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Traktat über die Stadt Ulm
Traktat über die Stadt Ulm
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eBook438 Seiten5 Stunden

Traktat über die Stadt Ulm

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Über dieses E-Book

1488/89 verfasste Fabri die Beschreibung der Stadt Ulm – ein bedeutendes Werk. Es handelt sich nämlich um den ersten Versuch einer systematischen Stadtbeschreibung nördlich der Alpen. In sechs Hauptstücken werden die wichtigsten Themenfelder behandelt: Ursprung und Namengebung – frühe Geschichte und Autonomie – Stadtentwicklung und Topographie – Bevölkerung und Sozialstruktur, führende Familien – Verfassung und Regierung, Wirtschaftsleben, territo­riale und politische Entwicklung – das Umland. Die vorliegende neue Übersetzung bemüht sich um eine zeitgemäße Sprache, holt Fabri in den Horizont seiner heutigen Leser und versucht trotzdem, seine sprachlichen Eigenheiten noch durchschimmern zu lassen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum3. Feb. 2015
ISBN9783738687507
Traktat über die Stadt Ulm
Autor

Felix Fabri

elix Fabri wurde um 1440 geboren. Im Basler Dominikanerkonvent ging er theologischen, juristischen und literarischen Studien nach. Seitdem gebrauchte er nicht mehr seinen deutschen Geburtsnamen Schmid, sondern bevorzugte dessen lateinische Übersetzung. Wenn er in seinen Werken von sich selbst sprach, wählte er meist die eingängige Abkürzung FFF: Frater Felix Fabri. Bei den Basler Dominikanern hatte Fabri seine Lebensaufgabe gefunden, doch erst in Ulm kam er in ein geistliches und gesellschaftliches Umfeld, das ihm Heimat werden sollte. 1468 wurde er an die Donau versetzt, um die Reform des Ulmer Dominikanerkonvents zu unterstützen. Fabri war 34 Jahre lang Lesemeister und auch für die theologische Ausbildung der Novizen verantwortlich. Als Prediger wirkte er weit über den Ulmer Konvent hinaus. Fabri hatte eine ausgesprochene Lust zu reisen. 1467 besuchte er Aachen, um die Reliquien Jesu Christi zu verehren, 1476 hielt er sich als Pilger in Rom auf. Seine weiteste Reise dauerte sieben Monate und führte ihn zum Grab Jesu Christi in Jerusalem. Sie war abenteuerlich, anregend und erfüllend, aber trotzdem nicht zu Fabris völliger Zufriedenheit verlaufen, so dass er sie 1483 wiederholte. Er gehörte damit zu den ganz wenigen Christen im Mittelalter, die zweimal die Heilige Stadt Jerusalem sehen konnten. Am 14. März 1502 starb Felix Fabri und wurde im Ulmer Dominikanerkloster begraben.

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    Buchvorschau

    Traktat über die Stadt Ulm - Felix Fabri

    BIBLIOTHECA ALEMANNICA

    No 1

    Der Anfang des Traktats in Felix Fabris eigener Schrift (Stadtbibliothek Ulm)

    BIBLIOTHECA ALEMANNICA

    begründet und herausgegeben von Klaus Isele

    INHALT

    Traktat über die Stadt Ulm, ihren Ursprung, ihre Ordnung, ihre Regierung, ihre Bürger und ihren jetzigen Zustand

    ERSTES HAUPTSTÜCK

    Über den Ursprung der Stadt Ulm und ihr hohes Alter

    ZWEITES HAUPTSTÜCK

    Die alte Stadt Ulm

    Wie Ulm dem Kloster Reichenau gegeben wurde

    DRITTES HAUPTSTÜCK

    Auf folgende Weise wurde die Stadt Ulm zerstört und wieder aufgebaut

    Die Form und Gestalt der Stadt Ulm sieht folgendermaßen aus

    Die Gestaltung im Inneren

    VIERTES HAUPTSTÜCK

    Von der Rangordnung der Bevölkerung in der Stadt Ulm

    Die Priester in Ulm

    Der Adel in Ulm

    Über den wichtigsten Stand der Ulmer Bürger

    Von den Bürgern des dritten Stands im Einzelnen und namentlich: Krafft, Ehinger, Besserer, Roth, Strölin, Gessler, Löw, Umgelter, Neithart, Vetter, Lieber, Rem, Stammler, Rembold, Dietheimer, Günzburger, Haiden, Heintzler, Schermar, Zwicker, Meslin, Herwart, Harscher, Schütz, Spiser, Rudolf, Schad, Besinger, Weschbach

    Der vierte Stand der Bürger

    Über einige Familien: Greck, Renz, Bitterlin, Öttinger, Weiß

    Vom fünften Stand der Ulmer Bürger, den Kaufleuten

    Vom sechsten Stand der Bürger in Ulm, den Handwerkern

    Von den Einwohnern Ulms, die nicht zur Bürgerschaft in der Stadt gehören

    FÜNFTES HAUPTSTÜCK

    Von Verfassung und Regierung der Stadt Ulm und von der guten Ordnung in derselben

