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Neurologische und neuropsychiatrische Aspekte der HIV-Infektion: Grundlagen, Diagnostik und Therapie
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Neurologische und neuropsychiatrische Aspekte der HIV-Infektion: Grundlagen, Diagnostik und Therapie
eBook546 Seiten4 Stunden

Neurologische und neuropsychiatrische Aspekte der HIV-Infektion: Grundlagen, Diagnostik und Therapie

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Über dieses E-Book

Seit Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) in die Behandlung der Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV) ist diese zu einer chronischen Erkrankung geworden, die dem praktisch tätigen Arzt im Krankenhaus und in der Praxis jederzeit begegnen kann. Für "Neuro-AIDS" als relativ junge Erkrankung gibt es noch kein Grundlagenwissen, dessen Erwerb zusätzlich durch wandelbare Präsentationsformen der Symptome und Erweiterung therapeutischer Möglichkeiten erschwert ist. Diese Lücke füllt das Buch, das sich gleichermaßen an Ärzte, Studierende und interessierte Laien wendet. Ein patientenrelevanter Informationsteil gibt Betroffenen die Möglichkeit, sich Kenntnisse über sozialrechtliche Folgen ihrer Erkrankung anzueignen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum6. Sept. 2007
ISBN9783170273085
Neurologische und neuropsychiatrische Aspekte der HIV-Infektion: Grundlagen, Diagnostik und Therapie

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    Buchvorschau

    Neurologische und neuropsychiatrische Aspekte der HIV-Infektion - Gabriele Arendt

    Seit Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) in die Behandlung der Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV) ist diese zu einer chronischen Erkrankung geworden, die dem praktisch tätigen Arzt im Krankenhaus und in der Praxis jederzeit begegnen kann. Für 'Neuro-AIDS' als relativ junge Erkrankung gibt es noch kein Grundlagenwissen, dessen Erwerb zusätzlich durch wandelbare Präsentationsformen der Symptome und Erweiterung therapeutischer Möglichkeiten erschwert ist. Diese Lücke füllt das Buch, das sich gleichermaßen an Ärzte, Studierende und interessierte Laien wendet. Ein patientenrelevanter Informationsteil gibt Betroffenen die Möglichkeit, sich Kenntnisse über sozialrechtliche Folgen ihrer Erkrankung anzueignen.

    Prof. Dr. Gabriele Arendt ist Oberärztin an der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Düsseldorf.

    Klinische Neurologie

    Herausgegeben von Thomas Brandt, Reinhard Hohlfeld,

    Johannes Noth und Heinz Reichmann

    Gabriele Arendt

    Neurologische und

    neuropsychiatrische

    Aspekte der

    HIV-Infektion

    Grundlagen, Diagnostik und Therapie

    Mit einem Beitrag von

    Elmar Straube

    Verlag W. Kohlhammer

    Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

    Wichtiger Hinweis:

    Die Verfasserin hat größte Mühe darauf verwandt, dass die Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen dem jeweiligen Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entsprechen.

    Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, übernimmt der Verlag für derartige Angaben keine Gewähr.

    Jeder Anwender ist daher dringend aufgefordert, alle Angaben auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Verantwortung des Benutzers.

    1. Auflage 2007

    Alle Rechte vorbehalten

    © 2007 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart

    Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher

    Logo der Reihe: Entwurfund Gestaltung Thomas Brandt/Sabine Eßer

    Gesamtherstellung:

    W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart

    Printed in Germany

    Print:

