Singende klingende Märchen aus aller Welt: Band 2 - Flöten und Pfeifen
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Über dieses E-Book
Märchen und Musik kommunizieren mit unserer Seele, sie lassen ungeahnte Gefühle hervortreten. Sie sind in der Lage, diesen Gefühlen Wege zur Wandlung zu offenbaren und sie so in ganz neue Dimensionen zu führen. Von Musik oder von Märchen berührt zu werden verbindet Menschen, ganz unabhängig von den Nationen und Kulturen, in denen ein Mensch aufgewachsen ist und lebt. Von ihnen berührt zu werden, kann Menschen auch mit ihrer geistigen und spirituellen Herkunft in Verbindung bringen, unabhängig von einer Religionszugehörigkeit. Die Seele eines jeden Menschen ist eine einzigartige Melodie, ist ein individuelles Lied, ist ein unnachahmbarer Klang, und sie will erhört werden.
Im ersten Band von "Singende klingende Märchen aus aller Welt, Gesang", wurden hierzu schon verschiedene Aspekte dargestellt. Mit den singenden Knochen geht der Gesang über in das Flötenspiel. "Singende klingende Märchen aus aller Welt" wird hier Band 2 weitergeführt mit Märchen aus den verschiedensten Ländern und Kulturen, in denen Flöten und Pfeifen eine besondere Rolle spielen.
Ähnlich wie Singende klingende Märchen aus aller Welt
Titel in dieser Serie (2)
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Buchvorschau
Singende klingende Märchen aus aller Welt - Books on Demand
Inhaltsverzeichnis
Einstimmung
Flöte
Das Äpfelchen und das silberne Tellerchen
Der Flötenbaum
Der Spielmann und die Nachtigall
Die Flöte, die alles zum Tanzen brachte
Die wunderbare Flöte
Drei rote Ferkelchen
Wie der arme Schäfer des Kaisers Tochter gewonnen hat
Die Teufelsflöte
Lumpenkind
Der Student und der Silberreiher
Der Prinz mit der Flöte
Die Wetten des Flötenspielers
Der beherzte Flötenspieler
Die Uhr, die Flöte, das Rohr und der Hut
Die drei Musikanten
Warum der Kolibri traurig auf der Flöte bläst
Mogarzea und sein Sohn
Die Zauberflöte
Die Tochter des Drachenkönigs und Sanlang
Der Querpfeifenspieler
Pfeifen
Die Trillerpfeife, die Prinzessin und die Goldäpfel
Die Zauberpfeife
Dudelsack
Picknes Dudelsack
Dudelsack-Tiidu
Hans mein Igel
Der alte Dudelsackpfeifer
Der kleine Sackpfeifer
Der Donnersohn
Der lustige Schwanda
Orgel
Die künstliche Orgel
Quellenverzeichnis
Einstimmung
Was haben Märchen und Musik gemeinsam?
Beide kommunizieren mit unserer Seele, beide lassen ungeahnte Gefühle hervortreten und beide sind in der Lage diesen Gefühlen Wege zur Wandlung zu offenbaren und können sie somit in ganz neue Dimensionen führen. Von Märchen und Musik berührt zu werden, verbindet die Menschen ganz unabhängig von Nationen und Kulturen, in denen ein Mensch aufgewachsen ist und lebt. Von ihnen berührt zu werden, kann jeden Menschen auch mit seiner geistigen und spirituellen Herkunft in Verbindung bringen, unabhängig von einer Religionszugehörigkeit. Denn die Seele eines jeden Menschen ist eine einzigartige Melodie, ist ein individuelles Lied, ist ein unnachahmbarer Klang und sie will erhört werden.
