Verwurzelt und beflügelt: Mit Kindern durch die wilde Natur
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Buchvorschau
Verwurzelt und beflügelt - Daniela Weißbacher
Für meine
heiß geliebten
Monster
eISBN 978-3-99035-321-2
Alle Rechte vorbehalten
© 2017 Freya Verlag GmbH
Layout: freya_art, Christina Diwold
Lektorat: Dorothea Forster
Fotos und Illustrationen: Daniela Weißbacher
Weitere: Christina Diwold, Wolf Ruzicka
Shutterstock: © Dooder, HorenkO, micmacpics,
VictoriaMay, P-fotography, Natasha_Chetkova
printed in EU
Anmerkung: Alle in diesem Text enthaltenen Anregungen, Beschreibungen, Tipps und Rezepte wurden mit großer Sorgfalt zusammengestellt und getestet. Dennoch kann aufgrund unterschiedlicher Rohstoffe, Ausgangsbedingungen und individueller Fähigkeiten nicht garantiert werden, dass die Informationen auf Ihre Situation zutreffen. Daher kann keinerlei Haftung für etwaige Verletzungen, Verluste oder andere Schäden übernommen werden, die aus der Verwendung der in diesem Text angebotenen Informationen resultieren. Die Verfasserin gibt weder direkt noch indirekt medizinische Ratschläge, sie stellt keine Diagnosen und erteilt keine Verordnungen.
Daniela
Weißbacher
VERWURZELT
UND BEFLÜGELT
MIT KINDERN DURCH DIE WILDE NATUR
Inhalt
1
Die Frage nach dem Sinn dieses Buches
Anleitung zum Lesen des Buches
Über mich
Noni-Floh und Nunzius
2
Von Wurzeln und Flügeln
Werte
Selbstwert
Von Genies und Fähigkeiten
Die Gesellschaft
Die vier Werkzeuge der Entscheidung
Hausapotheke
Heilung
Zauber-Sprüche
3
Hausapotheke für unsere Kinder
1 Erkältungskrankheiten
Schnupfen
Husten
Fieber
Heiserkeit und Halsschmerzen
Ohrenschmerzen
Nasennebenhöhlenentzündung
2 Bauchschmerzen und Folgen
Bauchweh
Verstopfung
Durchfall
3 Verletzungen
Stumpfe Verletzungen
4 Sonstige Wehwehchen
Blasenentzündung
Bettnässen
Insektenstiche
Lippenherpes
Übelkeit
Schlaflosigkeit – Schlechte Träume
Wachstumsschmerzen
Alkoholische Auszüge und andere kindgerechte Auszugsarten
Ätherische Öle
Immunstärkung
Natürlich Antibiotika
To-do-Liste I
To-do-Liste II
To-do-Liste III
4
Gesunde Kinder-Küche
Von Löwenzahn-„Honig" über Knuspermüsli bis Grippeschutzbärchis
5
Wilde Naturküche
Von Erfinderpalatschinken über Wildobstleckerei bis Knöterich im Schlafrock
6
Überlegenswert
Von der Erde und der Menschheit
Der Mensch als Zeitverschwender
Der Mensch als Geldverschwender
Die Geschichte der Erziehung
Von tanzenden Spaghettineuronen und dem Mond
Die Lebens-Zeitrechnung
Von allen möglichen und unmöglichen Reisen
Danke
Von Schule und Bildung
Macht euch die Erde untertan
7
Märchen und Geschichten
Nara und die Reise durch den Spiegel
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Blumengeschichten
Interaktiv Märchen 1
Interaktiv Märchen 2
8
Naturexperimente
I Garten-Werkstatt
II Bastel-Werkstatt
III Upcycling-Werkstatt
IV Spiele- und Reime-Werkstatt
9
Anhang
Eine kleine Hausapotheke
Quellen/Lesenswert
A herzlich’s Danke und Vergelt’s Gott
Die Frage nach dem Sinn dieses Buches
Es ist ein Allrounder, für jede Altersstufe, der mit geballter Kraft gegen langweilige Stunden und verschnupfte Tage angeht. Mit Dutzenden Rezepten und Erzählungen. Ein Handbuch für Familien, die beides wollen: robuste Wurzeln und einen kräftigen Flügelschlag.