    978-3-17-018379-7

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    1 Einleitung

    2 Epidemiologie und Genetik des Virus

    3 Neuropathogenese der HIV-Infektion

    3.1 HIV-Biologie, -Immunologie und -Neurovirulenz

    3.2 HIV-Immunologie

    3.3 Neuronaler Zelluntergang und neurodegenerative Mechanismen

    3.4 Die Blut-Hirn-Schranke – Struktur und Funktion

    3.5 Mechanismen der Makrophagen-vermittelten Neurotoxizität

    3.6 Kompartimentbildung

    3.7 Tiermodelle

    3.8 In-vitro-Modelle zum Einfluss von Drogenabusus auf die HIV-assoziierte Demenz

    4 Verlaufsformen HIV-1-assoziierter Erkrankungen

    4.1 Die HIV-1-assoziierte Enzephalopathie

    4.1.1 Anamnese

    4.1.2 Befund

    4.1.3 Neuropathologie und Histopathologie

    4.1.4 Diagnostik und Differentialdiagnose, Komplikationen

    4.1.5 Therapie

    4.1.6 Prognose

    4.1.7 Aktuelle Entwicklung bei neurokognitiven, HIV-assoziierten Veränderungen

    4.2 Die HIV-1-assoziierte Myelopathie

    4.2.1 Anamnese

    4.2.2 Befund

    4.2.3 Pathologie und Histopathologie

    4.2.4 Differentialdiagnose, Komplikationen

    4.2.5 Therapie

    4.2.6 Prognose

    4.3 HIV-1-assoziierte Polyneuropathien

    4.3.1 Anamnese

    4.3.2 Befund

    4.3.3 Neuropathologie und Histopathologie

    4.3.4 Differentialdiagnosen und Komplikationen

    4.4 HIV-1-assoziierte Myopathien

    4.4.1 Anamnese

    4.4.2 Befund

    4.4.3 Histopathologischer Befund und Pathogenese

    5 Zusatzdiagnostische Methoden bei Neuro-Aids

    5.1 Neuropsychologische Testverfahren bei HIV-Infizierten

    5.2 Elektrophysiologische Methoden

    5.2.1 Motorikanalysen

    5.2.2 Evozierte Potentiale

    5.3 Bildgebende Diagnostik

    5.3.1 Strukturelle bildgebungstechnische Verfahren

    5.3.2 Longitudinale bildgebende Studien

    5.3.3 Neue strukturelle bildgebende Verfahren

    5.3.4 Magnetresonanzspektroskopie und funktionelle Imaging-Methoden

    5.4 Liquordiagnostik

    6 Opportunistische Erreger und Tumoren

    6.1 Zerebrale Toxoplasmose

    6.1.1 Klinische Befunde

    6.1.2 Diagnostik der Toxoplasmose-Infektion des HIV-Infizierten

    6.1.3 Liquordiagnostik

    6.1.4 Neuropathologie

    6.1.5 Behandlung

    6.2 Cryptococcus neoformans-Infektionen

    6.2.1 Klinische Befunde

    6.2.2 Bildgebende Diagnostik

    6.2.3 Liquorbefunde

    6.2.4 Neuropathologie

    6.2.5 Behandlung

    6.3 Virale opportunistische Infektionen

    6.3.1 Cytomegalie-Virus(CMV)-Infektion

    6.3.2 JC-Virus-Infektionen

    6.4 Bakterielle opportunistische Infektionen

    6.4.1 Mykobacterium tuberculosis

    6.4.2 Atypische Mykobakterien

    6.4.3 Treponema pallidum

    6.5 HIV-1-assoziierte Tumoren

    6.5.1 Epidemiologie des primär zerebralen Lymphoms

    6.5.2 Risikofaktoren für ein primär zerebrales Lymphom

    6.5.3 Klinische Symptomatik

    6.5.4 Pathogenese und Pathophysiologie

    6.5.5 Diagnostik

    7 Komorbiditäten

    7.1 Infektionen mit Hepatitis C-Virus

    7.1.1 Diagnostik der HCV-Infektion bei HIV-positiven Patienten

    7.1.2 Veränderungen des natürlichen Krankheitsverlaufs bei HIV-/HCV-coinfizierten Patienten

    7.1.3 Hepatotoxizität antiretroviraler Medikamente

    7.1.4 Nebenwirkungen

    7.1.5 Hepatitis C-Virus und Nervensystem

    7.2 Psychiatrische Komorbidität

    7.2.1 Die Prävalenz psychiatrischer Erkrankungen im Rahmen der HIV-Infektion

    7.2.2 Affektive Erkrankungen

    7.2.3 Manien

    7.2.4 Schizophrene Psychosen

    7.2.5 Verlauf psychotischer Erkrankungen bei HIV-Infizierten

    7.2.6 Behandlung

    7.2.7 Persönlichkeitsstörungen

    7.2.8 Suizidgefährdung

    7.2.9 HIV und Lebensalter

    7.2.10 Alkohol- und Drogenmissbrauch

    7.2.11 HIV-Infektion und Drogengebrauch

    7.2.12 Delir

    8 Therapie der HIV-Infektion

