Kleine Schriften zur literarischen Ästhetik und Hermeneutik
Von Dirk von Petersdorff, Nicola Gess, Marcel Lepper und
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Über diese Serie
Dieses Buch lotet Vorräume des Denkens wie Handelns aus und erörtert ihre Potenziale.
Lange schien es, als gestalteten wir - vom postindustriellen Zeitalter bis zur Postmoderne - unser Leben im Danach. Das Augenmerk dieser Studie gilt jedoch den meist übersehenen Formen des Davor, der Antizipation, dem Vorfeld von Entwicklungen. Vom Prolog bis zur Präambel, dem Vorspiel, der Ouvertüre und der Vorsilbe reicht das Spektrum dieser Untersuchung. Sie arbeitet die Spezifika vielgestaltigen Vorwissens in gattungs- und kulturgeschichtlichen Kontexten exemplarisch heraus. Auf diese Weise lädt sie dazu ein, auch gemeinhin unvermutete Bedeutungsebenen des Davor neu zu erkunden. In einer Zeit medienvermittelter Simultaneitäten gewinnt das Nachdenken über die Spielarten des Antizipierens einen eigenen Reiz.
Titel in dieser Serie (11)
- "Nord liegt so nah wie West": Kleine Poetik der Himmelsrichtungen
3
Der Raum als poetische Kategorie liegt buchstäblich in der Luft: Seine Koordinaten schreiben sich von seinem Verhältnis zu den »vier Winden", den vier »Himmels-" oder »Weltrichtungen", zu Norden, Süden, Osten, Westen her. Sie sind gleichermaßen räumliche Orientierungsmarken wie Vektoren der Imagination, konturieren damit nicht nur die äußere, sondern auch unsere innere Landkarte mit den Vorstellungen, die sie von Orten, Räumen, Landschaften erwecken. So haben sie auch eine eigene Poetik hervorgebracht, die an Gedichten von der Goethezeit bis heute sichtbar gemacht wird. Den dominierenden Raumbewegungen südwärts und westwärts treten andere, weniger determinierte Bewegungen zur Seite. Analog zur Verwirrung des Raumsinns im Technik- und Medienzeitalter verbinden sich die Himmelsrichtungen traumgleich zu neuen, flüchtigen Konstellationen oder wechseln ihre altbekannten Vorzeichen. Die Poetik der Himmelsrichtungen hält fest, wie und wo unser praktisches Raumdenken in poetische Anschauungen und Darstellungen umschlägt - und immer wieder von diesen korrigiert wird.
- Stellen, schöne Stellen: Oder: Wo das Verstehen beginnt
1
Stellenlektüre ist verpönt. Und doch eröffnet die Stelle den Zugang zum Ganzen. Die Stelle ist der Ort, an dem die literarische Erfahrung konkret und von besonderer Intensität wird. So ist es kein Zufall, dass durch die Literaturgeschichte des Abendlands hindurch seit Augustinus 'tolle lege' die Stelle im Buch auch immer wieder zum Kreuzungspunkt zwischen Literatur und Leben wurde. Über die Reihe Die "Kleinen Schriften zur literarischen Ästhetik und Hermeneutik" verbinden in essayistischer Form Interpretation und Reflexion auf die spezifische Ästhetik der Literatur. In Themenwahl und Stil richten sich die Essays zugleich an die wissenschaftliche und die literarisch interessierte Öffentlichkeit.
- Schwarzer Peter: Der Fall Littell, die Leser und die Täter
2
Jonathan Littells "Les bienveillantes" (2006) löste in Frankreich und Deutschland eine Debatte aus. Den Kern der Provokation bildet die Tatsache, dass der Roman den Leser zu einer Identifikation mit einem NaziTäter nötigt. Von Koppenfels nimmt diesen Fall zum Anlass, die abgründige Seite des identifikatorischen Lesens in Augenschein zu nehmen. Er untersucht die literarische Tradition der infamen IchErzählung, die psychologischen Mechanismen, die solche Tätererzählungen aktivieren, und die Rolle der deutschen Sprache in diesem literarischen Spiel aus Vereinnahmung und Abstoßung.
