Prozesse an der Darmmukosa handelt (Greenstein et al. 1976; Janowitz 2000).

    In Deutschland teilten Albert W. Fischer und Otto W. Lürmann aus der Chirurgischen und Medizinischen Universitätsklinik Frankfurt 1933 ihre eigenen Beobachtungen über eine „tumorbildende ulceröse stenosierende und perforierende Entzündung des unteren Ileums" mit und bezogen sich explizit auf die ein Jahr zuvor von Crohn, Ginzburg und Oppenheimer beschriebene Erkrankung (Fischer und Lürmann 1933). 1958 haben Norbert Henning und Ludwig Demling mit einer umfassenden Literaturübersicht monografisch auf den Morbus Crohn aufmerksam gemacht (Henning und Demling 1958).

    1.4 Entwicklung seit 1950

    In den Jahren seit 1950 standen Fragen der Epidemiologie, der exakten Beschreibung pathohistologischer Veränderungen, der Pathophysiologie und Pathogenese, der klinischen Verläufe und der Behandlung beider Erkrankungen im Vordergrund. Prospektive multizentrische Studien zur Datenerhebung und zur Therapie wurden seit 1970 realisiert. Verbesserte und neue Untersuchungstechniken wie Videoileokoloskopie, die endoskopische Untersuchung des Dünndarms sowie die moderne bildgebende Diagnostik erweiterten innerhalb von 3 Jahrzehnten die Möglichkeiten, frühzeitig eine exakte Diagnose zu stellen und sicher zwischen MC und CU zu differenzieren.

    Parallel zum technologischen Fortschritt und durch neue Untersuchungstechniken ergaben sich vor dem Hintergrund wegweisender genetischer Arbeiten neue Fragen zur Pathogenese der beiden Darmerkrankungen. Welche tatsächliche Relevanz im Einzelnen den sehr heterogenen genetischen Faktoren, möglichen Umwelteinflüssen, der intestinalen Immunreaktion auf die Darmflora oder einem Barrieredefekt der Darmmukosa zukommt, ist Gegenstand verschiedener Forschungsansätze (Stange 2013).

    Seit ihrem Beginn 1958 wurde innerhalb der World Organisation of Gastroenterology (OMGE) in einem Research Committee den nosologischen und klinischen Aspekten der CED besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Nach verschiedenen Initiativen und einem Vortreffen 1980 unter Leitung Sidney C. Trueloves in Oxford konstituierte sich 1981 in Lyon die International Organisation for the Study of Inflammatory Bowel Disease (IOIBD), die ein wichtiges internationales Forum zum Wissensaustausch darstellt und Anstösse zur Standardisierung der Beurteilung der Krankheitsaktivität, der Befunddokumentation und zur Durchführung großer prospektiver Studien entwickelt (www.​ioibd.​org/​hist). 2001 wurde die European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) gegründet, deren Ziel es ist, die Versorgung der Patienten mit CU oder MC zu verbessern, Leitlinien zu formulieren sowie die Lehre, Forschung, Information und Kooperation auf dem Gebiet der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zu fördern (www.​ecco-ibd.​eu). Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) hat mit den evidenzbasierten Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Colitis ulcerosa (aktualisiert 2018) sowie des Morbus Crohn (aktualisiert 2014) äußerst wichtige und wertvolle Beiträge für das standardisierte Vorgehen bei den beiden Darmerkrankungen geleistet.

    In den USA wurde der Morbus Crohn einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als sich der 34. Präsident des Landes, Dwight D. Eisenhower, 1956 wegen eben dieser Erkrankung einer Operation unterziehen musste und 4 Monate danach erneut zum Präsidenten der USA gewählt wurde (Heaton et al. 1964). Die Patienten selbst organisierten sich in Selbsthilfevereinigungen. So wurde 1967 in den USA von Betroffenen unter Mithilfe von Henry D. Janowitz die Crohn’s and Colitis Foundation of America (CCFA) gegründet, die beispielhafte Arbeit leistet, Forschungsprogramme finanziell unterstützt und seit 1996 mit der Zeitschrift Inflammatory Bowel Disease ein wissenschaftliches Publikationsforum bietet (Rosenthal 2001). In Deutschland wurde 1982 in Tübingen von einer betroffenen Patientin mit Unterstützung durch den Gastroenterologen Helmut Malchow die Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV e. V.) ins Leben gerufen, die sich rasch zu einer mitgliederstarken Organsiation entwickelte.

    1.5 Aspekte der medikamentösen Therapie

    Vor 1940 bestand die Therapie für die beiden Darmerkrankungen entweder in „allgemeinen Maßnahmen wie Bettruhe, eiweißhaltiger Ernährung, flüssigen oder halbflüssigen Diäten und Ausgleich erkennbarer Mangelzustände. Patienten mit einer CU erhielten, teilweise unter rektoskopischer Sicht, Einläufe mit adstringierenden und antizündlich wirkenden Substanzen. Für den Morbus Crohn galt: „… medical treatment is purely palliative and supportive … the proper approach to a complete cure is by surgical resection of the diseased segment of the small intestine and of the ileocecal valve with its contiguous cecum (Crohn et al. 1932). In den vergangenen 8 Jahrzehnten hat sich ein grundlegender Auffassungswandel durchgesetzt: Die Betreuung der Patienten geschieht in enger Kooperation zwischen Gastroenterologen und Chirurgen, im Vordergrund steht zunächst eine medikamentöse Therapie, bei komplikativem Verlauf oder in Sondersituationen erfolgt eine resezierende chirurgische Behandlung. Ursprünglich zur Therapie der rheumatoiden Arthritis eingeführt, behandelte die schwedische Internistin Nanna Svartz seit 1942 auf empirischer Basis Patienten mit einer Colitis ulcerosa mit Sulfasalazin (Svartz 1942). 1977 wurde bewiesen, dass für die antiinflammatorische Wirkung des Salazosulfapyridins 5-Aminosalicylsäure (5-ASA) den therapeutisch wirksamen Anteil darstellt (Azad Kann et al. 1977). Mehr als 10 Jahre später konnte 5-ASA galenisch so zubereitet werden, dass es in der Therapie in Form von Tabletten, als Suppositorien oder  Klysma einsetzbar ist.

