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Der Herr der Welt
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eBook526 Seiten

Der Herr der Welt

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Über dieses E-Book

vollständige Fassung, kommentiert und in Neuer Deutscher Rechtschreibung
Der Herr der Welt, (»Lord of the world«), gilt als wichtiger Vorläufer der großen dystopischen Romane des 20. Jahrhunderts wie George Orwells »1984« (1949) oder Aldous Huxleys »Brave New World« (1932).

Zu Begin des 21. Jahrhunderts hat der amerikanische Politiker Julian Felsenburgh den Weltfrieden erreicht, zahllose Nationen unterwerfen sich seinem Diktat. Dies jedoch um den Preis einer technologisierten Gesellschaft, die nur auf den rationalen Verstand setzt und Religion als Aberglauben verteufelt und verfolgt. Waffenstarrende Zeppeline bevölkern die Lüfte, es gibt Elektroautomobile, drahtlose Kommunikation, aber auch Terror, Bespitzelung und Euthanasiehäuser.

Als seinen letzten Gegner identifiziert Felsenburgh die katholische Kirche, ihre Irrationalität und ihr Glaube sieht er als Bedrohung. Als Konsequenz betreibt er deren vollständige Vernichtung.

Was nun folgt, sind aberwitzige, endzeitliche Schlachten mit Luftschiffen gegen Rom und gegen den Vatikan. Es kommt zum Endkampf zwischen dem Papst und dem Weltpräsidenten.

Benson sah in diesem Werk viele Schrecken der Zukunft voraus: Weltkriege, Massenvernichtungswaffen, Entmenschlichung der Gesellschaft, Entfremdung der Familien, Terrorismus und den »Kampf der Kulturen«
Null Papier Verlag
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum21. Okt. 2021
ISBN9783954185498
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    Buchvorschau

    Der Herr der Welt - Robert Hugh Benson

    Über dieses Buch

    Der Herr der Welt (»Lord of the world«) gilt als wich­ti­ger Vor­läu­fer der großen dys­to­pi­schen Ro­ma­ne des 20. Jahr­hun­derts wie Ge­or­ge Or­wells »1984« (1949) oder Al­dous Hux­leys »Bra­ve New World« (1932).

    Zu Be­gin des 21. Jahr­hun­derts hat der ame­ri­ka­ni­sche Po­li­ti­ker Ju­li­an Fel­sen­bur­gh den Welt­frie­den er­reicht, zahl­lo­se Na­tio­nen un­ter­wer­fen sich sei­nem Dik­tat. Dies je­doch um den Preis ei­ner tech­no­lo­gi­sier­ten Ge­sell­schaft, die nur auf den ra­tio­na­len Ver­stand setzt und Re­li­gi­on als Aber­glau­ben ver­teu­felt und ver­folgt. Waf­fen­star­ren­de Zep­pe­li­ne be­völ­kern die Lüf­te, es gibt Elek­tro­au­to­mo­bi­le, draht­lo­se Kom­mu­ni­ka­ti­on, aber auch Ter­ror, Be­spit­ze­lung und Eutha­na­sie­häu­ser.

    Als sei­nen letz­ten Geg­ner iden­ti­fi­ziert Fel­sen­bur­gh die ka­tho­li­sche Kir­che, ihre Ir­ra­tio­na­li­tät und ihr Glau­be sieht er als Be­dro­hung. Als Kon­se­quenz be­treibt er de­ren voll­stän­di­ge Ver­nich­tung.

    Was nun folgt, sind aber­wit­zi­ge, end­zeit­li­che Schlach­ten mit Luft­schif­fen ge­gen Rom und ge­gen den Va­ti­kan. Es kommt zum End­kampf zwi­schen dem Papst und dem Welt­prä­si­den­ten.

    Ben­son sah in die­sem Werk vie­le Schre­cken der Zu­kunft vor­aus: Welt­krie­ge, Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen, Ent­mensch­li­chung der Ge­sell­schaft, Ent­frem­dung der Fa­mi­li­en, Ter­ro­ris­mus und den »Kampf der Kul­tu­ren«

    *

    Über den Autor

    Ro­bert Hugh Ben­son (18.11.1871 - 19.09.1914) war ein eng­li­scher Pries­ter und Schrift­stel­ler. Er ist der vier­te und jüngs­te Sohn Ed­ward Whi­te Ben­sons, Kanz­ler der Ka­the­dra­le von Lin­coln und spä­te­rer Erz­bi­schof von Can­ter­bu­ry.

    Ben­son stu­dier­te Theo­lo­gie und Alt­phi­lo­lo­gie am Tri­ni­ty Col­le­ge in Cam­bridge. Im Jah­re 1894 wur­de er Dia­kon, 1895 wur­de er von sei­nem Va­ter zum Pries­ter der Kir­che von Eng­land ge­weiht.

    Sei­ne re­li­gi­ösen Zwei­fel an der Au­to­ri­tät der an­gli­ka­ni­schen Kir­che je­doch führ­ten zur Hin­wen­dung zum ka­tho­li­schen Glau­ben. Er trat am 11. Sep­tem­ber 1903 in die rö­misch-ka­tho­li­sche Kir­che ein und wur­de schließ­lich in Rom zum Pries­ter ge­weiht.

    1907 schrieb er sein be­kann­tes­tes Werk, den End­zeitroman »Lord of the World« (»Der Herr der Welt«), wel­cher vie­le Auf­la­gen und Über­set­zun­gen er­fuhr und als wich­ti­ger Vor­läu­fer der großen dys­to­pi­schen Ro­ma­ne des 20. Jahr­hun­derts gilt.

    Ro­bert Hugh Ben­son er­lag ei­nem Herz­in­farkt in­fol­ge ei­ner Lun­gen­ent­zün­dung.

    Vorwort zur sechsten und siebenten Auflage

    Durch die in den letz­ten Jah­ren an­hal­ten­de Teil­nah­me an »Herr der Welt« ist die erst kürz­lich not­wen­dig ge­wor­de­ne 4. und 5. Auf­la­ge er­schöpft und be­dingt des­halb nun­mehr die 6. und 7. Auf­la­ge. An­fangs viel um­strit­ten hat das Buch doch all­mäh­lich sich durch­zu­set­zen ge­wusst, nach­dem mehr und mehr das Ver­ständ­nis da­für ob­sieg­te, dass Ben­son nichts wei­ter im Auge hat, als zu zei­gen, wie die in den Mas­sen ver­kör­per­ten Ge­dan­ken un­se­rer Zeit sich un­ter be­stimm­ten Voraus­set­zun­gen aus­wir­ken müss­ten, wenn die Ent­wick­lung ohne be­son­de­re Be­hin­de­run­gen und Ablen­kun­gen wei­ter sich voll­zö­ge. Ihm schi­en die Ent­christ­li­chung der Welt in nicht all­zu fer­ner Zeit mit Not­wen­dig­keit Zu­stän­de her­bei­zu­füh­ren, die ih­ren na­tür­li­chen Ab­schluss mit dem von der Vor­se­hung be­stimm­ten Ende der Zei­ten fin­den wür­den. Die geist­vol­le Stu­die in Ro­man­form, für die der Ver­fas­ser selbst sei­ner­zeit mir ge­gen­über den Cha­rak­ter ei­ner po­li­ti­schen Pro­phe­zei­ung ab­lehn­te, ist ja durch die Welt­ent­wick­lung in man­cher Hin­sicht in be­son­de­re Be­zie­hung zu den heu­ti­gen Er­eig­nis­sen ge­tre­ten.

