Weben mit kleinem Rahmen: Techniken, Muster und Projekte für Anfänger
Von Fiona Daly
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Buchvorschau
Weben mit kleinem Rahmen - Fiona Daly
KAPITEL 1
WILLKOMMEN BEIM WEBEN
GESCHICHTE
Beim Weben wird der Stoff von Grund auf hergestellt. Viele Menschen sind mit dem Stricken vertraut, bei dem man mit zwei Nadeln ein langes Stück Garn durch Schlingen zu einer textilen Fläche verwandelt. Weben funktioniert ganz anders: Man arbeitet mit zwei getrennten Garnsystemen, die im rechten Winkel zueinander angeordnet sind und miteinander verkreuzt werden. Diese Garnsysteme nennt man im Fachjargon Fäden.
Die senkrechten, in Längsrichtung des Stoffes gespannten Fäden heißen Kettfäden, die waagrechten, in Querrichtung des Stoffes verlaufenden Fäden nennt man Schussfäden. Kurz: Kette und Schuss. Die einfachste und zugleich engste Verkreuzung von Kette und Schuss heißt Leinwandbindung. Dabei liegt der Kettfaden abwechselnd über und unter einem Schussfaden. In der ersten Reihe beginnt der Kettfaden über dem Schussfaden, in der zweiten Reihe darunter etc. Die Kettfäden müssen beim Weben straff sein, um ein gleichmäßiges Webbild zu erhalten. Um das zu erreichen, braucht man eine Vorrichtung oder ein Gerät – einen Webrahmen oder Webstuhl. Die Grundfunktion ist identisch, egal wie einfach oder komplex so ein Gerät ist: Es hält die Kettfäden unter Spannung. Je nach Webrahmen bzw. Webstuhl, Garn- und Bindungsarten kann das Weben ein sehr einfacher oder ein sehr komplexer Vorgang sein, mit dem man einfache oder komplexe Muster erstellen kann.
Kette und Schuss: Hier sehen Sie die einfachste Verkreuzung von Kette und Schuss – einmal oben, einmal unten -, die sogenannte Leinwandbindung.
So funktioniert das Weben: Diese Abbildung verdeutlicht alle wichtigen Begriffe, nämlich Kette, Schuss, Warenrand, Schussfaden und Gewebe. Mehr dazu im Glossar.
Das Weben ist die zweitälteste Form der Textilherstellung. In diesem Maschinenraum (ganz oben) im Boott Cotton Mills Museum in Lowell, USA, sieht es aus wie im späten 19. Jahrhundert.
Maschinelles Weben ist ein sehr komplexer Vorgang. Diese Schär- oder Zettelmaschine (oben) arbeitet mit acht verschiedenfarbigen Kettfäden gleichzeitig.
Das Weben ist die zweitälteste Form der Textilherstellung und geht schon fast 10 000 Jahre zurück. Der Vorgang des Webens selbst ist allerdings noch älter, denn der Mensch hat die Möglichkeit des Verbindens zweier Teile durch Verkreuzen schon gekannt, als er sich noch in Tierfelle kleidete. Damals arbeitete man mit Naturmaterialien wie Weidenruten und Grashalmen, die man in Runden verwob, um z. B. Körbe herzustellen. In der Guitarrero-Höhle in Peru fand man Körbe, die auf ca. 8000 v. Chr. datiert werden konnten.
Die Textilweberei entwickelte sich erst später, nachdem man gelernt hatte, Garne zu spinnen, die sich zu Geweben verarbeiten ließen, die weicher und feiner waren als alles, was man bisher kannte. So entstand der Wunsch nach einer Vorrichtung, die alle Kettfäden unter Spannung halten konnte und das Weben erleichterte. Man nimmt heute an, dass sich die Zivilisation in sechs verschiedenen Teilen der Welt unabhängig voneinander entwickelt hat. Und es ist wahrscheinlich, dass sich auch Webstühle unabhängig voneinander entwickelt haben.
Die Geschichte des Webens ist nicht komplett ohne einen Blick in das alte Peru. Das Studium peruanischer Textilien ist für moderne Weber faszinierend. Die Webkunst der Peruaner ist unübertroffen und seit Tausenden von Jahren entwickeln sie mit erstaunlicher Kreativität immer wieder neue Techniken. Daher verwundert es nicht, dass peruanische Textilien für Weber in der ganzen Welt ständig eine Quelle der Inspiration sind.
In Europa wurde Mitte des 18. Jh. die industrielle Revolution in Großbritannien durch Neuerungen in der Textilindustrie angestoßen, insbesondere durch die Weiterentwicklung von Webstühlen, Schnellschützen, Spinn- und Kardiermaschinen und nicht zuletzt durch die Erfindung der Webmaschine. Diese Neuerungen veränderten das Weben enorm und Maschinen ersetzten viele erfahrene Weber in den Textilfabriken.
Gewebt wird auf der ganzen Welt. In Indonesien werden Ikat-Webereien hergestellt, in Peru verwendet die Weberin verschiedenfarbige Alpakawolle.
Als Reaktion darauf versuchte William Morris in der Arts-and-Crafts-Bewegung diese handwerklichen Fertigkeiten vor dem Aussterben zu bewahren.
Wenn man die heutige Welt des Webens betrachtet, scheint das gelungen zu sein. Viele Weber gehen heute ihrem Handwerk nicht mehr nach, weil sie Stoff herstellen müssen, sondern weil sie es möchten. Sie arbeiten bewusst am traditionellen Webstuhl, weil sie mit den Händen arbeiten und neue Handwerkstechniken erlernen möchten. Diese Entwicklung ist wohl eine Reaktion auf unsere immer technischer werdende Welt. Seit ca. 20 Jahren besinnt man sich wieder mehr auf das Handwerk. Zu den Laien, für die es ein Hobby war, kamen die Designer, die sich wieder mehr auf individuelle, handgefertigte Kleidung spezialisierten. Handarbeit wird heute wieder ganz anders wahrgenommen und geschätzt.
Ich finde es fantastisch, dass Weben heute voll im Trend liegt – viele sind ganz verrückt nach Handwebereien – und weltweit wieder sehr viel Beachtung findet. Weben erdet und hat erwiesenermaßen auch eine therapeutische Wirkung, denn es beschäftigt gleichzeitig den Geist und die Hände, berührt die Seele und bringt den Menschen wieder ins Gleichgewicht. Genau danach suchen viele Menschen gerade im digitalen Zeitalter.
Mit diesem Buch möchte ich das Weben mit dem Kleinwebrahmen (und ich hoffe, dass es mehr als nur ein Trend ist) in der großen Welt des Webens in den richtigen Kontext setzen und Anfängern traditionelle Techniken nahebringen. Mir ist auch wichtig, dass sie die Hintergründe und Entwicklungen verstehen und die Fachbegriffe kennen. Mein Buch bringt die alten Techniken in die moderne Zeit und will die Fertigkeiten vermitteln, die man zum weiteren Experimentieren braucht. Die Projekte am Ende des Buches sollen interessierte Laien dazu bringen, sozusagen hinter den gewebten Wandbehang zu blicken und sich auf die vielfältigen und kreativen Möglichkeiten einzulassen, die das Weben bietet!
Eine Weberin vom Stamm der Sask in Sade, Lombok, Indonesien und eine Maya-Frau beim Bandweben in Antigua, Guatemala.
WEBRAHMEN
Ein Webrahmen ist jede Vorrichtung, auf der Fäden unter Spannung gehalten werden können, sodass man damit weben kann. Es gibt sie in vielen verschiedenen Größen und Formen, von sehr einfachen bis hin zu sehr komplexen Modellen. Dieses Buch konzentriert sich auf den Kleinwebrahmen, eine einfache und verkleinerte Version des Tapisserie-Webrahmens. Er eignet sich ideal für Anfänger und erleichtert ihnen den Einstieg in die Webkunst.
Kleinwebrahmen sind relativ preisgünstig und im Vergleich zu größeren Webrahmen sehr leicht handhabbar. Es gibt sie in unterschiedlichen Varianten, die alle nach demselben Prinzip funktionieren, die aber für jeweils unterschiedliche Projekte geeignet sind. In diesem Abschnitt stelle ich drei Arten von Kleinwebrahmen vor, darunter solche, die sich für die später im Buch beschriebenen Projekte eignen. Ich erkläre auch, wie man einen einfachen Webrahmen aus Karton herstellen kann.
Bei der Wahl des Webrahmens kommt es nicht nur auf die Größe an, sondern auch auf die mögliche Fadendichte, die Fadenstärke und die Webart. Überlegen Sie auch, wo Sie weben werden und wie viel Platz Sie zur Verfügung haben. Wie möchten Sie bei der Arbeit sitzen? Soll der Webrahmen senkrecht stehen und mit einer Zwinge am Tisch befestigt werden oder arbeiten Sie lieber mit einem Rahmen, der waagrecht liegt? Welche Größe hat das Gewebe, das Sie herstellen möchten? Bei einem Kleinwebrahmen beträgt die maximale Größe ca. 75 % der Rahmengröße. Wie eng sollen die Kettfäden beieinanderliegen? Soll die rechte Warenseite von den Kettfäden bestimmt werden, oder sollen die Schussfäden dominieren? Wollen Sie verschiedene Bindungsarten arbeiten, oder konzentrieren Sie sich auf die Leinwandbindung?
Meine Lieblingsvariante ist der Webrahmen, bei dem in die obere und untere Rahmenleiste kleine Stäbchen oder Dübel eingelassen sind, weil er sich hervorragend für alle möglichen Arbeiten eignet. Die Fadendichte lässt sich bei diesem Webrahmen sehr leicht variieren, wobei eine höhere Fadendichte die Bewegung der Schussfäden stärker einschränkt.
EINFACHER WEBRAHMEN
Bei diesem Webrahmen handelt es sich im Prinzip nur um einen stabilen rechteckigen Leistenrahmen. Für die Fadendichte gibt es keine Vorgaben, doch man kann an der oberen und unteren Leiste ein Klebeband anbringen, auf das in regelmäßigen Abständen kleine Punkte gezeichnet werden. An diesen