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Weibliche Genitalbeschneidung: Hintergründe, gesundheitliche Folgen  und  nachhaltige Prävention
Weibliche Genitalbeschneidung: Hintergründe, gesundheitliche Folgen  und  nachhaltige Prävention
Weibliche Genitalbeschneidung: Hintergründe, gesundheitliche Folgen  und  nachhaltige Prävention
eBook185 Seiten2 Stunden

Weibliche Genitalbeschneidung: Hintergründe, gesundheitliche Folgen und nachhaltige Prävention

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Über dieses E-Book

Weibliche Genitalbeschneidung ist in vielen afrikanisch-arabischen Ländern trotz der Bemühungen nationaler und internationaler Organisationen leider immer noch verbreitet. Viele der beschnittene Frauen bestehen darauf, nach Geburten oder Operationen erneut genital verschlossen zu werden. Aus westlicher Perspektive scheint dies Ausdruck vermeintlich primitiver Kulturen. Doch was steckt dahinter? Was sagen die Betroffenen dazu? Und was bedeutet der Trend in den Industrieländern sich ein Genitalpiercing zuzulegen im Kontext zur weiblichen Genitalbeschneidung? Fana Asefaw, engagierte Gegnerin der Beschneidung, beleuchtet die Hintergründe, lässt die betroffenen Frauen zu Wort kommen und fordert einen Kurswechsel in der öffentlichen Debatte. Die kulturellen Hintergründe müssen miteinbezogen und die Würde der Betroffenen gewahrt werden. Mit ihrem Buch liefert die Autorin unentbehrliches Hintergrundwissen für alle, die in medizinischen und psychosozialen Berufen mit dieser Thematik konfrontiert sind.
SpracheDeutsch
Herausgeberboox-verlag
Erscheinungsdatum21. Jan. 2017
ISBN9783906037318
Weibliche Genitalbeschneidung: Hintergründe, gesundheitliche Folgen  und  nachhaltige Prävention

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    Buchvorschau

    Weibliche Genitalbeschneidung - Fana Asefaw

    Anliegen.

    1Soziale Strukturen in Eritrea

    Eritrea ist ein Staat im nordöstlichen Afrika und grenzt an Äthiopien, den Sudan und Dschibuti sowie im Roten Meer an Jemen.¹ Die Fläche Eritreas umfasst ca. 117‘000 Quadratkilometer und ist damit etwa dreimal so gross wie die Schweiz.

    Das Land ist in sechs Zonen unterteilt: Anseba, Northern Red Sea, Central Region und Southern Region.

    Abbildung 1: Geografie²

    Eritreische Geschichte – ein kurzer Überblick

    Eritrea war eine von 1890 bis 1945 italienische Kolonie und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Grossbritannien übernommen. 1952 wurde das Land der Obhut der Vereinten Nationen anvertraut. Schon 1950 hatte die UNO einseitig auf eine Föderation Eritreas mit Äthiopien gedrängt, die später erzwungen wurde. Ab 1960 wurde die Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien schrittweise aufgehoben, etwa durch die Herabstufung der autonomen Regierung zu einer Verwaltungsbehörde. 1961 löste sich das Parlament auf und Eritrea wurde vollkommen dem Staat Äthiopien einverleibt. In der Folge bildeten sich Unabhängigkeitsbewegungen. So entstand 1961 die Eritreische Befreiungsfront (ELF). 1970 spaltete sich von dieser die Eritreische Volksbefreiungsfront (EPLF) ab. Im April 1993 kam es zu einem Referendum, in dem 99.8 Prozent für die Unabhängigkeit Eritreas stimmten. Die Beziehungen Eritreas zu Äthiopien blieben angespannt. 1998 erklärte Äthiopien Eritrea nach einem Grenzzwischenfall den Krieg. Hart umkämpft war insbesondere das Grenzgebiet Yirga, das nach eritreischer Auffassung zur Region Gash-Barka, nach äthiopischer dagegen zu Tigre gehört. Im Mai 2000 lehnte Äthiopien Friedensverhandlungen mit Eritrea ab und begann seine dritte Offensive. Trotzdem kam es im Juni zu einem Waffenstillstand und im Dezember wurde der algerische Friedensplan von beiden Seiten angenommen. Dieser Friedensplan sah vor, dass eine unabhängige Grenzkommission in Den Haag über den strittigen Grenzverlauf entscheiden sollte. Allerdings akzeptierte Äthiopien den Schiedsspruch im Oktober 2003 nicht.³ Auch heute ist zwischen den beiden Regierungen keine Einigkeit in Sicht. Deshalb halten sich die UNO-Friedenstruppen seit Jahren im Land auf – und Äthopien weigert sich, die selbst ausgehandelten Verträge endgültig anzuerkennen.⁴

