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Vertraue niemandem
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eBook272 Seiten

Vertraue niemandem

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Über dieses E-Book

Wurde Kanzlerin Ruth Stroth ermordet oder was es Selbstmord? Die Ermittlungen kommen kaum voran. Ihr persönlicher Bodyguard Frank gerät in Verdacht. Doch wo ist er? Er arbeitete für die Security-Firma TOP. Die hat ihre Finger überall drin. Sie konkurriert mit Geheimdiensten und erfüllt auch Aufträge der Mafia. Nachfolgerin Stroths wird die ehrgeizige Karin Hausner. Sie stellt mit ihren Entscheidungen die geopolitischen Verhältnisse auf den Kopf. Plötzlich taucht sie in Moskau auf und gibt das Ergebnis ihrer Verhandlungen mit den Staatschefs von Rußland und China bekannt: Deutschland wird Mitglied im euroasiatischen Verbund. Indessen wird ihrem ehemaligen Mann Hans Kolbe vom CIA die Akte Frank zugespielt. Alles manipuliert? Was beabsichtigt der US-Geheimdienst? Hans wird von TOP-Leuten entführt und gefoltert. Es geht um die Akte. Oder nicht? Er kann fliehen. Doch das war zu einfach. Was wollen TOP und CIA von ihm? Dann ist da noch Lisa. Sie ist Kellnerin im Promirestaurant "Inferno" und darauf spezialisiert, alles mitzuhören. Als Hans sie näher kennenlernt, entpuppt sie sich als Verwandlungskünstlerin. Oder ist sie eine Spionin? Vertraue niemandem!
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum12. Feb. 2015
ISBN9783737531795
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    Buchvorschau

    Vertraue niemandem - Horst Buchwald

    Impressum

    © Februar 2015

    Horst Buchwald

    Wilhelmshavener Str. 57

    10551 Berlin

    Tel: 030 915 51 229

    Mail: hobuchwald@web.de

    ISBN: 978-3-7375-3179-5

    Über das Buch

    Wurde Kanzlerin Ruth Stroth ermordet oder was es Selbstmord? Die Ermittlungen kommen kaum voran. Ihr persönlicher Bodyguard Frank gerät in Verdacht. Doch wo ist er? Er arbeitete für die Security-Firma TOP. Die hat ihre Finger überall drin. Sie konkurriert mit Geheimdiensten und erfüllt auch Aufträge der Mafia. Nachfolgerin Stroths wird die ehrgeizige Karin Hausner. Sie stellt mit ihren Entscheidungen die geopolitischen Verhältnisse auf den Kopf. Plötzlich taucht sie in Moskau auf und gibt das Ergebnis ihrer Verhandlungen mit den Staatschefs von Rußland und China bekannt: Deutschland wird Mitglied im euroasiatischen Verbund. Indessen wird ihrem ehemaligen Mann Hans Kolbe vom CIA die Akte Frank zugespielt. Alles manipuliert? Was beabsichtigt der US-Geheimdienst? Hans wird von TOP-Leuten entführt und gefoltert. Es geht um die Akte. Oder nicht? Er kann fliehen. Doch das war zu einfach. Was wollen TOP und CIA von ihm? Dann ist da noch Lisa. Sie ist Kellnerin im Promirestaurant „Inferno" und darauf spezialisiert, alles mitzuhören. Als Hans sie näher kennenlernt, entpuppt sie sich als Verwandlungskünstlerin. Oder ist sie eine Spionin? Vertraue niemandem!

    Über den Autor

    Horst Buchwald ist Wirtschaftsjournalist und hat u.a. veröffentlicht in „Wirtschaftswoche, „Capital, „Focus, „Telebörse und zahlreichen Tageszeitungen wie „Tagesspiegel, „Berliner Zeitung und „Taz". Bevorzugte Themen waren Wirtschaftskriminalität, Immobilienspekulation, organisiertes Verbrechen sowie die IT-Branche. Er ist begeisterter Fotograf und Digitalpainter. Mehr dazu unter www.digitalwonder.de. Alles Weitere ergibt sich beim googeln.

    Eins

    Wir sind so gut wie nie auf eine plötzliche Wende im Leben vorbereitet. Manchmal ahnen wir etwas, doch wir nehmen es nicht ernst.