    Von den einzelnen Zünften

    Über das Wachstum der Stadt Ulm und wie sie ihre Besitzungen erwarb

    SECHSTES HAUPTSTÜCK

    Über die Namen der Landschaften und Klöster im Umkreis

    Von den den Ulmern benachbarten Fürstentümern und Grafschaften

    Die Namen der zu beschreibenden Klöster und die Orte, wo sie liegen

    Beschreibung des vortrefflichen Klosters Elchingen gemäß der unten angegebenen Ordnung

    Die Klöster Medingen und Medlingen

    Das Kloster Roggenburg

    Ottobeuren

    Wiblingen

    Heggbach

    Die Klöster im Westen der Stadt Ulm

    Urspring

    Die Orte zwischen Urspring und Blaubeuren und die Klause Weiler

    Die Klause Weiler

    Von dem Fluss Blau und seinem Ursprung, von dem Ort Blaubeuren, von der Gründung des Klosters und von anderen Dingen, die damit zusammenhängen

    Die Straße von Blaubeuren nach Söflingen und Ulm

    Die Orte nahe bei Ulm außerhalb der Stadtmauern

    ANHANG

    Anmerkungen

    Entstehung, Überlieferung und Bedeutung des Traktats

    Abkürzungen, Quellen und Literatur

    Register der Personen und Orte

    Traktat über die Stadt Ulm, ihren Ursprung, ihre Ordnung, ihre Regierung, ihre Bürger und ihren jetzigen Zustand

    Zum Abschluß ist die Stadt Ulm zu beschreiben, wie ich es im ersten Teil auf Bl. 3 b und im zweiten auf Bl. 2 a versprochen habe;¹ denn sie ist der Ort, von dem meine Reise ausging und an dem sie ihr Ende fand. Es fällt mir aber schwer, diese Stadt zu beschreiben, da ich niemanden vor mir finde, der auch nur ein klein wenig von ihr geschrieben hätte, und ich große Lust verspüre, klar und deutlich von ihr zu handeln. Weiß ich doch von Hieronymus, im Prolog zu seinem Werk von den berühmten Männern, daß der Mensch beim Schreiben von Büchern, insbesondere von Geschichtswerken, sich selbst der schlechteste Lehrmeister ist.² Denn selbst aus alten Worten scheue ich mich, neue zu schmieden. Weil ich aber keine andere Möglichkeit sehe, will ich – mit der Bitte um Nachsicht – den Versuch wagen. [MAN SAGT, DASS ULM TATSÄCHLICH IST UND GENANNT WIRD: URBS, CIVITAS, OPIDUM, OPPIDUM, CASTRUM, CASTELLUM, VILLA, BURGUM, VICUS.] Wenn ich nun von Ulm spreche, werde ich es unterschiedslos urbs, civitas, oppidum, opidum, villa, castrum, burgum und vicus nennen, weil ihm alle diese Namen zukommen.

    So wie urbs von orbis kommt, so ist Ulm eine Stadt, weil sowohl das alte wie das neue Ulm kreisförmig und rund ist und gleichsam in einen Kreis einbeschrieben. Man darf aber keine Stadt ohne Zusatz einfach urbs nennen, mit Ausnahme Roms, das immer gemeint ist, wenn urbs allein gebraucht wird (wie es heißt in De poenitencia et remissione, Kap. Significavit).³ Wenn aber urbs von urbare kommt, dann wird Ulm zutreffend eine Stadt genannt, weil es, wie man glaubt, so wie andere Städte mit einem Pflug umgrenzt wurde; urbare bedeutet nämlich: mit einem Pflug durch eine kreisrunde Furche begrenzen, um den Umfang der zu errichtenden Mauern zu bestimmen. Denn nach alter Gewohnheit wurde, wenn eine Stadt erbaut werden sollte, ihr Umfang auf Befehl des Kaisers, ohne dessen Geheiß niemand eine Stadt erbauen kann, mit dem Pflug festgelegt, und weil eine Sache wieder in die Bestandteile aufgelöst wird, aus denen sie zusammengesetzt ist, sagt man, daß eine Stadt stirbt, wenn sie vom Kaiser wegen ihrer Vergehen zum Pflug verurteilt wird, und sie hört dann auf, eine Stadt zu sein, wenn ein Pflug herumgezogen wurde, und verliert alle ihre Privilegien. So liest man, daß Friedrich I. die Stadt Mailand verurteilte und über ihre Plätze einen Pflug führen ließ.⁴ Daß bei Gründung einer Stadt eine Umfahrung mit dem Pflug stattfindet, geht aus den Digesten: De verborum significatione, aus dem Gesetz Urbis, hervor.⁵