    Die Einführung der Glukokortikosteroide in den 1950er-Jahren stellte einen immens wichtigen Meilenstein für die medikamentöse Therapie der CU und des MC dar. Sidney C. Truelove und Leslie J. Witts bewiesen in ihrer wegweisenden Placebo-kontrollierten Studie den hohen Wert der Steroide für Patienten mit einer aktiven Colitis ulcerosa (Truelove und Witts 1955). Hiermit gelang es erstmals, auf medikamentösem Weg stabile Remissionen bei einer Vielzahl von Patienten zu erreichen. Heute stehen neben den herkömmlichen Glukokortikosteroiden durch spezielle galenische Zubereitung hergestellte, topisch wirksame Steroide in Form von Tabletten und Klysmen zur Verfügung. Seit Anfang der 1970er-Jahre ergänzten Immunsuppressiva wie 5-Mercaptopurin und Azathioprin die Therapie mit Steroiden. 1985 kamen Substanzen wie Cyclosporin hinzu.

    Seit 1955 wurden zunehmend doppelblinde und multizentrische prospektive Studien durchgeführt, um den tatsächlichen therapeutischen Wert der eingesetzten Medikamente methodisch exakt zu überprüfen (Margolin et al. 1988). Die Nordamerikanische Cooperative Crohn’s Diasease Study (NCCDS, 1979 publiziert) und die mit einem ähnlichen Studiendesign durchgeführte Europäische Studie (ECCDS, 1984 publiziert) haben in der damaligen Zeit Maßstäbe gesetzt und erstmalig den therapeutischen Stellenwert von Steroiden, Azathioprin und Salazosulfapyridin für Patienten mit einem aktiven MC definiert und belegt.

    Parallel zum besseren Verständnis der Entzündungskaskade und der immunologischen Reaktionen an der Darmmukosa wurden neue Therapieansätze zur gezielten Blockade von Entzündungsmediatoren entwickelt. Der Einsatz von TNF-α-Antikörpern seit 1998 ist ein Beispiel für eine innovative biologische Therapie, die bei einer Subgruppe von Patienten mit therapierefraktären Krankheitsverläufen angewandt wird.

    In den Therapiekonzepten fand ein Paradigmenwechsel statt, der darauf zielte, möglichst von Anfang an eine intensive Immunsuppression durchzuführen, um frühzeitig eine maximale Reduktion der entzündlichen Aktivität, eine Mukosaabheilung und eine stabile Remission zu erreichen („top down vs. „step up). Inwieweit die Ergebnisse heutiger molekulargenetischer Forschung zur Neuorientierung der zukünftigen Behandlung führen, ist gegenwärtig offen. Wie neue Konzepte zur Pathophysiologie und Pathogenese der beiden chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen etabliert werden, welche Erwartungen damit verbunden sind und welchen Einflussfaktoren sie unterliegen, ist Gegenstand vielfältiger Reflexionen (Rogler 2013).

    Fazit

    Die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen haben vermutlich eine längere Geschichte als allgemein angenommen. Die jetzt etwa 100-jährige, „neuere Geschichte der CED spiegelt die spannende Entwicklung von den klinisch-pathologischen Erstbeschreibungen der beiden Krankheiten „mit einfachen Mitteln bis zur Aufklärung der Entzündungsmechanismen und der Abläufe der immunologischen mukosalen Reaktionen sowie den Erkenntnissen zur genetischen Heterogenität wider. Ein „kausales Agens" wurde bisher nicht dokumentiert. Insofern bleiben die therapeutischen Ansätze empirisch. Seit 1950 haben sich die Therapiemöglichkeiten medikamentös und chirurgisch enorm erweitert, sodass die Lebenserwartung der Patienten mit CU und MC nahezu der der Normalbevölkerung entspricht.

    Literatur

    Allchin WH (1885) A case of extensive ulceration of the colon. Trans Path Soc London 36:199–202

    Allchin WH (1909) A discussion on Ulcerative Colitis. Introductory address. Proc R Soc Med 2(Med Sect):59–75PubMedPubMedCentral

    Aufses AA (2000) The history of surgery for Crohn’s disease at the Mount Sinai Hospital. Mt Sinai J Med 67:198–203PubMed

    Azad Kan AK, Piris J, Truelove SC (1977) An experiment to determine the active therapeutic moiety of sulphasalzine. Lancet II:892–895

    Bargen JA (1928) Chronic ulcerative colitis associated with malignant disease. Arch Surg 17:561–565

    Bargen JA (1929) Complications and sequelae of chronic ulcerative colitis. Ann Int Med 3:335–352

    Bargen JA (1930) Chronic ulcerative colitis. A review of investigations on etiology. Arch Intern Med 45:559–572

    Baron JH (2000) Inflammatory bowel disease up to 1932. Mt Sinai J Med 67:174–189PubMed

    Barrington-Ward L, Norrish RE (1938) Crohn’s disease or regional enteritis. Brit J Surg 25:530–537

    Bernier JJ, Chevallier P, Teysseire D, André J (1981) La maladie de Louis XIII, Tuberculose intestinale ou maladie de Crohn? Nouv Press Med 10:2243 2247–2250

    Boas I (1903) Ueber einen Fall von operativ geheilter Colitis ulcerosa. Dtsch Med Wochenschr 29:196

    Boas I (1916) Diskussionsbeitrag, Vhdlg der ersten Tagung über Verdauungs- u. Stoffwechselkrankheiten, Bad Homburg 1914. Verlag von Samuel Karger, Berlin, S 47–48

    Bornstein JE, Steinhagen RM (2015) History of Crohn’s disease. In: Fichera A, Krane MK (Hrsg) Crohn’s disease, basic principles. Springer, Cham, S 1–13

    Braun H (1909) Über entzündliche Geschwülste am Darm. Dtsch Z Chir 100:1–12

    Brooke BN (1952) The management of an ileostomy, including its complications. Lancet 2(6725):102–104

    Cammeron HC, Rippman CH (1909) Statistics of ulcerative colitis from London hospitals. Proc R Soc Med 2:100–106

    Colbeck JC, Hurst AF, Lintott GAM (1937) Regional ileitis (Crohn’s disease). Guy’s Hosp Rep 87:175–180