    Es begann mit einem Stau vor dem Großen Stern. Der Berliner Taxifahrer Hans Kolbe sah die Goldene Else im grellen Licht der Mittagssonne hoch oben vor sich. Er schätzte die Entfernung bis zum Kreisverkehr und wurde langsam sauer, denn der Stau würde ihn eine halbe Stunde kosten. Keine Kunden, vergeudete Zeit. Er schaltete das Radio an und wählte den Nachrichtensender „BerlinNews". Noch zwei Minuten bis zu den Tagesnachrichten. Er tippte auf das Display und startete eine DVD mit dem Vienna-Konzert des Bluesguitarristen Joe Bonamassa. Doch schon bald tippte er zurück zu den Tagesnachrichten.

    Die erste Meldung wirkte wie ein Auffahrunfall. Darauf war er nicht vorbereitet: „Bundeskanzlerin Ruth Schroth hat das Kabinett umgebildet. Neue Außenministerin ist jetzt Karin Hausner. Sie hatte zuvor das Bundeskanzleramt geleitet und zählte zu den engsten Vertrauten der Kanzlerin. Die Kanzlerin betonte, mit der Ernennung von Frau Hausner käme eine der profiliertesten Vertreterinnen der ‚Neue-Welt-Bewegung‘ an die Spitze des Ministeriums. Sie wies auf die hohen Verdienste hin, die sich Hausner zu den Fragen Sicherung des Weltfriedens, Klima- und Datenschutz erworben habe. Man könne sicher sein, daß von ihr in Zukunft entscheidende Impulse ausgehen werden."  

    Karin hatte es wieder mal geschafft. Noch ein Stück höher auf der Karriereleiter. Kolbe war nicht neidisch auf seine ehemalige Frau. Ihm war nur bewußt, daß sie mit diesem Ministerposten in einer schwierigen Phase der globalen Veränderungen eine enorme Verantwortung auf sich lud.

    Nachdem die Nachrichten beendet waren, beschrieb der Moderator die Weltlage in wenigen Sätzen und dann folgte ein Interview mit der neuen Außenministerin.

    Moderator: „Die alte Weltordnung, in der der Westen den Osten dominierte, gerät immer mehr aus den Fugen. Eurasien, mit China und Rußland an der Spitze – das wird immer klarer –, steigt unaufhaltsam zur stärksten Wirtschafts- und Militärmacht empor. Bei uns im Westen ist zwar viel von ‚Gegenangriff‘ die Rede, doch die Staats- und Regierungschefs können sich seit Jahren nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Kurze Pause: „Erste Frage an die neue Außenministerin: Sie waren einst führend in der Neue-Welt-Bewegung. Sie haben sich Verdienste zum Erhalt des Friedens in Europa erworben. Jetzt, als Außenministerin, stehen Sie vor anderen Herausforderungen – es wird nicht immer um Frieden gehen, sondern auch um Krieg. Was hat Sie veranlaßt, diesen Schleudersitz trotzdem zu übernehmen?

    Antwort: „Gerade meine langjährigen Erfahrungen in der Friedensbewegung in Deutschland, meine weitreichende Vernetzung mit friedliebenden Politikern in Europa und vielen anderen Ländern betrachte ich als ideale Basis, um diesem Ministerium eine neue, der gegenwärtigen Zeit und der Zukunft angemessene Rolle zu verschaffen."

    Frage: „Wie sollen deutsche Generäle und Soldaten nun die Welt sicherer machen und Frieden schaffen – mit gutem Zureden und ohne Waffen oder indem sie den Terroristen dieser Welt ihre Grenzen aufzeigen, und zwar mit Panzern, Flugzeugen und Raketen?"

    Antwort: „Kein deutscher Soldat muß seine Waffen jetzt einmotten. Wer den Frieden sichern will, muß notfalls auch bereit sein, diese Waffen einzusetzen – natürlich nur, wenn es um einen gerechten Krieg geht. Ich möchte gleich ein Beispiel nennen. Schon in den nächsten Tagen werde ich mit unserem Verteidigungsminister Hans Baumann und den zuständigen Generälen für die Region Afrika Gespräche über unsere Position zu den Problemen im Kongo führen. Es geht um die Sicherung des strategischen Rohstoffes Tantal. Nachdem sich Golden Security, das ist eine terroristische Eliteeinheit, die Förderung widerrechtlich angeeignet hat, manipuliert sie den Preis für das Edelmetall. Zugleich werden Oppositionelle im Kongo von diesen Terroristen abgeschlachtet. Es wird also darum gehen, nach Wegen zu suchen, wie wir im Kongo Recht und Gesetz und Frieden wieder herstellen und dafür sorgen können, daß der Rohstoff Tantal nicht zum Spielball einer Privatarmee wird."

    Frage: „Bedeutet das, Sie streben eine Intervention der Bundeswehr im Kongo an?"

    Antwort: „Wir werden die Verhältnisse sorgfältig analysieren und dann entscheiden."

