Menschen im Rathaus
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Über dieses E-Book
Niemand, der hier beschrieben wird, existiert wirklich; und doch: Die meisten Eigenheiten – seien sie nun positiv oder auch weniger angenehm – hat der Autor selbst erlebt und gesehen. Er hat sie nur kräftig durcheinander geschüttelt und durch eigene Erfindungen ergänzt, um neue Persönlichkeiten entstehen zu lassen. Selbstverständlich sind nicht alle Beschäftigten dieser Verwaltung in dem kleinen Buch vereint – das würde viel zu umfangreich und möglicherweise irgendwann auch langweilig werden. Aber der kleine Ausschnitt aus einem großen Kreis mag einen Eindruck davon geben, wie es in einem wirklichen Rathaus sein kann.
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Buchvorschau
Menschen im Rathaus - Gunnar Schwarting
Menschen im Rathaus
von
Prof. Dr. Gunnar Schwarting
Geschäftsführer des Städtetags Rheinland-Pfalz
Kommunal- und Schul-Verlag · Wiesbaden
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© Copyright 2013 by Kommunal- und Schul-Verlag GmbH & Co. KG
Alle Rechte vorbehalten ·
Umschlagbild: Till Runkel (www.tillustration.de)
ISBN 978-3-8293-1078-9
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Das Rathaus
Erdgeschoss links
Erdgeschoss rechts
1. Stock Mitte und Rechts
1. Stock links
2. Stock rechts
2. Stock links
3. Stock rechts
3. Stock links
4. Stock rechts
4. Stock links
Mit dem Fahrstuhl zurück
Vorwort
Ein Rathaus ist ein Mikrokosmos. In ihm arbeiten viele Menschen, die lediglich der Arbeitgeber eint, die aber ansonsten vollkommen verschieden sind. Das gängige Vorurteil, „die im Rathaus seien eine besondere Sorte Mensch, ist ebenso unsinnig wie die Annahme, es gebe „den Beamten
. Niemand, der hier beschrieben wird, existiert wirklich; und doch: Die meisten Eigenheiten – seien sie nun positiv oder auch weniger angenehm – hat der Autor selbst erlebt und gesehen. Er hat sie nur kräftig durcheinander geschüttelt und durch eigene Erfindungen ergänzt, um neue Persönlichkeiten entstehen zu lassen. Selbstverständlich sind nicht alle Beschäftigten dieser Verwaltung in dem kleinen Buch vereint – das würde viel zu umfangreich und möglicherweise irgendwann auch langweilig werden. Aber der kleine Ausschnitt aus einem großen Kreis mag einen Eindruck davon geben, wie es in einem wirklichen Rathaus sein kann.
Dass die Menschen nicht nur im Dienst sind, sondern darüber hinaus auch ein Privatleben besitzen, ist zwar eine Banalität, wird im Alltag eines Rathauses aber oft vergessen. Doch nur wer den ganzen Menschen kennt, kann ihn auch beurteilen. Dass dennoch nicht alles offenbar wird, sondern sich in geheimen Winkeln der Persönlichkeit versteckt, ist ebenso selbstverständlich. Nur wenige tragen ihr ganzes Herz auf der Zunge. Aber das Verborgene zu beschreiben, erhöht den Reiz, den die Figuren ausüben.
Auch das Rathaus ist eine Fiktion, aber Teile wird man in dem einen oder anderen real existierenden Verwaltungsgebäude aus jener Zeit, in der es errichtet wurde, erkennen können. Dass es nicht in Nord- oder Süddeutschland liegt, wird durch den Verweis auf den Karneval deutlich. Das ist aber schon die einzige konkrete Spur, die sich verfolgen lässt. Würde man stattdessen von Fasching oder Fasnet sprechen, ließe sich das Haus mühelos in andere Regionen Deutschlands transportieren.
Der Autor hofft, dass der Leser den Figuren, die ihm beim Schreiben mit all ihren Stärken und Schwächen ans Herz gewachsen sind, ebenfalls Sympathie entgegenbringt. Vielleicht entdeckt er ja auch Wesenszüge seiner selbst oder von Kolleginnen und Kollegen …
Mainz im Winter 2011/12
Das Rathaus
Nein, schön kann man es wirklich nicht nennen, das städtische Rathaus. Als vierstöckiger länglicher Kubus ragt es direkt neben dem Marktplatz empor, in seiner Entstehungsphase irgendwann Mitte der 1970er Jahre euphemistisch als moderner Funktionsbau bezeichnet. Das leicht abgetönte Weiß seiner Fassade ist für die umgebenden Bauten aus gelbem oder rotem Klinker viel zu hell, so dass das Gebäude abgesehen von seiner Größe, der kein anderes Haus in der Nähe auch nur halbwegs entspricht, auch farblich unangenehm hervorsticht. Das alte Rathaus, noch in den letzten Jahren des Kaiserreichs errichtet, scheint angesichts des mächtigen Nachbarn zur Bedeutungslosigkeit zu schrumpfen, hätte es nicht die Freitreppe, die von Hochzeitspaaren so gern für das obligate Foto genutzt wird.
Kaum jemand erinnert sich mehr daran, was eigentlich vor dem Bau an dieser Stelle gewesen war. Manche erwähnen einen staubigen Parkplatz, auf dem früher auch Feldhandball gespielt worden sei (eine Sportart, die heute kaum noch jemand kennt); andere meinen, es hätte aber auch einige kleine Häuschen gegeben, wie es sie am Rande des Stadtkerns immer noch gibt. Arbeiter der nahen Fabrik hatten in diesen Häusern gewohnt, doch es gab in ihnen weder Toiletten noch eine moderne Heizung. So waren die letzten Bewohner durchaus nicht empört, als man ihnen anbot, in neue, modern ausgestattete Wohnungen nur zehn Minuten fußläufig entfernt zu ziehen. Der ein oder andere allerdings, der schon in der wievielten Generation in der kleinen Kate gelebt hatte, mochte den Heimatboden nur schweren Herzens verlassen.
So aber war das neue Rathaus entstanden, das der Bürgerschaft zeigen sollte, dass der Ort sich von einem Dorf in eine kleine Stadt verwandelt hatte. In einem Teil des Erdgeschosses wurde ein Supermarkt untergebracht, auch das ein Zeichen, dass es mit dieser Stadt aufwärts ging. Der damalige Bürgermeister lobte denn auch, wie den Archiven der Zeitungen der Stadt (damals gab es sogar noch zwei, die eine eher christ-, die andere eher sozialdemokratisch) zu entnehmen ist, „die stolze Größe dieses Hauses, das den ungebrochenen Aufbauwillen unserer Väter und die großen Zukunftspläne unserer Kinder in so unnachahmlicher Weise in sich birgt."
Doch schon damals war die Bürgerschaft durchaus geteilter Meinung und bald wurde das Rathaus spöttisch auch „Der Schuhkarton genannt, dies nicht ganz ohne Berechtigung, denn als einziges architektonisches Merkmal besaß das Gebäude einen kleinen Dachvorsprung, der vielleicht einen halben Meter nach unten gezogen war und damit tatsächlich einem Kartondeckel ähnelte. Lediglich die Tatsache, dass nach der Jahrtausendwende auf dem Dach eine Solaranlage installiert worden war, hätte den Begriff „Schuhkarton
unpassend werden lassen; doch der Volksmund korrigierte sich nicht mehr. Inzwischen hatten sich auch die Kommunalpolitiker die Sprachweise zu eigen gemacht, allerdings erst, als der damalige Bürgermeister nicht mehr im Amt war. Vor wenigen Jahren war er gestorben und man hatte ihm zu Ehren den Platz vor dem neuen Rathaus nach ihm benannt. Es blieb jedoch noch genug Fläche übrig, um den Zufahrtsweg, der auch in die Tiefgarage führte, zur „Straße der Deutschen Einheit" zu machen. Lieber hätte man ihn zwar zu einer Allee erhoben, aber die Kürze des Weges, den nur zwei Bäume säumten, hätte dies wahrlich nicht gerechtfertigt.
War das neue Rathaus selbst kein Kunstwerk, so fand sich doch eines vor seinem Eingang. Denn wie zu jedem öffentlichen Neubau war auch hier „Kunst am Bau vonnöten. Zehn Künstler waren aufgefordert worden, einen Vorschlag einzureichen; sechs beteiligten sich an diesem Wettbewerb. Eine Jury mit dem Bürgermeister als Vorsitzenden hatte aus den Wettbewerbsbeiträgen einen auszuwählen. Auch wenn das Beratungsergebnis offiziell geheim blieb, so war doch allen bekannt, dass es heftige Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Jury gegeben hatte. Denn ein Mitglied hatte später in der Zeitung sehr heftig gegen die populistische Kunst gewettert, die der zeitgenössischen Kunst so wenig entspreche wie ein „Dackel einem Kalb
.
Zwar war der Vergleich etwas ungewöhnlich, doch der Künstler, dessen Werk in der Jury die Mehrheit fand, fühlte sich durch den „Dackel" herabgewürdigt. Nicht dass er etwas gegen Hunde im Allgemeinen oder Dackel im Besonderen einzuwenden habe, trug er vor. Doch allein die kurzen Beine eines Dackels seien so symbolträchtig, dass kein Zweifel bestehe, dass der Kritiker seine Kunst als minderwertig bezeichnen wolle. Dieser wiederum betonte, nichts habe ihm ferner gelegen als eine Verunglimpfung des Künstlers. Er habe lediglich die sehr auf des Volkes Reaktion gemünzte Entscheidung der Jury geißeln wollen. Aber, so fügte er hinzu, vielleicht sei dieses Kunstwerk einer Stadt gemäß, die gerade erst dem Dorf entwachsen sei.
Das nun brachte den Bürgermeister auf den Plan, der empört verkündete, das Jury-Mitglied, das die Stadt so „niedermache, wie er sich ausdrückte, werde keinen Auftrag in dieser Stadt mehr erhalten. Da der Betreffende Architekt war, hätte dies eine böse Beeinträchtigung seiner Verdienstmöglichkeiten nach sich ziehen können, zumal der Bürgermeister im Überschwang seines Zorns auch private Bauherren in die Boykottfront mit einbezog. Als aber wenige Jahre später das größte Unternehmen am Ort just diesen Architekten mit der Planung des neuen Verwaltungsgebäudes beauftragte, war der Bann gebrochen. Ja, der Bürgermeister – noch immer jener aus der Bauzeit des Rathauses – lobte bei der feierlichen Einweihung als offizieller Vertreter der Stadt den kühnen Schwung der Architektur, was dem Architekten ein gepresstes „Heuchler
entlockte. Auch als sie am späteren Buffet fast hintereinander an den Lachsteller gingen, würdigte der Architekt seinen Widersacher keines Blickes.
Was aber war denn nun der Stein des Anstoßes? Das ausgewählte Kunstwerk, eine Bronzeskulptur in Lebensgröße, stellte eine Szene aus