Es soll:
– spannende Einblicke in das Leben mit der Natur, ihren Heilkräften, ihrer Wildheit und ihrer Freiheit geben.
– uns zeigen, wie wir die Geschenke, die unsere Wiesen und Wälder für uns bereithalten, sinnvoll einsetzen können.
– als Werkzeug bei Wehwehchen und Erkrankungen des Alltags dienen.
– Themen wie Kräuteranwendungen einfach und leicht für den Hausgebrauch erklären.
– uns in unserer Eigenverantwortung und der Verantwortung unseren Kindern gegenüber stärken und uns stolz darauf machen, wie viel wir aus eigenen Kräften schaffen und bewegen können.
– uns zeigen, wie wir mit den einfachsten Mitteln die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Familien von Anfang an fördern oder unsere Selbstheilungskräfte wirken lassen können.
– uns die eigenen Wurzeln und Flügel spüren lassen und den Wurzeln und Flügeln unserer Kinder zum Wachstum verhelfen.
Mein Buch handelt aber nicht nur von Kräuter- und Hausmittelanwendungen für die ganze Familie. Es handelt von Leben, Liebe, Lachen, von Fantasie und vom Neugierigsein, von Heilsamem, Kräftigendem und Nahrhaftem, von Selbsthilfe und Selbstvertrauen, von Flausen im Kopf und freien Gedankengängen. Deshalb verstecken sich zwischen heilsamen natürlichen Hausmitteln viele Bastelideen, Spiele, Abenteuer, Anleitungen zum Mitmachen, Selbermachen und Experimentieren, Süßes, Saures, Gekochtes und Gebackenes, Rezepte für Liebevolles, das man eine ganze Kindheit hindurch verwenden kann. Auch Märchen und Geschichten, die nicht nur am Krankenbett Spaß machen, und kurze Denkanstöße, die wachrütteln, manchmal erschüttern, Hoffnung und Zuversicht wecken, uns Mut machen und zu Taten schreiten lassen.
ANLEITUNG
ZUM LESEN DES BUCHES
Von den unzähligen Generationen vor uns haben wir in Summe ein jahrhundertelang erprobtes Wissen vererbt bekommen. Auch die Kenntnisse um die Heilkräfte und Schönheit unserer Natur. Eigentlich ist es unsere Aufgabe, eigene Erfahrungen und Ideen in dieses Erbe einfließen zu lassen. Dieses Wissen zu vermehren, zu verbessern, auf Hochglanz zu polieren und an die nächsten unzähligen Generationen weiterzugeben. Es ist auch ein recht schöner Gedanke, auf diese Weise ein Teil des Erbes für unsere Kinder zu werden.
Vergessen wir hingegen dieses Erbe und all die darin verborgenen, uralten Fähigkeiten, schneiden wir uns praktisch eigenhändig von unseren Wurzeln ab und stutzen unsere Flügel.
Wir besitzen sehr viele neue Erkenntnisse und Errungenschaften und verfallen leicht dem Glauben, das überlieferte Wissen würde uns nicht mehr nützlich sein, wir könnten es also beruhigt abstreifen wie einen ausgedienten Mantel. Dabei würden uns diese alten Kenntnisse unseren Alltag bestimmt im gleichen Maße erleichtern wie die Fortschritte unserer Zeit.
Lebendiges altes Wissen durchdringt uns und unsere Kinder mehr, als wir vermuten. Es verleiht uns Stabilität und macht uns gleichzeitig flexibel und wandelbar. Doch dieses Wissen ist nur so lange lebendig, solange es sich im Umlauf befindet und angewandt wird.