    Hans war sofort alarmiert. Gerechte Kriege – gab es die? Nur in der Theorie, reale Beispiele fielen ihm nicht ein. Was hatte Karin vor? Kaum als Ministerin vereidigt, wollte sie schon Krieg führen. Das war Wasser auf die Mühlen der Expansionisten und jener Leute des Koalitionspartners Union, die einen offensiveren Kurs Deutschlands in der Außenpolitik, mehr Auslandseinsätze und überhaupt ein „stärkeres Deutschland" forderten. Natürlich verlangten sie auch viel mehr Geld für Rüstung. Zum Glück stellte sich die Kanzlerin diesen Leuten in den Weg – bisher.

    Ruth Schroth absolvierte jetzt ihre zweite Amtszeit in einer Großen Koalition und es wurde immer häufiger das Gerücht verbreitet, sie wolle ihr Amt vorzeitig aufgeben. Der Grund war, daß die letzten Wahlen für sie nur eine knappe Mehrheit gebracht hatten und sich in ihrer Partei – den Neuen Sozialdemokraten (NSD) – und auch bei den Bundestagsabgeordneten immer häufiger die Expansionisten durchzusetzen versuchten. Sie standen unter dem Einfluß der Rechtsnationalen in der Union. Für Hans war diese Partei keineswegs mehr christlich, sondern reaktionär. Die Unterschiede zu den extrem rechten Oppositionsparteien „Starkes Deutschland und „Vorwärts Deutschland, die noch nationalistischer, ausländer- und islamfeindlicher auftraten und die seit den letzten Wahlen in Teilen der Bevölkerung mit ihren Parolen immer beliebter wurden, waren nur noch minimal. Einige Experten schlossen nicht mehr aus, daß die Expansionisten und Rechtsnationalen in der Union sich einst mit den extremen Rechten zusammenschließen könnten und dann sogar eine Mehrheit erhalten würden. Wer auch immer regierte – es war einer der schwierigsten Jobs, den je ein Kanzler in Deutschland erledigen mußte.

    Die Ankündigung von Karin, im Kongo zu intervenieren, wird der Kanzlerin nicht gefallen – da war Hans sich sicher. Aber was hatte sich seine einstige Partnerin mit ihrer Ankündigung, sie könnte Truppen in den Kongo schicken, gedacht? Möglicherweise glaubte sie, damit die Rechtsnationalen in der Union neutralisieren zu können. „Welch eine Illusion!, sprudelte es aus ihm heraus. „Sie werden das nutzen, um noch frechere Forderungen zu stellen. Und wehe, wenn du nicht mitspielst. Dann spielen sie dich an die Wand. Er würde ihr das gern unter vier Augen sagen. Doch er hatte seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr. Jeden Versuch ihrerseits, mit ihm wieder ins Gespräch zu kommen, hatte er konsequent blockiert. Diesmal aber war es anders. Er würde ihr einen Brief schreiben.

    Zwei

    Karin las den Brief von Hans ein zweites Mal. Warum hatte sie ihn nicht verbrannt oder geschreddert? Weil seine „Visionen für eine bessere Welt Positionen enthielt, die sie selber im tiefsten Herzen vertrat. Doch die Regierungszentrale war eine andere Welt. Die reale Welt da draußen war weit weg. Hier herrschten andere Gesetze und Regeln. Eine davon war: „Du kannst deine echten Überzeugungen niemals 1:1 verwirklichen. Du mußt immer faule Kompromisse eingehen. Und die zweite Regel lautete: „Du mußt einen sehr langen Atem haben. Das alles konnte Hans nicht wissen. Aber wenn die Zeit reif war, würde sie ihm das erklären. Ihre Zeit war knapp, denn sie mußte sich auf ein Interview mit dem Magazin „Streitlust vorbereiten. Ihr Pressesprecher Konrad Bode hatte den Redakteuren begeistert zugesagt, sie aber erst gestern informiert. Sie war verstimmt, aber absagen wollte sie auch nicht, weil das negativ ausgelegt werden könnte. Ihr blieben noch eine Stunde und 15 Minuten für die Vorbereitung. Sie schrieb Hans eine kurze, verschlüsselte E-Mail und legte seinen Brief in ihren Safe.

    Ihr Handy klingelte, es war die Kanzlerin.

    „Hallo Karin, wir müssen dringend miteinander reden. Hast du eine halbe Stunde übrig?"

    „Was ist so dringend?"

    „Das kannst du dir doch denken – es geht um deine Ankündigung, wir sollten im Kongo intervenieren. Das war nicht abgesprochen. Wir müssen uns verständigen, bevor andere daraus einen Widerspruch zwischen uns konstruieren."