    Colp R (1934) A case of nonspecific granuloma of the terminal ileum and cecum. Surg Clin North Am 14:443–449

    Combe C, Saunders W (1813) A singular case of stricture and thickening of ileum. Med Trans Roy Coll Phys Lond 4:16–21 (zitiert nach Goldstein 1948)

    Crohn BB (1967) Granulomatous diseases of the small and large bowel. A historical survey. Gastroenterology 52:767–772PubMed

    Crohn BB, Rosenak BD (1936) A combined form of ileitis and colitis. J Am Med Assoc 106:1–7

    Crohn BB, Ginzburg L, Oppenheimer GD (1932) Regional ileitis; pathological and clinical entity. J Am Med Assoc 99:1323–1329

    Dalziel T (1913) Chronic interstitial enteritis. BMJ II:1068–1070

    Fielding JF (1988) Crohn’s disease and Dalziel’s syndrome. A history. J Clin Gastroenterol 10:279–285PubMed

    Fischer AW, Lürmann OW (1933) Über eine tumorbildende ulceröse stenosierende und perforierende Entzündung des unteren Ileums. Arch Klin Chir 177:638–650

    Ginzburg L. Letter to J. B. Kirsner, 30. April 1984 (3 Seiten), The Arthur A. Aufses Jr. MD Archives, Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York. [Die Kopie des Briefes verdanke ich Barbara Niss und Nicholas Webb, The Arthur A. Aufses Jr. MD Archives]

    Ginzburg L (1974) The road to regional enteritis. Mt Sinai J Med 41:272–275PubMed

    Ginzburg L (1986) Regional enteritis: historical perspective (B. Crohn and L. Ginzburg). Gastroenterology 90(5 Pt 1):1310–1311PubMed

    Ginzburg L, Oppenheimer GD (1933) Non-specific granulomata of the intestine, inflammatory tumors and strictures of the bowel. Ann Surg 90:1046–1062

    Goldstein HI (1948) The history of regional enteritis (Saunders-Abercrombie-Crohn’s) ileitis. In: Kagan SR (Hrsg) Victor Robinson memorial volume, essays on history of medicine. Froben Press, New York, S 99–104

    Greenstein AJ, Janowitz HD, Sachar DB (1976) The extraintestinal complications of Crohn’s disease and ulcerative colitis: a study of 700 patients. Medicine 55:401–412

    Hale-White W (1888) On simple ulcerative colitis and other intestinal ulcers. Guy’s Hosp Rep 45:131–162

    Harris F, Bell G, Brunn H (1933) Chronic cicatrizing regional ileitis (Crohn). Surg Gynaecol Obstet 57:637–645

    Heaton LD, Ravdin IS, Blades B, Whelan TJ (1964) President Eisenhower’s operation for regional enteritis: a footnote to history. Ann Surg 159:661–666PubMedPubMedCentral

    Henning N, Demling L (1958) Die Ileitis regionalis (Crohn’s disease). In: Heilmeyer L, Schoen R, Glanzmann E, de Rudder B (Hrsg) Ergebnisse der Inneren Medizin und Kinderheilkunde, Neue Folge, Bd 10. Springer, Berlin, S 2–51

    Janowitz HD (2000) Inflammatory bowel disease after 1932. Mt Sinai J Med 67:190–197PubMed

    Janowitz HD, Lindner AE, Marshak RH (1965) Granulomatous colitis. J Am Med Assoc 191:121–124

    Kirsner JB (1984) Crohn’s disease. J Am Med Assoc 251:80–81

    Kirsner JB (2001) Origins and directions of inflammatory bowel disease. Early studies of the „nonspecific" inflammatory bowel disease. Kluwer Academic Publishers, Dordrecht, S 13–101

    Kock NG (1969) Intraabdominal „reservoir in patients with permanent ileostomy. Preliminary oberservations on a procedure resulting in fecal „continence in five ileostomy patients. Arch Surg 99:223–231

    Lesniowski A (1903) Przyczynek do chirurgii kiszek (Beitrag zu Darmoperationen). Medycyna (Warschau) 31:460–464, 483–489, 514–518 [zitiert nach Lichtarowicz und Mayberry 1988]

    Levine J (1989) Where was Crohns colitis in 1932? J Clin Gastroenterol 11:187–192PubMed

    Lichtarowicz AM, Mayberry JF (1988) Antoni Leśniowski and his contribution to regional enteritis (Crohn’s disease). J R Soc Med 81:468–470PubMedPubMedCentral

    Lockhart-Mummery JP (1907) The causes of colitis: with special reference to its surgical treatment, with an account of 36 cases. Lancet 1:1638–1644

    Lockhart-Mummery HE, Morson BC (1960) Crohn’s disease (regional enteritis) of the large intestine and its distinction from ulcerative colitis. Gut 1:87–105PubMedPubMedCentral

    Margolin ML, Krumholz MP, Fochios SE, Korelitz BI (1988) Clinical trials in ulcerative colitis: II. Historical review. Am J Gastroenterol 83:227–243PubMed

    Martini GA (1991) Zur Geschichte der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa und Morbus Crohn). Internist 32:505–510PubMed

    Mayo-Robson AW (1893) Case of colitis with ulceration. Treated by inguinal colostomy and local treatment of the ulcerated surface with subsequent closure of the artificial anus. Trans Clin Soc London 26:213–215

    Moschcowitz E, Wilensky AO (1923) Nonspecific granulomata of the intestine. Am J Med Sci 166:48–66

    Mulder DJ, Noble AJ, Justinich CJ, Duffin JM (2014) A tale of two diseases: the history of inflammatory bowel disease. J Crohns Colitis 8:341–348PubMed

    Murray CD (1930) Psychogenic factors in the etiology of ulcerative colitis and bloody diarrhea. Am J Sci 180:239–243

    Myren J (1986) Inflammatory bowel disease – a historical perspective. In: De Dombal FM, Myren J, Bouchier IAD, Watkinson G (Hrsg) Inflammatory bowel disease. Some international data and reflections. University Press, New York, S 7–28