Die singenden, klingenden Märchen in Band 1 – Gesang haben hierzu sicher schon einige Aspekte dargestellt. Mit den singenden Knochen geht der Gesang über in das Flötenspiel. So wird das singende, klingende Märchenbuch nun weitergeführt mit Märchen, aus verschiedensten Ländern und Kulturen, in denen, auf ganz unterschiedliche Weise, den Flöten und Pfeifen eine besondere Rolle zugewiesen wird, und da gibt es sicher noch allerhand Neues zu entdecken.
Aus Knochen entstanden in der Steinzeit, die ältesten Flöten der Welt, deren älteste 35000 Jahre alt ist. Sie wurde in der Schwäbischen Alp gefunden. Doch die Menschen entwickelten ihre Flöten, sicher auch inspiriert von der Natur, immer weiter. Ausgehend von der Knochenflöte entstanden Holz- und Bambusflöten und irgendwann dann auch Flöten aus Metall. Jedes Material, aus dem eine Flöte gemacht wird, gibt dieser ihren ganz eigenen Klang.
In Märchen, in denen Flöten zum Erklingen kommen, wird häufig von Schäfern und auch anderen Tierhütern erzählt, die zunächst für ihre Tiere flöten. Mit den Flötenklängen wird dann aber etwas ganz Besonderes verbunden, der Tanz. Dem geben sich zunächst die Tiere und dann ganz schnell auch die Menschen völlig hin.
Doch immer wieder, drückt das Spiel auf den Flöten und Pfeifen auch etwas darüber aus, wohin die zu bewältigenden Aufgaben, die der Held oder die Heldin des Märchens zu lösen hat, im Leben wirklich führen sollen. Also machen sie sich flötend und pfeifend auf den Weg. Die heute noch gültige Redewendung: „Mir ist etwas flöten gegangen", weist vielleicht schon auf etwas hin, was einem in den Märchen begegnen kann.
Tauchen wir in die Märchenbilder ein, können diese sich, wie ein Spiegel unserer Seele, gestalten und das Abenteuer besteht darin, dieses Spiegelbild genau zu betrachten und uns dadurch ganz neu zu entdecken. Dabei wird die Melodie unserer Seele, wird das Lied unserer Seele mit den Flötentönen in Bewegung gebracht oder auch auf den Weg gebracht, sich ganz neu zu finden.
Auch in diesem Band ist sehr interessant, welche Änderungen Märchen, mit gleichen Erzählbildern, in unterschiedlichen Regionen erfahren haben.
Die Märchen wurden weitgehend in die neue deutsche Rechtschreibung übertragen, ohne jedoch auf besondere Begriffe und den besonderen Satzbau aus alten Zeiten ganz zu verzichten. Manche Märchen wurden der Herausgeberin mündlich überliefert und von ihr neu erzählt. Neben den Volksmärchen, wird auch in diesem Band, das ein oder andere Kunstmärchen erzählt.
Und nicht vergessen: Märchen sind nicht nur etwas für Kinder, sondern auch Erwachsene können immer wieder Neues für sich und ihr Leben darinnen entdecken.
Flöten
Das Äpfelchen und das silberne Tellerchen
Russisches Märchen
Es waren einmal ein Mann und seine Frau. Sie hatten drei Töchter. Zwei davon liebten es sehr, sich zu amüsieren und sich schön anzukleiden. Das dritte Mädchen war sehr bescheiden. Die zwei älteren Schwestern hatten bunte Sarafane (ein russisches Frauengewand), Schuhe mit hohen Absätzen und goldene Ketten um den Hals geschlungen. Mascha trug einen dunklen Sarafan. Bei ihr waren ganz blaue Augen und ein wunderschöner Zopf, so prächtig, dass er bis zum Boden fiel und die Blumen auf der Erde erreichte. Die älteren Schwestern waren Faulpelze. Mascha dagegen war immer sehr fleißig, sie arbeitete gerne zuhause, im Feld oder bei den Beeten. Sie entfernte das Unkraut von den Beeten, holte Holz für den Ofen, molk die Kühe und fütterte die Enten. Sie war immer bereit zu helfen und stritt mit niemandem. Trotzdem wurde Mascha oft von den Schwestern gescholten aber ihre Arbeiten ließen sie immer gerne von Mascha übernehmen.
