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Energiewende und Atomausstieg
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eBook253 Seiten2 Stunden

Energiewende und Atomausstieg

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Über dieses E-Book

Das Buch beschreibt die politischen Entscheidungen, die nach Fukushima zum Ausstieg aus der Atomenergie sowie zum Übergang auf die Erneuerbaren Energien folgten. Die Risiken der Strominfrastruktur – fehlende Stromleitungen, fehlende Grundlast, fehlende Speicher, sowie die mangelhafte Netzstabilität – werden ausführlich dargestellt. Die hohen Umlagekosten bei der Nutzung von Wind- und Sonnenenergie, sowie die Umweltzerstörung durch monströse Gleichstromtrassen und riesige, lärmende Windräder werden anhand von Beispielen analysiert.
Im Gefolge von Atomausstieg und Energiewende entfällt weitgehend das bisherige Geschäftsmodell der großen Energieversorger und deren wirtschaftliche Basis. Dies vermindert unter anderem die nationale Versorgungssicherheit und zwingt – in den Zeiten der Klimadiskussion – zum vermehrten Einsatz von Kohle zur Stabilisierung der deutschen Stromversorgung.
Der Autor Dr. Willy Marth ist promovierter Physiker sowie Diplomkaufmann. Er war vier Jahrzehnte im Umfeld der Stromwirtschaft tätig und Projektleiter für mehrere Kernkraftwerke. Als Executive Director leitete er große internationale Vorhaben auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum29. Mai 2015
ISBN9783739252834
Energiewende und Atomausstieg
Autor

Willy Marth

Willy Marth, geboren 1933 im Fichtelgebirge, promovierte in Physik an der Technischen Hochschule in München und erhielt anschließend ein Diplom in Betriebswirtschaft der Universität München. Ein Post-Doc-Aufenthalt in den USA vervollständigte seine Ausbildung. Am "Atomei" FRM in Garching war er für den Aufbau der Bestrahlungseinrichtungen verantwortlich, am FR 2 in Karlsruhe für die Durchführung der Reaktorexperimente. Als Projektleiter wirkte er bei den beiden natriumgekühlten Kernkraftwerken KNK I und II, sowie bei der Entwicklung des Schnellen Brüter SNR 300 in Kalkar. Beim europäischen Brüter EFR war er als Executive Director zuständig für die gesamte Forschung an 12 Forschungszentren in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Im Jahr 1994 wurde er als Finanzchef für verschiedene Stilllegungsprojekte berufen. Dabei handelte es sich um vier Reaktoren und Kernkraftwerke sowie um die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe, wo er für ein Jahresbudget von 300 Millionen Euro verantwortlich war. Der Autor betreibt einen Blog im Internet unter der Adresse: www.rentnerblog.de

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    Buchvorschau

    Energiewende und Atomausstieg - Willy Marth

    willy.marth@t-online.de

    1 Der Aufstieg der deutschen Stromkonzerne

    Der Ausbau der deutschen Elektrizitätswirtschaft, von der physikalischen Entdeckung der Elektrizität bis zu ihrer großflächigen Bereitstellung durch die Stromkonzerne, dauerte gut hundert Jahre. Nur drei Jahre dauerte es hingegen, bis diese Konzerne durch die politischen Entscheidungen zur Energiewende bis an die Grenze der wirtschaftlichen Insolvenz getrieben wurden. Es ist deshalb angemessen, den Aufstieg dieser verdienstvollen Unternehmen im Anfangskapitel dieses Buches zu dokumentieren und ihre jetzige wirtschaftlich desolate Lage zum Schlusskapitel. Ob unsere politischen Zauberlehrlinge in Deutschland mit der Energiewende und dem Atomausstieg dies tatsächlich bewirken wollten, ist zu bezweifeln, aber letztlich unerheblich. Fakt ist, dass durch eine Reihe ihrer Vorgaben – zum Beispiel der vorrangigen Einspeisung von Wind- und Solarstrom in das öffentliche Netz – das technisch fein austarierte Gefüge der Elektrizitätswirtschaft weitgehend zerstört wurde, welches ein Jahrhundert lang wesentlich zum Aufbau des international geachteten deutschen Industriestandorts beigetragen hat.

    1.1 Erfinder und Unternehmer

    Die Väter der Stromwirtschaft: Die physikalische Entdeckung der Elektrizität und ihre technische Entwicklung geschah in kleinen Schritten etwa ab der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die breite Öffentlichkeit wurde erstmals mit dem Phänomen Strom im Jahr 1881 bei der Weltausstellung in Paris konfrontiert. Es war das Eintrittsdatum der Glühlampe in den europäischen Markt. Der amerikanische Erfinder Thomas Alva Edison hatte seine Ausstellungsräume in Paris mit Glühlampen beleuchtet, in denen er einen Kohlefaden mit Strom zum Leuchten brachte. Auf einem kleinen Tisch stand eine Lampe, die man mit einem Schalter „anzünden" und abschalten konnte. Aber Meister Edison hatte nicht nur die Glühlampe mit dem Schalter erfunden, sondern auch alles weitere, welches man im Umgang mit Starkstrom benötigte, nämlich: Steckdosen, Fassungen, Klemmen, Sicherungen und den Stromzähler. Eine Dampfmaschine von stattlichen 120 PS trieb einen 50 Kilowatt Siemens-Dynamo an und sorgte damit für die nötige Stromzufuhr.

    Abb.1: Thomas Alva Edison (1847-1931), mit Glühbirne

    Der deutsche Maschinenbauingenieur und Unternehmer Emil Moritz Rathenau zeigte Interesse an Edisons Erfindung und es gelang ihm, sich die Rechte an dieser Technologie zu sichern. So entstand 1983 die Deutsche Edison Gesellschaft, aus der 1887 die Allgemeine Elektricitäts Gesellschaft hervorging, welche später unter dem Kürzel AEG bekannt wurde. Rathenau schloss mit der Reichshauptstadt Berlin einen sogenannten Konzessionsvertrag ab, wonach die Stadt zehn Prozent der Bruttoeinnahmen erhielt. Dieser Vertragstyp hatte Vorbildcharakter für weitere Abschlüsse dieser Art in ganz Deutschland. Binnen kurzem löste das neue Licht das herkömmliche Gaslicht ab, mit dem unter anderem die Berliner Brauereien unzufrieden waren, weil es die Luft in ihren Gärkellern zu stark erhitzte und damit angeblich die Qualität des Bieres beeinträchtigte. Nach dem Tod von Emil Rathenau im Jahr 1915 übernahm sein Sohn Walther Rathenau das Präsidium bei der AEG. Als deutscher Außenminister wurde er 1922 bei einem Attentat in Berlin ermordet.

    Auch Werner Siemens (der Adelstitel wurde ihm erst 1888 vom „Hundert-Tage-Kaiser" Friedrich III. verliehen) war auf der Pariser Weltausstellung gewesen. Als bereits 66-jähriger war er zwar noch Anhänger der alten Bogenlampe, aber zu dieser Zeit schon weltberühmt. Denn er hatte im Jahr 1866 das elektrodynamische Prinzip entdeckt, womit die Produktion von Dynamomaschinen zur Erzeugung starker elektrischer Ströme überhaupt erst möglich wurde. Aus einer kleinen Werkstatt für den Telegrafenbau von zehn Arbeitern heraus – der Partner Halske war längst ausgeschieden – entwickelte er in 35 Jahren einen Weltkonzern mit Niederlassungen in vielen Ländern und wurde damit zum Multimillionär. Seine Spezialität war allerdings der Schwachstrom. So baute er das von dem Amerikaner Alexander G. Bell entwickelte Telefon ungeniert einfach nach, da es in Deutschland nicht patentiert war. Der Verkauf dieses Geräts erbrachte ihm eine Gewinnmarge von über 50 Prozent! Mit Emil Rathenau teilte Werner von Siemens den Elektrizitätsmarkt in Deutschland in zwei Monopole auf, noch bevor es ihn überhaupt gab: Rathenau sollte den Bau von Kraftwerken und den Stromverkauf übernehmen, gleichzeitig verpflichtete er sich, bei Siemens alle Komponenten, wie Dynamos, Motoren und Kabel, zu kaufen.

    Gleichstrom versus Wechselstrom: Kehren wir nochmals zurück zu Meister Edison. Ihm war inzwischen Konkurrenz im eigenen Land erwachsen. Ein gewisser George Westinghouse, der mit der Erfindung der Druckluftpumpe bei den Eisenbahnen ein Millionenvermögen angehäuft hatte, wandte sich plötzlich der Elektrizität zu und propagierte den Wechselstrom, den er zwar nicht selbst entdeckt hatte, von dessen Potential er jedoch überzeugt war. Im Gegensatz zum bis dahin verwendeten Gleichstrom konnte man Wechselstrom über lange Strecken übertragen und mit den gerade erfundenen Transformatoren fast beliebig hinauf- und herabtransformieren. Leider fiel bei Gleichstrom die niedrige Spannung von ca. 110 Volt – welche mit den damaligen Gleichstromgeneratoren und Kommutatoren erzeugt werden konnte - schon nach etwa zwei Kilometern so weit ab, dass ein neues Kraftwerk („Block) innerhalb der Stadt errichtet werden musste. Westinghouse nützte diesen Mangel und kaufte alle Patente auf dem Gebiet des Wechselstroms sowie der Transformatoren auf und begann mit dem Bau von Kraftwerken außerhalb der Städte. Edison konterte mit dem Hinweis auf die gesundheitlichen Gefahren dieser Stromart, indem er öffentlich Hunde und sogar Pferde durch Wechselstromschläge „hinrichten ließ und diese Exekutionsart polemisch als „westinghousen" bezeichnete. Ohne Erfolg. Es brachte ihm nur den zweifelhaften Ruf ein, Erfinder des elektrischen Stuhls zu sein, auf den er als Gegner der Todesstrafe gerne verzichtet hätte. Das bessere System setzte sich in der Folge durch und das war nun mal der Wechselstrom. Mit dazu beigetragen hat der serbischstämmige Nikola Tesla, der den Mehrphasen-Wechselstrom erfand, welcher später zu den Drehstrommaschinen führte.

    Auch in Deutschland begann man sich für den Wechselstrom zu interessieren. Der Bauingenieur Oskar von Miller erarbeitete sich im Selbststudium die Grundlagen der Elektrizität und schon bei der elektrotechnischen Ausstellung im Jahr 1882 in München konnte er die Übertragung des elektrischen Stroms über eine Entfernung von 60 Kilometern - nämlich zwischen Miesbach und München - präsentieren. Später gelang ihm sogar die Fernübertragung von 20.000 Volt Drehstrom über die 176 Kilometer lange Distanz von Lauffen am Neckar bis nach Frankfurt am Main.

    Der „Wechselstromkrieg" brachte den Unternehmer Thomas A. Edison in beträchtliche Schwierigkeiten. Seine vormaligen Freunde an der Wallstreet in New York wollten ihm keine Kredite mehr geben, sondern (ohne Risiko) an den weltweit anfallenden Lizenzgebühren partizipieren. Edison trat deshalb die Flucht nach vorne an und steckte all sein Geld in die Vorarbeiten zum Bau des ersten Kraftwerks für die Stadt New York. Einige Minderheitsaktionäre scharten sich jedoch schlauerweise um den Wallstreet-Financier J. B. Morgan. Als die Einnahmen sprudelten, schlugen die Morgan-Leute eine Verdreifachung des Stammkapitals vor, wobei Edison - der keine Ahnung von Finanzgeschäften hatte - nicht mitziehen konnte. So wurde er plötzlich zum Minderheitsaktionär in seiner eigenen Firma. Die Gewinne des Unternehmens wanderten überwiegend in die Taschen von J. B. Morgan. Unter dem Druck der Bank brachte Edison seine übrigen Werke in die gegründete Muttergesellschaft Edison General Electric ein, wo er nun nur noch ein Viertel des Aktienkapitals hielt. Als dann aber wiederum das Stammkapital erhöht wurde, blieben dem Erfinder lediglich noch 10 Prozent an seinem Unternehmen. J. B. Morgan hatte in wenigen Jahren einen Gewinn von 350 Prozent erzielt.

    Die Begründer des RWE: In Deutschland wurde das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG (RWE) 1898, also vor 117 Jahren gegründet. Richtig aufwärts ging es mit dem RWE allerdings erst, als 1902 Hugo Stinnes und August Thyssen dort die Führung übernahmen. Sie waren kongeniale Unternehmerpersönlichkeiten und bezogen von Anbeginn die regionalen Kommunen wie Mülheim, Gelsenkirchen etc. in ihre Geschäfte als Aktionäre mit ein. Im Jahr 1910 hatten diese Gemeinden erstmals die Mehrheit der RWE-Aufsichtsratssitze, aber Stinnes und Thyssen ließen sich die Unternehmensführung nicht aus der Hand nehmen. Dabei waren sie vom Charakter her total verschieden. Hugo Stinnes, ein prüder Protestant, sorgte patriarchalisch für seine Frau, eine gebürtige Wagenknecht, die 101 Jahre alt wurde und ihm sieben Kinder geboren hatte. August Thyssen hingegen, nur 1,54 groß und geschiedener Katholik, hatte eine Vorliebe für dralle Damen und derbe Witze.

    Kostenbewusst waren beide. Thyssen schrieb beispielsweise an seine Direktoren: „Ich bitte die Herren (Damen waren damals noch nicht präsent) zur nächsten Sitzung einige Butterbrote mitzubringen, damit wir durch das Mittagessen keine Zeit verlieren. Stinnes pflegte als Aufsichtsratsvorsitzender die alljährliche Generalversammlung mit den Tagesordnungspunkten Geschäftsbericht, Dividende und Entlastung innerhalb einer einzigen Minute – ohne Erörterung – abzuhandeln. Immerhin verkündete er zum Schluss: „Ich schließe die Versammlung und lade die Herren Aktionäre zu einem bereitstehenden Frühstück ein.

    Das Deutsche Reich verlor zwar 1918 den Ersten Weltkrieg, aber das RWE konnte, dank der Belieferung der Rüstungsindustrie, seinen jährlichen Stromabsatz von 290 auf 800 Millionen Kilowattstunden steigern und dabei prächtige Gewinne machen. Nach Kriegsende ahnte Stinnes, dass eine Inflation kommen würde und stellte sich entsprechend darauf ein. Er kaufte Sachwerte (Firmen, Aktien, Rohstoffe) auf Kredit und zu niedrigen Zinsen, hielt aber andererseits alle Guthaben seines verschachtelten Unternehmens in Devisen.

    Der Wertverlust der Mark eliminierte die Kreditverbindlichkeiten, der Devisenwert steigerte sich umgekehrt proportional. Kein Wunder, dass Stinnes zum größten Inflationsgewinnler der Weimarer Republik wurde und entsprechend verhasst war.

    Abb.2: Hugo Stinnes (1870-1924), Mitbegründer des RWE

    Aber im Jahr 1924 ereilte Hugo Stinnes eine schwere Krankheit und er starb im Alter von 54 Jahren. Noch auf dem Sterbebett schärfte er seinen Söhnen ein: „Denkt daran, was für mich Kredit ist, sind für euch Schulden. Eure Aufgabe wird sein: Schulden bezahlen, Schulden bezahlen, Schulden bezahlen." Aber seine noch nicht 30 Jahre alten Söhne hielten sich nicht an den Rat des Vaters, sondern machten weitere Schulden. Ein Jahr nach dem Tod von Hugo Stinnes zerfiel das auf Kredit zusammengezimmerte Imperium.

    Nur das RWE überlebte!

    1.2 Vom Monopol zum Oligopol

    RWE wurde zur Keimzelle der deutschen Stromwirtschaft und des Verbundbetriebs. Auf den früh verstorbenen Hugo Stinnes folgte der kongeniale Arthur Koepchen, der 1906 als junger Kabelingenieur zum Unternehmen kam und von 1917 bis 1945 sehr erfolgreich als Vorstand wirkte. Er baute das kommunale Prinzip seines Vorgängers weiter aus: die Stadt- und Landkreiskommunen hatten als Aktionäre des RWE-Stromnetzes zwar nicht die Kapitalmehrheit, aber die Mehrheit der Stimmen. Sie bekamen hohe Dividenden und erhielten sogenannte Konzessionsabgaben sowie zinsbillige Kommunaldarlehen zur Finanzierung ihrer Bedürfnisse. Zusätzlich gönnte Koepchen den Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und Landräten im Aufsichtsrat stattliche persönliche Tantiemen in der Höhe ihrer Beamtensaläre. (Auch Konrad Adenauer, der Kölner Oberbürgermeister und spätere Bundeskanzler, war zeitweise Mitglied des RWE-Aufsichtsrats.)

    Der Aufstieg des RWE: Die Gebietsmonopolisierung wurde von RWE mit aller Macht verfolgt. Das Unternehmen akquirierte alle kommunale Lichtstrom- und Straßenbahnkraftwerke in seiner Nähe und integrierte sie in den Konzern. Nur die starrköpfigen Dortmunder Elektrizitätswerke östlich von Essen und Gelsenkirchen wollten sich dem Expansionsdruck der RWE-Strategen nicht beugen. Sie schlossen sich später mit anderen Regionalgesellschaften des Ruhrgebiets zu den Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen (VEW) zusammen.

    Für Koepchen war das der Anlass, den Blick nach Süden ins Rheinland zu richten. Ein Coup gelang ihm mit dem Erwerb der Frankfurter Firma Lahmeyer, welche die Chemieunternehmen Hoechst und BASF mit Strom versorgte. Aber das war nur eine Zwischenstation. Das nächste Ziel des umtriebigen Managers war der „weiße" Strom aus den Wasserkraftwerken des Rheins und der nahen Schweiz. Dafür musste allerdings die Spannung in den Überlandleitungen auf 220.000 Volt gesteigert werden, eine Aufgabe, welche die Firmen Siemens, AEG und Felten & Guilleaume für RWE lösten. Bald gab es eine Trasse von 800 Kilometern Länge, welche von Süd- nach Westdeutschland führte. Bis zum Jahre 1930 verlegte RWE insgesamt 4.100 Kilometer an Höchstspannungsleitungen. Neben dem Schluchseekraftwerk im Schwarzwald wurden zwei Flusskraftwerke am Hochrhein und an der Aare in Betrieb genommen. Damals kam es erstmals zum Austausch des weißen Stroms in der Spitzenzeit und zum nächtlichen Rückfluss des schwarzen Pumpstroms. Als Stromproduzent und Stromverkäufer stand das RWE zu jener Zeit an der Spitze Europas.

    Konkurrierende Energieversorger entstehen: Die Expansion des RWE wurde von den übrigen Konkurrenten in Deutschlands mit Misstrauen beäugt. Bald kam es auch in anderen deutschen Ländern zu Konzentrationen, wobei sich die jeweils größten Kraftwerksbetreiber zusammenschlossen. So entstand schon 1921 die Badenwerk AG. Auch hier griff man nach der Wasserkraft. In einem der schönsten Täler des Nordschwarzwaldes, bei Forbach, wurde das erste Kraftwerk des neugegründeten Unternehmens gebaut, wo 14 Millionen Kubikmeter an Stauwasser zur Stromgewinnung zur Verfügung standen. Im gleichen Jahr entstand auch die Bayernwerk AG und Oskar von Miller erfüllte sich seinen Traum durch den Bau des Speicherkraftwerks am Walchensee, das schon 1924 in Betrieb genommen werden konnte. Übrigens: Das Walchenseekraftwerk ist, entgegen landläufiger Meinung, kein Pumpspeicherkraftwerk. Denn dort wird nicht gepumpt, sondern das im Walchensee natürlich zulaufende Wasser wird gespeichert und bei Bedarf über das Kraftwerk im Kochelsee abgelassen. Weil der natürliche Zulauf jedoch nicht groß genug ist, wurden der Rissbach und ein Teil der Isar in den Walchensee umgeleitet. Das badische und das bayerische Unternehmen arbeiteten mit dem RWE relativ friedlich zusammen, indem sie sich mit dem sogenannten Verbundbetrieb einverstanden erklärten. Darunter verstand man den Zusammenschluss der Kraftwerke mit verschiedenen Kostenstrukturen über ein Hochspannungsnetz. Das Ziel war die kostenoptimale Ausnutzung aller Kraftwerke und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit.

    Probleme gab es allerdings in dieser Frühzeit mit den „östlichen" Ländern. Die VEW AG wollte ihre Eigenständigkeit bewahren; in ähnlicher Weise wollte sich auch der damals noch existierende große Staat Preußen dem mächtigen RWE nicht beugen. Er bündelte seine verschiedenen Beteiligungen an Energieversorgungsunternehmen 1927 zur Preußischen Elektricitäts AG, die später unter PreußenElektra AG (Preag) firmierte und zwei Jahre danach unter dem Dach der Staatsholding Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks- AG (VEBA) zu einem der größten industriellen Konglomerate der Weimarer Zeit wurde. In Württemberg hielt man noch bis zum Jahr 1938 an der dezentralen Stromversorgung fest, bis man sich zur Gründung des zentralen EVU Energieversorgung Schwaben (EVS) durchringen konnte.

    Die Aufteilung der deutschen Stromwirtschaft auf ein gutes halbes Dutzend Regionalmonopole währte erstaunlicherweise praktisch 80 Jahre lang bis zum Anbruch des neuen Jahrtausends. Und das, obwohl es in dieser Zeitspanne drei hochgradige politische Umschwünge gab. Der erste war die Machtübernahme durch die Nazis im Jahr 1933. Sie waren fest entschlossen mit ihrem 1935 verabschiedeten Energiewirtschaftsgesetz die monopolistischen Strukturen der Stromwirtschaft zu zerschlagen. Aber das gelang ihnen unter anderem deshalb nicht, weil die regionalen Stromunternehmen in Reichsminister Hjalmar Schacht einen einflussreichen Fürsprecher besaßen, der die Ausführung des Gesetzes bis zum Kriegsanbruch hinhalten konnte. Ab diesem Zeitpunkt waren die Stromerzeuger in die Kriegswirtschaft eingebunden und für Umorganisationen war nicht mehr die rechte Gelegenheit.

    Der Wiederaufbau nach Weltkrieg II: Nach 1945 lag die Energiewirtschaft arg darnieder. Viele Kraftwerke und Hochspannungsleitungen waren zerstört, das Verbundsystem funktionierte nur noch mangelhaft. Aus diesen Gründen und zur Wiederherstellung der Infrastruktur verzichteten die Alliierten auf die Demontage der Elektrizitätswerke

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