    Ben­sons Zu­kunfts­ge­mäl­de hat nun­mehr nach bald zehn Jah­ren im Pa­ri­ser in­ter­na­tio­na­len Frei­mau­rer­kon­gress vom Juni — Juli 1917 sei­ne Be­stä­ti­gung und nach die­ser Sei­te hin auch sei­ne theo­re­ti­sche Recht­fer­ti­gung ge­fun­den. Das Pro­gramm der in­ter­na­tio­na­len frei­mau­re­ri­schen Wel­tre­pu­blik, die Be­sei­ti­gung der Mon­ar­chi­en, die Auf­rich­tung der Ge­walt­herr­schaft des So­zia­lis­mus in ganz Deutsch­land, der ge­plan­te Völ­ker­bund auf ei­ner jede Jen­seits­re­li­gi­on aus­schlie­ßen­den Grund­la­ge, die zu­neh­men­de Kne­be­lung und Matt­set­zung des Paps­tes durch einen be­son­de­ren Ver­trag, die Wil­son­schen Ide­en von mau­re­ri­scher Welt­ver­brü­de­rung, sei­ne gan­ze dem christ­li­chen Ide­en­krei­se ent­nom­me­ne Phra­seo­lo­gie bei Un­ter­drückung ih­res über­na­tür­li­chen In­hal­tes, all dies müss­te, so möch­te man mei­nen, Ben­son zum Vor­bil­de ge­dient ha­ben, wenn es nicht erst drei Jah­re nach sei­nem Tode sei­ne Fest­le­gung und Er­he­bung zum Kriegs­end­zie­le er­fah­ren hät­te, zu des­sen Durch­füh­rung durch die­sen »letz­ten Krieg« die Vor­be­din­gun­gen ge­schaf­fen wer­den sol­len. Des Deut­schen Kai­ser­rei­ches letz­ter Herr­scher hat jüngst noch ei­nem eng­li­schen Pres­se­ver­tre­ter sei­ne von Ben­son ge­wiss un­ab­hän­gi­ge Über­zeu­gung aus­ge­spro­chen, Er­re­ge­rin und Sie­ge­rin im Welt­krie­ge sei die Frei­mau­re­rei und al­lein die ka­tho­li­sche Kir­che habe sich ihr ge­gen­über bis­her zu be­haup­ten ver­mocht.

    So wächst das Buch mehr und mehr in die Wirk­lich­keit hin­ein und wird von Tag zu Tag mehr das, was man ›ak­tu­ell‹ nennt. Das be­weist auch nicht zu­letzt die wach­sen­de Nach­fra­ge un­se­rer Zeit. So­mit über­ge­be ich die­se Dop­pelauf­la­ge der Öf­fent­lich­keit; möge sie recht vie­len neu­en Le­sern zum Ge­nuss aber auch zur erns­ten Ge­wis­sens­er­for­schung wer­den.

    Füs­sen im Ja­nu­ar 1923

    H. M. von Lama

    Einleitung

    Im Jah­re 1908 er­schi­en in Lon­don ein Ro­man: »The Lord of the World«, des­sen Au­tor, Ro­bert Hugh Ben­son, in li­te­ra­ri­schen Krei­sen schon seit ge­rau­mer Zeit einen nicht mehr ge­wöhn­li­chen Rang ein­nahm. Das Buch er­reg­te so­fort großes Auf­se­hen, was der Ver­fas­ser selbst vor­aus­ge­sagt hat­te, als er in der Vor­re­de schrieb:

    »Ich bin voll­stän­dig da­von über­zeugt, dass dies ein au­ßer­or­dent­lich sen­sa­tio­nel­les Werk ist und aus die­sem Grun­de so­wohl, als auch nach an­de­ren Rich­tun­gen hin, ei­ner end­lo­sen Kri­tik aus­ge­setzt sein wird. Aber ich wuss­te nicht, wie ich an­ders die Prin­zi­pi­en, die ich dar­stel­len woll­te (und von de­ren Rich­tig­keit ich durch und durch über­zeugt bin), zum Aus­druck hät­te brin­gen kön­nen, als in­dem ich bei Dar­stel­lung ih­res Ent­wick­lungs­gan­ges die Form der Sen­sa­ti­on wähl­te. Ich habe mich je­doch be­müht, nicht zu schril­le Töne an­zu­schla­gen und, so­weit es mir mög­lich war, die An­schau­un­gen an­de­rer Leu­te mit Ach­tung und Scho­nung zu be­han­deln. Ob mir das ge­lun­gen, ist al­ler­dings eine an­de­re Fra­ge.«

    Ehe wir uns mit der li­te­ra­ri­schen Per­sön­lich­keit Ben­sons nä­her be­fas­sen, mö­gen ei­ni­ge bio­gra­fi­sche Da­ten über die­sen be­deu­tends­ten ka­tho­li­schen Schrift­stel­ler des heu­ti­gen Eng­land vor­aus­ge­hen. Ro­bert Hugh Ben­son wur­de am 18. No­vem­ber 1871 zu Can­ter­bu­ry als der Sohn des 1896 ver­stor­be­nen an­gli­ka­ni­schen Erz­bi­schofs Whi­te Ben­son von Can­ter­bu­ry ge­bo­ren. Be­kannt­lich be­klei­det der In­ha­ber die­ses Erz­bi­schofs­sit­zes, den im Mit­tel­al­ter so große und glän­zen­de Geis­ter wie Duns­tan, Lan­frank, An­selm, Tho­mas Becket und an­de­re schmück­ten, die höchs­te Wür­de der an­gli­ka­ni­schen Hier­ar­chie, er ist »Pri­mas von ganz Eng­land« und tritt in der Ran­glis­te des Bri­ti­schen Rei­ches un­mit­tel­bar nach den Mit­glie­dern des Kö­nigs­hau­ses. Der jun­ge Ben­son ge­noss eine vor­treff­li­che Er­zie­hung. Nach­dem er das be­rühm­te Kol­leg zu Eton in Buck­ing­ham, die Pflanz­stät­te so vie­ler in der Ge­schich­te Eng­lands un­s­terb­lich ge­wor­de­ner Män­ner, be­sucht hat­te, wid­me­te er sich in Cam­bridge dem Stu­di­um der Theo­lo­gie. Hier, wo die Wie­ge des eng­li­schen Chris­ten­tums stand, um­rausch­te ihn der Geist ei­ner glän­zen­den Ver­gan­gen­heit, hier goss das Mit­tel­al­ter sei­nen vol­len Zau­ber in das emp­fäng­li­che Ge­müt des Jüng­lings. Ben­son wur­de nach Vollen­dung sei­ner Stu­di­en Vi­kar in Hack­ney Wick und in Kem­sing. Er brach­te eine nach Wis­sen und Wahr­heit dürs­ten­de See­le mit in sei­nen Be­ruf. Glü­hend vor Ei­fer gab er sich der Seel­sor­ger­tä­tig­keit hin. Aber nur zu bald muss­te er sich ge­ste­hen, dass die auf an­gli­ka­ni­scher, hoch­kirch­li­cher Sei­te be­tä­tig­te all­ge­mei­ne Auf­fas­sung des Pries­ter­amts sei­nem Ide­al nicht nach­kam. In Ben­son reg­te sich das Ge­fühl der Un­zu­frie­den­heit, das ihn be­wog, von sei­nem Amte zu­rück­zu­tre­ten und sich ei­nem Krei­se see­le­n­eif­ri­ger, gleich­ge­sinn­ter Män­ner an­zu­schlie­ßen, die un­ter der Lei­tung ei­nes Ober­haup­tes auf dem Ge­bie­te der in­ne­ren Mis­si­on ihre Kräf­te üb­ten.

