Herzensangelegenheiten: Rückenwind für ein herzgesundes Leben
Von Gerald Koller, Georg Wögerbauer und Hans Wögerbauer
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Buchvorschau
Herzensangelegenheiten - Gerald Koller
RÜCKENWIND
FÜR EIN
HERZGESUNDES
LEBEN
Herzensangelegenheiten
GEORG WÖGERBAUER
Was bewegt drei Männer, ein Buch über Herzensangelegenheiten zu schreiben?
Zum einen ist es wohl unser beruflicher Kontakt, der uns immer wieder zu diesem Thema hinführt und uns das Heilungspotenzial vor Augen hält, das wir alle zur Verfügung haben, wenn wir auf unser Herz hören. Zum anderen ist es das eigene Herz, sind es die eigenen Erfahrungen mit Ängsten, Druck oder auch Getriebenheit, die Anlass geben, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.
Der berühmte Wiener Pathologieprofessor Virchow hat vor über 100 Jahren gesagt: „Ich habe viele tausende Menschen obduziert, aber nirgendwo eine Seele entdeckt." Wir entdecken sie täglich – unsere eigene Seele und in der Begegnung mit vielen Menschen viele Seelen!
Wir drei sind Freunde, und weil wir Freunde sind, wagen wir uns an dieses Herzthema heran; weil wir auch untereinander unsere Herzensangelegenheiten zulassen dürfen und können, weil wir Herzensangelegenheiten auch untereinander austauschen. In unserer jahrelangen Freundschaft lernen wir, einander Ängste, Sorgen, aber auch Freuden mitzuteilen – was bedeutet, dass wir sie miteinander teilen können. Es ist gut, solche Freunde zu haben, bei denen auch Herz-Geschichten Platz haben, bei denen Schwächen sein dürfen, Konflikte ausgetragen werden und die jeweils eigene Art des anderen auch akzeptiert wird. Nur so ist Entwicklung möglich.
Herzensangelegenheiten zu dritt zu schreiben, fordert uns heraus – es geht ums Zuhören, ums Lernenwollen und auch darum, sich auf einen gemeinsamen Entwicklungsweg führen zu lassen. Wissend, dass unsere persönlichen Geschichten in unserem Freundeskreis gut aufgehoben sind, können wir uns auch zu dritt gut darauf einlassen, gemeinsam dieses Buch zu schreiben, in dem es ums Herz geht. Ein Buch, mit dem wir drei auch andere Herzen berühren wollen.
Was ist ein Herz?
HANS WÖGERBAUER
Das Herz ist eine Muskelpumpe, die den Blutkreislauf im Körper aufrecht erhält. Steht die Pumpe still, steht der Kreislauf still.
Es ist eine kleine Pumpe im Vergleich zum großen, schweren Körper. Die Pumpe ist faustgroß, wiegt 300 Gramm und transportiert täglich 8000 Liter Blut durch Arterien und Venen mit einer Gesamtlänge von 100.000 Kilometern. Auch in der Nacht, wenn weniger Leistung erbracht werden muss, produziert das Herz immerhin noch eine Leistung von 60 Watt.
Das Herz versorgt alle Organe des Körpers und gibt durch seine Frequenz den Rhythmus vor. Selbst wird es aber von vielen anderen Rhythmen (wie z.B. Tag, Nacht) sowie von äußeren Einflüssen (wie z.B. Hektik, Stress oder einem lauten Knall) beeinflusst. Der Herzmuskel kann durch Bewegung elastisch und kraftvoll bleiben, durch Unbeweglichkeit, Fehlernährung und andere Einflüsse krank und schwach werden. Im Großen und Ganzen funktioniert das Herz eigentlich problemlos, und man kann sagen: Gehts dem Herzen gut, dann grunzt die Sau.
Sie haben richtig gelesen – dann fühlt sich die Sau wohl.
Was ich eben beschrieben habe, ist ein Schweineherz, das sich tatsächlich sehr wenig von dem eines Menschen unterscheidet, sowohl was die Anatomie als auch was die Funktionsweise betrifft. Wie kann es also sein, dass ein Schweineherz dem unserem so ähnlich ist und doch seit Menschengedenken dem Herz des Menschen der Sitz der Seele zugeschrieben wird?