    Bevölkerung und Volksgruppen

    Die Bevölkerung Eritreas umfasst ca. 6.4 Millionen Menschen (Quelle: CIA Juli 2014). Zusätzlich leben über eine Million Eritreer als Emigranten in allen Teilen der Erde. Etwa die Hälfte der Eritreer bekennt sich zum Christentum, die andere Hälfte zum Islam. Dazu bilden Anhänger von Naturreligionen eine kleine Minderheit.

    Ein Stadt-Land-Gefälle ist für Eritrea bezeichnend: Der Anteil der Bevölkerung in ländlichen Gebieten liegt bei 80 Prozent. Es handelt sich vor allem um sesshafte Bauern und halb nomadisierende Viehzüchter. Es gibt nur eine kleine Gruppe von echten Nomaden, die Raschaidas. Etwa 20 Prozent der Eritreer leben in den Städten. Die Alphabetisierung beträgt ca. 70 Prozent bei den Männern und 46 Prozent bei den Frauen. Die meisten Frauen erlernen nie einen Beruf. Alle eritreischen Gesellschaften messen, mit graduellen Unterschieden, Frauen und Töchtern einen deutlich geringeren Wert bei als Männern und Söhnen. Bereits bei der Geburt wird der höhere Wert eines männlichen Neugeborenen dadurch zum Ausdruck gebracht, dass ihm siebenmalige Uliilation⁵ zusteht, einem weiblichen Neugeborenen dagegen nur dreimalige Uliilation zu. Dass Mädchen in Eritrea weniger wert sind, drückt sich auch darin aus, dass sie, besonders in dörflichen Gegenden, deutlich kürzer in eine Schule gehen als ihre Brüder und ihnen nicht die gleichen Besitz- und Familienrechte zustehen.

    Eritrea ist ein Vielvölkerstaat, in dem neun Volksgruppen leben. Die Tigrinya und die Tigre sind mit einem Bevölkerungsanteil von 41 Prozent, bzw. 30 bis 32 Prozent, die beiden grössten Volksgruppen des Landes. Die Afar machen fünf bis acht, die Saho vier bis fünf und die Kunama zwei bis fünf Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Bilen und Hedareb stellen einen Anteil von je drei Prozent, die Nara und Rashaida von je zwei Prozent.⁶ Jede Volksgruppe hat ihre eigene Sprache und Kultur. Alle Volksgruppen weisen patriarchale Strukturen auf, ausgenommen die Kunama, die als einzige matrilinear⁷ organisiert ist.

    Soziodemografische Unterschiede beschnittener und unbeschnittener Frauen

    Hinsichtlich ihres Alters unterschieden sich im Durchschnitt die von mir interviewten beschnittenen Frauen in Eritrea nicht wesentlich von den unbeschnittenen. Jedoch waren die ältesten der unbeschnittenen Frauen um die 35 Jahre alt, während ich mit beschnittenen Frauen sprach, die bis 70 Jahre alt waren.

    Dies ist darauf zurückzuführen, dass die unbeschnittenen Frauen grösstenteils Töchter der sogenannten FreiheitskämpferInnen waren und während des 30-jährigen Unabhängigkeitskrieges zwischen Äthiopien und Eritrea geboren wurden, also zwischen 1961 und 1991.

    Die beschnittenen Frauen waren überwiegend Hausfrauen, die meisten von ihnen vertraten eher religiöse, traditionelle und konservative Werte als die unbeschnittenen Frauen. Sie wohnten zumeist in ländlichen Gegenden.