    Parc YR, Radice E, Dozois RR (1999) Surgery for ulcerative colitis: historical perspective. A century of surgical innovations and refinements. Dis Colon Rectum 42:299–306PubMed

    Parks AG, Nicholls RJ (1978) Proctocolectomy without ileostomy for ulcerative colitis. Brit Med J 2:85–88PubMed

    Rogler G (2013) The history and philosophy of inflammatory bowel disease. Dig Dis 31:270–277PubMed

    Rosenheim T (1908) Ueber Colitis ulcerosa gravis. Dtsch Med Wochenschr 34:265–270, 322–326

    Rosenthal S (2001) To make a difference: the founding of the Crohn’s and Colitis Foundation of America. Mt Sinai J Med 68:113–116PubMed

    Schmidt A (1916) Die schweren entzündlichen Erkrankungen des Dickdarms (Colitis suppurativa exulcerans), Vhdlg der ersten Tagung über Verdauungs- u. Stoffwechselkrankheiten, Bad Homburg 1914. Verlag von Samuel Karger, Berlin, S 10–28

    Shapiro R (1939) Regional enteritis. A summary of the literature. Am J Med Sci 198:269–292

    Sloan WP, Bargen JA, Gage RP (1950) Life histories of patients with chronic ulcerative colitis: a review of 2000 cases. Gastroenterology 16:25–38PubMed

    Stange EF (2013) Chronisch entzündliche Darmerkrankungen – die letzten 50 Jahre. Z Gastroenterol 51:371–377PubMed

    Stierlin E (1912) Zur Röntgendiagnostik der Colitis ulcerosa. Z klin Med 75:486–493

    Strauß H (1903) Zur Methodik der Rectoskopie. Berl Klin Wochenschr 40:1100–1104

    Strauß H (1923) Ueber Kolitis-Probleme. Dtsch Med Wochenschr 49:568–570

    Svartz N (1942) Salazopyrin, a new sulfanilamide preparation. A. Therapeutic results in rheumatic polyarthritis. B. Therapeutic results in ulcerative colitis. C. Toxic manifestations in treatment with sulfanilamide preparations. Acta Med Scand 10:577–598

    Tietze A (1920) Über entzündliche Dickdarmgeschwülste. Ergeb Chir Orthop 12:211–273

    Truelove SC, Witts LJ (1955) Cortisone in ulcerative colitis. Final report on a therapeutic trial. BMJ 2:1041–1048PubMed

    Wilks S (1859) Morbid apperances in the intestines of Miss Bankes. Medical Times and Gazette London 10:264–265

    Wilks S, Moxon W (1875) Lectures on Pathological Anatomy, 2. Aufl. Lindsay and Blakiston, London, S 408 (zitiert nach Kirsne)

    Zweig W (1908) Über die Colitis ulcerosa chronica. Arch f Verdauungskr 14:284–298

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    J. C. Hoffmann et al. (Hrsg.)Chronisch-entzündliche Darmerkrankungenhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-59104-8_2

    2. Epidemiologie der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

    Antje Timmer¹  

    (1)

    Department für Versorgungsforschung, Fakultät VI, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Oldenburg, Deutschland

    Antje Timmer

    Email: antje.timmer@uni-oldenburg.de

    2.1 Einleitung

    2.2 Häufigkeit der CED

    2.2.1 Inzidenz der CED in Europa – historische Entwicklung und heutiges Bild

    2.2.2 Inzidenz der CED in Deutschland

    2.2.3 Inzidenz der CED in außereuropäischen Ländern

    2.2.4 Prävalenz der CED, Burden of Disease

    2.2.5 Geschlechts- und altersspezifische Unterschiede in der Inzidenz der CED

    2.2.6 Besonderheit der Epidemiologie der CED im Kindesalter

    2.2.7 Häufigkeit der CED im höheren Lebensalter

    2.3 Risikofaktoren bei CED

    2.3.1 Ethnische Zugehörigkeit

    2.3.2 Stadt-Land-Gefälle

    2.3.3 Diätfaktoren

    2.3.4 Kindheitsfaktoren, Hygienehypothese, Stillen

    2.3.5 Rauchen und weitere Lebensstilfaktoren

    2.3.6 Orale Kontrazeption, Menarche, Parität

    2.3.7 Berufliche Risikofaktoren und sozioökonomischer Status

    2.3.8 Psychische Faktoren

    2.3.9 Umwelt und Schadstoffbelastung

    2.4 Natürlicher Verlauf und Prognose

    2.4.1 Mortalität und Todesursachen

    2.4.2 Krankheitsaktivität, Operationsraten, Krebsrisiko

    2.4.3 Soziale und ökonomische Folgen

    2.5 Prognostische Faktoren

    Literatur

    2.1 Einleitung

    Epidemiologie befasst sich zum einen mit der Häufigkeit von Erkrankungen, zum anderen mit der Identifikation von Faktoren, die mit dem Erkrankungsrisiko in Zusammenhang stehen. Bei Erkrankungen mit unklarer Ätiologie, zu denen die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) weiterhin zu zählen sind, sollen epidemiologischen Studien v. a. hilfreiche Anhaltspunkte zu möglichen kausalen Faktoren liefern. Epidemiologische Daten bilden zudem die Grundlage für Versorgungsforschung und -planung, aber auch für die Optimierung klinischer Studien. So ist die Identifikation prognostisch relevanter Subgruppen von großer Bedeutung für eine möglichst wirksame und sichere Behandlung und Versorgung.

    In den letzten Jahren haben Fortschritte in der Digitalisierung und im Umgang mit großen Datensätzen die Möglichkeiten und das Interesse am Aufbau von klinischen Registern, aber auch an der Nutzung administrativer Datenbanken zu Forschungszwecken verbessert. Darüber hinaus beinhalten mehrere große epidemiologische Kohorten initial gesunder Personen inzwischen auch relevante Fallzahlen neuerkrankter CED-Betroffener, sodass neuerdings zunehmend Analysen auf der Basis prospektiv erfasster Daten möglich werden. Und letztendlich holen mit der zunehmenden Industrialisierung und der Globalisierung u. a. westlicher Lebensstilfaktoren Länder, in denen CED zuvor kaum eine Rolle spielten, hinsichtlich der Bedeutung von CED in Forschung und Versorgung rasch auf.

    Somit besteht derzeit eine ausgeprägte Renaissance epidemiologischer Forschung zu CED, wenn auch vielfach noch vorwiegend replizierend. Wechselwirkungen von Umwelt, Mikrobiom und Genetik rücken in den Vordergrund wissenschaftlichen Interesses und könnten in den nächsten Jahren zu relevanten neuen Erkenntnissen führen.

    2.2 Häufigkeit der CED

    2.2.1 Inzidenz der CED in Europa – historische Entwicklung und heutiges Bild

    Über mehrere Jahrzehnte stammten Studien zur Epidemiologie der CED v. a. aus Nordeuropa und Großbritannien. 1992 hatte eine Gruppe aus Kopenhagen auf der Basis prospektiver Erhebungen eine Versechsfachung der Inzidenz des Morbus Crohn über 20 Jahre berichtet (Munkholm et al. 1992). Auch die Colitis ulcerosa war häufiger geworden, wenn auch weniger auffällig (Langholz et al. 1991). Diese Beobachtungen triggerten eine erhebliche Forschungsaktivität an vergleichbaren Inzidenzerhebungen, die in Variationen im Prinzip bis heute anhält, sich jedoch geografisch verschoben hat. Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2012 identifizierte alleine für Europa 159 separate Inzidenzerhebungen seit 1950; in der Aktualisierung wurden für die Jahre 1990–2016 88 solche Studien für Europa gezählt, exkl. rein pädiatrischer Kohorten (Molodecky et al. 2012; Ng et al. 2018b). Zeitliche Verläufe über mindestens 5 Jahre sind in mindestens 30 Studien zu Morbus Crohn und 28 zu Colitis ulcerosa berichtet. Eine willkürliche Auswahl ist in Abb. 2.1 wiedergegeben.

    ../images/464887_3_De_2_Chapter/464887_3_De_2_Fig1_HTML.png

    Abb. 2.1

    Inzidenz des Morbus Crohn in Europa: zeitliche Trends

    Als Muster zeigt sich für den Morbus Crohn ein erheblicher, in westlichen Zentren weitgehend parallel verlaufender Inzidenzanstieg seit den Nachkriegsjahren bis in die 1970er- und frühen 1980er-Jahre. Bei der Colitis ulcerosa ist das Bild variabler. Wegen der häufig milderen Verläufe ist die Vergleichbarkeit stärker eingeschränkt, da die Vollständigkeit der Erhebungen erheblich variieren dürfte. Im Wesentlichen hat es jedoch ebenfalls einen deutlichen Anstieg im 20. Jahrhundert gegeben. Es gibt einige Hinweise, dass der Anstieg der Colitis ulcerosa dem des Morbus Crohn vorausgegangen ist. Seit etwa 1990 scheint es in Nord- und Westeuropa teils zu einer Stabilisierung der Häufigkeitskurve gekommen zu sein, während in anderen, zuvor wenig vertretenen Ländern aus Süd- und Osteuropa ein Anstieg später begann und teils noch anhält. Als Beispiel sind Daten zum Morbus Crohn aus Ungarn und Griechenland in die Grafik eingetragen (Abb. 2.1).

    Es gibt mehrere große Kollaborationsprojekte, die durch ein gemeinsames Studienprotokoll einen besseren internationalen Vergleich ermöglichen sollten. Da diese Projekte als sog. Inzeptionskohorten die Grundlage für Erhebungen zu Langzeitverläufen in unselektionierten CED-Gruppen darstellen, sind sie auch darüber hinaus von fortgesetztem Belang für die Klärung klinisch-epidemiologischer Fragestellungen. In die European Collaborative Study on Inflammatory Bowel Disease (EC-IBD-Studie) wurden 2 Jahre lang ab 1991 in 20 Studienzentren zeitgleich bevölkerungsbezogen insgesamt 2201 erwachsene Neuerkrankte aufgenommen (Shivananda et al. 1996). Ein aktueller Nachfolger ist die EpiCom-Kohorte des Epidemiologischen Kommittees der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO).

    Die vermuteten Unterschiede zwischen Nordwest- und Südeuropa erwiesen sich bereits in der EC-IBD-Studie als weniger ausgeprägt als erwartet. Inzwischen wird eher ein West-Ost-Gefälle beschrieben: Auf der Basis der EpiCom-Kohorte schien die Inzidenz in Westeuropa zunächst etwa doppelt so hoch wie in Osteuropa, steigt aber weiterhin an und gleicht sich dabei langsam aus (Vegh et al. 2017). Dass sich im Osten mehr komplizierte Verläufe finden, spricht für die Untererfassung milderer Fälle als (Mit-) Ursache des Gefälles. Denn leider sind solche kurzzeitigen Erhebungen trotz allen Aufwands nur eingeschränkt verwertbar, da es in der Anfangsphase von Registern sowohl zur Übererfassung durch erhöhte Aufmerksamkeit und verstärkte Diagnostik als auch zu einer Untererfassung bei noch nicht eingespielten Meldemechanismen kommen kann. Daher sollte die Interpretation der Ergebnisse zurückhaltend erfolgen.

    Daten zur Häufigkeit sind, begleitend zu aktuellen Metaanalysen in interaktiven Karten auf Länderebene online abrufbar (Kaplan 2018). Gepoolte Daten sind aufgrund der erheblichen Heterogenität nicht verfügbar. Es wurden stattdessen auf der Basis aller weltweit verfügbaren Inzidenzangaben Quintile berechnet, um einzelne Länder als Hoch-, Mittel- bzw. Niedriginzidenzland einstufen zu können. Als Beispiel sind die Karten zur Inzidenz in Europa in Abb. 2.2 dargestellt.