„Ein Herz und eine Seele", sagen wir doch! – Wo liegen also die Unterschiede? Welche nicht sichtbaren, nicht begreifbaren Faktoren sind es, die ein Schweineherz von einem Menschenherz unterscheiden? Genau diese Unterschiede sind es nämlich, die das Gesundsein unseres Herzens erst wirklich ermöglichen.
Jede/r zweite MitteleuropäerIn erkrankt an Herz und Kreislauf – jede/r zweite! Dabei gibt es doch so schöne, erfüllende Wege, unser Herz und dadurch uns selbst zu schützen, zu weiten, uns wieder in Rhythmus zu bringen, uns zu beruhigen und wieder zu aktivieren.
Der Weg zum lebendigen Herzen
GERALD KOLLER
Wir wollen Sie auf einem Entwicklungsweg begleiten, der wegführt vom bloßen Funktionieren. Wer funktioniert, überlebt zwar, lebt aber nicht. Ein lebendiges Herz braucht daher als Nahrungsquelle ein lebendiges Leben.
Wer einen Weg gehen will, um sich weiterzuentwickeln, braucht eine Vision, ein Bild oder einen Plan. Die Frage nach diesem Plan – der auch den Weg durch dieses Buch beschreibt –, hat uns lange beschäftigt. Wer in unserer westlichen, turbo-kapitalistischen Welt von Entwicklung spricht, läuft Gefahr, Menschen in genau jene Irre zu führen, an der unser Herz leidet – den Irrtum, dass Entwicklung immer gleichbedeutend mit Funktionieren oder aber mit bloßem Fortschritt sei. Seit etwa 150 Jahren beherrscht dieses Entwicklungsdenken die westliche Welt: Jede Ursache hat ihre Wirkung – und wenn wir nur den richtigen Knopf drücken, dann wird sich auch die erwünschte Wirkung einstellen.
Dieses Verständnis von Entwicklung stimmt für Maschinen (und hat sich nicht umsonst gerade mit ihrer Verbreitung durchgesetzt): Wenn Sie mit Ihrem Auto fahren und auf die Bremse steigen, dann verringert es tatsächlich (hoffentlich!) die Geschwindigkeit.
Was für Maschinen als geschlossene Systeme gilt, gilt aber nicht für Menschen und Beziehungen! Sie sind offene Systeme, in denen nicht das Gesetz von Ursache und Wirkung, sondern viele Dynamiken herrschen: Wünsche, Erinnerungen, Erfahrungen und Gewohnheiten. Sie treffen aufeinander und formen einen dynamischen Wirbel.
Das Entwicklungsbild der westlichen Welt trifft also nicht zu, wenn es um das Leben geht: Menschen können nicht per Knopfdruck verändert oder verbessert werden. Und um Verbesserung geht es ja im Fortschrittsglauben: Alles soll besser, schneller, effizienter, günstiger und attraktiver werden. Die Linie der Fortschrittsgesellschaft zeigt ständig steil nach oben; sie ist nicht umsonst das Glaubensbild einer patriarchalen Welt und erinnert peinlich an eine Dauer-Erektion, mit der Wirtschaft, Medien und Politik, aber auch Pädagogik und Medizin sich gezwungen sehen, dauernd Fortschritte zu machen. Von wem aber wird hier fortgeschritten? Von sich selbst? Steckt da nicht mangelnde Einsicht dahinter, dass das Leben nicht andauernd besser, attraktiver und noch schneller werden kann, als es schon ist? Da unser Herz noch immer im selben Rhythmus schlägt wie vor tausenden Jahren und eine Schwangerschaft noch immer neun Monate dauert, zeigt sich: Wenn es um die wesentlichen Entwicklungen geht, macht das Leben keine Fortschritte, sondern bleibt ganz bei sich.
Das Leben ist also kein geschlossenes System, sondern ein offener Prozess – diese Erkenntnis macht vielen Angst. Wenn Arthur Rimbaud sagt: „Ich ist mehrere", dann drückt er eine wesentliche Erfahrung des Menschseins aus: dass unsere Identität nicht entsteht wie eine Auto-Karosserie. Wer wir sind, entscheidet sich immer wieder in Beziehungen, Kommunikationen, in Diskussionen, die nicht nur wir führen, sondern auch unsere Gesellschaft. Ein deutliches Beispiel dafür ist die Veränderung der Geschlechterrollen in den letzten 30 Jahren.