- Stillstand. Entrückte Perspektive: Zur Praxis literarischer Entschleunigung
4
Entschleunigung und Eigenzeit - Stichworte der aktuellen Diskussion werden in diesem Essay in einen kulturgeschichtlichen Rahmen gestellt. Wie nahe darf man einem Geschehen sein, wenn es in eine Geschichte verwandelt werden soll? Diese Frage nach dem Standort des Erzählers betrifft nicht allein die Erzähltheorie, sondern den Status und die Perspektive der Literatur insgesamt. Das Sehen aus der Distanz bedeutet, dass man nicht zugleich eingreifen, nicht handeln kann. So berichtet die Literatur vielfach vom Wissen, vom Erleben dessen, der nicht handelt und im Stillstand eine entrückte Perspektive findet. Inwiefern Stillstand bewegend und verändernd sein kann, zeigt Mathias Mayer an Lektüren quer durch die Jahrhunderte und die Gattungen. Dass Günter Grass' Romanheld Oskar Matzerath, der sich dem Erwachsenwerden widersetzt, ein »umgepolter" Säulenheiliger ist, und wie die Autobiographie als archimedischer Punkt das Leben begleiten kann, gehört zu den Beobachtungen dieses Essays. Dabei wird die Nähe zwischen der Entschleunigung in der Literatur und in der Lebenswelt - nicht zuletzt unserer Tage - immer wieder deutlich.
- Moralische Erzählungen
5
Von populärer bis zur hohen Literatur: auf der Suche nach der praktischen Bedeutung von fiktiven Texten jenseits einer moralischen Lehre. Lehren Erzählungen Moral? Ein Gang durch vielfältige Erzählformen - durch klassische und zeitgenössische, einfühlsame und schematische, populäre und solche der hohen Literatur - zeigt: Nein, Erzählungen sagen einem nicht, wie man leben soll, und erdichtete Erzählungen schon gar nicht. Dennoch, in einem anderen Sinne haben Erzählungen oft sehr wohl eine moralische Bedeutung. Mit Hilfe von fiktiven Vorgängen eröffnen sie uns eine andere Sicht auf Geschehnisse im realen Leben und bieten so andere Weisen zu leben an. Wie machtvoll oder bescheiden, spielerisch oder gezielt, ermutigend oder trostlos in diesem Sinne moralisch erzählt werden kann, zeigt dieses Buch.
- Ästhetik der Wiederholung: Versuch über ein literarisches Formprinzip
6
Im Phänomen der Wiederholung treffen sich lebenspraktische Erfahrung und ästhetisches Formen. Wiederholungen sind in allen Sparten der Kunst präsent, wobei ihre musikalische Ausprägung am sinnfälligsten ist. In der Literatur erweisen sich die verschiedenen Formen der Wiederholung oft als Versuche, Sprachkunstwerke zumindest partiell zu musikalisieren. Diese primär literarisch konnotierte Ästhetik der Wiederholung untersucht Konvergenzen von Wiederholungspraxis und ästhetischem Experiment, aber auch Fragen des Verhältnisses von Erinnerungskultur und Einsichten in die Struktur der Wiederholung. Im Zentrum steht die Frage nach den literaturästhetischen Spezifika der Wiederholung als einem Formprinzip, Darstellungsprinzip und Experimentierfeld, das unsere Sinne und unser Verstehen in einer besonderen Art fordert. Von zentraler Bedeutung für dieses ästhetische Phänomen der literarischen Moderne sind hierbei die philosophischen Entwürfe Kierkegaards zur Wiederholung, aber auch die Auseinandersetzung Goethes mit diesem Motiv. Untersucht werden Wiederholungsverfahren u. a. in Texten von Thomas Mann, Kenzaburo Oe, Peter Handke und Jürgen Becker.
- In der Bar zum Krokodil: Lieder und Songs als Gedichte
9
Wenn Bob Dylan den Literaturnobelpreis erhält, dann kommt dieses Buch zur richtigen Zeit. Dirk von Petersdorff liest Lieder und Songs als Gedichte. Sie sind »leicht« und »einfach«, wie schon Herder feststellte, gehen aus der »reichen und für alle fühlbaren Natur hervor« und verbinden Sprache und Musik. Lieder und Songs sind in Lebensvollzüge eingebunden, und gerade in ihrer Einfachheit können sie komplizierte Gefühlszustände ausdrücken. Dirk von Petersdorff untersucht drei Phasen der Geschichte des Lieds: Die Romantik von Clemens Brentanos Erfindungen alter Lieder bis zu Heinrich Heines Selbstparodien; die 1920er Jahre mit dem Witz der Comedian Harmonists, den Liebesexperimenten Marlene Dietrichs und den vielen Stimmen der Dreigroschenoper; die Gegenwart seit den 1970er Jahren von Udo Lindenbergs Wiedereinsatz, über die skeptischen Songs von Tocotronic bis zu den Erkundungen eines ungesicherten Ich bei Sven Regener, Judith Holofernes oder im Rap. Immer geht es um die Form von Liedern, also um ihre Rhythmik oder den Einsatz von Reimen, aber ebenso um den historischen Zusammenhang, in dem sie entstehen. Der Lyriker und Literaturwissenschaftler zeigt, dass die Songwriter selbst ein Bewusstsein von der Geschichte des Lieds besitzen, dass sie um ihre Vorläufer wissen und deren Lieder weitersingen.