    Wi­d­ri­ge Ge­sund­heits­ver­hält­nis­se nö­tig­ten Ben­son zu ei­ner Er­ho­lungs­rei­se nach Ägyp­ten und dem Hei­li­gen Lan­de. Da er­eil­te ihn in Je­ru­sa­lem die Kun­de, dass das Ober­haupt je­ner Mis­si­ons­ge­nos­sen­schaft zum Ka­tho­li­zis­mus über­ge­tre­ten sei. Die­se Nach­richt lös­te eine schmerz­li­che Trau­rig­keit in Ben­son aus. Aber schon hat­te die Gna­de auch ihn be­rührt und sei­ne An­schau­ung, als sei die an­gli­ka­ni­sche Kir­che eine Schwes­ter, ja ein Glied der ka­tho­li­schen, der er an­zu­ge­hö­ren mein­te, wan­kend ge­macht.

    Bei sei­ner Rück­kehr nach Eng­land fand er die Ge­nos­sen­schaft in Auf­lö­sung be­grif­fen, nach­dem noch mehr Mit­glie­der das Bei­spiel des Ober­haup­tes nach­ge­ahmt hat­ten. In Ben­son er­stark­te jetzt das Seh­nen nach der Er­neue­rung Eng­lands im ka­tho­li­schen Sin­ne im­mer mehr. Schon ge­hör­te sein Herz dem Ka­tho­li­zis­mus und mäch­tig zo­gen ihn des­sen Wahr­heit und Schön­heit in sei­nen Bann. Das »Zu­rück zur hei­li­gen Kir­che!« dem be­reits so vie­le Pro­tes­tan­ten ge­folgt sind, klang un­wi­der­steh­lich auch dem Soh­ne des an­gli­ka­ni­schen Pri­mas in der Brust. Doch ehe er den Letz­ten, den ent­schei­den­den Schritt wag­te, ging er auf Wunsch sei­ner in­nig ge­lieb­ten Mut­ter die an­ge­se­hens­ten Au­to­ri­tä­ten der Hoch­kir­che, meis­tens per­sön­li­che Freun­de sei­nes ver­stor­be­nen Va­ters, um ih­ren Rat an. Aber die Hoff­nung der Mut­ter, dass es ih­nen ge­lin­gen wer­de, den Sohn dem an­gli­ka­ni­schen Kir­chen­tum zu er­hal­ten, wur­de ver­ei­telt: Im Jah­re 1903 schied Ben­son aus dem­sel­ben aus, um zur ka­tho­li­schen Kir­che über­zu­tre­ten; ein Jahr spä­ter wur­de er in Rom zum Pries­ter ge­weiht. Als sol­cher leb­te er bis zu sei­nem Tode im Ok­to­ber 1914 in der Nähe von Bun­ting­ford bei Cam­bridge.

    Es war in je­ner Zeit, da er die Wahr­heit in­ner­lich be­reits an­ge­nom­men hat­te, je­doch mit tau­send Fä­den noch an sei­nen bis­he­ri­gen Stand­punkt und so vie­les, was ihm lieb und teu­er ge­wor­den war, sich ge­bun­den sah, in je­ner Zeit auch, da er von den wi­der­stre­bends­ten Ge­füh­len und Re­gun­gen hin und her ge­wor­fen den­noch das un­ver­meid­li­che Ende klar er­kann­te, dass ihm ein Ma­nu­skript über die Zeit der Kö­ni­gin Eli­sa­beth un­ter die Hän­de kam. Es er­weck­te sein In­ter­es­se, und um sich dem Be­wusst­sein sei­nes un­er­träg­li­chen Ge­müts­zu­stan­des ei­ni­ger­ma­ßen zu ent­zie­hen, nahm er Ver­an­las­sung, eine Art his­to­ri­scher Er­zäh­lung über den Ge­gen­stand zu schrei­ben. So ent­stand sein ers­tes Buch »By what Aut­ho­ri­ty«, von dem Ben­son selbst be­kennt: »Die­se Ar­beit war, glau­be ich, ein aus­ge­zeich­ne­tes Si­cher­heits­ven­til für mei­ne Geis­tes­ver­fas­sung, und hät­te ich sie nicht ge­fun­den, ich weiß nicht, was ge­sche­hen wäre.« Es ist be­reits eine Apo­lo­gie des ka­tho­li­schen Stand­punk­tes und hat zum Ge­gen­stand die Haupt­schwä­che der an­gli­ka­ni­schen Po­si­ti­on, den Man­gel an Au­to­ri­tät.

    Die Wir­kung des Bu­ches auf den Ver­fas­ser war eine aus­ge­zeich­ne­te, denn die stren­ge, kon­se­quen­te Durch­füh­rung der ein­zel­nen Cha­rak­tere, so­wie ih­res re­li­gi­ösen Stand­punk­tes hat­te klä­rend, rei­ni­gend und be­ru­hi­gend auf ihn ge­wirkt, den ge­won­ne­nen Stand­punkt er­heb­lich ge­stärkt, vie­le Vor­ur­tei­le in ihm nie­der­ge­ris­sen und ihn die Halt­lo­sig­keit vie­ler lieb ge­wor­de­ner Auf­fas­sun­gen er­ken­nen las­sen. Der Ab­schluss des Bu­ches fällt mit dem Ent­schlüs­se zu­sam­men, den un­ver­meid­li­chen Schritt in die Kir­che zu tun. Als Pro­tes­tant hat­te er be­gon­nen, doch auch als Ka­tho­lik leg­te er die Fe­der nicht nie­der und zwei wei­te­re his­to­ri­sche Ro­ma­ne ent­stan­den in der Fol­ge, »The Kings Achie­ve­ment« (Des Kö­nigs Werk), das die ge­walt­sa­me Ein­füh­rung des Pro­tes­tan­tis­mus in Eng­land schil­dert, und des­sen Fol­ge »The Queens Tra­ge­dy«, in de­ren Mit­tel­punkt Ma­ria die Ka­tho­li­sche steht.

    In­dem Ben­son die­se Tri­lo­gie zum Dol­met­scher sei­ner ka­tho­li­schen An­schau­un­gen und Emp­fin­dun­gen mach­te, ver­folg­te er mit sei­nem Wer­ke of­fen­sicht­lich eine apo­lo­ge­ti­sche Ten­denz. Dass sie sich nir­gends auf­drängt, er­klärt sich wohl be­son­ders da­durch, dass er die­se Bü­cher nur für sich und zur Be­grün­dung sei­ner Über­zeu­gung sich selbst ge­gen­über ge­schrie­ben hat, nicht aber, um an­de­re zu be­leh­ren oder zu be­ein­flus­sen. Deut­lich und klar spricht auch dar­aus, was mit­ge­wirkt hat­te, ihn zur ka­tho­li­schen Kir­che zu­rück­zu­füh­ren: das Stu­di­um der va­ter­län­di­schen Ge­schich­te und be­son­ders der so­ge­nann­ten Re­for­ma­ti­on, von der vor­ur­teils­lo­se pro­tes­tan­ti­sche Eng­län­der selbst ur­tei­len, dass sie für Eng­land kei­nen Ruh­mes­ti­tel be­deu­te. Fa­ther Ben­sons his­to­ri­sches Ge­mäl­de, aus­ge­zeich­net vor al­lem durch Ver­ständ­nis- und lie­be­vol­les Er­fas­sen der eng­li­schen Kir­che des 16. Jahr­hun­derts, wur­de auch von der pro­tes­tan­ti­schen Kri­tik mit war­mem Bei­fall auf­ge­nom­men, die nicht zö­ger­te, dem Ver­fas­ser einen Platz zwi­schen dem großen Kar­di­nal und Kon­ver­ti­ten Ne­w­man und dem Schöp­fer des his­to­ri­schen Ro­mans. Wal­ter Scott, ein­zuräu­men.

    Ro­bert Hugh Ben­sons li­te­ra­ri­sches Schaf­fen zeugt von ei­ner au­ßer­or­dent­li­chen Frucht­bar­keit und Reg­sam­keit sei­nes Geis­tes, zu­gleich aber auch von ei­ner merk­wür­di­gen Ener­gie im Stre­ben nach künst­le­ri­scher Vollen­dung. Ger­ne wen­det er sich in sei­nen Ro­ma­nen zeit­ge­mä­ßen Pro­ble­men zu, wie dem Sen­ti­men­ta­lis­mus, Kon­ven­tio­na­lis­mus, Spi­ri­tis­mus, wo­bei er sich mit Vor­lie­be von ei­nem mys­ti­schen Zuge trei­ben lässt.

    Aber al­les, was Ben­son auf dem Ge­biet des his­to­ri­schen und mo­der­nen Ro­mans ge­schaf­fen, wird über­trof­fen von sei­nem Wer­ke: »Der Herr der Welt«. Die be­deu­tends­ten Ta­ges­blät­ter Eng­lands gin­gen ei­nig in be­geis­ter­ten Lo­bes­er­he­bun­gen über die­se gran­dio­se Dich­tung, die sich an das Kühns­te wagt, was ei­nem Dich­ter zu wa­gen ver­gönnt ist: an die Schil­de­rung des Wel­ten­des und der Er­schei­nung des All­mäch­ti­gen am Tage des Ge­rich­tes.

    Weit da­von ent­fernt, etwa eine Pro­phe­zei­ung zu sein, sucht das Werk mit vi­sio­närer Ge­walt dem Lau­fe der Jahr­hun­der­te vor­an­zu­ei­len, um ein fan­ta­sie­vol­les Ge­mäl­de der Kul­tur­mensch­heit zu ent­wer­fen, wie sich die­se viel­leicht in ei­nem Jahr­hun­dert ent­wi­ckelt ha­ben mag. Vor dem in­ne­ren Schau­en des Dich­ters er­he­ben sich die gi­gan­ti­schen Tri­um­phe des mensch­li­chen Geis­tes, der die höchs­ten Spit­zen der Wis­sen­schaft er­klom­men ha­ben wird. Dann wird die Mensch­heit nur mehr zwei große re­li­gi­öse La­ger er­ken­nen, den Ka­tho­li­zis­mus und den Hu­ma­ni­ta­ris­mus, zu de­nen sich die Form strengs­ter Ge­setz­ge­bung und mit­leids­lo­ses Blut­ver­gie­ßen als die schärfs­ten Ge­gen­sät­ze ver­hal­ten. Für die ka­tho­li­sche Kir­che aber wird eine neue Zeit hef­tigs­ter Ver­fol­gung an­bre­chen, und dä­mo­ni­sche Mäch­te wer­den sich am Ende der Zei­ten auf sie stür­zen, mit al­len Macht­mit­teln des mensch­li­chen Fort­schrit­tes aus­ge­rüs­tet.

    Mit hin­rei­ßen­der Be­red­sam­keit und ei­ner er­staun­li­chen Plas­tik stellt Ben­son je­nes Zeit­al­ter vor das er­schau­ern­de Ge­müt des Le­sers, der über­wäl­tigt wird von der dra­ma­ti­schen Wucht der Er­eig­nis­se. Welch ein furcht­ba­res Epos, wenn die Luft­schif­fe des fa­na­tisch has­sen­den Fein­des der Kir­che über dem ewi­gen Rom er­schei­nen, um es zu zer­stö­ren! Wer wür­de da nicht er­in­nert an die Of­fen­ba­rung Jo­han­nes’ von dem sie­ben­köp­fi­gen Tier: »Auch ward ihm ge­ge­ben, Krieg zu füh­ren mit den Hei­li­gen und sie zu über­win­den … Und es tat große Zei­chen, so­dass es so­gar Feu­er vom Him­mel fal­len mach­te vor den Au­gen der Men­schen« (13, 7.13.). Kein Mi­che­lan­ge­lo ver­möch­te die Schluss­ka­ta­stro­phe der Mensch­heit, die­ses große und schreck­li­che Bild, er­schüt­tern­der in Far­ben zu fas­sen, als der ge­nia­le eng­li­sche Pries­ter-Dich­ter sie im »Herrn der Welt« malt. Ge­wiss, die­ser Ro­man ist sen­sa­tio­nell im höchs­ten Gra­de, ohne dass da­durch dem künst­le­ri­schen Wer­te der Dich­tung Ab­bruch ge­schä­he. Es ist ein un­ge­heu­rer Stoff, der hier ge­bän­digt und mit ei­nem über­wäl­ti­gen­den Reich­tum at­men­den Le­bens aus­ge­stal­tet wor­den ist. Ge­bil­de­te Le­ser wer­den ho­hen Ge­nuss aus dem Ro­man schöp­fen und, was noch weit mehr ist, den An­stoß zu erns­tem, frucht­brin­gen­dem Den­ken emp­fan­gen.

    Ot­to von Scha­ching

    Prolog

    »Sie müs­sen mir einen Au­gen­blick Zeit las­sen«, sag­te der Greis, in­dem er sich zu­rück­lehn­te.

    Per­cy nahm wie­der auf sei­nem Stuh­le Platz und war­te­te, das Kinn auf die Hand ge­stützt.

    Es war ein sehr stil­les Ge­mach, in wel­chem die drei Män­ner sa­ßen, und dem Ge­schmack der Zeit ent­spre­chend ein­fach aus­ge­stat­tet. Es hat­te we­der Fens­ter noch Türe, denn es wa­ren be­reits sech­zig Jah­re ver­gan­gen, seit­dem der Mensch zur Ein­sicht ge­kom­men war, dass der be­wohn­ba­re Raum sich nicht nur auf die Ober­flä­che der Erd­ku­gel be­schränk­te, und er hat­te in­fol­ge­des­sen ernst­lich zu gra­ben an­ge­fan­gen. Des al­ten Herrn Tem­ple­tons Haus stand un­ge­fähr vier­zig Fuß un­ter dem Ni­veau des Them­seu­fers, in ei­ner all­ge­mein als güns­tig be­zeich­ne­ten Lage, denn man hat­te nur hun­dert Me­ter weit zu ge­hen, bis man zur Hal­te­stel­le der zwei­ten Zen­tral-Mo­tor­bahn kam, und eine Vier­tel­mei­le bis zur Luft­schiffs­ta­ti­on von Black­fri­ars.¹ Mr. Tem­ple­ton war je­doch über neun­zig Jah­re alt und ging jetzt nur sel­ten mehr aus. Die Wän­de des Zim­mers wa­ren voll­stän­dig mit dem matt­grü­nen, von der Sa­ni­täts­be­hör­de vor­ge­schrie­be­ner Email­le be­klei­det und mit dem vor vier­zig Jah­ren von Reu­ter er­fun­de­nen künst­li­chen Son­nen­licht er­leuch­tet; im Far­ben­ton glich es ei­nem Früh­lings­wal­de, und Wär­me und Ven­ti­la­ti­on wur­den durch das klas­si­sche Fries­git­ter so ge­re­gelt, dass die Tem­pe­ra­tur stets ge­nau acht­zehn Grad Cel­si­us be­trug. Mr. Tem­ple­ton war sehr ein­fach und be­gnüg­te sich da­mit, so zu le­ben, wie sein Va­ter es ge­tan hat­te. Die Mö­bel wa­ren, wenn auch in Be­zug auf Aus­füh­rung und Form et­was alt­mo­disch, dem Zeit­ge­brauch ent­spre­chend aus mit wei­chem As­bes­te­mail über­zo­ge­nem Ei­sen, da­her sehr dau­er­haft und be­quem, und hät­ten für Ma­ha­go­ni ge­hal­ten wer­den kön­nen. Auf bei­den Sei­ten des nie­de­ren, aus Bron­ze ge­fer­tig­ten elek­tri­schen Ka­mins, vor wel­chem die drei Her­ren sa­ßen, stan­den ei­ni­ge gut aus­ge­stat­te­te Bü­cher­schrän­ke, und in den Ecken des Zim­mers fan­den sich die hy­drau­li­schen Per­so­nen­auf­zü­ge, von wel­chen der eine in das Schlaf­zim­mer führ­te, wo­ge­gen man mit­telst des an­de­ren in den fünf­zig Fuß ober­halb ge­le­ge­nen Kor­ri­dors und aus die­sem auf den Kai ge­lang­te.

    Fa­ther² Per­cy Fran­klin, der äl­te­re der bei­den Pries­ter, eine ziem­lich im­po­san­te Er­schei­nung, war trotz höchs­tens fünf­und­drei­ßig Jah­ren be­reits voll­kom­men er­graut; aus sei­nen grau­en, von dunklen Brau­en über­schat­te­ten Au­gen leuch­te­te eine auf­fal­len­de Leb­haf­tig­keit, doch lie­ßen sei­ne stark mar­kier­ten Züge und die Ent­schlos­sen­heit, die sich in sei­nen Lip­pen aus­drück­te, kei­ne wei­te­ren Zwei­fel über die Fes­tig­keit sei­nes Wil­lens ent­ste­hen.

    Fa­ther Fran­cis, der jün­ge­re hin­ge­gen, der in dem ho­hen Stuhl auf der an­de­ren Sei­te des Ka­mins saß, war ein Durch­schnitts­mensch; denn wenn auch sei­ne brau­nen Au­gen an­ge­nehm und aus­drucks­voll blick­ten, so konn­te man doch in sei­nem Ge­sich­te kei­ne Spur von Ent­schlos­sen­heit fin­den; sei­ne Mund­win­kel und sein Au­gen­auf­schlag lie­ßen viel­mehr einen Hang zu der dem schwä­che­ren Ge­schlecht ei­ge­nen Me­lan­cho­lie ver­mu­ten.

    Mr. Tem­ple­ton war ein sehr be­jahr­ter Mann mit ener­gi­schen Zü­gen, tie­fen Run­zeln, wie je­der­mann glatt ras­tert, und so lag er nun, in eine Stepp­de­cke gehüllt, be­quem auf sei­nem Was­ser­kis­sen. End­lich er­griff er das Wort, in­dem er zu­erst einen Blick auf den zu sei­ner Lin­ken fit­zen­den Per­cy warf.

    »Ja«, sag­te er, »es ist wohl schwer, sich an al­les ge­nau zu er­in­nern. In Eng­land wur­de un­se­re Par­tei wäh­rend der Ta­gung vom Jah­re 1927 zum ers­ten Male we­sent­lich be­un­ru­higt. Die­se zeig­te uns, wie tief die gan­ze so­zia­le At­mo­sphä­re vom Her­véis­mus³ durch­drun­gen war. Es hat­te wohl vor­her So­zia­lis­ten ge­ge­ben, aber kei­ner der­sel­ben konn­te mit dem grei­sen Gu­stav Her­vé ver­gli­chen wer­den, — we­nigs­tens war kei­ner so ein­fluss­reich ge­we­sen. Er lehr­te, wie Sie viel­leicht ge­le­sen ha­ben wer­den, ab­so­lu­ten Ma­te­ria­lis­mus und So­zia­lis­mus, die er bis zu ih­rem lo­gi­schen Aus­gang ver­folg­te. Der Pa­trio­tis­mus, sag­te er, wäre ein Über­rest der Bar­ba­rei und das wahr­haft Gute nur in sinn­li­chen Ver­gnü­gun­gen zu fin­den. Na­tür­lich wur­de er über­all aus­ge­lacht. Man sag­te, dass es ohne Re­li­gi­on un­mög­lich wäre, un­ter den Volks­mas­sen einen an­ge­mes­se­nen Be­weg­grund zu selbst der ein­fachs­ten Form so­zia­ler Ord­nung zu fin­den. Aber al­lem An­schein nach hat­te er recht. Nach dem Fall der fran­zö­si­schen Kir­che zu Be­ginn des Jahr­hun­derts und den Met­ze­lei­en von 1914 be­gann die Bour­geoi­sie sich zu or­ga­ni­sie­ren; die­se au­ßer­ge­wöhn­li­che Be­we­gung setz­te in al­lem Ernst ein und wur­de von den mitt­le­ren Volks­klas­sen wei­ter­ge­führt, un­ter Bei­sei­te­set­zung al­len Pa­trio­tis­mus, al­ler Rang­un­ter­schie­de und na­he­zu ohne Waf­fen. Na­tür­lich stand al­les un­ter der Lei­tung der Frei­mau­rer. Sie ver­brei­te­te sich nach Deutsch­land, wo be­reits der Ein­fluss von Karl Marx —«

    »Ge­wiss, mein Herr«, un­ter­brach ihn Per­cy in sanf­ter Wei­se, »aber möch­ten Sie uns, bit­te, sa­gen, was in Eng­land ge­sch­ah.«

    »Ja rich­tig, Eng­land. Nun, im Jah­re 1917 er­griff die Ar­bei­ter­par­tei die Zü­gel, und der Kom­mu­nis­mus nahm da­mit ei­gent­lich sei­nen An­fang. Da­ran kann ich mich al­ler­dings nicht mehr er­in­nern, doch pfleg­te mein Va­ter ihn von die­sem Zeit­punk­te an zu da­tie­ren. Es war nur ein Wun­der, dass alle die­se Be­we­gun­gen nicht schnel­ler um sich grif­fen, doch ich ver­mu­te, es steck­te noch ein gu­tes Stück To­ry­tum⁴ im Vol­ke.

    Auch ver­geht ein Jahr­hun­dert ge­wöhn­lich nicht so schnell, wie man es er­war­tet, be­son­ders dann nicht, wenn es mit großen Auf­re­gun­gen be­gon­nen hat. Aber da­mals ent­stand die neue Ord­nung, und die Kom­mu­nis­ten ha­ben, mit Aus­nah­me des un­be­deu­ten­den Fal­les im Jah­re 1928, nie wie­der einen ernst­li­chen Rück­stoß er­lit­ten. Blen­kin grün­de­te ›Das neue Vol­k‹, und die ›Ti­mes‹ kam in Ver­fall, aber son­der­ba­rer­wei­se hielt sich das Ober­haus bis zum Jah­re 1935, wo es zum letz­ten Male fiel. Die Staats­kir­che hat­te sich im Jah­re 1929 end­gül­tig auf­ge­löst.« —

    »Und wel­che Wir­kung hat­te dies in re­li­gi­öser Be­zie­hung?«, frag­te Per­cy schnell, da der Greis in­ne­hielt, sich räus­per­te und sei­nen In­ha­la­ti­ons­ap­pa­rat hö­her stell­te. Dem Pries­ter lag viel dar­an, bei die­sem Punk­te ste­hen­zu­blei­ben.

    »Es war we­ni­ger ein Er­eig­nis«, er­wi­der­te der an­de­re, »als viel­mehr eine Wir­kung an und für sich. Se­hen Sie, nach­dem die Ri­tua­lis­ten, wie man sie zu nen­nen pfleg­te, ihr Mög­lichs­tes ge­tan hat­ten, um mit der Ar­bei­ter­par­tei vor­an­zu­kom­men, ver­ei­nig­ten sie sich nach dem Kon­gress von 1919, wo das Ni­zäi­sche Glau­bens­be­kennt­nis ab­kam, mit der Kir­che; und wah­re Be­geis­te­rung war nur un­ter ih­nen selbst zu fin­den. Aber in­so­fern als die end­gül­ti­ge Auf­lö­sung eine Wir­kung her­vor­brach­te, be­stand die­se, glau­be ich, dar­in, dass das, was von der Staats­kir­che üb­rig ge­blie­ben war, sich mit der Frei­en Kir­che ver­ei­nig­te, und die Freie Kir­che war, im Gan­zen ge­nom­men, nichts wei­ter als eine Schwär­me­rei. Nach den in den zwan­zi­ger Jah­ren statt­ge­hab­ten er­neu­ten An­grif­fen von deut­scher Sei­te her war die Bi­bel als Au­to­ri­tät voll­stän­dig auf­ge­ge­ben wor­den, und ei­ni­ge sind der Mei­nung, dass der Glau­be an die Gott­heit Chris­ti schon im Be­ginn des Jahr­hun­derts nur noch dem Na­men nach be­stand. Da­für hat­te die Ke­no­ti­sche⁵ Theo­rie schon ge­sorgt. Jene son­der­ba­re klei­ne Re­gung un­ter den An­hän­gern der Frei­en Kir­che hat­te so­gar schon frü­her be­gon­nen, da­mals, als die Pas­to­ren, die eben nur mit dem Strom schwam­men — die so­zu­sa­gen et­was Zug­luft spür­ten —, ihre bis­he­ri­gen Stel­lun­gen ver­lie­ßen. Es ist selt­sam un­ter den Be­rich­ten aus je­ner Zeit zu le­sen, wie man sie da­mals als Frei­den­ker be­grüß­te. Und ge­ra­de dies wa­ren sie nicht … Aber, wo war ich denn ste­hen­ge­blie­ben. Ja, rich­tig — nun, da­durch be­ka­men wir frei­es Feld, und die Kir­che mach­te wäh­rend ei­ni­ger Zeit au­ßer­or­dent­li­che Fort­schrit­te, — das heißt au­ßer­or­dent­lich im Hin­blick auf die Um­stän­de, denn Sie müs­sen be­den­ken, dass die Din­ge sich da­mals an­ders ver­hiel­ten, als es vor zehn oder zwan­zig Jah­ren der Fall ge­we­sen war. Ich will da­mit sa­gen, um mich kurz aus­zu­drücken, dass man schon be­gon­nen hat­te, die Bö­cke von den Scha­fen zu son­dern. Die re­li­gi­ösen Leu­te wa­ren ei­gent­lich durch­weg Ka­tho­li­ken und In­di­vi­dua­lis­ten, die Gott­lo­sen woll­ten von dem über­na­tür­li­chen über­haupt nichts wis­sen und wa­ren aus­schließ­lich Ma­te­ria­lis­ten und Kom­mu­nis­ten. Aber die Fort­schrit­te, die wir mach­ten, ver­dan­ken wir ei­ni­gen her­vor­ra­gen­den Män­nern, — De­la­ney, dem Phi­lo­so­phen, den bei­den Phil­an­thro­pen McAr­thur und Lar­gent und so wei­ter. Es schi­en wirk­lich, als ob De­la­ney und sei­ne An­hän­ger al­ler er­rei­chen wür­den. Erin­nern Sie sich an sei­ne Ana­lo­gie? Ja, rich­tig, al­les dies ist ja in den Text­bü­chern ent­hal­ten … Und dann hat­ten wir, am Ende des Va­ti­ka­ni­schen Kon­zils, wel­ches im neun­zehn­ten Jahr­hun­dert ein­be­ru­fen, aber nie ge­schlos­sen wor­den war, große Ver­lus­te durch die Ent­schei­dun­gen. Man pfleg­te es den ›Ex­odus der In­tel­lek­tu­el­len‹ zu nen­nen.« —

    »Die bib­li­schen Ent­schei­dun­gen«, warf der jün­ge­re der bei­den Pries­ter ein.

    »Zum Teil; aber der gan­ze Kon­flikt be­gann mit dem Auf­kom­men des Mo­der­nis­mus zu An­fang des Jahr­hun­derts; mehr noch aber war es die Ver­ur­tei­lung De­la­neys und im All­ge­mei­nen der Neu-Tran­szen­den­ta­lis­mus, wie man ihn da­mals auf­fass­te, üb­ri­gens starb je­ner au­ßer­halb der Kir­che, wie Sie wis­sen. Dann wur­de Sciot­tis Werk über ver­glei­chen­de Re­li­gi­ons­wis­sen­schaft ver­ur­teilt. Da­rauf mach­ten die Kom­mu­nis­ten Fort­schrit­te, wenn auch nur sehr lang­sa­me. Es mag Ih­nen, ver­mu­te ich, merk­wür­dig Vor­kom­men, aber Sie kön­nen sich die Auf­re­gung nicht vor­stel­len, als im Jah­re 1960 das Ge­setz, be­tref­fend den Han­del mit Ge­brauchs­mit­teln, in Kraft trat. Die Leu­te glaub­ten, dass jede Tat­kraft sto­cken müss­te, wenn so vie­le Be­rufs­stän­de ver­staat­licht wür­den; aber wie Sie wis­sen, war das nicht der Fall.«

    »In wel­chem Jah­re war es, dass die Zwei­drit­tel­mehr­heits-Vor­la­ge durch­ging?«, frag­te Per­cy.

    »O, lan­ge vor­her, im ers­ten oder zwei­ten Jah­re nach dem Fall des Ober­hau­ses. Es war dies, glau­be ich, not­wen­dig, sonst wä­ren die In­di­vi­dua­lis­ten noch voll­stän­dig ver­rückt ge­wor­den. Nun, das Ge­brauchs­mit­tel­ge­setz war nicht zu ver­mei­den. Schon da­mals, als die Ei­sen­bah­nen in Lan­des­be­sitz über­gin­gen, hat­te das Volk an­ge­fan­gen, das ein­zu­se­hen. Für eine Wei­le nahm das Hand­werk einen star­ken Auf­schwung, denn alle die In­di­vi­dua­lis­ten, wel­che sich zu ei­nem sol­chen eig­ne­ten, ver­leg­ten sich dar­auf (ge­ra­de da­mals war es, dass auch die Tol­ler Schu­le ge­grün­det wur­de); aber nach und nach wand­ten sie sich doch wie­der staat­li­chen An­stel­lun­gen zu. Die Ge­winn­gren­ze von sechs Pro­zent für Pri­vat­un­ter­neh­men hat­te eben nicht viel Ver­lo­cken­des — und der Staat zahl­te gut.« —

    Per­cy schüt­tel­te den Kopf.

    »Ja, aber ich be­grei­fe den ge­gen­wär­ti­gen Stand der Din­ge nicht. Sie sag­ten vor­hin, dass es nur mit klei­nen Schrit­ten vor­an­ging.«

    »Ja«, mein­te der alte Herr, »Sie müs­sen an die Ar­men­ge­setz­ge­bung den­ken. Da­durch hat­ten die Kom­mu­nis­ten für alle Zu­kunft ge­won­nen. Man muss sa­gen, Braithwai­te ver­stand sich auf sein Ge­schäft.«

    Der jun­ge Per­cy sah ihn fra­gend an.

    »Die Ab­schaf­fung des Ar­beits­haus-Sys­tems!«, sag­te Mr. Tem­ple­ton. »Na­tür­lich ist das al­les für Sie alte Ge­schich­te; aber ich er­in­ne­re mich, als ob es ges­tern ge­we­sen wäre. Eben das war es, was der Mon­ar­chie und den Uni­ver­si­tä­ten ein Ende be­rei­te­te.«

    »Ah«, sag­te Per­cy, »dar­über möch­te ich ger­ne ei­ni­ges von Ih­nen er­fah­ren.«

    »So­fort. Also, Braithwai­tes Werk war dies: Nach dem al­ten Sys­tem wur­den alle Ar­men gleich­be­han­delt und fühl­ten dies. Nach dem neu­en Sys­tem gab es die drei Gra­de, die wir jetzt ha­ben, und die Er­tei­lung des Wahl­rech­tes an die bei­den hö­he­ren. Nur der ganz Wert­lo­se wur­de dem drit­ten Gra­de zu­ge­wie­sen und mehr oder we­ni­ger als Ver­bre­cher be­han­delt — na­tür­lich erst nach sorg­fäl­ti­ger Prü­fung. Dann kam die Re­or­ga­ni­sa­ti­on der Al­ters­un­ter­stüt­zun­gen. Also se­hen Sie dar­aus nicht, wie sehr das den Kom­mu­nis­ten zu­gu­te­kam? Die In­di­vi­dua­lis­ten — To­ries nann­te man sie, als ich noch ein Kna­be war — die In­di­vi­dua­lis­ten ha­ben seit­her kei­ne Aus­sich­ten mehr ge­habt. Heut­zu­ta­ge sind sie nur mehr ein lee­res Netz. Die ar­bei­ten­den Klas­sen in ih­rer Ge­samt­heit — und das be­deu­te­te: neun­und­neun­zig vom Hun­dert — hat­ten sie ge­gen sich.« Per­cy sah auf, aber sein Ge­gen­über fuhr fort: »Dann hat­ten wir das Ge­fäng­nis­re­form­ge­setz un­ter Mac­pher­son und die Ab­schaf­fung der To­dess­tra­fe; dann end­lich das Un­ter­richts­ge­setz von 1959, das den dog­ma­ti­schen Sä­ku­la­ris­mus ein­setz­te: die tat­säch­li­che Ab­schaf­fung des Erbrechts, ver­bun­den mit der Re­for­mie­rung der Ver­bind­lich­kei­ten Ver­stor­be­ner. —« »Ich er­in­ne­re mich nicht mehr an das alte Sys­tem, wie war es ei­gent­lich?« un­ter­brach Per­cy.

    »Ja, man soll­te es nicht für mög­lich hal­ten, aber nach dem al­ten Sys­tem wa­ren alle gleich hoch be­steu­ert. Zu­erst kam die Erb­schaft­seinschät­zung, und dann wur­de die­se so um­ge­än­dert, dass die Steu­er auf er­erb­tes Ver­mö­gen drei­mal so hoch war, als die auf er­wor­be­nes Ver­mö­gen, wo­durch man im Jah­re 1989 die Leh­re Karl Mar­x’ an­ge­nom­men hat­te, — Ers­te­re trat aber im Jah­re 1977 in Kraft. Nun, durch all die­se Vor­gän­ge hielt Eng­land Schritt mit dem Kon­ti­nent; wir ka­men ge­ra­de noch zu­recht, uns an dem end­gül­ti­gen Ent­wurf, be­tref­fend den ame­ri­ka­ni­schen Frei­han­del, zu be­tei­li­gen. Wie Sie sich er­in­nern, war das die ers­te Wir­kung des Sie­ges der So­zi­al­de­mo­kra­tie in Deutsch­land.«

    »Aber wie ge­lang­ten wir dazu, nicht in den Krieg im Os­ten ver­wi­ckelt zu wer­den?«, frag­te Per­cy et­was er­regt.

    »Ja, das ist eine lan­ge Ge­schich­te, aber, mit ei­nem Wort, Ame­ri­ka hin­der­te uns dar­an, und auf die­se Wei­se gin­gen uns In­di­en und Aus­tra­li­en ver­lo­ren. Ich glau­be, seit dem Jah­re 1925 sind die Kom­mu­nis­ten ih­rem Fal­le nie so nahe ge­we­sen, wie da­mals. Aber Braithwai­te wuss­te in sehr klu­ger Wei­se sich her­aus­zu­ar­bei­ten, in­dem er uns das Pro­tek­to­rat von Süd­afri­ka ein für alle Mal er­warb, ob­wohl er da­mals schon ein al­ter Mann war.«

    Mr. Tem­ple­ton un­ter­brach sich, um zu hus­ten, wäh­rend Fa­ther Fran­cis leicht seufz­te und auf sei­nem Stuhl hin und her rück­te.

    »Und Ame­ri­ka?«, frag­te die­ser.

    »Ja, das ist al­les sehr kom­pli­ziert. Ame­ri­ka war, wie Sie wis­sen, sich sei­ner Stär­ke be­wusst und an­nek­tier­te noch im sel­ben Jah­re Ka­na­da. Das war der schlimms­te Zeit­punkt für uns.«

    Per­cy er­hob sich.

    »Ha­ben Sie einen Ge­schichts­at­las, Mr. Tem­ple­ton?«, frag­te er.

    Der Greis wies auf ein Bü­cher­brett. »Dort ist er.«

    Ein paar Au­gen­bli­cke be­trach­te­te Per­cy schwei­gend die Kar­ten, in­dem er sie auf sei­nen Kni­en auf­schlug.

    »Je­den­falls ist so al­les viel ein­fa­cher«, sag­te er zu sich selbst, wäh­rend er die viel­far­bi­ge Kar­te des be­gin­nen­den zwan­zigs­ten mit den drei großen Farb­flä­chen auf je­ner des ein­und­zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts ver­glich.

    Er fuhr mit dem Fin­ger über Asi­en ent­lang. Auf dem in Matt­gelb ge­zeich­ne­ten Ge­bie­te, das vom Ural im Wes­ten bis zur Be­ring­stra­ße⁶ im Os­ten reich­te und sich über In­di­en, Aus­tra­li­en und Neu­see­land er­streck­te, stand in großen Buch­sta­ben »Reich des Os­tens«. Sein Blick fiel auf das Rot; es war viel klei­ner, aber doch noch be­deu­tend ge­nug, da es nicht nur das ei­gent­li­che Eu­ro­pa, son­dern auch Russ­land bis zum Ural und ganz Afri­ka be­deck­te. Die in Blau ge­hal­te­ne Ame­ri­ka­ni­sche Re­pu­blik um­fass­te die Ge­samt­heit die­ses Kon­ti­nen­tes und ver­schwand ge­gen den Rand der west­li­chen Halb­ku­gel in ei­ner Un­zahl blau­er Punk­te, die aus dem wei­ßen Ozean auf­tauch­ten.

    »Ja, ein­fa­cher ist es«, be­merk­te der alte Herr tro­cken.

    Per­cy klapp­te das Buch zu und stell­te es ne­ben sei­nen Stuhl.

    »Und jetzt, Mr. Tem­ple­ton, was wird zu­nächst ge­sche­hen?«

    Der alte Tory-Staats­mann lä­chel­te.

    »Weiß Gott«, sag­te er, »wenn der Os­ten sich ent­schließt, sich zu re­gen, kön­nen wir nichts ma­chen. Ich weiß über­haupt nicht, warum er sich noch nicht er­ho­ben hat. Ich glau­be, die Ur­sa­che liegt in re­li­gi­ösen Dif­fe­ren­zen.«

    »Eu­ro­pa wird sich nicht spal­ten?«, frag­te der Pries­ter.

    »Nein, nein. Wir wis­sen jetzt, wo auf un­se­rer Sei­te die Ge­fahr ist. Und Ame­ri­ka wird si­cher­lich auf un­se­rer Sei­te sein. Aber, wie dem auch sei, Gott hel­fe uns — oder Ih­nen, möch­te ich eher sa­gen —, wenn das Reich sich regt, es kennt nun end­lich sei­ne ei­ge­ne Stär­ke.«

    Still­schwei­gen herrsch­te für ei­ni­ge Mo­men­te. Ein schwa­ches Zit­tern ging durch den Raum; eine der Rie­sen­lo­ko­mo­ti­ven pas­sier­te den über ih­nen ge­le­ge­nen brei­ten Bou­le­vard.

    »Pro­phe­zei­en Sie!« brach Per­cy das Schwei­gen. »Ich mei­ne, be­züg­lich der Re­li­gi­on.«

    Mr. Tem­ple­ton tat einen lan­gen Atem­zug aus sei­nem Ap­pa­rat; dann nahm er die Un­ter­hal­tung wie­der auf.

    »Kurz ge­sagt«, be­gann er, »wir ha­ben drei re­li­gi­öse Mäch­te — den Ka­tho­li­zis­mus, den Hu­ma­ni­ta­ris­mus und die Re­li­gio­nen des Os­tens. Was die Letz­te­ren be­trifft, kann ich nichts pro­phe­zei­en, wenn ich auch glau­be, dass schließ­lich die Su­fis Sie­ger blei­ben wer­den. Et­was wird ge­sche­hen; der Eso­te­ri­zis­mus — und da­mit der Pan­the­is­mus — schrei­tet mäch­tig vor­an; und die Ver­schmel­zung der chi­ne­si­schen mit der ja­pa­ni­schen Dy­nas­tie wirft alle un­se­re Be­rech­nun­gen über den Hau­fen. Aber, und dar­an ist kein Zwei­fel, in Eu­ro­pa und Ame­ri­ka voll­zieht sich der Kampf zwi­schen den bei­den an­de­ren. Wir kön­nen al­les Üb­ri­ge bei­sei­te­las­sen. Und, wenn Sie wün­schen, dass ich mei­ne Mei­nung sage, ich glau­be, dass, mensch­lich ge­spro­chen, der Ka­tho­li­zis­mus rasch zu­rück­ge­hen wird. Es ist voll­kom­men wahr, dass der Pro­tes­tan­tis­mus tot ist. Die Mensch­heit hat end­lich er­kannt, dass eine über­na­tür­li­che Re­li­gi­on eine ab­so­lu­te Au­to­ri­tät er­for­dert, und dass die Frei­heit in Glau­bens­fra­gen nichts an­de­res ist, als der Be­ginn der Zer­set­zung. Und eben­so wahr ist es, dass, nach­dem die ka­tho­li­sche Kir­che die ein­zi­ge In­sti­tu­ti­on ist, wel­che für sich über­na­tür­li­che Au­to­ri­tät mit all ih­ren er­bar­mungs­lo­sen Kon­se­quen­zen in An­spruch nimmt, sie al­lein die An­hän­ger­schaft so ziem­lich al­ler Chris­ten be­sitzt, die sich noch ir­gend einen über­na­tür­li­chen Glau­ben be­wahrt ha­ben. Es gibt wohl ei­ni­ge Bes­ser­wis­ser, be­son­ders in Ame­ri­ka und bei uns, aber sie kom­men nicht in Be­tracht. Das ist al­les ganz gut; aber and­rer­seits dür­fen Sie nicht ver­ges­sen, dass der Hu­ma­ni­ta­ris­mus ent­ge­gen den Er­war­tun­gen al­ler im Be­griff ist, selbst eine, wenn auch der über­na­tür­li­chen ent­ge­gen­ge­setz­te, Re­li­gi­on zu wer­den. Er ist nichts an­de­res, als Pan­the­is­mus; er schafft sich un­ter dem Deck­man­tel der Frei­mau­re­rei einen ei­ge­nen Ri­tus, er hat sein ei­ge­nes Cre­do: ›Gott ist der Men­sch‹, und so fort. Er bie­tet da­her re­li­gi­ösem For­schen in ge­wis­ser Be­zie­hung wirk­li­chen Stoff, er idea­li­siert, ohne da­bei ir­gend­wel­che An­for­de­run­gen an geis­ti­ge Fä­hig­keit zu stel­len. Dazu kommt, dass ihm alle Kir­chen und Ka­the­dra­len, die uns­ri­gen aus­ge­nom­men, zur Ver­fü­gung ste­hen, und dass man dort end­lich an­ge­fan­gen hat, dem Ge­füh­le Rech­nung zu tra­gen. Es ist ihm au­ßer­dem mög­lich, sei­ne Sym­bo­le zur Schau zu tra­gen, was wir nicht dür­fen. Ich glau­be, in spä­tes­tens zehn Jah­ren wird er ge­setz­lich an­er­kannt sein.

    Nun be­den­ken Sie, dass wir Ka­tho­li­ken be­reits ab­neh­men; seit mehr als fünf­zig Jah­ren ge­hen wir ste­tig zu­rück. Nach mei­ner Schät­zung ma­chen wir un­ge­fähr ein Vier­zigs­te! Ame­ri­kas aus, — und das ist das Re­sul­tat der ka­tho­li­schen Be­we­gung vom An­fang der zwan­zi­ger Jah­re. In Frank­reich und Spa­ni­en exis­tie­ren wir nicht mehr, ge­schwei­ge denn in Deutsch­land. Wir hal­ten al­ler­dings un­se­re Stel­lung im Os­ten, aber selbst da bil­den wir ein hal­b­es Pro­zent — die Sta­tis­ti­ken sa­gen es we­nigs­tens — und die­ses ist sehr ver­streut. In Ita­li­en. Es ist rich­tig, Rom ge­hört wie­der uns, das ist aber auch al­les; hier ha­ben wir das ge­sam­te Ir­land und un­ge­fähr einen Ka­tho­li­ken auf sech­zig Ein­woh­ner in Eng­land, Wa­les und Schott­land, aber wir hat­ten noch vor sieb­zig Jah­ren einen auf vier­zig. Dazu kom­men die enor­men Fort­schrit­te der Psy­cho­lo­gie, die seit min­des­tens ei­nem Jahr­hun­dert sich di­rekt ge­gen uns rich­ten. An­fangs, se­hen Sie, herrsch­te der rei­ne und nack­te Ma­te­ria­lis­mus, — die­ser ver­sag­te mehr oder we­ni­ger, — er war zu roh, — bis ihm die Psy­cho­lo­gie zu Hil­fe kam. Nun­mehr be­an­sprucht die Psy­cho­lo­gie das gan­ze üb­ri­ge Ge­biet, und der Sinn für Über­na­tür­li­ches scheint sich für jene zu er­klä­ren. So ste­hen die Din­ge. Nein, Fa­ther, wir neh­men ab; und wir wer­den wei­ter ab­neh­men, und ich glau­be, wir müs­sen je­den Mo­ment auf eine Ka­ta­stro­phe ge­fasst sein.«

    »Aber —«, be­gann Per­cy.

    »Sie hal­ten das für die Schwä­che ei­nes al­ten Man­nes, der am Ran­de des Gra­bes steht. Nun, es ist, wie ich den­ke. Ich sehe kei­ne Hoff­nung. In der Tat, es scheint mir so­gar, dass ge­ra­de jetzt et­was Uner­war­te­tes über uns her­ein­bre­chen wird. Nein, ich sehe kei­ne Hoff­nung, bis —«

    Per­cy blick­te rasch auf.

    »Bis un­ser Hei­land wie­der­kehrt«, sag­te der alte Staats­mann. —

    Fa­ther Fran­zis seufz­te aber­mals und Schwei­gen trat ein.

    »Und der Fall der Uni­ver­si­tä­ten?«, frag­te Per­cy nach ei­ner Wei­le.

    »Mein lie­ber Herr, das war ge­nau wie beim Fall der Klös­ter un­ter Hein­rich VIII. — die­sel­ben Er­geb­nis­se, die­sel­ben Be­weis­grün­de, die­sel­ben Zwi­schen­fäl­le. Sie wa­ren die Boll­wer­ke des In­di­vi­dua­lis­mus, wie die Klös­ter jene des Papst­tums wa­ren, und sie wur­den mit der­sel­ben Scheu und dem glei­chen Neid be­trach­tet. Dann be­gann die ge­wöhn­li­che Art von Be­mer­kun­gen über die Men­ge des dort ge­trun­ke­nen Port­weins, und so­gleich sag­te man, die Uni­ver­si­tä­ten hät­ten sich über­lebt, dass ihre In­sas­sen Mit­tel und Zweck ver­wech­sel­ten, — und man hat­te sehr viel mehr Grund, das zu sa­gen. Je­den­falls, wo über­na­tür­li­cher Glau­be be­steht, sind Klös­ter eine ein­fa­che Kon­se­quenz

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