    Die unbeschnittenen Frauen waren überwiegend in den Städten zuhause und verfügten meist über eine höhere Schulbildung als die beschnittenen. Die vergleichsweise höhere Schulbildung der unbeschnittenen Frauen hängt mit dem Wohnort zusammen, denn in den Städten Eritreas gibt es, umgerechnet auf die Bevölkerungszahl, mehr Schulen als auf dem Land.

    Ein zentrales Problem besteht darin, Bildung und berufliche Perspektiven für Frauen und Mädchen zu ermöglichen. Derzeit nehmen weniger als 40 Prozent der Mädchen am Schulunterrischt teil. Ihre Analphabetenrate ist mit mit über 50 Prozent sehr hoch. Meine empirische Untersuchung zeigt, dass die weibliche Beschneidung in Eritrea noch heute einen positiven Ruf geniesst, insbesondere in ländlichen Gegenden, wo für Mädchen noch seltener als in der Stadt ein Schulbesuch möglich und die Analphabetenrate der Frauen am höchsten ist.

    Die gebildeten Männer und Frauen befürworten grösstenteils die Beendigung der weiblichen Beschneidung, während die Analphabeten überwiegend für deren Fortführung sind. Die Beschneidungsrate nimmt also mit höherer Schulbildung ab.

    Überraschend ist, dass viele Frauen in den ländlichen Gegenden berufstätig waren – z.Bsp. als Bäuerin, Marktfrau und Friseurin – nachdem ihre Männer als Invaliden aus dem Krieg zurückgekommen oder gefallen waren. In diesem Zusammenhang berichten einige Frauen, sie hätten aus finanzieller Not sogar den Beruf der Beschneiderin ausgeübt.

    Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen höherer Schulbildung, städtischer Wohngegend und einem Rückgang der Beschneidungszahlen. Zusätzlich wirkt sich ein höherer sozialer Status positiv auf die Abschaffung der weiblichen Genitalbeschneidung und die reproduktive Gesundheit aus.

    Die soziale Stellung der Frau

    «Die weibliche Genitalbeschneidung ist ganz besonders mit kultureller Bedeutung aufgeladen, weil sie eng mit der weiblichen Sexualität und mit der reproduktiven Rolle von Frauen in ihren Gesellschaften zusammenhängt.»

    Etwa 50 Prozent der eritreischen Frauen werden verheiratet, bevor sie ihr 18. Lebensjahr erreichen, in ländlichen Gegenden sogar schon mit 15 Jahren oder früher.¹⁰

    Die frühe Heirat der Frauen steht in engem Zusammenhang mit ihrer Rolle in der Gesellschaft. Verheiratet zu sein und Kinder zu haben, ist für sie mit einem hohen sozialen Status verbunden und hat zudem ökonomische Gründe. Beschnittene Frauen sind bei der Heirat durchschnittlich 16, unbeschnittene 19 Jahre alt. Ihr erstes Kind bekommen beschnittene Frauen mit 17, unbeschnittene mit 20 Jahren.

    Letztere bekommen durchschnittlich weniger Kinder als beschnittene Frauen. Weitere Forschungsergebnisse bestätigen ebenfalls, dass Frauen aller Volksgruppen und Religionen sehr früh ihr erstes Kind bekommen.¹¹

    Für dieses relativ niedrige Erstgeburtsalter gibt es mehrere Gründe: In Eritrea haben nur wenige Frauen Zugang zu modernen Verhütungsmitteln, nur 5 Prozent verwenden überhaupt Kontrazeptiva. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Zahl bei 72 Prozent.¹²

    Ein Schwangerschaftsabruch wird in Eritrea strafrechtlich verfolgt, nur bei bestimmten Indikationen wie beispielsweise gesundheitlicher Gefährdung der Mutter oder des Kindes ist er erlaubt. Besonders junge unverheiratete Frauen setzen sich daher bei ungewollten Schwangerschaften illegalen Aborten aus¹³ und erleiden schwere gesundheitliche Komplikationen, die sie nicht selten mit dem Leben bezahlen.

    Leider ist ein uneheliches Kind in Eritrea nach wie vor in den meisten Fällen ein Stigma für die ganze Familie und die Chance der ledigen Mutter auf einen Ehemann sinkt gegen null.