    8.1 Moderne hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART)

    8.1.1 Gegenwärtige Konzepte

    8.1.2 Zeitpunkt des Therapiebeginns

    8.1.3 Erweiterte Indikationen für den Beginn der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART)

    8.1.4 Nebenwirkungen und Interaktionen von HAART

    8.1.5 Ist die ZNS-Gängigkeit von HAART erforderlich?

    8.1.6 Adhärenz

    8.1.7 Neue Substanzen, neue Strategien

    8.2 HIV-Impfstoffe

    8.3 Adjuvante Therapien

    9 Immunrekonstitution

    9.1 Klinik

    9.2 Pathogenese

    9.3 Therapie

    10 Patienten-relevanter Informationsteil

    10.1 Rehabilitation und Prophylaxe

    10.2 Das Rezidiv

    10.3 Sozial-, berufs- und finanzrechtliche Folgen

    10.3.1 Absicherung finanzieller Ressourcen

    10.3.2 Betreuung

    10.4 Rehabilitationsstrategien bei Erkrankungen des Gehirns

    10.5 Versorgungs- und Rehabilitationsstruktur für Patienten mit einer HIV-1-assoziierten Enzephalopathie

    10.6 Die verschiedenen betroffenen Gruppen

    10.7 Informationslogistik

    10.7.1 Angehörigenberatung

    10.7.2 Ehrenamtliche Helfer

    10.7.3 Haus- und Familienpflegekräfte

    10.7.4 Integrierte Versorgung

    Abkürzungsverzeichnis

    Literatur

    Stichwortverzeichnis

    Vorwort

    Das vorliegende Buch ist ein Band der Reihe »Klinische Neurologie«, herausgegeben von Th. Brandt, R. Hohlfeld, J. Noth und H. Reichmann. Es richtet sich an Neurologen und Psychiater, die ihr Wissen über die neurologischen Systemmanifestationen der HIV-Infektion erweitern möchten, aber auch an HIV-Therapeuten anderer Fachrichtungen, die diagnostische oder therapeutische Probleme auf neurologischem Fachgebiet bearbeiten möchten. Deshalb wird insbesondere in dem Kapitel über die Zusatzdiagnostik für Neurologen und Psychiater partiell sehr ins Detail gegangen; dies ist aber für den erweiterten Leserkreis notwendig. Zudem soll das Buch zur Information von Studenten dienen.

    Die Fertigstellung dieses Buches war aufgrund widriger persönlicher Umstände nicht einfach. Desto mehr gilt mein Dank denjenigen, die mich bei der Fertigstellung unterstützt haben. Allen voran danke ich Herrn Thorsten Nolting für das Einscannen des umfangreichen Literaturverzeichnisses und der zahlreichen Abbildungen. Frau Privatdozentin Dr. Eva Neuen-Jacob stellte mir die dargestellten Gehirnschnitte und histopathologischen Abbildungen zur Verfügung. Herrn Professor Dr. U. Mödder danke ich für die großzügige Überlassung des Bildmaterials, das in seinem Institut erstellt wurde, und Herrn Privatdozenten Dr. A. Saleh für die kritischen Kommentare zur Abbildungsqualität der CT- und MRT-Aufnahmen.

    Meiner Sekretärin, Frau Bettina Höver, danke ich für die Erstellung des Manuskripts und ihren rastlosen Arbeitseinsatz. Letztendlich danke ich den Herausgebern und dem Kohlhammer-Verlag für ihre unendliche Geduld.

    1 Einleitung

    Bereits seit den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind tierpathogene Retroviren bekannt, die in der Folgezeit als ätiologisches Agens von Leukämien und Lymphomen in Tierspezies erkannt wurden. Bald danach wurden diese Viren als Urheber von aplastischen Anämien sowie immunsuppressiven und neurologischen Erkrankungen identifiziert. Die Suche nach Menschen-pathogenen Retroviren begann. Diese wurden in den Folgejahren nach und nach isoliert. Gallo und Mitarbeiter entdeckten 1976 Interleukin-2, den sogenannten T-Zell-Wachstumsfaktor, der in vitro Experimente mit T-Zell-Linien ermöglichte. Diese Arbeitsgruppe wies 1980 ein menschliches Retrovirus in einem aggressiven Haut-T-Zell-Lymphom nach und nannte es »human T-lymphotropic virus type I (HTLV I)«. Bald daraufwurde ein zweites, eng verwandtes Virus, das HTLV II genannt wurde, aus einem Patienten mit einer Haarzell-Leukämie isoliert.