    ../images/464887_3_De_2_Chapter/464887_3_De_2_Fig2_HTML.png

    Abb. 2.2

    Inzidenz der CED in Europa

    Nach dieser Darstellung sind inzwischen fast alle europäischen Länder im Bereich der Hoch- bzw. oberen Mittelinzidenzländer anzusiedeln, ohne dass noch klare Unterschiede nach Breiten- oder Längengraden innerhalb des Kontinents erkennbar wären (Abb. 2.2). Nur aus dem Baltikum, Bulgarien und Moldawien wurden niedrige Häufigkeiten berichtet. In der Zusammenschau wird deutlich, dass gerade in den zuvor sehr aktiven Zentren aus dem Norden und Nordwesten Europas zuletzt relativ selten nachhaltige primäre Inzidenzerhebungen mehr durchgeführt werden; wenige Daten zum Zeitverlauf in diesen Regionen sind jünger als 20 Jahre. Eine Ausnahme ist die Süd-Limburg-Kohorte, die zuletzt einen eindrucksvollen, bis jetzt nicht ausreichend geklärten und im internationalen Vergleich herausstechenden Anstieg der Häufigkeit zeigte (van den Heuvel et al. 2017).

    Vielmehr wird inzwischen mehr auf der Basis großer Register und administrativer Datenbanken geforscht. Ein Survey der EpiCom aus dem Jahr 2016 ergab, dass in 19 europäischen Ländern CED-Register geführt werden, 15 davon mit Biobank (Gordon und Langholz 2017). In diesen Registern sind üblicherweise Patienten aus spezialisierter Versorgung überrepräsentiert, sie sind somit weder repräsentativ noch ermöglichen sie die Bestimmung der Erkrankungshäufigkeit. Dennoch scheinen sie aufgrund des Routinekontextes, der üblicherweise informativen, verfügbaren klinischen Daten, teils inkl. Biomaterial, und der längerfristigen Aufstellung auf Dauer den aufwendigen Inzeptionskohorten in vielerlei Hinsicht überlegen, zumal wenn im Verlauf eine vollständigere Erfassung aller Fälle möglich wird, sodass sie diese, gemeinsam mit Analysen aus administrativen Datenbanken, auf Dauer ersetzen dürften. Als Beispiel verfügt die Schweiz mit der Swiss IBD Cohort über eines der derzeit produktivsten, nationalen, epidemiologischen Großprojekte im Bereich der CED, ohne jemals Inzidenzdaten bestimmt zu haben (Braegger et al. 2011). Auch in Deutschland wird seit kurzem ein nationales Register aufgebaut (https://​www.​ced-langzeitregister​.​de).

    Gleichzeitig nehmen Angaben aus administrativen Datenbanken zu. Dass diese besondere Sorgfalt in der Falldefinition gerade in Bezug auf Inzidenzbestimmung benötigen, wird eindrücklich an landesweiten dänischen Abrechnungsdaten gezeigt: Wurde bereits bei einmaliger Kodierung als MC ein Fall angenommen, lag die Inzidenz doppelt so hoch wie bei einer Definition, die mindestens 4 Nennungen erforderte (Abb. 2.3; Lophaven et al. 2017). Damit ist, mangels direkter Validierung, immer noch nicht ausgeschlossen, dass es sich auch bei 4 Nennungen noch um eine lediglich mitgeführte Fehlkodierung handelt, dass schon länger Erkrankte mit seltenen Arztbesuchen als Neuerkrankte fehlklassifiziert werden oder dass relevante Anteile von Fällen nicht erfasst sind.

    ../images/464887_3_De_2_Chapter/464887_3_De_2_Fig3_HTML.png

    Abb. 2.3

    Inzidenz des Morbus Crohn weltweit: zeitliche Trends seit 1990

    2.2.2 Inzidenz der CED in Deutschland

    Angaben zur Häufigkeit der CED in Deutschland sind in Tab. 2.1 aufgeführt (Brandes und Lorenz-Meyer 1983; Daiss et al. 1989; Löffler und Glados 1993; Ott et al. 2008). Danach lag die Inzidenz des Morbus Crohn zuletzt bei 6,6/10⁵ Einwohner pro Jahr, die der Colitis ulcerosa ohne Proktitis bei 3,9/10⁵. Die Angabe für Morbus Crohn entspricht der erwarteten Rate im oberen Mittelfeld international verfügbarer Inzidenzangaben. Die der Colitis ulcerosa erscheint dagegen sehr niedrig. Zu berücksichtigen ist der Ausschluss der nicht zuverlässig erfassbaren Proktitiden, die in anderen Datensätzen bis zu 50 % der Gesamt-CU-Fälle ausmachen. Damit wäre die Inzidenz der CU auf 5,5–5,9/10⁵ Einwohner pro Jahr zu korrigieren und läge hiermit weiterhin unter der des Morbus Crohn. Dies überrascht zunächst. Eine genauere Betrachtung der Literatur zeigt allerdings, dass diese Konstellation durchaus häufiger beschrieben wurde, so etwa aus holländischen, belgischen, französischen, kanadischen, neuseeländischen und US-amerikanischen Zentren.

    Tab. 2.1

    Inzidenz- und Prävalenzangaben für deutsche Regionen (Neuerkrankungen/10⁵ Einwohner/Jahr)

    Anmerkungen: Bei Colitis ulcerosa sind Proktitiden teils nicht berücksichtigt (Essen/Mühlheim), teils untererfasst, teils gibt es dazu keine Angabe (Tübingen). Für die vergleichende Analyse aus Essen/Mühlheim wurde eine Subgruppe der Ruhrgebietsdaten neu aufbereitet

    Aufschlussreich ist dazu ein Vergleich von Mortalitätsstatistiken (Sonnenberg 2007). Zwar kann bei einer nur in Ausnahmefällen fatalen Erkrankung von der Mortalität nicht direkt auf die Inzidenz der Erkrankung geschlossen werden. Doch dürfte in einer über 15 Jahre jeweils landesweit ausgewerteten Statistik eine relative Robustheit und Proportionalität des Anteils fataler Verläufe an der Gesamtprävalenz zu erwarten sein, zumal es sich bei allen dargestellten Ländern um Regionen mit stabilen westlichen Versorgungsstandards handelt. In Abb. 2.4 zeigt sich, dass es sich bei der deutlichen Dominanz der Colitis ulcerosa in westlichen Ländern um eine weitgehend auf Skandinavien beschränkte Besonderheit handelt. In den „aufholenden" Ländern (Mittelmeer, Asien, Osteuropa) findet sich teilweise ebenfalls ein Überwiegen der Colitis ulcerosa, wenn auch auf niedrigem Niveau. In den übrigen Ländern dagegen ist die Verteilung wechselnd oder ausgeglichen. Somit darf man davon ausgehen, dass ein etwa 1:1 Verhältnis der beiden wichtigen CED für Deutschland nach Kontrolle für unterdiagnostizierte Proktitiden (Anteil 30–50 %) zumindest zeitweilig durchaus plausibel und glaubwürdig war. Nach aktuelleren Zahlen (2014) lag die Anzahl an Sterbefällen durch Colitis ulcerosa nun sogar deutlich unter der an Morbus Crohn, wobei ursächliche Bezüge zur Änderung der Therapiemodalitäten, aber auch noch zufällige Schwankungen bei lediglich einjähriger Erhebung denkbar sind (Lange et al. 2018).