Es mag uns im ersten Moment vorkommen wie ein widersprüchlicher Balanceakt, den wir zwischen altem und neuem Wissen gehen müssen, aber in Wahrheit ist es wie ein Tanz zwischen den Möglichkeiten. Widersprüchliches löst sich bald in Luft auf, wenn man sieht, wie gut Altes mit Neuem harmoniert. Unsere Überlieferungen sind lebendig, energiegeladen, wandlungsfähig und zur Weiterentwicklung und Weitergabe gemacht. Denn Wissen ist etwas Wertvolles, das uns niemand wieder nehmen kann, auch unseren Kindern nicht, komme, was mag! Lasst uns also unsere Fähigkeiten und die unserer Großeltern voll auskosten und veredelt weitergeben.
Ein kleiner Hinweis: Absichtlich springe ich im gesamten Buch zwischen den Anreden hin und her. Denn einige Absätze (besonders die Hausmittel, Vorwörter und Nachdenktexte) sind an „dich" (du) bzw. an „uns" (wir) als Erwachsene gerichtet. In anderen Abschnitten (vor allem in denen zum Kochen, Basteln und Spielen) möchte ich bewusst „euch" (ihr) als Erwachsene und Kinder oder als Familie ansprechen. Schließlich können Kinder mit diesen Kapiteln, im Vergleich zu einigen Teilen des Buches, in denen es um Kinderkrankheiten etc. geht, recht gut selbstständig oder auch mal alleine arbeiten.
ÜBER MICH
Meine Liebe zur Natur, aber auch für die Geschichten aus vergangenen Tagen wurde bereits sehr früh durch meine Großeltern geweckt. Der Aufbruch in Richtung Naturheilkräfte kam aber erst nach der Geburt meiner beiden Töchter. Denn plötzlich stand ich fast hilflos allen möglichen und unmöglichen Wehwehchen gegenüber. Unvermeidlich waren die vielen Besuche bei Kinder- und Hausärzten oder manches Mal im Krankenhaus.
Ich fühlte mich oft unsicher und ratlos. Gefühle, die ich gerne gegen Sicherheit, Instinkt und Erfahrung eingetauscht hätte.
Als wir unseren kleinen Hof übernehmen durften, vertiefte sich meine Suche nach Antworten. Ich fing an, mich intensiver meinen Kräutern zu widmen, die Zusammenhänge in der Natur selbst zu erfahren und barfuß zu lauschen, schmecken, tasten, riechen, sehen, kosten und fühlen.
Das Bedürfnis, selber Verantwortung für die Gesundheit meiner Familie zu übernehmen, brachte mich schließlich dazu, eine Ausbildung zur TEH-Praktikerin (Traditionelle Europäische Heilkunde) zu machen. Für meine Abschlussarbeit wählte ich das – für mich gerade wichtigste – Thema Kinderkrankheiten. Dabei wurden mit jedem neuen Rezept, das ich ausprobierte, meine Zweifel kleiner und meine Sicherheit größer. Ich war schwer beeindruckt von den ungeahnten Kräften, die in unserer Natur verborgen liegen! Kleine Erkrankungen, für die wir kurz vorher bestimmt noch einen Doktor um Rat gefragt hätten, konnten wir mit einem Mal selbst ausheilen. Seit dieser Zeit dreht sich mein Leben auch beruflich um die Natur und ich möchte es mir gar nicht mehr anders vorstellen.
Ich empfinde es als das größte Geschenk, dass so viele Menschen mit den unterschiedlichsten Ansichten und Erfahrungen meinen Weg kreuzen oder mich ein Stück begleiten. Dadurch kann ich viel lernen und mir wichtige Erkenntnisse aneignen. Fasziniert lauschte ich den mündlichen Überlieferungen und Erzählungen über unsere Kultur, übers Menschsein, über Pflanzen, Heil- und Hausmittel, altes Handwerk, Reisen in ferne Länder zu anderen Kulturen, deren Kräuter, Heilmethoden, Rebellionen und Götter.
NONI-FLOH UND NUNZIUS
DIESE BEIDEN MÄDCHEN WERDEN EUCH DURCH DAS BUCH BEGLEITEN.
Die fröhliche, clevere Blondine, die immer ein ausgelassenes Lied auf den Lippen und ein spannendes Buch in der Tasche hat, heißt Noni-Floh.
Die feurige, übermütige Rothaarige, die keinem Streich, aber auch keiner „Streich"eleinheit aus dem Weg gehen kann, wird Nunzius genannt.
Bei den vielen Rezepten in diesem Büchlein ist Ausprobieren gefragt. Wenn Noni-Floh oder Nunzius ein Rezept jedoch besonders am Herzen liegt oder sie etwas dazu zu sagen haben, werden sie ihren Senf dazugeben.
Die beschriebenen Rezepte und Heilmethoden sind bestimmt sehr wirksam, stärken das Vertrauen in uns selbst, aktivieren unsere verborgenen Selbstheilungskräfte und legen die Verantwortung für unsere Gesundheit wieder in unsere Hände. Die Rezepturen können zu Hause angewandt werden oder sind eine gute Unterstützung zur ärztlichen Therapie. Sie ersetzen aber keinen dringenden Arztbesuch!
Ich will es mir nicht anmaßen, Tipps für Säuglinge oder Kleinkinder zu geben, deshalb sind für die ganz Kleinen nur die Rezepte gedacht, die extra ausgewiesen sind. Alle anderen Rezepte sind für Kinder ab 4 Jahren, sofern nicht anders beschrieben, und können ebenfalls sehr gut bei Jugendlichen und Erwachsenen angewandt werden.
Die Anleitungen sind für die Selbermacher unter euch geschrieben. Leicht lassen sie sich je nach Bedarf auch ab- oder umändern. Und für alle nicht leidenschaftlichen Selbermacher gibt es viele der Produkte zu kaufen und zu bestellen. Zum Beispiel in der Apotheke deines Vertrauens oder in den TEH naturwerken (www.teh.at).
Wir werden euch durch das Buch begleiten und natürlich unseren Senf dazugeben!
Von Wurzeln und Flügeln
ODER DIE WURZEL-UND-FLÜGEL-LEHRE FÜR „ERZIEHUNGS"BERECHTIGTE
Kinder zu bekommen, das ist so eine Sache.
Es spielt keine Rolle, ob wir jahrelang warten müssen, bis sich unser sehnlicher Kinderwunsch erfüllt, wir im Grunde genug Zeit hatten, uns darauf vorzubereiten, oder das neue Leben einem kleinen „Zu-(„Un-) fall" entspringt – wir also noch nicht dazukamen, uns mit diesem Thema zu beschäftigen.
Ist der Storch mit seinem Päckchen erst mal bei uns angekommen, bleibt nichts mehr, wie es einmal war.
Wir begegnen Gefühlen, die wir vorher gar nicht kannten. Sind müde, traurig, überrumpelt. Haben Beziehungsprobleme, Erziehungsprobleme, Zukunftssorgen. Bemerken, dass wir – die wir eigentlich keiner Fliege was zuleide tun – ja doch ganz schön laut werden können und nervös und rot im Gesicht. Dass wir – die wir unser Leben so gut geordnet und im Griff haben – doch völlig aus der Bahn geworfen werden können.
Und dann ist es so weit: Dein Kind blinzelt und lächelt dich an! Es blickt dich an mit seinen strahlenden, unschuldigen Augen, mit dem wunderschönsten Augenaufschlag der Welt und schenkt dir sein reines, zauberhaftes Lächeln. Alles ist vergessen, du bist trunken vor Liebe.
Du kannst dich gar nicht satt sehen an den kleinen Fingern und den kleinen Zehen, du schleichst dich nachts ins Kinderzimmer und betrachtest lächelnd deinen selig schlummernden Engel, lauschst seinem Atem, du legst dein Ohr auf seine Brust, um seinen Herzschlag zu hören, dein Kind inspiriert dich und gibt dir Hoffnung, mit ihm an deiner Seite fühlst du dich reich. Es ist ohne Frage das größte Geschenk, das du bekommen konntest, es hält dein Herz in seinen Händen. Nie zuvor hast du Gefühle solcher Intensität erlebt, du würdest für dein Kind durchs Feuer gehen.
Mich kannst du ausmalen!
Unsere Kinder – die Lieben unseres Lebens.
Die Liebe zwischen Eltern und Kindern ist das stärkste und ausgeprägteste Gefühl, das die Natur hervorbringt. Allein durch diese mächtige Liebe entstehen Geborgenheit und Vertrauen, welche Kinder heranwachsen und gedeihen lassen, welche sie Wurzeln schlagen lassen, die sie auch in stürmischen Zeiten auf dem Boden halten, und ihnen Flügel wachsen lassen, die sie mit einem kraftvollen Flügelschlag in den Horizont tragen.
Aber natürlich kommen auch die anderen Tage. Tage, an denen du sie am liebsten an der Supermarktkasse sitzen lassen oder an der Autobahnraststation abgeben würdest. Es ist ganz egal, wie viele Erziehungsratgeber wir vorher gelesen haben oder wie oft wir im Stillen über fremde Kinder gedacht haben: „Also das könnte mir mit meinen Kindern nie passieren!" Jeder wird an seine Grenzen stoßen!
Meistens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Doch das ist gut so. Solange wir nicht an unsere Grenzen stoßen, haben wir keinen Antrieb, um zu neuen Ufern aufzubrechen. Und wir vergessen nur allzu schnell, wie viel wir noch zu lernen haben – oder lernen dürfen. Kinder können uns auf jeden Fall vieles lehren. Und sie sind die Zukunft.
WERTE
JA, SIE BESTIMMEN DIE ZUKUNFT.
Genau deshalb bemühen wir uns, unseren Kindern Werte mit auf ihren Weg zu geben. Spätestens, wenn wir bemerken, dass unser Nachwuchs alle unsere Arten und Unarten nachzuahmen versucht, fangen unsere Köpfe zu rauchen an: „Was ist mir eigentlich wichtig und wie viel davon möchte ich an mein Kind weitergeben?" Und spätestens wenn unsere Miniaturausgaben beginnen, sogar unsere merkwürdigen und ausgefallenen Wesenszüge zu spiegeln, überlegen wir, ob sich nicht ein paar unserer Charaktereigenschaften verstecken oder abgewöhnen lassen könnten.
Bei den vielen Gedanken, die sich mit der Werte-Weitergabe an unsere Kinder befassen, bleiben jedoch viel zu oft nur mehr jene Werte übrig, die unsere Gesellschaft vorschreibt.
Tu dies, lass jenes, reiß dich zusammen, was sollen denn die Leute von dir denken, dass du dich nicht schämst, du blamierst mich, schneller, weiter, mehr, ohne Fleiß kein Preis, …
Doch wer weiß, wie die Menschen ein paar Generationen später über uns denken?
Die Kinder der Zukunft lernen in ihren Schulen vielleicht etwas über „Die finstere Kapitalismuszeit"? Vielleicht finden die Menschen der Zukunft unsere heutigen Werte vollkommen grotesk? Vielleicht finden sie es seltsam und verrückt, wie wir von einer Arbeit zur nächsten hetzen, wie in einem Hamsterrad, und jeden der das nicht mindestens 40 Stunden in der Woche macht, als Versager belächeln. Mit dem so verdienten Geld Güter konsumieren, die wir in Wahrheit gar nicht brauchen, uns noch mehr Zeit kosten, uns wieder Arbeit bescheren, schnellstmöglich kaputtgehen und ganz nebenbei die Ressourcen der Erde aufsaugen und Menschen auf anderen Kontinenten ausbeuten. Vielleicht finden sie es habgierig, wie sich alles um mehr Geld dreht, um Wirtschaftswachstum, mehr Geld, schneller, höher, weiter, mehr Geld, … Wer weiß, wer weiß – wie unser Zeitalter einmal gesehen und benannt wird.
Neben diesem Wirtschaftswachstum vergessen wir oft ganz und gar auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens, wie Zeit mit unseren Kindern zu verbringen. Zeit, in der sie wichtige Werte übernehmen könnten, ohne sich die hektische Rastlosigkeit des 21.Jahrhunderts einzuverleiben. Viele von uns schwimmen jedoch anscheinend lieber mit diesem Strom, weil uns die Meinung der Gesellschaft so wichtig ist.
Albert Einstein sagte: „Wenige sind imstande, von den Vorurteilen der Umgebung abweichende Meinungen gelassen auszusprechen. Die meisten sind sogar unfähig, überhaupt zu solchen Meinungen zu gelangen."
Wir haben unsere Meinungen, Werte und Vorurteile natürlich von Klein auf gelernt. Zuhause, in der Schule, in der Arbeit, im Fernsehen, vom Staat.
Aber warum nicht diese Werte auch über Bord werfen können?
Werte müssen – wie das Wort schon sagt – einen Wert für uns haben, fernab jeglicher Vorbestimmtheit durch wen auch immer.
Net alles, was an Wert hat,
muaß a an Preis hob’n.
Aber mach des amoi wem kloar!
WOLFGANG AMBROS – A Mensch mecht i bleib’n
SELBSTWERT
WAS AUS UNSEREN KINDERN EINMAL WIRD, WENN SIE GROSS SIND, DAS KÖNNEN WIR NUR BEDINGT BEEINFLUSSEN.
Wir können versuchen, sie vor Fehlern zu schützen, besonders vor denen, die wir selbst bereits begangen haben. Wir könnten sie ermuntern, das Leben zu leben, welches wir gerne leben würden. Wir könnten sogar versuchen, sie zu manipulieren oder in manchen Fällen ihren Willen zu brechen.
Auf keinen Fall garantiert uns das aber, dass unsere Kinder zu den Erwachsenen heranwachsen, die wir in Planung haben.
Das Einzige, was wir ihnen mit auf ihre Reise geben können und was sie dringend benötigen, das sind Wurzeln.
Und mit Wurzeln meine ich Liebe, Verständnis, Toleranz. Hände, die die ihren halten oder sie auffangen, aber nur, wenn sie es brauchen. Ohren, die hinhören, wenn sie uns etwas erzählen. Augen, die in die Tiefen ihrer Seele blicken.
Wir können ihnen einen offenen Geist und ein freies Herz auf ihre Reise mitschicken. Und vor allem Selbstwertgefühl, denn sie müssen nicht irgendwelchen Werten entsprechen, sondern ihren eigenen – ihren Selbstwert erkennen.
Der Sinn des Lebens besteht nicht darin,
ein erfolgreicher Mensch zu sein, sondern
ein wertvoller.
Um es wieder mit den Worten von ALBERT EINSTEIN zu sagen
Lassen wir doch unsere Kinder nach eigenen Werten und Zielen streben und versuchen wir nicht, sie zu biegen, um sie in die Gesellschaft einzugliedern.
Ich hörte einmal den Satz: „Wir Erwachsene haben ein Leben lang nach Vollkommenheit gestrebt und sind kläglich daran gescheitert. Deshalb sind wir versucht, die Vollkommenheit in unseren Kindern verwirklichen zu wollen. Wir setzen sie unter Druck, dort Erfolg aufzuweisen, wo wir selbst versagt haben."
Kinder, die zwischen Liebe schenkenden Menschen aufwachsen dürfen, die einen Sinn für ihre Identität, Selbstwert und Selbstachtung mit auf ihren Weg bekommen und die mit einem Gefühl für ihren Platz auf der Erde und ihre Wurzeln groß werden, sind später nicht so gefährdet, sich die Flügel stutzen zu lassen oder gar anderen die Flügel zu stutzen.
VON GENIES UND FÄHIGKEITEN
SELBSTWERT KANN NUR ENTSTEHEN, WENN WIR OFFEN UND EHRLICH MIT UNSEREN KINDERN UMGEHEN.