    HTLV I wurde als Ursache der Erwachsenen T-Zell-Leukämie identifiziert. HTL-Viren wurden weiterhin als Urheber für Myelopathien und die tropische spastische Paraparese identifiziert. Zunächst wurde HTLV I auch als Ursache der Acquired immunodeficiency syndrome-(»Aids«)Pandemie vermutet, wie die erworbene Immunschwäche, die Gottlieb und Mitarbeiter 1981 im New England Journal of Medicine als Ursache einer merkwürdigen Häufung von Infekten mit seltenen Erregern beschrieben, genannt wurde. Es war in einer Kohorte homosexueller Männer vermehrt zu Lungenentzündungen durch Pneumocystis carinii und zu oralen Candida-Infektionen gekommen. Bereits zwei Jahre später wurden kreuzreaktive Antikörper gegen HTLV I-Proteine in Patienten mit »Aids« festgestellt.

    Bald aber wurde klar, dass der Erreger dieser erworbenen Immunschwäche ein drittes, bis dahin unbekanntes Retrovirus war, das Ende 1983 von Montagnier und Mitarbeitern (Barré-Sinoussi et al., 1983) sowie kurz daraufvon Robert Gallo und Mitarbeitern identifiziert und Lymphadenopathie-Virus (LAV) oder »human T-lymphotropic virus type III (HTLV III)« genannt wurde. In der ersten zusammenfassenden Arbeit beschrieb Luc Montagnier 1985 in den Annals of Internal Medicine die Wirkung des Virus auf das menschliche Immunsystem mit gezieltem Befall von T-Lymphozyten, insbesondere der CD4+-Zellen sowie von Makrophagen, wobei später auch Zellen dendritischen Ursprungs als suszeptibel für die Infektion bekannt wurden.

    In einer Konsensuskonferenz 1986 in Atlanta wurde das zwischen 70 und 160 μm große und von einer Glykoproteinhülle umgebene Virus »HIV« (human immunodeficiency virus) genannt. Es besteht aus zwei RNS-Einzelsträngen, die durch das Enzym »Reverse Transkriptase« in DNS-Provirus umgeschrieben werden. Die Hüllproteine gp120 und gp41 spielen eine bedeutsame Rolle für die Rezeptorbindungsfähigkeit und die immunologischen Eigenschaften des Virus. Zellmitogene und Regulatorproteine (z. B. das Transaktivierungsprotein »tat«) aktivieren die »long terminal repeats (LTR)« und somit die m-RNS-Produktion, wohingegen andere Virusproteine (z. B. negative factor=nef) sie hemmen. Das »pol«-Gen kodiert für die Reverse Transkriptase, »gag« für die Kernproteine. P24 und p17 bestimmen die Antigenität der Kernproteine, p51 und p65 kodieren für die Reverse Transkriptase, p15 kodiert für die RNS.

    Abb. 1.1: Stilisierte Darstellung des humanen Immundefizienzvirus (HIV) (erstellt von Sgame – Fotolia).

    Alle Retroviren werden über virushaltige Körpersekrete (z. B. Blut) übertragen. Das Virus bindet an CD4+-Rezeptor tragende T-Lymphozyten. Alle Retroviren – so auch das HIV – sind neurotrop, d.h., sie befallen prädilektiv bestimmte Strukturen des Nervensystems und können die meisten uns bekannten neurologischen Erkrankungen hervorrufen (Arendt und Nolting, 2005). Erste Publikationen hierzu erschienen 1983 (Snider et al., 1983).

    In den Jahren 1983 bis 1991 wurde der Befall von Makrophagen und Gliazellen beschrieben. Später wurde gezeigt, dass Neurone zwar infiziert werden können, das Virus sich in ihnen aber nicht reproduzieren kann. Lipton und Mitarbeiter (Kaul et al., 2001) fassten In-vitro-Daten in einem Schema zusammen, das noch heute Gültigkeit hat.

    Abb. 1.2: Schematische Darstellung der Neuropathogenese der HIV-assoziierten Enzephalopathie (modifiziert nach Kaul M et al., 2001).

    Heute ist bekannt, dass die Mechanismen, die das Virus beim Eindringen in das Nervensystem benutzt, komplex sind und Verbindungen zu vielen neurodegenerativen Erkrankungen darstellen. Zur Aufklärung des Infektionsgeschehens müssen molekularbiologische, immunologische und virologische Ergebnisse zusammengeführt werden. Außer In-vitro-Ergebnissen müssen aber auch epidemiologische und neuropsychiatrische Aspekte berücksichtigt und weiter geklärt werden, insbesondere, da es in den letzten Jahren zu einer relativen Zunahme neuropsychiatrischer Auffälligkeiten bei HIV-Trägern gekommen ist (Dore et al., 2003), die man nach der Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie in die Behandlung der HIV-Infektion 1996 bereits besiegt geglaubt hatte.

    Das vorliegende Buch soll zunächst einen Überblick über die aktuelle epidemiologische Entwicklung geben, die klinischen Bilder, die das HI-Virus hervorrufen kann, im Detail präsentieren, einen Überblick über diagnostische Methoden bieten, das moderne Wissen über die Neuropathogenese zusammenfassen, die moderne antiretrovirale Therapie darstellen und schließlich in einem Patienten-relevanten Informationsteil sozial-, berufs- und finanzrechtliche Folgen darstellen.

    2 Epidemiologie und Genetik des Virus

    Weltweit leben zurzeit 40,3 Millionen Menschen mit HIV/Aids. 2005 infizierten sich knapp fünf Millionen Menschen neu mit dem Virus; 3,1 Millionen Menschen starben allein 2005 an der Seuche, wobei nach wie vor der Pandemie-Gipfel im subäquatorialen Afrika liegt.

    Die antiretroviralen Therapien haben bewirkt, dass die Zahl der Aids-Toten in industrialisierten Ländern zu begrenzen ist.

    Präventionsstrategien wurden insbesondere in Ländern, in denen sich die Hauptmuster der HIV-Übertragung verlagern, viel zu langsam angepasst.

    Ende 2005 erschienen weltweite Mitteilungen – auch in Deutschland – zu steigenden Infektionszahlen in der Hauptbetroffenengruppe der homo- und bisexuellen Männer, wobei bereits seit 2003 Berichte zu steigendem Risikoverhalten zu verzeichnen sind. Eine amerikanische Studie in Baltimore, Los Angeles, Miami, New York City und San Francisco zeigte deutliche regionale Unterschiede; so ist die HIV-Inzidenz unter homo- und bisexuellen Männern in San Francisco geringer als in der Vergangenheit geschätzt; in Baltimore fand sich jedoch eine HIV-Inzidenz von 8 % in der gleichen Hauptbetroffenengruppe. 40 % der an der Studie teilnehmenden Männer wurden HIV-positiv getestet; 62 % dieser positiven Teilnehmer waren sich ihrer Infektion nicht bewusst. In den Vereinigten Staaten nimmt man an, dass etwa ein Viertel der HIV-positiven Patienten sich seiner Infektion nicht bewusst ist.

    Aids hat sich unter männlichen Afro-Amerikanern der Altersgruppe zwischen 25 und 54 Jahren zu einer der drei häufigsten Todesursachen entwickelt und ist die Todesursache Nr. 1 unter weiblichen Afro-Amerikanerinnen in der Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahren.

    In Westeuropa leben mehr als eine halbe Million Menschen mit dem HI-Virus, wobei es in einigen Ländern Anzeichen für ein Wiederaufflammen risikoreicher Verhaltensweisen gibt. Die große Veränderung war die Entwicklung heterosexueller Kontakte als dominante Ursache neuer HIV-Infektionen in mehreren Ländern. Ein Drittel der Neuinfektionen betrifft Frauen.

    Seit 2002 ist die Gesamtzahl der jährlichen HIV-Neudiagnosen, die aus homosexuellem Geschlechtsverkehr resultieren, leicht zurückgegangen. Betrachtet man jedoch die einzelnen Länder, ist es in Belgien, Dänemark, Portugal und der Schweiz zu einem leichten, in Deutschland zu einem bedeutenden Anstieg gekommen. So hat sich die Zahl der HIV-Neudiagnosen bei homo- und bisexuellen Männern von 2001 bis 2004 verdoppelt. Auch der dramatische Anstieg anderer sexuell übertragbarer Erkrankungen wie der Syphilis zeigt das Versagen der Präventionsstrategien. Eine Studie in einer ambulanten Klinik für sexuell übertragbare Krankheiten in Barcelona verzeichnete einen Anstieg der Syphilis-Diagnosen für den Zeitraum 2002 bis 2003 im Vergleich zum Zeitraum 1993 bis 1997 (Vall Mayans et al., 2004). Außer dem offensichtlich veränderten Risikoverhalten von homo- und bisexuellen Männern in den letzten Jahren zeichnet auch der stetige Anstieg der HIV-Infektion bei Frauen verantwortlich für die Zunahme der HIV-Neudiagnosen. In Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland und Schweden sind etwa ein Drittel der HIV-Infektionen heterosexuellen Kontakten zuzuschreiben, die sehr oft im Ausland, so im subäquatorialen Afrika stattfinden. Problematisch ist hier insbesondere in den industrialisierten Ländern die Gruppe der Migranten, die sich oft ihres Virusstatus nicht bewusst ist. So stellen in den 18 westlichen europäischen Ländern mit HIV-Daten für das Jahr 2004 Frauen einen Anteil von 35 % aller Neudiagnosen (im Vergleich zu 25 % im Jahr 2000).

    Westeuropa und Nordamerika sind die Regionen der Welt, in denen die überwiegende Mehrzahl von Menschen mit einer HIV-Infektion auch die notwendigen antiretroviralen Medikamente bekommt.

    Abb. 2.1: Schätzung HIV-positiver Erwachsener und Kinder 2005, nach UN-AIDS, 2005. In den letzten zwei Jahren ist die Zahl der HIV-Positiven nahezu überall in der Welt gestiegen; in der Karibik, der am zweitstärksten betroffenen Region der Welt, hat sich die HIV-Prävalenz 2005 im Vergleich zu 2003 jedoch nicht verändert.

    So geht in Westeuropa die Zahl der Todesfälle, die auf Aids zurückzuführen sind, in den letzten Jahren deutlich zurück, von 2000 bis 2005 um 42 %. In Osteuropa, wo Betroffene nur eingeschränkten Zugang zu wirksamen Medikamenten haben, hat sich die Zahl der Aids-Toten hingegen seit 2000 verdreifacht (EuroHIV 2005).

    Trotz Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapien in den meisten Regionen der Erde hat die Aids-Pandemie im Jahr 2005 insgesamt 3,1 Millionen Opfer gefordert, darunter mehr als eine halbe Million Kinder.

    Abbildung 2.1 zeigt eine Schätzung der Anzahl HIV-positiver Menschen weltweit im 3. Jahrtausend.

    Tabelle 2.1 zeigt den Anteil der weiblichen Bevölkerung an der Pandemie als Vergleich zwischen Ende 2003 und 2005. Man sieht, dass in West- und Mitteleuropa sowie Nordamerika der Anteil betroffener Frauen zwischen 25 und 27 % liegt, in den meisten anderen Regionen der Welt jedoch bei etwa 50–57 %.

    Alle Anstrengungen, die in den vergangenen Jahrzehnten im Kampf gegen Aids unternommen wurden, werden der Geschwindigkeit der sich ständig ausbreitenden Epidemie nicht gerecht. Die hochaktive antiretrovirale Therapie wird zwar auch in Ländern wie Argentinien, Brasilien, Chile und Teilen der Karibik eingesetzt, erreicht jedoch längst nicht alle Menschen, die ihrer bedürften. In Ländern Lateinamerikas, der Karibik, Osteuropas, weiten Teilen Asiens und nahezu allen Ländern des südlichen Afrika: bestenfalls einer von zehn Afrikanern und einer von sieben Asiaten erhielt 2005 im Bedarfsfall eine hochaktive antiretrovirale Therapie. Um gegen die Pandemie erfolgreich zu sein, müssen Faktoren wie soziales Ungleichgewicht und Armut politisch mit sehr viel mehr Entschlossenheit angegangen werden. Neben dem Kampf gegen Diskriminierung, Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern und anderen Menschenrechtsverletzungen, müssen die durch Aids entstehenden sozialen Probleme gelöst werden, wie z. B. die Verwaisung ganzer Generationen von Kindern.

    Festzuhalten bleibt, dass bestimmte Präventionsstrategien greifen, jedoch nicht in ausreichendem Maß, und dass zu fürchten ist, dass sie, wenn sie kein Ziel finden, ihre Wirksamkeit wieder einbüßen, was sich bedauerlicherweise an der Zunahme der Infektionsraten homo- und bisexueller Männer in Nordamerika und Westeuropa zeigt. Dies macht Abbildung 2.2 deutlich.

    Es ist bewiesen, dass präventive Bemühungen am erfolgreichsten sind, wenn sie umfassend und langfristig angelegt sind. So führten intensive Präventionsprogramme in der Mbeya-Region in Tansania von 1994 bis 2000 zu einem stärkeren Gebrauch von Kondomen und einer konsequenteren Therapie von Geschlechtskrankheiten. Diese Fortschritte waren von einem Rückgang der HIV-Prävalenz unter den 15- bis 24-jährigen Frauen begleitet (Jordan-Harder et al., 2004). Epidemiologen sprechen von unterschiedlichen Aids-Epidemien je nach betroffener Bevölkerungsgruppe und von sogenannten gruppenspezifischen Präventionsstrategien. Außerdem werden in der Prävention Entwicklung und Umsetzung neuer Methoden ein entscheidender Faktor werden, so z. B. der Einsatz von Mikrobiziden und die Verbesserung bereits vorhandener Produkte wie des Kondoms für Frauen. Ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung wäre die Entwicklung von Impfstoffen, die sich allerdings problematisch gestaltet (s. Kap. 8). Behandlungs- und Präventionsstrategien müssen komplimentär sein. Mathematische Modelle zeigen, dass bei rechtzeitigem Ausbau effizienter Prävention und Behandlung parallel zueinander die Vorteile sowohl im Hinblick auf die HIV-Neuinfektionen als auch auf die Zahl der verhinderten Todesfälle am größten ist (Salomon et al., 2005). Präventionsprogramme müssen, um wirklich erfolgreich zu sein, deshalb die Lebensumstände der Menschen berücksichtigen.

    Tab. 2.1: Regionaler, prozentualer Anteil HIV-infizierter Frauen an der Gesamtbevölkerung – Vergleich zwischen Ende 2003 und 2005.

    Abb. 2.2: Infektionsraten homo- und bisexueller Männer in Nord- und Westeuropa, nach RKI 11/05.

    Die Rechte der Frauen und jungen Mädchen müssen in diesem Zusammenhang besonders beachtet werden. In der gesamten Welt – angefangen im subäquatorialen Afrika und Asien bis hin zu Europa, Lateinamerika und dem Pazifikraum – werden mehr und mehr Frauen mit dem HI-Virus infiziert. Dies resultiert aus politischen, sozialen, kulturellen und menschlichen Ungleichheiten. Im subäquatorialen Afrika ist die Wahrscheinlichkeit, eine HIV-Infektion zu erwerben, für junge Frauen in der Altersgruppe von 15–24 Jahren 3-mal so hoch wie in der vergleichbaren männlichen Gruppe (WHO, 2005).

    In bestimmten Ländern der Welt werden Ehefrauen über ihre Ehemänner infiziert, Gewalteinwirkung gegen Frauen trägt ebenfalls zur steigenden Infektionsrate der weiblichen Bevölkerung bei. So müssen hier HIV-Präventionsmaßnahmen den Kampf gegen die Gewalt im Umgang mit Frauen und Mädchen einschließen, so z. B. die Reform antiquierter Hierarchiestrukturen (Maman et al., 2000).

    Ferner muss die Diskriminierung von Randgruppen der Gesellschaft, die durch die HIV-Infektion schwer betroffen sind, wie die der Homosexuellen noch deutlicher unterbunden werden. Homosexuelle Männer können hervorragende Werbeträger im Rahmen der Prävention sein, müssen jedoch gestärkt und ermutigt sowie anerkannt werden, damit sie diese Rolle konsequent übernehmen. Präventionsziele müssen darin bestehen, die Ansteckung mit weiteren Geschlechtskrankheiten zu verhindern, den Fortschritt der Krankheit zu verlangsamen und die Weitergabe der Infektion an andere zu verhindern. Die spezifische Beratung soll das Wissen über die HIV-Übertragung lehren und sogenannte Safer-Sex-Strategien stärken.

    Eine der problematischsten Regionen im Hinblick auf eine Ausbreitung der HIV-Infektion ist Osteuropa. Dort wächst die Epidemie mit ungebrochener Geschwindigkeit und betrifft immer größere Teile der Gesellschaft. Im Jahr 2005 hatte dort die Infektionsrate 1,6 Millionen erreicht, wobei hier der Lebensraum Osteuropa und Zentralasien zusammengefasst ist, das entspricht einem 20fachen Anstieg in weniger als zehn Jahren. In dieser Region starben 2005 doppelt so viele Menschen an Aids wie 2003. Allein 75 % der im Zeitraum 2003 bis 2004 gemeldeten HIV-Infektionen betreffen in Osteuropa und Zentralasien Menschen unter 30 Jahren. Es zeigen sich in mehreren Ländern mit dem Anstieg der Neuinfektionen auch Veränderungen im Epidemiemuster. Im Jahr 2004 waren mindestens 30 % aller neugemeldeten HIV-Infektionen in der Ukraine und Kasachstan sowie mindestens 45 % der Fälle in Weißrußland und der Republik Moldau aufungeschützten heterosexuellen Geschlechtsverkehr zurückzuführen, betrafen also nicht gesellschaftliche Randgruppen. Der Hauptinfektionsweg ist der heterosexuelle Geschlechtsverkehr mit einem intravenös drogengebrauchenden Partner. Junge Menschen tragen die Hauptlast neuer Infektionen. Besonders bedeutsam ist die außerordentlich hohe Zahl junger Drogengebrauchender in der russischen Förderation. Experten gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der intravenös Drogengebrauchenden etwa 4- bis 10-mal so hoch ist wie amtlich vermittelt (340.000 registrierte Drogengebraucher).

    Es zeigte sich auch in diesen Regionen, dass sogenannte »harm reduction programs« sehr erfolgreich Neuinfektionsraten senken können. Die unter Drogenabhängigen in Osteuropa und Zentralasien herrschende HIV-Epidemie gewinnt eine deutliche Dynamik in Form der Drogenbeschaffungs-Prostitution und breitet sich entsprechend in der heterosexuellen Bevölkerung aus, wenn auch weniger schnell. Auf diese Weise wird eine gewisse Femininisierung der Infektion unterstützt. Im Jahr 2004 stellten Frauen in der Altersgruppe zwischen 15 und 20 Jahren einen größeren Anteil unter den neu gemeldeten HIV-Infektionen als Männer dar. Im Gegensatz zu Nordamerika und Westeuropa, wo vertikale Infektionswege gegen Null konvergieren, ist die Mutter-Kind-Übertragung in Osteuropa zunehmend Thema, da sich die gemeldeten HIV-Infektionen unter Schwangeren in den letzten sechs Jahren vervierfacht haben. Die Epidemie in Osteuropa ist durch die geographische Nähe für Deutschland von besonderer Relevanz. Die dortige Entwicklung sollte verantwortliche Gesundheitsbehörden mit Sorge erfüllen. Regional verschieden sind die HIV-Subtypen, die für die HIV-Infektion verantwortlich zeichnen. Abbildung 2.3 zeigt die Verteilung der verschiedenen HIV-Subtypen über den Globus.

    In Deutschland herrscht der Subtyp B vor. Alle HIV-Subtypen können neurotrope Varianten bilden, wobei unklar ist, ob diesbezüglich zwischen den verschiedenen Virus-Subtypen Unterschiede bestehen.

    Abb. 2.3: Die Verteilung der serologischen Subtypen von HIV weltweit (nach R. Hunt, Univ. of South Carolina).

    Für die Zukunft werden neben Impfstoffen konsequente Präventionsstrategien das wirksamste Mittel gegen eine Verstärkung der Pandemie sein.

    3 Neuropathogenese der HIV-Infektion

    3.1 HIV-Biologie, -Immunologie und -Neurovirulenz

    HIV gehört zur Gruppe der komplexen Retroviren, deren Replikation von verschiedenen regulatorischen und akzessorischen Proteinen kontrolliert wird, die zusätzlich zu klassischen retroviralen Strukturproteinen exprimiert werden.

    Die »HIV-1 long terminal repeats (LTRs)« sind zwei identische Regionen an der viralen DNA, die während des Prozesses der Reversen Transkription, also der Umschreibung von Virus-RNA in DNA, generiert werden. In der integrierten, proviralen DNA dienen die LRTs hauptsächlich der Regulation der viralen RNA-Synthese und während der Virusreplikation auf DNA- und RNA-Ebene verschiedenen Zwecken. Die Hauptfunktion der LTR ist es aber, als »Promoter-Region« zu fungieren. Das HIV-1-Genom kodiert für drei Faktoren, nämlich Vif, Vpr und tat. Die Regulation der HIV-1-Genom-Expression spielt eine entscheidende Rolle in der Replikation des Virus und der Pathogenese der Infektion, wobei die LTR-Region eine zentrale Bedeutung hat.

    Das

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