    ../images/464887_3_De_2_Chapter/464887_3_De_2_Fig4_HTML.png

    Abb. 2.4

    CED-bezogene Mortalität

    2.2.3 Inzidenz der CED in außereuropäischen Ländern

    Inzidenzerhebungen aus Nordamerika stammen fast ausnahmslos aus Kanada, da bevölkerungsbezogene Erhebungen in den USA aufgrund fehlender Bevölkerungsstatistiken und des weitgehend privatisierten Gesundheitssystems schwierig durchführbar sind. Der US-amerikanische Ausnahmefall ist die Olmsted-Kohorte, die initiiert von Forschern der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, seit vielen Jahrzehnten Grundlage zahlreicher epidemiologisch fundierter Publikationen ist und auch zur Inzidenz über viele Jahrzehnte Daten liefert (Abb. 2.3; Shivashankar et al. 2017). Andere Studien aus den USA basieren dagegen meist auf Abrechnungsstatistiken großer Managed Care Organisationen, die nur jeweils einen Teil einer Bevölkerung abdecken, oder sich auch nur auf Krankenhausaufenthalte beziehen, sodass zuverlässige Inzidenzstudien aus den USA weiterhin selten sind (Molodecky et al. 2012; Ng et al. 2018b). Zusammengefasst liegt die Inzidenz in den USA mit Raten zwischen 6,3–13,9/10⁵ Einwohner pro Jahr (Morbus Crohn) und 8,8–15,1/10⁵ (Colitis ulcerosa) im üblichen bis höheren Bereich westlicher Industrienationen der 1990er- bis 2010er-Jahre (Ng et al. 2018b). Basierend auf den Olmsted-Daten, jeweils gemittelt pro Dekade zeigte sich dabei ein Nettoanstieg des Morbus Crohn von 6,9/10⁵ (5,1–8,8) in den Jahren 1970–1980 auf 10,7/10⁵ (9,1–12,3) für die Jahre 2000–2010 (Abb. 2.3; Shivashankar et al. 2017). Die vergleichbaren Werte lagen bei 9,2–12,2/10⁵ für die Colitis ulcerosa. Eine sorgfältige US-amerikanische Analyse auf der Basis des gut validierten National Inpatients Sample (NIS) ergab eine im Süden gegenüber dem Nordosten deutlich geringere Häufigkeit von CED-bedingten Krankenhausaufenthalten. Die Häufigkeit war insgesamt im amerikanischen Westen am seltensten (Nguyen et al. 2007b). Inwieweit z. B. die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung diese Unterschiede erklärt, war nicht Gegenstand der Analyse. Es bestehen Bedenken bezüglich der Chancengleichheit medizinischer Versorgung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen, die die Interpretierbarkeit der Daten zusätzlich einschränken, ganz abgesehen von der sozialpolitischen Dimension solcher Befunde.

    In Kanada ermöglicht die umfassende auf Provinzebene staatlich geregelte Gesundheitsversorgung bevölkerungsbasierte Erhebungen auf Basis von Abrechnungsdaten, die allerdings hinsichtlich der Validierung der Zahlen von unterschiedlicher Güte sind (Bernstein et al. 2006). So war die Inzidenz in der atlantischen Provinz Nova Scotia z. B. mehr als doppelt so hoch wie in der westlichsten Provinz British Columbia (20,2/10⁵ vs. 8,8/10⁵). Auch aus Quebec wurden besonders hohe Inzidenzen berichtet, sodass hier wie in den USA ein Ost-West-Gefälle, bzw. Nordost-Südwest-Gefälle offensichtlich erscheint. Die Daten aus Nova Scotia und Quebec gehören neben denjenigen von den Färöer-Inseln, den Niederlanden und Finnland zu den weltweit höchsten (Ng et al. 2018b).

    In Ländern außerhalb Europas und Nordamerikas treten CED offensichtlich sehr viel seltener auf, steigen jedoch insbesondere in verschiedenen Ländern Asiens zurzeit deutlich an (Ng et al. 2018b). Aus dieser Weltregion wird zurzeit sehr aktiv zum Thema publiziert, Hinweise auf eine drohende CED-Pandemie („global epidemic") speisen sich v. a. aus dem Inzidenzanstieg in China und Indien mit ihren großen Gesamtbevölkerungen (Ng 2015). So weit ist es allerdings noch nicht, sämtliche berichtenden Länder sind weiterhin den Niedriginzidenzregionen zuzuordnen. In China liegt die aktuelle Inzidenz bei 3,3/10⁵, was zwar relativ hoch ist für asiatische Länder gerade im Bereich Ostasien, jedoch in etwa den Angaben aus dem Europa der 1970er-Jahre entspricht. Zur Verdeutlichung der Größenordnungen sind Daten aus verschiedenen Weltregionen in einer gemeinsamen Trendgrafik dargestellt (Abb. 2.3).

    Seit einigen Jahren gibt es ein multinationales asiatisches Register (ACCESS). Mit einer Bezugspopulation von 117 Mio. stellt dieses die bei weitem größte CED-Inzidenz-Erhebung weltweit dar. 2011 betrug die durchschnittliche Neuerkrankungsrate in den 8 teilnehmenden Staaten bzw. Enklaven 1,4/10⁵ (Ng et al. 2018a). Zum Vergleich: In den Niederlanden wurde zuletzt für CED eine Inzidenz von 46,1/10⁵ genannt (Lophaven et al. 2017; siehe auch Abb. 2.3). Angaben für die übergeordneten Regionen innerhalb Asiens sind in Tab. 2.2 dargestellt. Erwähnenswert ist auch die landesweite administrative Datenbank aus Taiwan, auf deren Basis neben pharmakoepidemiologischen Analysen auch Daten zur Häufigkeit der CED entstehen (Kuo et al. 2015).