    „Aber ich bin jetzt ziemlich ausgelastet … In einer Stunde gebe ich ein Interview. Ich muß noch an einigen Formulierungen feilen."

    „Sie werden dich auf das Thema Kongo festnageln. Also wäre es doch sinnvoll, wenn wir uns eine gemeinsame Linie erarbeiten."

    Karin war sich bewußt, daß die Kanzlerin eine andere Strategie verfolgte. Während Ruth Stroth glaubte, man müsse den Rechtsnationalen nicht entgegenkommen, hielt Karin das für richtig. Sie wollte die Spannungen in der Koalition zwischen der NSD und den rechten Unionlern abbauen und damit verhindern, daß die Union die Koalition verließ und sich mit den extremen Rechten aus der Opposition zusammentat. Der Hinweis auf eine mögliche Intervention im Kongo war also auch ein Lockmittel. Faßte die Union es positiv auf, war das Weiterregieren einfacher. Was dann letztlich von ihr und der Kanzlerin entschieden wurde, war eine völlig andere Sache. Im Nachhinein konnten sie jede Entscheidung damit rechtfertigen, daß die Umstände nichts anderes zuließen. Danach konnte man erneut mit der Fahne „Kompromißbereitschaft" winken. Aber das jetzt mit der Kanzlerin zu diskutieren – dazu war die Zeit zu knapp. Also schlug Karin vor:

    „Ich glaube nicht, daß wir das in einer Viertelstunde erledigen können … wie wäre es, wenn du mir vertraust und wir reden hinterher?"

    Die Kanzlerin schwieg einige Sekunden, dann gab sie eine überraschende Antwort:

    „Du willst meine Position also schwächen … oder anders gesagt: mich herausfordern?"

    Jetzt war Karin perplex, doch sie antwortete rasch:

    „Auf keinen Fall, aber die Zeit drängt. Bisher habe ich dir noch nie geschadet oder einen falschen Rat gegeben. Warum kannst du mir nicht vertrauen?"

    „… Vertrauen schon, aber du kannst mir nichts vormachen. Mit der Entscheidung, daß wir – also Deutschland – in Afrika intervenieren, leitest du eine neue Strategie ein. Bevor wir uns dazu entschließen, sollten wir die Sache vom Ende her denken. Wir sollten wissen, wo uns diese neue Linie hinführt. Wo lauern mögliche Gefahren? Welche Kosten kommen auf uns zu? Wer ist für und wer ist gegen uns? Ich hoffe, du verstehst, daß dies ein ernsthaftes Thema ist. Falsch angepacktkann es negative Folgen für uns haben. Aber gut, ich lasse dich erst mal machen. Doch eine offizielle Zustimmung von mir wird es nicht geben, falls ich um ein Statement gebeten werde."

    Die Kanzlerin legte auf. Karin atmete tief durch. Hatte sie sich durchgesetzt? Ruth war ihre beste Freundin und Förderin. Aber sie hatte noch nie zugelassen, daß Karin ohne Abstimmung mit ihr wichtige Entscheidungen traf. Jetzt aber hatte sich alles verändert. Karin hatte ihr eigenes Ressort und in dieser Position mußte man Entscheidungen treffen. Wenn die Kanzlerin das als Herausforderung begriff, ja, dann offenbarte sie eine Seite ihrer Persönlichkeit, die Karin bisher nicht kannte.

    Karin glaubte, daß ihr Plan perfekt war. Sie wollte dem Morden von Golden Security ein Ende machen und dafür sorgen, daß diese Terrortruppe nicht länger die Preise für das strategische Metall Tantal manipulierte. Ihr war bewußt, daß die deutschen Unternehmen das begrüßen würden. Hörte das Abschlachten der Bevölkerung auf, würde sie auf der internationalen Bühne zusätzlich Lob ernten. Und weiter: Wenn die Rechtsnationalen in der Union durch diese Aktion ruhiggestellt wurden, weil sie glaubten, die neue Außenministerin sei auf ihrer Linie und dadurch das Weiterregieren einfacher würde, dann hatte sie ihr Ziel erreicht. Ob dies eine neue Militärstrategie bedeutete, war ihr egal.  

    Drei

    Hans saß in seiner Lieblingskneipe „Ganymed im Bahnhof Zoo. Er hatte sich ein Schinkenbrötchen und einen Kaffee bestellt und dachte nach. Er war enttäuscht. Karin hatte ihm nur ein paar Zeilen geschrieben. Sie freue sich, daß er sich gemeldet habe, aber die Zeit wäre knapp. Sie lasse von sich hören, sobald sie wieder durchatmen könne. Kein Wort zum Inhalt seiner „Visionen für einer bessere Welt.