Sie bemerken es sofort, wenn wir nur halbherzig hinhören oder hinsehen, wenn sie uns etwas (für sie in diesem Moment) furchtbar Wichtiges erzählen oder zeigen wollen. Leicht sind wir dazu verleitet, ein schnelles: „Ja, ja schön hast du das gemacht!" auszusprechen, ohne wirklich hinzusehen.
Ich glaube, dass unsere Kinder wirklich viel Wert auf unsere Meinung legen. Wir können ruhig aussprechen, was uns gefällt und was nicht. Allerdings müssen wir ihnen vermitteln, dass es am wichtigsten ist, was sie selber darüber denken. Sie müssen ihren Selbstwert erkennen, um ihren Weg zu gehen und ihre Träume zu verwirklichen. Wir müssen sie mit ihren individuellen Fähigkeiten und Gaben anerkennen, fördern und unterstützen. Nicht jedes Kind ist supermusikalisch, gut in Rechnen, Zeichnen, Schreiben, Turnen. Zusätzlich noch fürsorglich, hilfsbereit, barmherzig und selbstlos. Das müssen sie auch nicht sein!
Mich kannst du ausmalen!
DIE GESELLSCHAFT
Erziehung ist das Weitergeben der Werte und Erfahrungen, die wir selbst für wichtig erachten, an unsere nächste Generation – unsere Kinder. Genau deshalb müssen wir unsere Kinder „erziehen".
Das hat aber nichts mit den aufgezwungenen Etiketten der Kindererziehung zu tun, denn die Grenzen sind dort, wo wir als Familie sie setzen. Wir müssen uns nicht an alle Regeln der Gesellschaft halten und auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir nicht vor allen Gesetzen, die die Gesellschaft aufstellt, den Hut ziehen.
Ich zum Beispiel habe recht schnell wieder zu arbeiten begonnen, als meine Kinder noch klein waren, und war froh, dabei ab und zu aus dem Haus zu kommen. Das ist natürlich nichts Verwerfliches und es geht vielen Müttern so. Dennoch hatte ich an einigen Tagen ein schlechtes Gewissen, weil ich öfters vermeinte, erst wieder richtig atmen zu können und ich selbst zu sein, wenn ich außer Haus war.
Erst im Nachhinein habe ich bemerkt, dass ich nicht mit meinen Kindern überfordert gewesen bin, sondern mit den Anforderungen, die die Gesellschaft im Hinblick auf die Aufgaben bei der Kindererziehung an mich gestellt hat.
Traurig, weil wir es nicht schaffen, dem Idealbild der Eltern aus Fernsehwerbungen zu entsprechen, und zusätzlich verwirrt von allen möglichen Erziehungs- und Beziehungsratgebern werden wir zurückgelassen – schier unfähig, auch noch die „Nachts-schreien-lassen-oder-beruhigen-Frage" zu beantworten.
DIE LÖWEN IN DER GESELLSCHAFT
Auf meinem Weg durchs Leben lernte ich beides kennen: Menschen, die mit viel zu viel Last auf den Schultern, Schranken und Steinen im Weg aufgewachsen sind, was natürlich tiefe Spuren in ihrem Leben hinterließ. Aber auch Menschen, die fast frei von den aufgezwungenen Vorlagen der Gesellschaft groß werden durften.
Sie konnten so aufwachsen, dass ihre Talente und Gaben gefördert wurden und sie zu großartigen, selbstständigen Individuen herangewachsen sind. Sie machen sich keinen Kopf darüber, was andere Menschen über sie denken. Trotzdem handeln sie nicht selbstverliebt und narzisstisch, sondern überlegt, hilfsbereit und aus ihrer Mitte heraus. Kritik nehmen sie dankbar an. Wenn ihnen diese Kritik als berechtigt erscheint, versuchen sie etwas zu ändern und daraus zu lernen, wenn nicht, verschwenden sie keine kostbare Zeit und Energie, über diese Kritik weiter nachzudenken. Sie leben ihre Träume und kein Berg ist ihnen