    Tab. 2.2

    Gepoolte Inzidenzen für Regionen in Asien und Ozeanien (ACCESS-Register, 2011), Neuerkrankungen je 10⁵ Einwohner je Jahr

    Die wenigen Inzidenzangaben aus Australien und Neuseeland weisen diese Länder wie Kanada, USA und westeuropäische Länder als Hochinzidenzregion aus. Australien ist dabei sowohl in Studien der ECCO (zweite EpiCom-Kohorte 2011), als auch im Studienverband der asiatischen Länder, ACCESS, vertreten (Ng et al. 2013; Vegh et al. 2014). Aus Ländern Afrikas und Südamerikas, aber auch aus dem arabischen Raum sind Angaben weiterhin sehr selten. Alle bis 2016 verfügbaren Studien sind in interaktiven Landkarten online einsehbar (Kaplan 2018).

    2.2.4 Prävalenz der CED, Burden of Disease

    Die Prävalenz als Anteil Erkrankter an der Gesamtbevölkerung ist eine wichtige Kennzahl in der Versorgungsforschung und -planung und von direktem Einfluss auf die Kosten einer Erkrankung innerhalb des Gesundheitssystems. Während Inzidenzangaben die Voraussetzung sind, um Trends nach Zeit und Ort zu beobachten, sind Prävalenzangaben diesbezüglich weniger aussagefähig, da auf diese Größe nicht nur die Häufigkeit von Neuerkrankungen sondern auch die Krankheitsdauer einwirkt. Noch weiter geht das Konzept verlorener gesunder Lebenszeit (DALYs, „disability adjusted life years"). Hier kommt besonders zum Tragen, dass Erkrankungen wie die CED relativ früh beginnen und mit erheblicher Morbidität einhergehen, sodass sie trotz relativer Seltenheit von erheblicher Relevanz auch auf der Ebene des Gemeinwesens sind.

    Typisch für die CED ist das Potenzial für lange Remissionsphasen, in denen Facharztbesuche, spezifische Therapie und Diagnostik möglicherweise auch über Jahre nicht in Anspruch genommen werden. Diese Situation macht kurzzeitige Prävalenzerhebungen anfällig für Untererfassung, v. a., wenn nur bestimmte Sektoren der Versorgung in die Studien eingeschlossen werden. Demgegenüber kommt es bei Angaben auf der Basis von Abrechnungsdaten, die inzwischen der gängige Studientyp für Prävalenzberechnungen sind, zudem zu Überschätzungen durch unzureichende Zuverlässigkeit der Erkrankungskodierung. Wo überhaupt vorhanden, werden positive prädiktive Werte (PPW) von ungefähr 70 % für ICD-Code basierte Fallalgorithmen angegeben (Friedman et al. 2018). Das würde bedeuten, dass hinter etwa einem Drittel aller ICD-Diagnosen für MC oder CU keine CED steckt. Allerdings sind PPW datenbankspezifisch, da sich Güte und Umfang der vorhandenen Informationen erheblich unterscheiden können und die PPW zudem von der Häufigkeit der Erkrankung in der zugrundeliegenden Bevölkerung abhängt. Für viele Datenbanken liegen keine Details zur Validität der Angaben, z. B. durch Überprüfung anhand klinischer Angaben vor.

    Aufgrund dieser Einschränkungen gibt es zur Prävalenz der CED weiterhin kaum belastbare Angaben. In der systematischen Übersicht von 2018 wurden seit 1990 weltweit 69 Prävalenzstudien identifiziert mit erheblicher Variationsbreite (Kaplan 2018; Ng et al. 2018b). Eine Übersichtsarbeit der ECCO-EpiCom-Gruppe gibt alleine für Europa Prävalenzen für MC und CU jeweils zwischen <0,01 % und 0,3 % an. Insgesamt schätzt sie für Europa eine Prävalenz von derzeit 0,6 %, entsprechend etwa 2,5–3 Mio. Betroffener (Burisch et al. 2013). Nordamerikanische Daten liegen ebenfalls üblicherweise im Bereich 0,3–0,6 %, mit höheren Angaben für Kanada (Ng et al. 2018b). Selbstberichtete Angaben aus dem nationalen Gesundheitssurvey (NHIS), ohne ärztliche Absicherung, lagen deutlich darüber (Dahlhamer et al. 2016). Altersadjustiert hatten hiernach 1,2 % der über 30.000 der Befragten jemals eine CED-Diagnose erhalten, also 2- bis 3-mal so viele wie auf Studienbasis geschätzt. Auf die US-Gesamtbevölkerung hochgerechnet würde dies etwa 3 Mio. Betroffenen entsprechen.

    Deutsche Daten wurden zuletzt auf der Basis von Abrechnungsdaten der AOK Hessen für das Jahr 2012 berechnet und gehören zu den weltweit höchsten (Hein et al. 2014; Ng et al. 2018a). Es gibt allerdings keine Informationen zur Validität. Legt man die Daten aus der Oberpfalz mit einer Inzidenz von 6,6/10⁵ einem medianen Erkrankungsalter von 32,7 Jahren und einer damit im Durchschnitt verbleibenden Lebenserwartung für 30-Jährige von 51,4 Jahren zugrunde, lässt sich daraus eine Prävalenz von 0,3 % für M. Crohn schätzen, die ziemlich genau der der AOK-Daten entspricht (Hein et al. 2014). Die Angaben für Colitis ulcerosa divergieren stärker. Insgesamt dürfte damit die Prävalenz der CED in Deutschland bei derzeit ebenfalls etwa 0,5–0,7 % liegen. Zu berücksichtigen ist allerdings neben der fehlenden Validierung der Abrechnungsdaten, dass alle Schätzungen auf relativ geringen Zahlen aus kurzen Erhebungszeiträumen stammen. Auf der Basis der AOK-Daten wird im Weißbuch

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1