So verrann die Zeit. Einmal wollte der Mann mit dem Heu auf den Markt fahren und versprach den Töchtern Geschenke mitzubringen. Die eine Tochter bat um Seide für einen neuen Sarafan. Die zweite Tochter bat um roten Samt. Mascha aber dagegen äußert keinen Wunsch. Da fragt der alte Mann die jüngere Tochter: „Was wünschst du dir als Geschenk, Mascha? – „Lieber Vater, kaufe mir bitte ein Äpfelchen und ein silbernes Tellerchen.
Da fingen die anderen Schwestern an zu lachen. „So eine Dumme! Wir haben ja einen Garten voller schöner Äpfel! Einen Teller benötigt sie bestimmt, um die Enten zu füttern. – „Nein meine Schwestern. Neulich habe ich einer alten Frau einen Kuchen geschenkt. Dafür erzählte sie mir, dass ich das Äpfelchen auf dem Teller rollen und bestimmte Worte dabei wiederholen sollte.
Anschließend sprach der Vater: „Hört auf die Schwester auszulachen! Jeder wählt das Geschenk, das ihm am Herzen liegt. Ich werde Mascha das kaufen, was sie sich wünscht."
Ob es lang oder kurz war, sei dahingestellt. Der Mann hatte das Heu verkauft und die Geschenke erworben. Der einen Tochter brachte er die blaue Seide, die Zweite bekam den roten Samt und Mascha ein Äpfelchen mit dem silbernen Tellerchen. Die älteren Schwestern machten sich unverzüglich daran, die Sarafane zu nähen. Mascha war besonders über das Geschenk erfreut, setzte sich auch in die Ecke des Zimmers und begann zu singen:
„Rolle, rolle das Äpfelchen
auf dem silbernen Tellerchen,
zeig mir die Städte und die Felder,
das Meer und die Wälder,
zeige mir die hohen Berge
und den schönen Himmel
von meinem geliebten
Mütterlein Russland."
Da ertönte plötzlich ein wunderschöner silberner Klang. Im Zimmer wurde es hell. Das Äpfelchen rollte auf dem Tellerchen und zeigte Städte, Wiesen, Schiffe auf dem Meer, hohe Berge, den schönen Himmel, die Sonne und den Mond, die Sterne und die singenden Schwäne auf dem Teich.
Als die Schwestern das sahen, wurden sie neidisch. Sie überlegen sich, wie sie in den Besitz des Äpfelchens und des Tellerchens kommen könnten. Mascha wollte keinesfalls auf das Äpfelchen und das Tellerchen verzichten. Jeden Abend erfreute sie sich an dem Tellerchen. Daraufhin beschlossen die Schwestern, Mascha in den Wald zu schicken. „Unsere geliebte Schwester, komm mit uns in den Wald, holen wir aus dem Wald dem Väterchen und dem Mütterchen frische Erdbeeren." Mascha hatte nichts dagegen einzuwenden und ging mit den Schwestern in den Wald. Weit und breit waren keine Erdbeeren zu sehen. Dann holte Mascha das Tellerchen hervor, ließ das Äpfelchen rollen und singt dabei:
„Rolle, rolle das Äpfelchen
auf dem silbernen Tellerchen,
zeig mir wo sich die Erdbeeren verstecken."
Da ertönte wieder ein wunderschöner silberner Klang, das Äpfelchen rollte auf dem Tellerchen und zeigte die Plätze, wo die Erdbeeren wachsen, wo die Blumen blühen, wo sich die Pilze verstecken, wo das Bächlein läuft, wo die Schwäne auf dem Teich singen.