Wir Menschen sind also, ebenso wie unsere Gesellschaft, immer wieder aufs Neue aufgefordert, uns zu definieren – und auch das macht Angst. Wer daher Entwicklung ausschließlich als Fortschritt definiert und dabei von funktionierenden Maschinen ausgeht, versucht dabei, der Herausforderung, ja Bedrohung, die die Offenheit unseres Lebens darstellt, zu entgehen.
Fazit: Das Entwicklungsbild des Westens, das unser Leben so stark bestimmt, ist angstgetrieben, eine einzige flucht vor der Einsicht, dass das Leben nicht beherrschbar ist. Denn gerade unser Herz ist mehr als eine Pumpe – sie ist eine Pumpe mit Gefühl …
Es wäre romantisch, könnten wir das Rad der Zeit zurückdrehen – und manche tun das auch: Sie meinen, das alte Symbol für Entwicklung aus der matriarchalen Zeit, der Kreis, sei die Lösung. Nun scheint die Wiederholung von wichtigen Lebensthemen im Jahreskreislauf, im Mondkreis der Menstruation, im hinduistischen Verständnis der Wiedergeburt zwar entspannter und somit gesünder zu sein als der Fortschrittszwang der westlichen Welt – offen für Veränderungen ist dieser Weg jedoch auch nicht. Wehe, wenn eine/r den Kreis verlässt! Wir können immer wieder sehen, wie z.B. der Fundamentalismus die Abweichung vom „einzig wahren Weg" unterdrückt – und damit Menschen wieder zwingt, zu funktionieren.
Offen für das Leben zu sein: Das bedeutet auch, mit den Widersprüchlichkeiten, den Konflikten und den verdrängten Erinnerungen, mit Freude und Erfolgen ebenso wie mit Schwäche umzugehen. Die Evolutionsforscher, allen voran Ken Wilber¹, haben mit ihrem integralen Entwicklungsbild einen Weg vorgelegt, der dieser Offenheit gerecht wird – und in allen Lebensbereichen und Wissenschaften anwendbar ist: Entwicklung geht in Spiralen vor sich. Die Spirale symbolisiert das, was der griechische Philosoph Heraklit als die Grundlage des Lebens beschrieb: Panta rhei – alles fließt. Alles Leben und Werden ist nur in Bewegung möglich: Zu jeder Entwicklung gehört der Fortschritt ebenso wie der Rückschritt. In beiden Bewegungen erfolgt Lernen, entfaltet sich Bewusstsein und entsteht Gesundheit – eine Erfahrung, die wir alle im Leben schon einmal gemacht haben. Erinnern Sie sich an ein zweijähriges Kind, das Fieber bekommt, krank wird, zwei Wochen im Bett liegt und dann wieder gesund aufsteht: Es wird zwanzig neue Worte sprechen können, ohne dass jemand es in der Zwischenzeit diese Worte gelehrt hätte. Es war der Rückzug der Krankheit, der jenen Ruheraum ermöglicht hat, in welchem anwendbar wurde, was schon oftmals gehört, aber noch nicht verstanden worden ist.
1 Ken Wilber, amerikanischer Bewusstseinsforscher.
In jeder Lebenskrise, in jedem Konflikt, in jeder Krankheit steckt also die Kraft des Erinnerns, des Wieder-Holens von Verlorenem und Vergessenem. Deswegen werden wir Sie in diesem Buch immer wieder ermutigen, auch Ihre Schwächen anzunehmen und aus ihnen Neues zu lernen. Deswegen liegt im Scheitern ebenso viel Kraft wie im Erfolg: Während der Erfolg Sie auf Ihrem Weg bestätigt, ist es eben das Scheitern, das uns anregt, unseren Weg zu verändern. Wir würden uns nie verändern, wenn wir immer nur Erfolg hätten! Wir verändern uns erst, wenn wir mit unseren Ängsten und Schwächen konfrontiert sind, die uns auffordern, unser Leben neu einzurichten. Niemand hat das besser formuliert als J. Rössler, ein Arzt und Jesuit des 19. Jahrhunderts: „Gesundheit heißt nicht, keine Probleme zu haben. Gesundheit ist vielmehr der Mut, sich mit Problemen auseinander zu setzen."
Die Entwicklung unserer Gesundheit ist also kein dauerndes Voranschreiten in immer idealere Zustände, sondern die mutige Bewegung auch in jene Bereiche, die wir nicht so gerne besuchen: Ängste, Schwächen und Misserfolge. Ein humorvolles Sprichwort bringt das auf den Punkt: