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Selbstbestimmung bis zuletzt: Rechtsgutachten zum Verbot organisierter Sterbehilfe
Selbstbestimmung bis zuletzt: Rechtsgutachten zum Verbot organisierter Sterbehilfe
Selbstbestimmung bis zuletzt: Rechtsgutachten zum Verbot organisierter Sterbehilfe
eBook450 Seiten4 Stunden

Selbstbestimmung bis zuletzt: Rechtsgutachten zum Verbot organisierter Sterbehilfe

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Über dieses E-Book

Jeder Bürger hat das Menschen- und Grundrecht, selbstbestimmt Art und Zeitpunkt seines Todes unter Einschluss der Hilfe Dritter festzulegen. Diesem Recht entspricht es, dass Suizid, Suizidversuch und Teilnahme am Suizid in Deutschland seit über 150 Jahren straflos sind. Mit dieser tiefverwurzelten Tradition bricht, wer die organisierte Freitodbegleitung durch Sterbehilfevereine
unter Strafe stellen will. Dazu bedürfte es zwingender Gründe. Abstrakte Befürchtungen vom Tod als normaler Dienstleistung, als Geschäft oder als Teil einer neuen „Suizidkultur“ genügen dafür nicht und gehen an den realen Bedürfnissen leidender Menschen vorbei. Der Autor zeigt auf, dass die bisherigen Gesetzentwürfe und rechtspolitischen Vorschläge, die organisierte Freitodbegleitung zu kriminalisieren, verfassungswidrig sind.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum26. Aug. 2015
ISBN9783739294193
Selbstbestimmung bis zuletzt: Rechtsgutachten zum Verbot organisierter Sterbehilfe
Autor

Frank Saliger

Professor Dr. Frank Saliger, geb. 1964, ist seit April 2014 Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Tübingen. 1999 Promotion und 2003 Habilitation in Frankfurt am Main. Von 2005 bis 2014 Universitätsprofessor an der Bucerius Law School in Hamburg. Wichtige Veröffentlichungen: Radbruchsche Formel und Rechtsstaat (1995); Parteiengesetz und Strafrecht (2005); Umweltstrafrecht (2012); Kommentierungen zur Untreue (§ 266 StGB) und zum Betrug (§ 263 StGB).

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    Buchvorschau

    Selbstbestimmung bis zuletzt - Frank Saliger

    Gliederung

    A. Anlass und Gang der Untersuchung

    B. Die Tätigkeit von Sterbehilfe Deutschland

    I. Zweck, Mitgliedschaft und Ethische Grundsätze

    II. Voraussetzungen und Ablauf der Suizidbegleitung

    C. Zur Zulässigkeit der Kriminalisierung organisierter Freitodhilfe

    I. Menschen- und verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt des Rechts auf selbstbestimmte Lebensbeendigung

    1. Das Recht auf selbstbestimmte Lebensbeendigung in Gestalt der Selbsttötung

    a. Das Recht auf selbstbestimmte Lebensbeendigung als Teil der Achtung des Privatlebens gem. Art. 8 EMRK

    aa. Begründung und Inhalt des Rechts auf selbstbestimmte Lebensbeendigung

    (1) Grundsatzurteil Pretty/Vereinigtes Königreich: Art. 8 EMRK als sedes materiae eines Rechts auf Selbstbestimmung

    (2) Fall Haas/Schweiz: Explizite Anerkennung eines Rechts auf selbstbestimmte Lebensbeendigung

    (3) Fälle Koch und Gross: Bestätigung und Konkretisierung des Rechts auf selbstbestimmte Lebensbeendigung

    bb. Schranken des Rechts auf selbstbestimmte Lebensbeendigung

    (1) Grundsatzurteil Pretty/Vereinigtes Königreich

    (2) Fall Haas/Schweiz

    (3) Fälle Koch und Gross

    cc. Schlussfolgerungen zur Rechtsprechung des EGMR und ihre Beachtlichkeit für die Auslegung des Grundgesetzes

    b. Das Recht auf selbstbestimmte Lebensbeendigung nach deutschem Verfassungsrecht

    aa. Die Existenz freiverantwortlicher Selbsttötungen

    bb. Kein verfassungsrechtliches Verbot der Selbsttötung

    (1) Die Argumente der Befürworter

    (a) Kein Verfügungsrecht über das eigene Leben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG

    (b) Umfassende Schutzpflicht des Staates für das Leben

    (c) Unverfügbarkeit der Menschenwürde

    (2) Widerlegung der Argumente

    (a) Kein Selbsttötungsverbot aus dem Recht auf Leben

    (b) Kein absoluter Lebensschutz und keine Rechtspflicht zum Weiterleben

    (c) Selbstentwürdigung grundsätzlich kein Gegenstand des Menschenwürdeschutzes

    (d) Unvereinbarkeit eines Selbsttötungsverbots mit Menschenrecht auf selbstbestimmte Lebensbeendigung gem. Art. 8 EMRK

    cc. Suizid durch Behandlungsverweigerung als Teil des Rechts auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper

    dd. Das Recht auf selbstbestimmte Lebensbeendigung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

    (1) Begründung des Rechts auf selbstbestimmte Lebensbeendigung

    (2) Inhalt des Rechts auf selbstbestimmte Lebensbeendigung

    (3) Schranken des Rechts auf selbstbestimmte Lebensbeendigung

    (a) Allgemeines

    (b) Sittengesetz

    (c) Rechte anderer

    (d) Verfassungsmäßige Ordnung

    (aa) Allgemeine Voraussetzungen

    (bb) Anwendung auf Suizid und Suizidteilnahme

    (α) Der Schutz menschlichen Lebens

    (β) Der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung

    2. Betroffene Grundrechte der als Suizidhelfer für StHD tätigen Vereinsmitarbeiter, Ärzte und von StHD selbst

    a. Grundrechte der Vereinsmitarbeiter

    aa. Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG

    bb. Gewissensfreiheit, Art. 4 Abs. 1 GG

    cc. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG

    (1) Mangelnde Professionalität der organisierten Suizidhilfe?

    (2) Entgeltlichkeit versus Gewinnorientierung

    (3) Förderung einer „Suizidkultur"?

    b. Grundrechte der Ärzte

    aa. Berufsfreiheit, Art. 12 GG

    bb. Gewissensfreiheit, Art. 4 Abs. 1 GG

    c. Grundrechte von StHD

    3. Zwischenergebnis: Grund und Grenzen einer Kriminalisierung organisierter Freitodhilfe

    II. Strafrechtsdogmatischer Ausgangspunkt

    1. Die Entwicklung des Rechts der täterschaftlichen Sterbehilfe

    a. Die Unterscheidung von aktiver, indirekter und passiver Sterbehilfe

    b. Die Mitzuständigkeit des Zivilrechts

    c. Das Strafrecht der Sterbehilfe nach BGHSt 55, 191

    2. Die Straflosigkeit von Suizid und Suizidversuch im StGB und die Gründe dafür

    3. Die Straflosigkeit der Suizidteilnahme und die Gründe dafür

    a. Systematik und Wille des historischen Gesetzgebers

    b. Das Teilnahmeargument

    c. Verteidigung des Teilnahmearguments

    d. Kriminalpolitische Gründe

    4. Fortbestehende Strafbarkeitsrisiken für Suizidteilnehmer

    a. Tötung in mittelbarer Täterschaft und Fahrlässigkeit bei fehlender Freiverantwortlichkeit

    b. Unterlassungsstrafbarkeiten

    c. Nebenstrafrechtliche Risiken

    5. Zwischenergebnis

    III. Beurteilung aktueller Reformvorschläge zur Kriminalisierung der organisierten Freitodhilfe

    1. Kriminalisierung der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (BR-Drucks. 230/06)

    a. Strafrechtsdogmatische Bewertung

    b. Verfassungsrechtliche Bewertung

    2. Kriminalisierung der gewerblichen und organisierten Suizidbeihilfe (BR-Drucks. 436/08)

    a. Strafrechtsdogmatische Bewertung

    b. Verfassungsrechtliche Bewertung

    3. Kriminalisierung der Werbung für Suizidbeihilfe (BR-Drucks. 149/10)

    a. Strafrechtsdogmatische Bewertung

    b. Verfassungsrechtliche Bewertung

    4. Kriminalisierung der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung (BT-Drucks. 17/11126)

    a. Strafrechtsdogmatische Bewertung

    b. Verfassungsrechtliche Bewertung

    5. Grundsätzliche Kriminalisierung der Suizidbeihilfe mit Ausnahmen (Gesetzesvorschlag Borasio u.a.)

    a. Strafrechtsdogmatische Bewertung

    aa. Dogmatische Einordnung

    bb. Dogmatische Kritik

    b. Verfassungsrechtliche Bewertung

    6. Kriminalisierung der gewinnsüchtigen oder ausbeutenden Freitodbeihilfe

    a. Strafrechtsdogmatische Bewertung

    b. Verfassungsrechtliche Bewertung

    7. Ergebnis

    D. Alternativen zum Strafrecht

    I. Verwaltungsrecht

    II. Zivilrecht

    E. Gesamtergebnis

    Anhang 1:

    Stellungnahme von 147 deutschen Strafrechtslehrerinnen und Strafrechtslehrern zur geplanten Ausweitung der Strafbarkeit der Sterbehilfe (15. April 2015)

    Anhang 2:

    Gesetzentwurf Sensburg/Dörflinger Bundestags-Drucksache 18/5376

    Anhang 3:

    Gesetzentwurf Brand/Griese Bundestags-Drucksache 18/5373

    Anhang 4:

    Gesetzentwurf Künast/Sitte Bundestags-Drucksache 18/5375

    Anhang 5:

    Gesetzentwurf Hintze/Lauterbach Bundestags-Drucksache 18/5374

    Literaturverzeichnis

    A. Anlass und Gang der Untersuchung

    Sterbehilfe steht in Deutschland wieder einmal auf der rechtspolitischen Tagesordnung.¹ Am 13. November 2014 hat der Deutsche Bundestag nahezu 5 Stunden lang über Sterbehilfe und Sterbebegleitung debattiert. Im Laufe des Jahres 2015 sollen aus der Mitte des Parlaments Gesetzentwürfe erarbeitet und zur Diskussion gestellt werden.² Ende 2015 ist die Abstimmung über diese Gesetzentwürfe geplant.

    Hintergrund der Debatte sind die mit der Gründung einer Niederlassung der Schweizer Sterbehilfeorganisation DIGNITAS in Hannover im September 2005 einsetzenden Bemühungen von Politik und Gesetzgebung, die organisierte Suizidbeihilfe zu kriminalisieren.³ Beschränkten sich diese Versuche bis zur letzten Legislaturperiode aber darauf, nur die geschäftsmäßige, gewerbsmäßige oder organisierte Förderung der Selbsttötung bzw. die Werbung dazu zu pönalisieren, so hat sich die Debatte in der aktuellen Legislaturperiode ausgeweitet. Rechtspolitisch diskutiert werden in Politik und Wissenschaft nunmehr sowohl die grundsätzliche Strafbarkeit der Suizidteilnahme⁴ als auch der ärztlich assistierte Suizid.⁵ Außerdem ist in den Fokus der Debatte zunehmend die Tätigkeit des Vereins Sterbehilfe Deutschland e.V. geraten (im Folgenden StHD genannt), weil dieser Verein als einzige Sterbehilfeorganisation eine Suizidbegleitung in Deutschland anbietet.⁶

    Gleichwohl verlaufen die Streitstände in Wissenschaft und Politik nicht parallel. Während sich die ganz überwiegende Strafrechtswissenschaft nach wie vor gegen eine Kriminalisierung der bloß organisierten Suizidbegleitung ausspricht,⁷ will eine offenkundig breite Meinungsströmung unter den Bundestagsabgeordneten im Ergebnis zumindest die geschäftsmäßige, gewerbsmäßige und organisierte Freitodhilfe durch Sterbehilfevereine und Einzelpersonen unter Strafe stellen.⁸

    In der Politik möchte derzeit wohl nur eine Minderheit an der geltenden Rechtslage festhalten, wonach jede Form der Freitodbeihilfe – also auch die organisierte durch Sterbehilfevereine und der ärztlich assistierte Suizid – straflos ist.⁹ Selbst die nur von einer Mindermeinung in der Wissenschaft vertretene Auffassung, schon grundsätzlich jede Suizidteilnahme zu kriminalisieren,¹⁰ fand Widerhall in der Politik.¹¹

    Das Vorhaben des Gesetzgebers betrift die Tätigkeit der Sterbehilfevereine in Deutschland unmittelbar. Für StHD würde eine Kriminalisierung der organisierten Suizidhilfe das Ende seiner Freitodbegleitungen in Deutschland bedeuten. Derart massive Eingriffe in Rechtspositionen der beteiligten Organisationen, der für sie als Suizidhelfer tätigen Personen und nicht zuletzt der um Hilfe suchenden Freitodwilligen sind in hohem Maße rechtfertigungsbedürftig. Die vorliegende Untersuchung geht deshalb der Frage nach, ob und inwieweit die Kriminalisierung organisierter Freitodhilfe zulässig sein kann. Dazu klärt sie insbesondere die menschenrechtlichen, verfassungsrechtlichen, strafrechtsdogmatischen, strafrechtsgeschichtlichen und strafrechtstheoretischen Aspekte der Fragestellung. Darüber hinaus sollen die bis April 2015 vorgelegten Gesetzentwürfe auf ihre rechtliche Tragfähigkeit hin überprüft werden. Der rechtstatsächliche Fokus wird dabei auf die Tätigkeit von StHD gelegt.

    Aus dieser Zielsetzung der Untersuchung ergibt sich mit Blick auf die Schwerpunkte der aktuellen Debatte folgende Prüfungsreihenfolge:

    Zunächst erfolgt eine kurze Darstellung der Tätigkeit von StHD, insbesondere der Voraussetzungen und des Ablaufs der Suizidbegleitung, um eine Referenzpraxis für die Untersuchung festzulegen (unten B.).

    Sodann werden in zwei Teilen die Rahmendaten einer Kriminalisierung der organisierten Suizidbeihilfe abgesteckt. Im ersten und grundlegenden Rahmenteil wird der menschen- und verfassungsrechtliche Ausgangspunkt für eine Pönalisierung bestimmt (unten C. I.). Das erfordert sowohl eine genaue Rekonstruktion der einschlägigen Rechtsprechung des EGMR (unten C. I. 1. a.) als auch eine eingehende Analyse der von einer Kriminalisierung betroffenen Grundrechte des Suizidwilligen (unten C. I. 1. b) sowie der Freitodhelfer und Sterbehilfevereine selbst (unten C. I. 2.). Diese Analyse erlaubt es, Grund und Grenzen einer Kriminalisierung organisierter Freitodhilfe abzustecken (unten C. I. 3.).

    In Ergänzung zum ersten Grundlagenteil wird im zweiten Rahmenteil der strafrechtsdogmatische Ausgangspunkt entfaltet (unten C. II.). Der Versuch einer Kriminalisierung organisierter Suizidbegleitung wird hier eingeordnet in das Recht der täterschaftlichen Sterbehilfe (unten C. II. 1.), die geltende Straflosigkeit von Suizid, Suizidversuch und Suizidteilnahme (unten C. II. 2.-3.) sowie die bereits bestehenden Strafbarkeitsrisiken für Suizidteilnehmer (unten C. II. 4.).

    Auf Basis der beiden Rahmenteile erfolgt im dritten Teil eine kritische Beurteilung der aktuellen Reformvorschläge zur Kriminalisierung der organisierten Suizidbegleitung (unten C. III.). Dabei werden die Reformvorschläge einer strafrechtsdogmatischen und einer verfassungsrechtlichen Bewertung unterzogen.

    Im vierten Teil werden kursorisch Alternativen zum Strafrecht zur Lösung möglicher Probleme im Zusammenhang mit organisierter Freitodbegleitung erörtert (unten D.). Eine Zusammenfassung der Ergebnisse beschließt die Untersuchung (unten E.).

    Für wertvolle Mitarbeit bei der Erstellung des Buches danke ich meiner akademischen Mitarbeiterin Frau Tamara Tolj.


    ¹  Siehe zum Folgenden bereits Saliger medstra 3/2015, 1.

    ²  Der erste Gesetzentwurf wurde am 20. Mai 2015 von den CDU-Abgeordneten Thomas Dörflinger und Patrick Sensburg vorgestellt – siehe Anhang 2, unten Seite 225. Ihm sind gefolgt Anfang Juni der Gesetzesentwurf der Bundestagsabgeordneten Michael Brand (CDU), Kerstin Griese (SPD) – siehe Anhang 3, unten S. 234 ff. – und Mitte Juni die Gesetzesentwürfe von Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Die Linke) – siehe Anhang 4, unten S. 267 ff. – sowie von Peter Hintze (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) – siehe Anhang 5, S. 290 ff.

    ³  Siehe als erste Reaktionen etwa BR-Drucks. 230/06 betreffend den Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung der Länder Saarland, Thüringen, Hessen vom 27. März 2006 (dazu unten C. III. 1., Seite 156 ff.) sowie Heister-Neumann, Die Welt vom 22. Oktober 2005; Birkner ZRP 2006, 52; Schliemann ZRP 2006, 193.

    ⁴  Gesetzentwurf Dörflinger/Sensburg – siehe Anhang 2, unten Seite 225 ff.

    ⁵  Pars pro toto für die Politik das Positionspapier von Hintze/Lauterbach u.a. vom 16. Oktober 2014 sowie die Orientierungsdebatte im Bundestag zur Sterbebegleitung vom 13. November 2014, Stenografisches Protokoll 18/66, 6116 ff.; für die Wissenschaft die Stellungnahme von 147 Strafrechtslehrerinnen und Strafrechtslehrern (Anhang 1, Seite 216 ff.); Roxin GA 2013, 313 (320 ff.) und Borasio/Jox/Taupitz/Wiesing, Selbstbestimmung im Sterben – Fürsorge zum Leben. Ein Gesetzesvorschlag zur Regelung des assistierten Suizids, 2014, S. 21 ff., 74 ff.

    ⁶  Siehe exemplarisch das Positionspapier von Högl/Griese vom 8. Oktober 2014, S. 3 f.; ferner Bauer ZfL 2012, 113 (116 f.).

    ⁷  Duttge ZfL 2012, 51 (53 f.); Rosenau/Sorge NK 2013, 108 (118); Schöch FS Kühl 2014, 585 (600 f.); Hilgendorf JZ 2014, 545; U. Neumann medstra 2015, 16 (18); F. Neumann, Die Mitwirkung am Suizid als Straftat, 2015, S. 311 ff.; kritisch auch Verrel JA 7/2012, Editorial; vgl. ferner Roxin GA 2013, 313 (320 ff.).

    ⁸  Vgl. etwa Gröhe, Rheinische Post vom 6. Januar 2014; Positionspapier Högl/Griese vom 8. Oktober 2014, S. 3 f.; Positionspapier Scharfenberg/Terpe vom 10. Oktober 2014, S. 2; Positionspapier Lücking/Michel/Brand/Friesing, 2014, S. 3.

    ⁹  Siehe den Gesetzentwurf von Hintze/Lauterbach, Anhang 5, S. 290 ff.; ferner das Positionspapier von Künast/Sitte/Gehring, abrufbar unter http://www.renate-kuenast.de/w/files/papiere/mehr-fuersorge-statt-mehr-strafrecht_positionspapier-sterbehilfe_.pdf. Im Gesetzesentwurf von Künast/Sitte u.a. – siehe Anhang 4, S. 267 ff.– soll aber die gewerbsmäßige Hilfe und die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung kriminalisiert werden.

    ¹⁰  So – mit Unterschieden im Einzelnen – Borasio/Jox/Taupitz/Wiesing, Selbstbestimmung im Sterben usw., S. 21 ff., 74 ff.; Feldmann GA 2012, 498 (516 f.); Engländer FS Schünemann, 2014, 583 (587 ff, 594 ff.).

    ¹¹  Gesetzentwurf Dörflinger/Sensburg – Anhang 2, Seite 225 ff.

    B. Die Tätigkeit von Sterbehilfe Deutschland

    I. Zweck, Mitgliedschaft und Ethische Grundsätze

    StHD ist Anfang 2010 gegründet worden und in der Rechtsform des eingetragenen Vereins organisiert (§ 1 der Satzung vom 12. Januar 2014, im Folgenden nur noch Satzung genannt).¹² StHD verfolgt den Zweck, das Recht aller Menschen auf Selbstbestimmung bis zum letzten Atemzug in Deutschland nach Schweizer Vorbild zu verankern (§ 2 Abs. 1 S. 1, 2 Satzung). StHD unterstützt seine Mitglieder bei der Durchsetzung dieses Rechts und hat sich hierzu Ethische Grundsätze¹³ (im Folgenden: EG) gegeben, die für alle im und für den Verein tätigen Personen verbindlich sind (§ 2 Abs. 1 S. 3, 4 Satzung). StHD fördert alle Bemühungen zur Etablierung einer bestmöglichen und flächendeckenden Palliativmedizin in Deutschland und der Schweiz (vgl. § 2 Abs. 5 Satzung).

    StHD hat erklärtermaßen keine wirtschaftliche oder gewerbliche Zielsetzung (§ 2 Abs. 7 Satzung). Entsprechend üben die Vorstandsmitglieder ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus, erhalten insbesondere keine Vergütung und keine Aufwendungs- oder Auslagenpauschale (Abschnitt VII. Nr. 38 EG). Auch die Suizidbegleitungen erfolgen stets ehrenamtlich (Abschnitt VII. Nr. 39 S. 1 EG). Soweit Geschäftsführern oder angestellten oder freien Mitarbeitern von StHD eine Vergütung gezahlt wird, bezieht sich diese ausschließlich auf die übrigen Tätigkeiten für StHD und nicht auf Suizidbegleitungen (Abschnitt VII. Nr. 39 S. 2, 3 EG).

    StHD ist die einzige Organisation, die Suizidbegleitung in Deutschland anbietet.¹⁴ Von den 1067 bis zum 31. Dezember 2014 beigetretenen Mitgliedern sind insgesamt aus unterschiedlichen Gründen 454 ausgeschieden, 151 aufgrund natürlichen Todes, 162 infolge begleiteten Suizids.¹⁵

    Um die Suizidbegleitung von StHD in Anspruch nehmen zu können, ist es zunächst notwendig, Mitglied im Verein StHD zu werden. Gem. § 3 der Satzung ist es jedem volljährigen Deutschen oder Schweizer, jedem Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland oder der Schweiz sowie jeder juristischen Person des Privatrechts mit Sitz in Deutschland oder der Schweiz möglich, Mitglied im Verein StHD zu werden.

    Dabei gibt es vier Formen der Mitgliedschaft (§ 5 Abs. 1 Satzung), wobei ein Wechsel zwischen den einzelnen Formen jederzeit möglich ist (vgl. § 5 Abs. 2 Satzung). Für die Vollmitgliedschaft („Mitgliedschaft V) werden jedes Jahr am 1. Januar 200 Euro fällig (§ 5 Abs. 1 Punkt 1 Satzung). Bei der Lebensmitgliedschaft („Mitgliedschaft L) sind einmalig 2000 Euro zu entrichten (§ 5 Abs. 1 Punkt 2 Satzung). Die Lebensmitgliedschaft mit Sonderbeitrag („Mitgliedschaft S) kann mit Zahlung von 7000 Euro beantragt werden (§ 5 Abs. 1 Punkt 3 Satzung). Zuletzt gibt es die einfache (Vereins-)Mitgliedschaft („Mitgliedschaft M), für die jedes Jahr zum 1. Januar ein Mitgliederbeitrag in Höhe von 50 Euro anfällt (§ 5 Abs. 1 Punkt 4 Satzung). Bei dieser Mitgliedschaft ist eine Suizidbegleitung nicht möglich (§ 5 Abs. 4 S. 1 Satzung).

    Ist man Vollmitglied, so kann eine Suizidbegleitung erst mit Ablauf von drei Jahren seit Vereinseintritt beantragt werden (§ 5 Abs. 4 S. 2 Satzung). Diese Wartezeit verkürzt sich auf ein Jahr, wenn man die Mitgliedschaft L hat (§ 5 Abs. 4 S. 3 Satzung). Bei der Mitgliedschaft S entfällt die Wartefrist gänzlich (§ 5 Abs. 4 S. 4 HS. 1 Satzung); in diesen Fällen bemüht sich StHD, die Voraussetzungen der Ethischen Grundsätze besonders zügig zu klären (§ 5 Abs. 4 S. 4 HS. 2 Satzung). Weitere Kosten entstehen nicht. Außerdem hilft StHD auch Mitgliedern, die sich in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen befinden, denn ein Antrag auf Ermäßigung des Mitgliederbeitrags ist möglich.¹⁶ Entsprechend kann der Vorstand im Einzelfall oder für Fallgruppen den Beitrag gemäß § 5 Abs. 1 Satzung reduzieren (§ 5 Abs. 3 Satzung). Auf der Website www. sthd.ch wird mitgeteilt: Sterbehilfe durch StHD scheitert nie am Geld.

    Die Ethischen Grundsätze (vgl. § 2 Abs. 1 S. 4 Satzung), vom StHD-Vorstand am 12. Dezember 2014 in dieser Form beschlossen, regeln vor allem die Voraussetzungen für eine Suizidbegleitung (Abschnitt IV. Nrn. 14 bis 21 EG), die Vorbereitung der Suizidbegleitung (Abschnitt V. Nrn. 22 bis 28 EG) und die Durchführung der Suizidbegleitung (Abschnitt VI. Nrn. 29 bis 36 EG). Darüber hinaus enthalten die EG auch Bestimmungen zur Patientenverfügung (Abschnitt III. EG), welche die satzungsmäßig verankerte Leistung von StHD zur Erstellung einer individuellen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung für jedes Mitglied (§ 2 Abs. 3 Satzung) konkretisieren.

    II. Voraussetzungen und Ablauf der Suizidbegleitung

    Die konkrete Suizidbegleitung durch StHD erfolgt in vier Schritten.¹⁷ Stellt das Mitglied einen Antrag auf Suizidbegleitung, so prüft StHD in einem ersten Schritt die rechtliche und ethische Vertretbarkeit des Antrags. Dazu erhält das sterbewillige Mitglied von StHD einen Fragebogen, den es sorgfältig ausgefüllt und unterschrieben zusammen mit der Patientenverfügung und gegebenenfalls vorhandenen Ärztebriefen zurückschicken muss (Abschnitt IV. Nr. 14 S. 1 EG).¹⁸ Dabei handelt es sich um konstitutive Voraussetzungen der Suizidbegleitung, weil StHD die Voraussetzung der Suizidbegleitung erst prüft, wenn der vollständig ausgefüllte Fragebogen und die endgültige Patientenverfügung bei StHD vorliegen (Abschnitt IV. Nr. 15 EG). Der Fragebogen wird je nach Mitgliedschaft sechs Monate vor Ablauf der Wartefrist (bei Mitgliedschaft M und L) bzw. direkt mit dem Bestätigungsschreiben der Mitgliedschaft S wieder an den Sterbewilligen übersandt (Abschnitt IV. Nr. 14 EG). Grundsätzlich dauert die Prüfung zwischen zwei und vier Monaten, im Einzelfall auch kürzer.¹⁹

    In einem zweiten Schritt erfolgt ein Gespräch in der Wohnung des Sterbewilligen, das auf Video aufgezeichnet wird (vgl. Abschnitt V. Nr. 22 EG).²⁰ In diese vorbereitenden Gespräche sind Angehörige und nahestehende Personen miteinzubeziehen (Abschnitt V. Nr. 23 S. 1 EG). Lehnen die Angehörigen dies ab, so kommt eine Suizidbegleitung nur in Betracht, wenn sichergestellt werden kann, dass die Angehörigen während der Vorbereitung und Durchführung des Suizids nicht störend einwirken (Abschnitt V. Nr. 23 S. 2 EG). Gleiches gilt, wenn andere Störungen aus dem räumlichen und persönlichen Umfeld des Sterbewilligen zu befürchten sind (Abschnitt V. Nr. 24 EG).

    Im dritten Schritt prüft ein Arzt die Einsichts- und Willensfähigkeit des Suizidwilligen.²¹ Der Sterbewillige muss ein ärztliches Gutachten vorlegen, welches ihm die Einsichts- und Willensfähigkeit ohne Einschränkungen bescheinigt (Abschnitt IV. Nr. 16 S. 2 EG). Ohne dieses Gutachten wird keine Suizidbegleitung durch StHD durchgeführt (Abschnitt IV. Nr. 16 S. 1 EG).²² Sollte ein Mitglied keinen Arzt finden, der bereit ist, das entsprechende Gutachten zu erstellen, so vermittelt StHD einen Arzt (Abschnitt IV. Nr. 16 S. 4 EG). Dabei wird großer Wert darauf gelegt und als Indiz für das Vorliegen der Einsichts- und Willensfähigkeit aufgefasst, dass ein krankheitsbedingt Sterbewilliger sich mit den Möglichkeiten therapeutischer Besserung befasst hat, wozu es in der Regel der Einholung ärztlichen Rates bedarf (Abschnitt IV. Nr. 17 EG). StHD prüft gründlich eventuelle Hinweise darauf, dass andere Personen den Sterbewilligen beeinflusst haben könnten. Sollten sich diese Hinweise bewahrheiten, ist eine Sterbebegleitung ausgeschlossen (Abschnitt IV. Nr. 18 EG).

    Weitere notwendige Voraussetzung für eine Suizidbegleitung ist, dass der Sterbewunsch unumstößlich (Abschnitt IV. Nr. 19 S. 1 EG) sowie durchdacht und nachvollziehbar ist (Abschnitt IV Nr. 20 S. 1 EG). Diese Erkenntnis wird aus lebensbejahenden Gesprächen über Alternativen sowie der Feststellung der Einsichts- und Willensfähigkeit gewonnen. Bei Zweifeln an der Unumstößlichkeit des Sterbewunsches behält es sich StHD vor, zusätzlich zu den in § 5 Abs. 4 Satzung festgelegten Fristen eine individuelle Wartefrist festzulegen, insbesondere bei nicht eindeutigen Angaben und jungen Mitgliedern (Abschnitt IV. Nr. 19 S. 2 EG). Verbleiben Zweifel, dass der Sterbewunsch durchdacht und nachvollziehbar ist, wird eine Suizidbegleitung abgelehnt (Abschnitt IV. Nr. 20 S. 2 EG). Sofern der Sterbewillige wesentliche Umstände verschweigt oder falsch darstellt, wird eine Suizidbegleitung ebenfalls negativ beschieden (Abschnitt IV. Nr. 21 S. 2 EG).

    Suizidbegleitung durch StHD setzt nicht voraus, dass der Sterbewillige an einer unheilbaren Krankheit leidet, die alsbald zum Tode führt. Grundsätzlich ist also nur ausschlaggebend, dass das Mitglied seinen Sterbewillen durchdacht und nachvollziehbar unter Vollbesitz seiner Einsichts- und Willensfähigkeit vorgetragen hat. Nach § 2 Abs. 1 Satzung und der Präambel der Ethischen Grundsätze akzeptiert StHD jedes Begehren, ohne von vorneherein eine Begründung auszuschließen.²³ Daher hilft StHD auch Personen, die an psychischen Krankheiten leiden, oder Personen, die aufgrund des Verlusts ihres Partners nicht weiterleben wollen.²⁴

    Sobald StHD die definitive Entscheidung gefällt hat, beim Suizid zu assistieren, wird dieses „grüne Licht" dem Sterbewilligen mitgeteilt (Abschnitt V. Nr. 27 EG). Danach wird an den Sterbewilligen von Seiten StHD nicht mehr herangetreten (Abschnitt V. Nr. 28 S. 1 EG). Entscheidet sich der Sterbewillige, die Hilfe in Anspruch zu nehmen, werden mit ihm nochmals alle Möglichkeiten des Weiterlebens erörtert (Abschnitt V. Nr. 28 S. 2 EG). Bleibt der Sterbewillige bei seinem Wunsch, so findet im vierten Schritt die Suizidassistenz statt (Abschnitt V. Nr. 28 S. 3 EG).

    Die Suizidbegleitung erfolgt ausschließlich in Deutschland (Abschnitt VI. Nr. 29 EG). Der Sterbewillige wird zuvor über das allgemeine Risiko des Scheiterns eines Suizids informiert, insbesondere darüber, dass beim Trinken der tödlichen Flüssigkeit nach bisheriger Erfahrung von StHD in 1,4 % der Fälle die Flüssigkeit erbrochen wurde. Wegen der – weitaus größeren – Gefahr, dass der Suizident Fehler bei der Durchführung machen kann, werden von StHD ausschließlich begleitete Suizide unterstützt (Abschnitt VI. Nr. 30 EG).

    Dabei kommen entweder Angehörige oder StHD-Mitarbeiter als Suizidbegleiter in Betracht (Abschnitt VI. Nr. 31 EG). Sind Angehörige zur Suizidbegleitung bereit, so informiert StHD sie ausführlich über die medizinischen und organisatorischen Aspekte (Abschnitt VI. Nr. 32 S. 1 EG). Es wird erwartet, dass Angehörige die Ethischen Grundsätze von StHD akzeptieren und dies durch ihre Unterschrift bestätigen (Abschnitt VI. Nr. 32 S. 2 EG). Zudem werden die Angehörigen über die aktuelle Rechtslage und rechtliche Risiken für den Fall aufgeklärt, dass sie beim Sterbewilligen über den Eintritt der Bewusstlosigkeit hinaus verbleiben wollen (Abschnitt VI. Nr. 32 S. 3 EG).

    Erfolgt die Suizidbegleitung durch einen StHD-Mitarbeiter, so erscheint er zu einem vereinbarten Termin in der Wohnung des Suizidwilligen, in der sich dann keine andere Person aufhalten darf (Abschnitt VI. Nr. 33 EG). Die StHD-Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich (Abschnitt VII. Nr. 39 S. 2 EG) und sind schriftlich verpflichtet worden, die Ethischen Grundsätze einzuhalten (Abschnitt VII. Nr. 41 EG).

    Bei der Durchführung der Suizidbegleitung ist die Anwesenheit eines Arztes in der Regel nicht erforderlich. Ausnahmen sind nur vorgesehen, wenn der Zustand des Sterbewilligen oder die beabsichtigte Suizidmethode ärztliches Handeln erfordern. Dabei soll der Arzt, der zuvor das medizinische Gutachten erstellt hat, keine Sterbehilfe leisten, es sei denn, kein geeigneter anderer Arzt steht zur Verfügung (Abschnitt VI. Nr. 34 EG).

    StHD berät den Sterbewilligen und dessen Angehörige auch bezüglich der zu erwartenden Ereignisse nach Eintritt des Todes. Eine Beteiligung an den organisatorischen Vorbereitungen durch StHD findet jedoch nicht statt (Abschnitt VI. Nr. 35 EG). Dabei wird dem Wunsch der Angehörigen und der Sterbewilligen auf Diskretion durch StHD Rechnung getragen. Es wird aber darauf hingewiesen, dass bei einer Obduktion der Suizid ofenkundig wird. Deswegen strebt StHD langfristig an, die Ermittlungsbehörden nach dem Vorbild der Schweiz miteinzubeziehen (Abschnitt VI. Nr. 36 EG).

    Im Jahre 2014 hat StHD auf die geschilderte Weise 44 Suizide begleitet. Das Durchschnittsalter der Sterbewilligen betrug dabei 69 Jahre, wobei der Frauenanteil bei 61 Prozent lag.²⁵


    ¹²  In Kraft getreten am 26. Januar 2014.

    ¹³  Zu finden unter http://www.sterbehilfedeutschland.de/sbgl/files/PDF/2015-01 %20 Eth.Grds.pdf und bei Benzin, Der Ausklang, Edition 2015, S. 191 ff.

    ¹⁴  Benzin, Der Ausklang, Edition 2015, S. 7.

    ¹⁵  Benzin, Der Ausklang, Edition 2015, S. 9.

    ¹⁶  http://www.sterbehilfedeutschland.de/cgi-bin/sbgl.pl?id=1671&lang=.

    ¹⁷  Vgl. Benzin, Der Ausklang, Edition 2015, S. 11 ff.

    ¹⁸  Spittler in: Benzin, der Ausklang, Edition 2015, S. 44.

    ¹⁹  http://www.sterbehilfedeutschland.de/cgi-bin/sbgl.pl?id=1671&lang=.

    ²⁰  Benzin, Der Ausklang, Edition 2015, S. 11; ebenda auch Spittler, S. 44.

    ²¹  Benzin, Der Ausklang, Edition 2015, S. 11.

    ²²  Siehe auch Benzin, Der Ausklang, Edition 2015, S. 11; Spittler in: Benzin, der Ausklang, Edition 2015, S. 42.

    ²³  Vgl. Präambel EG, in Benzin, Der Ausklang, Edition 2015, S. 191; ferner Spittler in: Benzin, der Ausklang, Edition 2015, S. 42 f.

    ²⁴  Siehe dazu auch Spittler in: Benzin, der Ausklang, Edition 2015, S. 50, wonach 26,9 % der untersuchten Personen eine „sehr konkret begründete, sehr angemessene traurige Gestimmtheit" als Grund für den Sterbewunsch angaben; ferner S. 69 f.

    ²⁵  Benzin, Der Ausklang, Edition 2015, S. 9 ff.

    C. Zur Zulässigkeit der Kriminalisierung organisierter Freitodhilfe

    Die Klärung der Frage, ob und inwieweit es zulässig sein kann, organisierte Freitodhilfe zu kriminalisieren, setzt zunächst voraus, dass der menschen- und verfassungsrechtliche Ausgangspunkt der Fragestellung zutreffend bestimmt wird (unten I.).²⁶ Denn der Strafgesetzgeber kann Kriminalisierungen nur insoweit vornehmen, als sie menschen- und verfassungsrechtlich zulässig sind.²⁷

    Diese Feststellung ist für unsere Frage alles andere als selbstverständlich. So befasst sich die Verfassungsrechtswissenschaft erst seit gut 20 Jahren intensiver mit Selbsttötung und Sterbehilfe.²⁸ Zudem wird die Bedeutung von Verfassung und Völkerrecht bei der aktuellen rechtspolitischen Debatte von Teilen der Strafrechtswissenschaft nach wie vor gering veranschlagt bzw. vernachlässigt.²⁹ Das mag mit der verbreiteten – und wie wir sehen werden revisionsbedürftigen – Annahme zusammenhängen, dass Verfassung und Völkerrecht keine zwingenden Vorgaben für die Behandlung der Suizidbeihilfe enthalten und daher dem Gesetzgeber einen weiten Regelungsspielraum belassen.³⁰

    Methodisch ist dabei zweierlei zu beachten. Zum einen ist die verfassungsrechtliche Prüfung der Kriminalisierung organisierter Freitodhilfe nicht auf die Prüfung des Grundgesetzes beschränkt. Vielmehr ist die EMRK mitsamt der Rechtsprechung des EGMR zu einem Menschenrecht auf selbstbestimmte Lebensbeendigung zu berücksichtigen, weil die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR nach ständiger Judikatur des BVerfG auf der Ebene des Verfassungsrechts gem. Art. 2 Abs. 2, 59 Abs. 2 GG als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten dienen.³¹ Die Rücksicht auf die Rechtsprechung des EGMR ist umso mehr geboten, als diese Rechtsprechung nicht selten verkürzt oder missverständlich rezipiert wird³² und ein Recht auf freiverantwortliche Selbsttötung weder durch das Grundgesetz explizit verbürgt, noch in der Rechtsprechung des BVerfG bislang ausdrücklich anerkannt ist.

    Zum anderen betrifft die menschen- und verfassungsrechtliche Prüfung der Kriminalisierung organisierter Freitodhilfe eine mehrpolige Grundrechtskonstellation. Primär – und nicht nur mittelbar – tangiert sind die Freitodwilligen in ihrem – im Folgenden näher zu entfaltenden – Grundrecht auf Selbsttötung. Denn vor allem sie sind es, welche die Lasten einer Kriminalisierung organisierter Freitodhilfe zu tragen hätten, weil sie mit der Untersagung einer derartigen Hilfe auf weniger schmerzlose, weniger würdevolle und weniger sichere Selbsttötungsalternativen verwiesen würden.

    Darüber hinaus beeinträchtigt die Kriminalisierung organisierter Freitodhilfe unmittelbar die Tätigkeit von StHD selbst sowie die dort als Sterbehelfer tätigen Vereinsmitarbeiter und Ärzte. Neben der gegebenenfalls als Auffanggrundrecht einschlägigen allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) könnte die Pönalisierung insoweit die Vereinsmitarbeiter und Ärzte in ihren Individualgrundrechten auf Berufs- (Art. 12 GG) und Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) sowie StHD als juristische Person in seinen Grundrechten auf Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG, Art. 11 Abs. 1 EMRK) und Berufsfreiheit verletzen.

    I. Menschen- und verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt des Rechts auf selbstbestimmte Lebensbeendigung

    Auf dieser Basis ergibt sich folgende Reihenfolge der menschen- und verfassungsrechtlichen Prüfung einer Kriminalisierung organisierter Freitodhilfe: Zunächst und im Schwerpunkt ist das Recht der Freitodwilligen auf eine selbstbestimmte Lebensbeendigung sowohl in seinem Inhalt als auch in seinen Schranken zu

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