Alsbald erblickten die Schwestern dieses Wunder, sie waren außer sich vor Neid. Mit dem großen Ast haben sie Mascha getötet und unter einer Birke begraben. Das Äpfelchen mit dem silbernen Tellerchen nahmen sie zu sich. Erst am späten Abend kehrten die Schwestern, mit den Körben voller Pilze und Beeren, nach Hause zurück. Sie erzählen dem Vater: „Mascha ist uns davongelaufen. Wir haben sie lange im Wald gesucht, aber sie ist verschwunden. Scheinbar wurde sie von den Wölfen gefressen. Darauf erwidert der Vater: „Lasst das Äpfelchen auf dem Tellerchen laufen. Vielleicht zeigt das Tellerchen, wo unsere Mascha ist.
Vor Angst erstarrten die beiden Schwestern. Sie ließen das Äpfelchen auf dem Tellerchen laufen, doch zeigte das Tellerchen nichts, rollte das Äpfelchen nicht. Keine Felder, keine Wälder und Berge waren zu sehen.
Gerade zu dieser Zeit suchte ein Hirte seine Schäfchen im Walde und sah dort eine grüne Birke stehen. Auf dem Erdhügelchen unter der Birke blühten ringsherum Blumen und in der Mitte Schilfrohr. Der junge Hirte schnitt sich ein Schilfrohr ab und fertigte sich daraus eine Flöte. Alsbald brachte er die Flöte an die Lippen und sie begann plötzlich selbst zu spielen und zu erzählen:
„Spiel die Flöte,
sing schön für den jungen Hirten.
Wegen des Äpfelchens
mit dem Tellerchen
hat man mich
als junges Mädchen umgebracht."
…Dem jungen Hirten wurde angst und bange und er lief ins Dorf und erzählte die Geschichte den Leuten. Auch dem Vater von Mascha kam das zu Ohren. Kaum hatte der Vater die Flöte zur Hand genommen, begann sie zu singen, zu erzählen:
„Spiel die Flöte,
sing schön für meinen geliebten Vater.
Wegen des Äpfelchens
mit dem Tellerchen
hat man mich
als junges Mädchen umgebracht."
Unter Tränen bat der Vater den jungen Hirten, ihn dorthin zu geleiten, wo sich das alles ereignete. Sie gelangten in den Wald, wo die Birke steht, wo die Blümchen blühen und die Vögelchen ihren Gesang erklingen lassen. Man öffnete das Grab. Darin lag die arme Mascha und sah so zauberhaft aus, als sei sie nicht gestorben. Es schien so, als ob das Mädchen schlafen würde. Erneut begann die Flöte zu spielen:
„Spiel die Flöte,
sing schön für meinen geliebten Vater.
Die Schwestern haben mich in den Wald gelockt
und mich wegen des Äpfelchens
mit dem Tellerchen
ums Leben gebracht.
Mein geliebter Vater,
hole bitte das Lebenswasser."
Vor Entsetzen sind die Schwestern ganz blass geworden. Sie zitterten und fielen auf die Knie vor dem Vater. Beide erzählten sie ihm über ihr Verbrechen. Man warf sie in das dunkle Verlies und die Tür wurde mit einem großen Schloss versperrt. Der Zar sollte selber über ihr Schicksal befinden.
Der Vater und die Mutter begaben sich inzwischen auf den Weg, um das Lebenswasser zu suchen. Tag und Nacht gingen sie durch die Felder und Wälder, befragten die Leute, doch niemand konnte ihnen Auskunft erteilen. Eines Tages fanden sie eine Holzhütte im Wald. Aus der Hütte trat eine alte Frau und sprach: „Jawohl, ich kenne Mascha. Dieses Mädchen hat mir geholfen. Sie hat mir einen Kuchen geschenkt. Somit helfe ich ihr auch." Mit diesen Worten überreichte sie den Eltern das Glas mit dem Lebenswasser. Hocherfreut fuhren die Eltern nach Hause. Alsbald benetzte der Mann Mascha mit dem Lebenswasser und Mascha kehrte wieder ins Leben zurück. Sie umarmte Vater und Mutter. Von allen Seiten liefen die Menschen auf sie zu und freuten sich über dieses Wunder.
Ebenso erfuhr der Zar davon, dass Mascha wieder ins Leben zurückgeholt wurde. Er bat Mascha und die Eltern in seinen Palast. Der Zar erblickte Mascha, die wie eine Frühlingsblume aussah. Ihre Augen erstrahlen wie das Sonnenlicht, die Tränen fielen auf ihre Wangen wie Perlen. Unmittelbar danach fragte der Zar sie: „Ich habe gehört, dass sich in deinem Besitz ein wundersames Äpfelchen mit dem Tellerchen befindet?"
Mascha nahm das Tellerchen und ließ das Äpfelchen auf dem Tellerchen rollen. Plötzlich vernahm man einen schönen Klang und das Tellerchen zeigte die russischen Städte. Eine nach der anderen, die Soldaten mit den Fahnen, wie sie in Kolonnen stehen. Das Äpfelchen rollte weiter und das Tellerchen zeigte das Meer und die Schiffe, auch wie der Wind die Segel am Mast aufbläst. Und wieder rollte das Äpfelchen und das Tellerchen zeigte die schöne Sonne am Himmel und den Mond zwischen den Sternen. Die Menschen tanzen und die Schwäne sangen Lieder. Der Zar wunderte sich über das Gesehene. Mascha aber sagt zum Zaren: „Nimm mein Äpfelchen und das Tellerchen doch bringe bitte meine Schwestern nicht ums Leben."
Nun ging der Zar auf Mascha zu und sprach: „Das Tellerchen wurde aus Silber gefertigt, aber dein Herz ist aus purem Gold. Möchtest du meine Frau werden und Zarin sein? Auf deine Bitte werde ich deine Schwestern begnadigen. Danach wurde ein großes Festmahl zubereitet. Die Hochzeit wurde so gefeiert, dass die Sterne vom Himmel fielen, man tanzte so, dass der Fußboden zerbrach.
So hat es sich zugetragen.
Der Flötenbaum
Märchen der Lakota
In ganz alten Zeiten verstanden die Lakota alle Lieder der Vögel, das Rauschen der Flüsse und das Grollen am Himmel, wenn ein Gewitter über ihr Dorf zog. Sie hatten Schwirrhölzer und Trommeln, mit denen sie Wind und Regen herbeirufen und auch wieder fortschicken konnten, wenn sie zu heftig wurden und sie tanzten auch gerne zu der Musik ihrer Trommeln.
Eines Abends, die Dämmerung war schon herangezogen, machte sich ein junger Lakota auf den Weg zur Jagd. Er sah einen Hirsch und er folgte ihm immer tiefer in den dunklen Wald hinein. Dort war es so finster, dass er die Spur des Hirsches verlor und sich im Dickicht verirrte. So musste er die Nacht allein im Wald verbringen. Hier machte er sich ein Lager zurecht und legte sich schlafen. Doch der Schlaf wollte nicht kommen, denn die Geräusche des Waldes vertrieben ihn immer wieder. So hörte er dem Gesang der Nachtigall zu, erlauschte, wie der Wind die Blätter der Bäume zum Rascheln brachte und wie es an manchen Stellen im Unterholz knackte. Die Rufe der Waldtiere kamen ihm auch immer wieder sehr nahe. Nachdem er all dem eine Weile zugehört hatte, vernahm er einen Klang, den er vorher noch nie gehört hatte. Der Klang kam von weit her und ganz leise auf ihn zu. Ein bisschen unheimlich war dem jungen Jäger nun schon, doch nach und nach entstand eine so wunderschöne Melodie, die ihm von Freude und Hoffnung und Liebe aber auch von Kummer und Schmerz erzählte. Endlich schlief er ein und im Traum begegnete ihm ein Specht, der ihm ein verzauberndes Lied ins Ohr sang: „Wenn du mir folgen wirst, sollst du das Geheimnis der Melodie des Waldes entdecken."