    Kinder haben in Eritrea eine zentrale Rolle bei der Altersvorsorge und Zukunftssicherung der Eltern. Kinderreichtum ist gleichbedeutend mit der wirtschaftlichen Absicherung der Eltern, wohingegen Kinderlosigkeit in der eritreischen Gesellschaft mit «sinnloser Eheführung» gleichgesetzt wird und ein regelmässiger Scheidungsgrund ist. Frauen in Eritrea dürfen offiziell erst nach der Eheschliessung sexuell mit einem Mann verkehren und Kinder bekommen.

    Die von mir Interviewten betonen, dass sie sofort nach der Heirat unter sozialen Druck gerieten, schwanger zu werden, weil ihnen andernfalls gesellschaftliche Ächtung drohte.Vergleicht man das Reproduktionsalter von Frauen in Eritrea und Deutschland¹⁴ stellt man fest, dass zwölf Prozent der eritreischen Frauen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren Kinder bekommen, während dies nur auf ein Prozent der deutschen Frauen zutrifft. Betrachtet man das Alter der Erstgebärenden, ist in Deutschland im Vergleich zu den Vorjahren eine stetige Zunahme der Anzahl der Schwangeren über 35 Jahre auffällig.¹⁵ Hingegen ist es in Eritrea ungewöhnlich, dass eine Frau erst mit 30 Jahren oder später zum ersten Mal schwanger wird; dies trifft nur auf 0.5 Prozent zu.¹⁶ Erwähnt werden sollte ferner, dass die von mir interviewten Männer bei der Heirat deutlich älter waren als die interviewten Frauen.

    Diese Divergenz ist in der eritreischen Gesellschaft nicht ungewöhnlich, sondern spiegelt die ungleichen Rechte und Perspektiven der Geschlechter wider: Während Männern die Möglichkeit einer persönlichen und beruflichen Entwicklung zusteht, auch mit der Option, später eine Familie zu ernähren, werden Frauen ihre ganze Kindheit und Jugend über darauf vorbereitet, einen Ehemann zu bekommen, um wirtschaftlich abgesichert zu sein.

    Allerdings geht mit der wirtschaftlichen Entwicklung eine Veränderung des Rollenverständnisses der Frau in der Gesellschaft einher. Das bedeutet, dass mehr Rechte und mehr Bildung für Frauen und Mädchen zur Verbesserung ihrer gesundheitlichen Situation führen. Somit haben Frauen die Möglichkeit weniger Kinder zu bekommen und wirtschaftlich unabhängig zu sein.¹⁷ Wenn sich also die gesellschaftliche Rolle der Frau grundsätzlich änderte, sprich Frauen und ihren Töchtern Bildung und berufliche Perspektive als Werte vermittelt werden würde, die besser sind als früh zu heiraten und Kinder zu gebären, ist zu erwarten, dass die weibliche Genitalbeschneidung in diesem neuen Rollenverständnis keinen Platz mehr haben und eher hinderlich sein wird.

    Rahmenbedingungen afrikanischer Gesellschaften: Eritrea, Äthiopien und Tansania

    Beim Vergleich der drei in Tabelle 1 ausführlicher betrachteten Gesellschaften, die weibliche Beschneidung ausführen, lässt sich Folgendes feststellen: In allen drei Ländern – Eritrea, Äthiopien und Tansania – ist das Wirtschaftswachstum niedrig und die Bevölkerungszunahme hoch. Kennzeichnend für diese drei afrikanischen Gesellschaften ist die fehlende Schulbildung, insbesondere bei Frauen und Mädchen.

    Fast die Hälfte der interviewten Frauen waren Analphabetinnen, Frauen mit höherer Schulbildung machten nur etwa ein Drittel aus. Die Frauen mit höherer Bildung waren jüngeren Alters und wohnten in städtischen Gegenden.

    Die Lebenserwartung der Menschen in den drei untersuchten afrikanischen Ländern ist, verglichen mit europäischen Ländern, niedrig: Frauen in Eritrea werden im Durchschnitt 55, Männer 52 Jahre alt. Die niedrigere Lebenserwartung wirkt sich auf die demografische Alterung aus: circa 44 Prozent der Bevölkerung sind nicht älter als 15 Jahre.

    Die interviewten Frauen waren zum Befragungszeitpunkt im Durchschnitt 28,2 Jahre alt, die Männer

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