    Sein Taxifahrerkollege James Baier klopfte ihm auf die Schulter und setzte sich zu ihm. „Na, mein Freund, du bist heute anders. Dich belastet irgendetwas. Wer hat dir den Kopf verdreht und dich dann hängen lassen? Etwa deine ehemalige Gattin?"

    Hans mußte grinsen. Baier hatte manchmal hellseherische Qualitäten. „Ja, du liegst nicht ganz falsch. Ich habe ihr einen ausführlichen Brief geschrieben. Du kennst ja meine ‚Visionen für eine bessere Welt‘ – von Karin keine Zeile dazu. Nur dies: keine Zeit."

    „Mensch Hans – vergiß das Weib. Die lebt in einer total anderen Welt. Die ist abgehoben. Uns versteht die gar nicht mehr."

    „Glaube ich nicht. Du übertreibst, wenn du behauptest, sie kann uns nicht mehr verstehen. Ich war fünf Jahre mit ihr verheiratet und die meiste Zeit haben wir uns sehr gut verstanden …"

    „Aber ihr seid schon seit zwei Jahren getrennt. Es ist viel passiert mit ihr. Da, wo diese Frau gelandet ist, herrscht ein anderer Wind – und der verändert die Menschen total."

    „Ich will dir nicht grundsätzlich widersprechen. Was mich an ihrer Reaktion stört, ist, daß bei ihr immer die Zeit knapp ist. Das erinnert mich an unsere erste Begegnung. Es war an jenem Tag, als die Neue-Welt-Bewegung in Berlin gegründet und wir beide in den Vorstand gewählt wurden. Karin ist ja vier Jahre jünger als ich und sie wollte von Köln nach Berlin ziehen, um hier Jura zu studieren. Ich schrieb damals an meiner Diplomarbeit im Fach Psychologie und hatte mich bei der Polizei um einen Job bemüht. Als ich ihr von meinen beruflichen Absichten erzählte, kommentierte sie das eiskalt mit den Worten: ‚Das paßt doch gar nicht zusammen – unsere Bewegung und die Bullen.‘ Ehrlich gesagt, im ersten Moment habe ich mich wegen dieser Abfuhr ziemlich schlecht gefühlt. Darum schlug ich ihr vor, wir sollten das unbedingt diskutieren. Ihre Antwort: ‚Keine Zeit.‘ Aber dann habe ich ihr erklärt, daß ich kein Bulle werde, sondern ein Spezialist für Konfliktlösungen, und da huschte über ihre Gesichtszüge plötzlich ein Lächeln … ‚Spezialist für Konfliktlösungen‘, wiederholte sie. Sie machte eine Pause und meinte dann mit Begeisterung in der Stimme: ‚Das klingt interessant. Davon will ich mehr wissen.‘ Das reichte mir. Also habe ich sie zum Essen eingeladen. Ihr gefiel ihr sehr, denn wir gingen ins ‚Bruno‘. Ich mußte meine gesamten Ersparnisse investieren. Aber das war der Abend aller Abende. Sie verwandelte sich in einen der liebenswürdigsten Menschen, den man sich vorstellen kann. Und ob du es glaubst oder nicht – über Konflikte und wie man sie löst, haben wir an diesem Abend kein Wort verloren."

    „Und wenn sie nicht gestorben wären, lebten sie heute noch. Blahh, blahh, blahhh. Wach auf Hans! Das war einmal. Jetzt ist sie nicht mehr so. Die ist Außenministerin! Und was bist du?"

    „Bitte, keine Häme. Es war eine tolle Zeit mit ihr. Davon verstehst du nichts."

    „Ich weiß, ich weiß. Du bist der Schuldige – ganz allein. Du hast einen Fehler gemacht und so weiter. Sie war nur lieb. Also – ich bin zwar kein Psychologe, aber meine Diagnose lautet: Du bist masochistisch. Schwer masochistisch."

    „Okay Herr Student der Psychologie: Was hat ein Masochist mit Schlagsahne gemeinsam?"

    James dachte nach. „Ein Witz soll das werden. Keine Ahnung."

    „Beides muss man steifschlagen!"

    James lachte dröhnend los.

    Eine halbe Stunde später fuhr Hans einen schweigsamen Gast zum Flughafen Schönefeld. Der ältere Herr hatte sich hinter einer Zeitung verschanzt und zeigte damit, daß er beschäftigt war. Obwohl Hans versuchte, auf andere Gedanken zu kommen, verfiel er in Gespräche mit Karin, und es liefen wieder und

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