Kaum war der junge Mann am Morgen erwacht, sah er den Specht, der ihm im Traum versprochen hatte, mit ihm das Geheimnis der nächtlichen Melodie zu entdecken, auf dem Baum sitzen und kräftig mit den Flügeln schlagen. „Komm mit mir!" rief dieser und hüpfte von einem Baum zum anderen, so dass der junge Lakota ihm nur folgen brauchte. Nachdem er eine Weile gegangen war, hörte er aus der Ferne die leise Melodie aus seinem Traum und er folgte dem Vogel weiter, bis sie an eine alte Zeder kamen. Der Specht setzte sich auf einen alten Ast, der schon abgestorben war und klopfte und hämmerte mit seinem starken Schnabel dagegen. Da kam ein frischer Wind auf und der junge Jäger hörte plötzlich ganz deutlich die geheimnisvollen Töne aus seinem Traum. Jetzt wusste er, dass diese wundervolle Melodie vom Spiel des Windes mit dem hohlen Ast, in den der Specht die Löcher gehämmert hatte, kam. Dem Specht dankend und ganz glücklich über sein Geschenk, brach er den Ast ab und machte sich auf in sein Dorf.
Als er dort wieder ankam, versuchte er in den toten Ast zu blasen, aber kein Ton erklang. Dann blies er über den Ast, wie der Wind es getan hatte, doch kein Ton entstand. ‚Wo waren nur die Töne geblieben‘, dachte er und war ganz traurig, weil er, so sehr er sich auch Mühe gab, seinen Freunden das klingende Geheimnis nicht offenbaren konnte.
In der Nacht erschien der Specht wieder in seinem Traum und der zeigte ihm nun genau, wie er die Töne aus dem Ast holen konnte. Der Specht sagte ihm, wie lang der Ast sein musste, wie viele Löcher er hineinbohren musste und wie er ihn mit einen Vogelkopf verzieren und bemalen musste. „Hast du nun verstanden wie es geht? Der junge Lakota nickte im Schlafe mit seinem Kopf und hörte noch den Vogel sagen: „Diesem klingenden Ast gib den Namen Flöte.
Dann wachte er auf und machte sich sogleich an die Arbeit.
Er ging zunächst in den Wald, suchte den passenden Ast und setzte die Löcher an die Stellen, die der Specht vorgegeben hatte. Dann schnitzte er noch einen Specht Kopf und setzte ihn auf die Flöte. Als alles fertig war, blies er zunächst sanft und dann auch etwas kräftiger hinein und die Melodien der Flöte erzählten ihm von Glück und Freude, von Hoffnung und Liebe und von Kummer und Schmerz. Alle Menschen im Dorf konnten diese Musik hören. Sie kamen aus ihren Tipis und lauschten ganz verwundert auf die Klänge, die da aus dem Wald kamen.
Der Häuptling des Dorfes war auch ganz ergriffen von den Klängen. Dieser hatte eine Tochter, die wunderschön, aber sehr eigenwillig war. So hatte sie bisher alle jungen Männer abgelehnt, die um ihre Hand anhielten, auch wenn sie ihr noch so große Geschenke brachten. Sie hörte den Klang der Flöte aus dem Walde und freute sich darüber.
Der junge Flötenspieler aber liebte die Häuptlingstochter schon lange, nur hatte er sich bisher nicht getraut, um ihre Hand anzuhalten, da ihm kein Geschenk, dass er ihr bringen konnte, gut genug erschien. Doch eines Tages wagte er sich auf der Flöte spielend in die Nähe ihres Tipis und aus seiner Flöte kamen die allerschönsten Melodien. Die Häuptlingstochter hörte diese Melodien und war ganz verzaubert davon. „Wer kann so schöne Musik spielen?", rief sie und sogleich