    Wie nun Ulm urbs genannt werden kann, so auch civitas, weil urbs und civitas dasselbe sind (Gesetz Prescripcionum singularum, Kap. De edictis).⁶ Und wenn eine Feste oder Burg keine Stadt ist, wird sie umgehend zur Stadt, wenn ein Papst oder Kaiser ihr als einer civitas schreibt (Innocenz und Johannes zum Kapitel Cum ab ecclesiarum über das Amt des Bischofs).⁷ Aus alten und neuen Dokumenten der Ulmer geht aber hervor, daß Papst und Kaiser an Ulm immer als eine civitas geschrieben haben. Man sagt auch civitas, weil weder Felsen noch Mauern oder Gräben, sondern die Einheit der Bürger eine civitas ausmacht (De rescriptis: Statutum; De sentencia excommunicacionis: Si civitas).⁸ In Ulm aber herrscht schöne Eintracht unter den Bürgern. Außerdem nennt man civitas eine Gemeinschaft, die nach den Gesetzen desjenigen regiert wird, der eine Stadt gründen und wieder auflösen kann, nämlich des Kaisers. Eine solche Gemeinschaft aber gibt es in Ulm, also ist sie eine civitas.

    Ulm ist auch ein opidum, geschrieben mit einfachem p, von ops oder opes, weil es seinen Einwohnern Hilfe und Schutz gewährt und nicht geringe Mittel und Reichtümer besitzt. Oppidum, darüber hinaus mit doppeltem p geschrieben, heißt gleichsam: entgegengesetzt, wegen des Gegeneinanders der Mauern, weil eine Mauer gegen die andere steht, so wie die inneren Mauern stadteinwärts den Häusermauern und den Mauern der äußeren Befestigungsanlagen gegenüber stehen. Nach anderer Meinung nennt man oppidum ein ummauertes Stück Land, das keinen Bischof hat (Baldus im ersten Gesetz, Kap. Que sit longa consuetudo),⁹ so wie es in Ulm der Fall ist.

    Man sagt auch castrum, was so viel bedeutet wie »hohes Haus«, so wird auch das alte Ulm als castrum bezeichnet, weil es sich an einem herausgehobenen Ort befand; oder das Wort kommt von kastrieren, weil dort die Menschen kastriert, d. h. eingeschlossen werden, damit sie nicht gefangen werden, wenn sie umherschweifen.

    Ferner kann man auch burgus zu Ulm sagen, wegen seiner starken Befestigung. Daher werden die Bürger in der Volkssprache auch »burger« genannt, das sind die Herren der Burg. Denn nach der Unterwerfung Germaniens siedelten die Römer die burgundischen Stämme in Kastellen an, und so erhielten diese deren Namen, indem nämlich Burgen, feste Orte und Städte mit dem Wort burgus bezeichnet werden.

    Auch ein Dorf wird Ulm genannt, allerdings nicht einfach, weil so ein Ort bezeichnet wird, der nicht von Mauern umgeben ist (Bartolus nach der Glosse zum Gesetz Si heres, § Vicis).¹⁰ Vielmehr wird Ulm ein Reichsdorf genannt, und dieser Zusatz erhebt es über eine Festung und eine Stadt. Ulm ist nämlich eines von vier Dörfern des Reiches, von denen es in Karls IV. Carolina heißt, daß auf sie das Reich gegründet sei, und diese vier Dörfer sind Bamberg, Schlettstadt, Hagenau und unser Ulm.¹¹ Aber auch Karl I., der »der Große« genannt wird, sagt in seiner Schenkungsurkunde, mit der er Ulm dem Kloster Reichenau gab: »Als Geschenk geben wir unser königliches Dorf Ulm und so weiter«,¹² worunter keinesfalls ein auf allen Seiten offenes, durch keine Mauer begrenztes Dorf zu verstehen ist, sondern ein Ort, der einen königlichen und kaiserlichen Titel verdient. Und es gilt auch nicht der Einwand, mit dem man sagt: Karl I. der Große und Karl IV. sprechen von einem Dorf, also handelt es sich um ein unbefestigtes und elendes Dorf, obwohl sie es ein kaiserliches und königliches nennen. Auch die Franzosen waren gewohnt, ihre größten Städte als Dörfer zu benennen, wie etwa Paris, Tours und so weiter.¹³

    Auch als Weiler wird Ulm bezeichnet, doch im übertragenen Sinn. Denn ein Weiler wird nicht nach einer städtischen Ordnung regiert, nicht durch Mauern und Gräben beschützt, sondern gilt als ein Ort, der allenthalben von Straßen durchschnitten wird; mit Blick auf Letzteres wird Ulm ein Weiler genannt, nicht im Hinblick auf die ersten beiden Gesichtspunkte; aus jeder Richtung nämlich führen öffentliche Straßen durch Ulm.

    Daraus geht hervor, daß Ulm eine urbs ist, eine civitas, ein oppidum, ein Dorf, ein castrum, ein burgus und ein Weiler.

    Sieben Sachverhalte werden im Folgenden über sie zur Sprache kommen müssen, in denen der ganze jetzige Zustand der Stadt enthalten ist:

    Der Ursprung und das Alter der Stadt Ulm

    Die Maße der alten Stadt Ulm und ihre geringe Größe

    Ihre Zerstörung und Wiedererrichtung, ihre Erweiterung und Größe

    Die Einteilung der Bevölkerung in sieben Stände und Gesellschaften

    Die Ordnung der gemeinschaftlichen Verfassung in der ganzen Stadt

    Die Namen der Landschaften und Klöster in ihrem Umkreis

    Die Geschichte der alten Stadt Ulm mit deren gegenwärtiger Fortsetzung

    Erstes Hauptstück

    Über den Ursprung der Stadt Ulm und ihr hohes Alter

    Daß Ulm eine sehr alte Stadt ist, wird das Folgende deutlich zeigen. Aber wenn ich nicht sagen kann, wer der Stadtgründer war, soll sich niemand wundern und mich der Unwissenheit beschuldigen, weil, wie Isidor zu Beginn des 15. Buchs der Etymologien sagt,¹⁴ über die Gründer der Städte die Meinungen meistens auseinander gehen, so daß man nicht einmal über den Ursprung der Stadt Rom Bescheid weiß; denn Sallust sagt, Rom sei zuerst von den Trojanern erbaut und bewohnt worden, Vergil sagt: von Evander, Eusebius: von Romulus, Orosius: vom ersten König der Latiner, Procas.¹⁵ Allen aber ist bekannt, daß vor ihnen allen Janus, den man Vater und Gott der Götter nannte, auf dem Hügel Gianicolo unweit von Rom eine Stadt gründete, in der der erste König von Italien regierte und den von Jupiter vertriebenen König von Kreta, Saturn, gastlich aufnahm, der dann selbst nicht weit von der Stadt des Janus entfernt eine Stadt baute.¹⁶ Es bleibt also zweifelhaft, ob zuerst Romulus Rom erbaute, obwohl es keinem Zweifel unterliegt, daß die Stadt nach ihm benannt wurde; deshalb konnte er sich leicht die Ehre der Gründung anmaßen, auch wenn er der Gründer nicht war. Auch von der berühmtesten Stadt des ganzen Erdkreises, Troja, weiß niemand ihre genaue Lage, obwohl man ihren Anfang und ihr Ende kennt. Aber auch wenn du heute die Mauern Thebens, Spartas, Athens, Korinths, Mykenes, Larissas und anderer großer und namhafter Städte Griechenlands suchst, wirst du keine Ruinen finden, ja sogar den Ort, an dem sie lagen, kann niemand angeben, weil ihr Alter den Irrtum erzeugt. Trotzdem haben sich alle Autoren, die sich mit diesen Orten und ihrer Geschichte befaßten, ihre Meinungen zum Ausdruck gebracht, die wir dann abschreiben und lesen, und oft legen wir uns auf etwas fest, was sie vorsichtig und mutmaßend über Zeiten und Orte gesagt haben. Das aber, was ich über den Ursprung der Stadt Ulm sagen will, kann ich nicht mit der Autorität der Heiligen bekräftigen und nicht mit Aussprüchen der antiken Philosophen, sondern aus dem, was uns vor Augen steht, gegenwärtig und bekannt ist, können wir ihren Ursprung mit guten Gründen erschließen.

    [DER URSPRUNG DER STADT ULM WIRD ANHAND ZWEIER SACHVERHALTE ERGRÜNDET.] Den Ursprung der Stadt Ulm können wir also anhand zweier Sachverhalte ergründen, nämlich anhand ihres Namens und ihrer Lage.

    [DER NAME ULM] Anhand ihres Namens, weil ja fest steht, daß den Städten ihre Namen nicht beliebig gegeben wurden, sondern nach reiflicher Überlegung der Gründer, indem sie sie mit den eigenen oder den Namen ihrer Söhne benannten, so wie etwa Kain vor der Sintflut in Indien die erste Stadt baute und sie mit dem Namen seines Sohnes Enoch benannte¹⁷ und nach der Sintflut der Tyrann Nimrod an den Ort der Sprachverwirrung eine Stadt hinsetzte, die er Babylon, d. i. Verwirrung, hieß.¹⁸ So benannte Salem die Stadt Salem, die heute Jerusalem heißt und die der Kaiser Aelius Hadrianus nach ihrer völligen Zerstörung wieder aufbaute und nach sich selbst Aelia nannte.¹⁹ Auf diese Weise benannte Dionysius Niš, Medius Meda [Ekbatana], Perseus Persa [Persepolis], Julius Jülich, und manchmal wurden Städten die Namen von nahen Gewässern gegeben, wie etwa Susa nach dem Fluß Susa heißt, der an ihr vorbei fließt, und manchmal erhielten sie ihre Namen nach irgend welchen Geschehnissen, wie etwa Gaza so genannt wurde, weil Kambyses dort seine Schätze aufbewahrte; denn Gaza bedeutet dasselbe wie Schatz.²⁰ Argentina [Straßburg] wurde wegen des in den Staatsschatz der Römer gesammelten Silbers so genannt. [BASEL] Und Basel erhielt seinen Namen, weil es an königlichem Ort erbaut wurde, denn bei den Griechen heißen die Könige basilei, oder sein Name kommt von basis: Fundament und le: Festigkeit und a: ohne, eine Stadt also, erbaut ohne festes Fundament, schwankend bei Erdbeben, oder er kommt von basis: Volk und lea: Kirche, gleichsam eine Kirche des Volkes.²¹ Die Leute aber sagen, daß die Stadt nach einem Basilisken genannt wird, der sich dort verbarg und auch einstmals viele Leute mit seinem Blick vergiftete und nach seinem Tod der Stadt diesen schändlichen Namen hinterließ.²² Wir lesen, daß ein junger Mann, als er die Schafe hütete, sich zur Zier und Freude aus Blumen einen Kranz flocht; da kroch ein Basilisk aus seiner Höhle und griff ihn an. Aber der Schafhirte kämpfte tapfer gegen ihn. Als Paean, der Sohn des Apoll, das sah, wunderte er sich sehr darüber, daß der Schäfer nicht durch den Blick des Basilisken getötet wurde. Und er ging hin, nahm das Gebinde von dessen Kopf, und sofort gab dieser den Geist auf. Einzelne Blüten aber legte Paean in den Mund des Toten, und durch die Berührung einer einzigen Blume erwachte er wieder.²³

    Auch Köln erhielt nicht nach der fränkischen Bevölkerung seinen Namen, sondern wurde durch den römischen Kaiser Claudius gegründet und nach dessen Ehefrau Agrippina Agrippa genannt.²⁴ Die Stadt Zürich liegt in den Ländern zweier Könige und wird deshalb Duregum, fälschlich Thuregum genannt, weil sie durch den Lauf ihres Flusses, nämlich der Limmat, die Länder Deutschland und Frankreich voneinander trennt, und in der Volkssprache sagte man von alters her Zwirich, jetzt aber heißt die Stadt Zürich. Und Alexander der Große baute an der Stelle, wo sein geliebtes Pferd mit Namen Bucephalus starb, eine Stadt, der er den Namen seines Pferdes gab: Bucephala.²⁵ Und der Senat von Venedig nennt ein großes vergoldetes Schiff, mit dem der Doge und der Senat zu bestimmter Zeit zu ihren Spektakeln fahren, nach eben jenem Pferd Bucephala oder Buczatus.²⁶ Aus der Geschichte wissen wir auch, daß einstmals heftige Kriege ausbrachen, weil man bei der Gründung einer Stadt darüber stritt, welchen Namen man ihr geben solle. [ROM] Deshalb soll Romulus seinen Bruder Remus erschlagen haben, weil Romulus wollte, daß die Stadt nach ihm Roma heißt (darüber liest und findet man etwas in den Digesten: De rerum divisione, im letzten Gesetz, im Text und in der Glosse).²⁷ [REMA] Remus aber wollte, daß sie Rema heißt, und über diesen einen Buchstaben konnte man sich nicht einigen. Auch Augustinus erzählt im 18. Buch des »Gottesstaats« vom Streit der Götter bei der Benennung der Stadt Athen (vgl. dazu oben Bl. 169),²⁸ die ihren Namen von den Oliven erhielt, die an dem Ort wachsen,²⁹ so wie Jericho die Palmenstadt heißt (2. Chr. 28,15), weil dort Palmen im Überfluß wachsen.³⁰ Auch zahlreiche andere Orte erhielten ihren Namen von den Namen der Gewächse des Bodens, wie etwa das Kloster Weingarten nach den Weingärten und Weinstöcken, das Kartäuserkloster bei Memmingen nach den Buchsbäumen Buxheim [STUTTGART] und die Stadt Stuttgart nach »Stock« und »Garten« genannt wird, weil damals, als die Stadt errichtet werden sollte, dort eine große Zahl von Bäumen abgeschlagen wurde, und die Bevölkerung gab dem Ort den Namen »Stockgarten«, und so behielt die Stadt diesen Namen. Andere sagen, daß sie so heißt wegen der Stuten; es gibt aber keine Gewißheit darüber, ob der Name von diesem oder jenem kommt. Man findet aber sehr viele Namen von Städten und Dörfern, hinter denen man keinen vernünftigen Grund vermuten kann, und doch wurden sie ihnen keineswegs ohne Grund beigelegt. Die Bedeutung von Namen behandelt Isidor ausführlich im 15. Buch der Etymologien im ganzen ersten Kapitel, wo er, von den Namen im allgemeinen aus, den Ursprüngen der Städte nachgeht.³¹ So, glaube ich, müssen wir es auch bei unserem Vorhaben machen.

    [EIN NAME, DER DEM ORT USW. ULM ANGEMESSEN IST] Ulm ist nämlich kein barbarischer Name, sondern Latein, deklinierbar, allen vertraut und leicht auszusprechen, einer Reichsstadt beigelegt und dies zweifellos aus einem Grund, der dem Namen angemessen ist. Das Gebiet der Stadt Ulm ist nämlich von Natur uliginosus, sumpfig, und der ganze Ort ist feucht und voll Wasser, was man eben uliginosus: sumpfig oder ulinosus: wasserreich nennt, einerseits weil die Wasser von drei Flüssen zusammenströmen, dann auch wegen des sumpfigen oder wasserreichen Bodens, aus dem zahllose Quellen sprudeln, und überall findet man dort frisches Wasser, so daß der Boden (humus) an sich auch ohne Stadt auf natürliche Weise in der Bezeichnung auf den Namen der Stadt vorausweist, ob ich nun humus uliginosus: sumpfiger oder ulinosus: wasserreicher Boden sage, was man beides findet. Denn uligo: der Sumpf ist der natürliche Saft (humor) der Erde, der niemals aus ihr verschwindet, sie grün und fruchtbar macht, und genau so ist der Boden der Stadt Ulm. Auf dieser sumpfigen Erde pflegen in großer Zahl jene Bäume zu wachsen, die man auf Latein ulmi: Ulmen, in der Volkssprache und auf Deutsch jedoch Weiden, Erlen oder Weißpappeln nennt, und obwohl Weide und Erle verschiedene Baumarten sind, haben sie doch vielleicht denselben Namen, weil ich beides in deutschen Büchern über Jesaia 41 gefunden habe: »In der Wüste will ich Zypresse, Ulme und Buchsbaum pflanzen«,³² und außerdem in den Wörterbüchern. Dabei hat es nichts zu bedeuten, ob das Wort eine einzige, zwei oder alle drei Sorten meint. Denn auf dem Boden Ulms wächst jede Art von Bäumen in großer Menge, Weide, Erle und Weißpappel, und vor der Gründung der Stadt war dort, was niemand bezweifelt, ein Ulmenwald, ein dichter Ulmenhain und eine ergötzliche ulma, d. i. ein Wald von Ulmen. So wie also nach uligo, der Feuchtigkeit des Bodens, die Bäume, die dort wachsen, Ulmen genannt werden und ein Ulmenwald ulmerium oder ulma, so heißt eine Stadt, die im Sumpf unter Ulmen und an einem Ort der Ulmen gegründet wurde, ganz angemessen: Ulm, weil sie diesen Ort der Ulmen einnimmt.

    Wer aber Ulm in einem Ulmenwald gründete, werden wir begreifen können, wenn wir uns die abergläubischen Vorstellungen der Alten und weitere Geschehnisse in Erinnerung rufen. [DER KULT DER AMAZONEN] Die Geschichtsschreiber der Alten berichten nämlich, daß die Amazonen, überwältigend starke Frauen aus unserem Böhmen (vgl. dazu oben Bl. 186),³³ die Asien und keinen geringen Teil Europas mit harter Hand unterworfen hatten, in ihrem heiligen Wahn folgenden Brauch pflegten: An sumpfigen Orten, zwischen und über den Ulmen, erbauten sie der Pfeile tragenden Diana Tempel, in denen sie ihre heiligen Handlungen nach heidnischem Ritus auszuführen gewohnt waren, und nirgendwo anders als an sumpfigen Plätzen unter Ulmen und in heiligen Ulmenhainen glaubten sie sich Diana geneigt machen zu können, von der sie annahmen, daß sie den Mondwagen lenke, daß sie die Mutter der Gewässer und Erzeugerin von Kälte und Feuchtigkeit sei und ihr deshalb – nach den Geheimnissen der poetischen Theologie – an sumpfigen Orten besondere Verehrung zustehe. Als sie nämlich in Kleinasien ihre Gewaltherrschaft ausübten, da fanden sie an einem Ort beim Meeresufer einen Ulmenhain, in dem sie über dem Stamm einer Ulme einen Tempel von wunderbarer Kunstfertigkeit errichteten, allen Völkern und Zeiten zum Staunen und zur Bewunderung, und um ihn herum erbauten sie die Stadt Ephesus, die sie mit dem Tempel zusammen der Diana zu ewigem Kult weihten;³⁴ bis zu den Zeiten der Apostel blieb die Stadt bei diesem Glauben (wie aus Apostelgeschichte 19 hervorgeht),³⁵ also über jene 2000 Jahre hinaus, die das Regiment der Amazonen der Menschwerdung Christi voraus ging. [HEROSTRAT] Jener Tempel war aber so prächtig, daß der Perserkönig Xerxes, als er alle Tempel Asiens mit Feuer zerstörte, nur diesen einen verschonte, aber wenig später verbrannte Herostrat das vornehme Bauwerk, um seinen Namen durch die Erinnerung an das Verbrechen bekannt zu machen, wie er selbst bekannte; denn er wünschte, dadurch berühmt zu werden, daß er etwas tue, wodurch er dauerhaft im Gedächtnis der Menschen bleiben könne. Aber der Senat erließ ein Dekret, daß niemand seinen Namen aufschreiben dürfe, doch es wurde durchaus nicht befolgt, da bis in unsere Zeit der Name des Frevlers gelangt ist, allerdings mit Schimpf und Schande, so wie die Nachwelt auch die Namen Neros oder des Verräters Judas niemals verschweigen wird.³⁶ An Stelle des verbrannten Tempels aber erbaute man einen noch vortrefflicheren, zu dessen Verzierung die Anhängerinnen der Amazonen ihren Schmuck hingaben, und über die Maßen kostbar wurde der Tempel dadurch ausgestattet. Aber nicht nur in Asien, sondern an allen Orten, die sie durch Krieg erobert hatten, führten die Amazonen den Kult der Diana ein. Nachdem sie also Asien bezwungen hatten, erreichten sie Europa, verwüsteten die blühenden Länder Makedonien, Illyrien und Pannonien, kamen von dort durch die Alpen hindurch nach Schwaben und brachten die Stadt der Vindeliker, das heutige Augsburg, in ihre Gewalt, wie deren Chroniken lehren.³⁷ Als sie aber zum Beutemachen in die dem Schwabenland benachbarten Gegenden ausschwärmten und an jenem Ort, der jetzt Ulm heißt, einen Ulmenhain gefunden hatten, hielten sie diesen für ihren abergläubischen Kult am geeignetsten und weihten ihn bald der Diana; sie legten einen schattigen Hain an, erbauten einen Tempel, verschnitten die Männer zum Priesterdienst und gaben ihnen – dem Kult der Diana entsprechend – Chöre von Jungfrauen zur Seite. Außerdem pflegten sie dort, wo die Flüsse zusammenströmen, wie auch bei den Höhlen und Winkeln der Quellen in jenem Ulmenwald den Kult der Nymphen und luden gefangene Schwaben in Hainen und an schattigen Orten zum Beischlaf mit ihnen ein, und zwar dergestalt, daß diese nach der Befruchtung an ihre Heimatorte zurückkehrten. Groß war die Sorge der Amazonen, den Kult Dianas und der Nymphen bekannt zu machen und zu verbreiten, vor allem an den Orten, die zu diesen Riten geeignet schienen; wenn sie das nicht täten, so glaubten sie, hätten sie keinesfalls jene Länder unterwerfen und Königinnen über die Reiche einsetzen können. Damit aber der eingeführte Kult an diesem Ort dauerhaft blieb, gründeten sie dort eine Stadt und gaben ihr ihren besonderen Namen nach der Bezeichnung für den Ort und die Bäume. Die Herrschaft dieser Frauen begann vor der Zeit Abrahams und dauerte bis in die Zeit Alexanders des Großen. Und obwohl ihr Siegeslauf durch die Welt allmählich an Kraft verlor und schließlich zum Stillstand kam, hielten sie auf einer Insel bis zur Zeit des berühmten Königs der Briten Artus, der im Jahre 489 nach Christi Fleischwerdung regierte, aus und leben dort vielleicht noch heute. Zum Hof dieses Königs kam nämlich einstmals ein sehr schöner Jüngling, der bei den Amazonen aufgewachsen und 15 Jahre lang für ein Mädchen gehalten worden war. Als sich aber sein Geschlecht nicht länger verheimlichen ließ, wurde er von der Insel vertrieben, kam zu dem genannten Hof, wo er zum Ritter geschlagen wurde und große Taten vollbrachte, ein Erbe mütterlicher Kriegstüchtigkeit.³⁸

    [DIE ALTEN RÖHREN] Man glaubt aber, daß zur Zeit der Amazonen das größte Heiligtum in Ulm bei jener Quelle gewesen sei, die »zu den alten Röhren« genannt wird, und dort soll einst ein sehr dichter Hain gewesen sein. [DER PHILOSOPH THALES] Denn dort, wo Wasser aus der Erde tritt und Flußläufe zusammenströmen, deuteten sie die Zeichen und baten die Götter um Antwort, weil sie irrtümlich mit dem Philosophen Thales glaubten, das Wasser sei der Ursprung der Dinge³⁹ und der Ozean Vater und Gott von allem, und alle Flüsse und Quellen seien seine Söhne und Töchter, und sie glaubten, das Wasser habe Seele und Leben und all dem wohne ein göttlicher Verstand inne; denn sie sahen, daß aus allem das Leben verschwand, wenn die Feuchtigkeit verschwand und es an Wasser fehlte, und sie merkten, daß ohne Flüssigkeit nichts gezeugt und nichts geboren werden kann. [EIN IRRTUM] Deshalb sagten sie, daß an der Kraft der Feuchtigkeit alles liege. Aus diesem Grund (und wie ich schon sagte) blieben sie dort, wo das Wasser hervorbrach, und sprachen das Quellwasser wie die lebendige Tochter eines Gottes an und baten um deren Antworten, die sie auch manchmal auf Betreiben des Teufels erhielten; dann hatten sie Visionen. Daher versichern heutzutage (um von den Irrtümern der Alten zu schweigen) einige törichte Weiber, ohne daß ihnen die Schamröte ins Gesicht steigt: aus dem Quell der »alten Röhren« kämen die schönsten Frauen hervor und stiegen über die Stufen empor, um des Nachts durch Ulm zu schweifen, aber wohin diese gehen und was sie dann tun, darüber lassen sie öffentlich nichts verlauten, sondern fabulieren in heimlicher Vertraulichkeit, daß diese Frauen im Dienst des Liber Pater Bacchus⁴⁰ die Schlafzimmer aufsuchten, um dort, wo sie die Kraft des Bacchus geschwächt fänden, der Venus mit Feuchtigkeit nachzuhelfen. Aber auch wenn jene Weiber die geheimnisvollen Fabeleien nicht so klar ausdrücken, erklären sie die Sache auf noch schändlichere Weise. Diese Frauen, so sagten die Alten, seien Töchter des Nereus und der Doris, der Nachkommen des Oceanus, und man nannte sie Nereïden, die, wie gesagt, von den Amazonen verehrt wurden. Hieraus also gingen der natürliche Ursprung des Ortes der Stadt Ulm und der vermutete Anfang der Stadt selbst hervor.

    [DIE ULMERIGER] Einige Leute stellten anhand des Namens noch andere Behauptungen über den Ursprung der Stadt Ulm auf und erklärten, daß es Stämme gab, die die Küsten der Ostsee und beide Ufer der Weichsel bewohnten.⁴¹ [ULMEGERER, ULMIGARER, ULMERIGER ODER HULMERER] Jene Stämme aber hießen Ulmegerer, wie Michael in seinem Werk über die Sternzeichen am Himmel sagt.⁴² Als die Goten von der Insel Skandinavien zum Festland übersetzten, vertrieben sie die Ulmerugier aus ihrem Land und ließen sich an deren Wohnplätzen nieder. Die Ulmerugier aber mußten sich andere Orte suchen und wurden über verschiedene Gegenden verstreut; einige von ihnen zogen an den Ufern der Donau hinauf, ließen sich an jenem Ort nieder, wo der Fluß schiffbar wird, und gründeten eben die Stadt, die sie nach ihrem Namen benannten. Früher einmal fand ich den Namen dieses Volkes mit aspiriertem h geschrieben: Hulmeriger, und so konnte man in den ältesten Schriften auch Ulm mit h geschrieben finden: Hulma; dabei fällt mir aus der Bibel ein, daß die genannten Hulmerugier vielleicht von dem alten Hul abstammten, dem siebten Sohn Sems, des Sohnes Noahs (wie es im 1. Buch der Chronik im 1. Kapitel heißt),⁴³ und von ihren Brüdern im Osten getrennt, den Norden bei der Ostsee besetzten, die man Preußisches Meer nennt, und sich von dort weiter bis nach Ulm oder Hulm ausbreiteten. Wir wissen aber, daß Sem der vornehmste Sohn Noahs gewesen ist, dessen verzweigte Nachkommenschaft den ganzen Erdkreis ziert, der in Genesis 9 prophezeit wurde: »Gepriesen sei der Herr, der Gott Sems, Kanaan aber sei sein Knecht, Raum schaffe Gott für Japhet. In Sems Zelten wohne er, Kanaan aber sei sein Knecht.«⁴⁴ Die Zelte Sems sind die Städte, in denen die Söhne Japhets, das sind die Bürger, wohnen, denen die Söhne Kanaans, das sind die Bauern, dienen. Daß das so ist, haben wir vor Augen. Daraus läßt sich aber nicht nur die vornehme Herkunft der Stadt Ulm und ihrer Bürger erschließen, sondern auch ihr hohes Alter; denn zur Zeit Konstantins des Großen, der im Jahr 334 lebte, begann das grausame Wüten der Goten, bei dem die Hulmerugier verstreut wurden, um dann andere Siedlungsplätze einzunehmen.

    Andere sagen, der Anfang der Stadt Ulm sei folgendermaßen gewesen: Man sagt, ein vornehmer Herr habe eine feste Burg in einem Tal besessen, das auf der Westseite des Michelsbergs liegt und in der Volkssprache Krugtal genannt wird. Als er aus bestimmten Gründen übers Meer reisen wollte, überließ er einem anderen Adligen seines Vertrauens die Sorge für alles, was er hatte, und machte sich auf den Weg; dieser Adlige aber verkehrte die ihm anvertraute Fürsorge in seine Lust, mißbrauchte sowohl die Frau als auch die übrige Habe des Pilgers und gedachte, das einmal erlangte Glück für sich zu behalten; deshalb wollte er den Heimkehrer weder erkennen noch in seine Besitztümer lassen. Doch der Vertriebene scharte bewaffnete Freunde um sich, nahm den untreuen Treuhänder gefangen und bestrafte ihn verdientermaßen mit dem Tod; zum Zeugnis des Verbrechens, das er ihm angetan hatte, ließ er dessen Burg von Grund auf zerstören, die Steine und alles Zubehör von dort weg an einen Ort zwischen Donau und Blau schaffen und sich hier eine neue Festung errichten. Manche Leute in Ulm glauben, das sei

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