- Goethes Euphrat: Philologie und Politik im »West-östlichen Divan"
8
In turbulenten politischen Zeiten, in einer ästhetischen Orientierungskrise schreibt Goethe schwierige Lyrik. Der West-östliche Divan ist oft unter dem Gesichtspunkt einer Versöhnung östlicher und westlicher Ideen und Formen gedeutet worden. Dabei kann das Gedicht »Lied und Gebilde" aus dem ersten Divan-Buch als poetologischer Schlüssel dienen. Anhand von zwölf Versen erzählt Marcel Lepper Dichtungs- und Philologiegeschichte, überprüft klassische und aktuelle Deutungen und unterzieht sie, wo notwendig, einer Revision. Ausgehend von Goethes bislang wenig beachteter Nennung des Flusses Euphrat in diesem Gedicht beginnt eine philologische, politische und ästhetische Erkundungsreise in den Vorderen Orient.
- Literaturstreit und Bocksgesang: Literarische Autorschaft und öffentliche Meinung nach 1989/90
7
Nach dem Literaturstreit kommt es im vereinten Deutschland zu einem tiefgreifenden Wandel im Verhältnis von literarischer Autorschaft und öffentlicher Meinung. Mauerfall und Wiedervereinigung haben die Produktion von Literatur grundlegend verändert. Neue Formen der Erzeugung von medialer Aufmerksamkeit lassen das alte Modell ›kritischer Öffentlichkeit‹ zunehmend fragwürdig erscheinen. An die Stelle von literarischer Autorschaft als moralischer Instanz tritt der »Skandalautor«, der durch intervenierende Texte den Kultur- und Medienbetrieb provoziert und stört. Jürgen Brokoff fragt nach ästhetischen Formen und politischen Funktionen dieser Interventionen im öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Am Beispiel von Christa Wolfs Erzählung »Was bleibt« und Botho Strauß' Essay »Anschwellender Bocksgesang« analysiert er die Verschlingung von Literatur und Politik im vereinten Deutschland und verknüpft auf neue Weise Aspekte der Literaturästhetik und Textinterpretation mit Fragen der Meinungsforschung.
- Zerbrechlichkeit: Über Fragmente in der Literatur
12
Von Fragmenten, Ruinen und Torsi geht eine besondere Faszination aus, weil sie uns an die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens erinnern. Warum lesen wir literarische Fragmente? Was fasziniert uns an den Gedichten Sapphos, einer griechischen Lyrikerin, die um 600 v. Chr. lebte und deren Texte nur in Bruchstücken auf Papyri oder Tonscherben überliefert sind? Welche zwiespältigen Gefühle löst die Betrachtung von Ruinen und zerbrochenen Statuen in uns aus? Das Buch erläutert, dass unvollständige Kunstwerke auf ihre Rezipientinnen und Rezipienten einen anderen, oft intensiveren Reiz ausüben als vollständige Werke. Die Anziehungskraft des Fragmentarischen besteht darin, dass jedes Fragment uns die Zerbrechlichkeit der von Menschen geschaffenen Dinge vor Augen führt. Zerbrechlichkeit ist daher auch ein wichtiges Thema der Literatur. Die Lektüren dieses Buches sind Texten etwa von Johann Wolfgang Goethe, Rainer Maria Rilke, Walter Benjamin, Ruth Klüger und Susan Sontag gewidmet, in denen es um zerstörte Tempel und Brücken, brennende Bibliotheken und Kathedralen sowie die Vernichtung ganzer Lebensräume durch Kriege und Naturkatastrophen geht. Gefragt wird auch danach, welche Rolle die körperliche Fragilität der Künstler für unser Bild von Autorinnen und Autoren wie Ingeborg Bachmann, Thomas Kling oder Friederike Mayröcker spielt.
- Im Davor: Grundlegungen zum Antizipatorischen
14
Vorworte, Vorspiele, Vorurteile gehören zu den Formen des Davor. Dieses Buch lotet Vorräume des Denkens wie Handelns aus und erörtert ihre Potenziale. Lange schien es, als gestalteten wir - vom postindustriellen Zeitalter bis zur Postmoderne - unser Leben im Danach. Das Augenmerk dieser Studie gilt jedoch den meist übersehenen Formen des Davor, der Antizipation, dem Vorfeld von Entwicklungen. Vom Prolog bis zur Präambel, dem Vorspiel, der Ouvertüre und der Vorsilbe reicht das Spektrum dieser Untersuchung. Sie arbeitet die Spezifika vielgestaltigen Vorwissens in gattungs- und kulturgeschichtlichen Kontexten exemplarisch heraus. Auf diese Weise lädt sie dazu ein, auch gemeinhin unvermutete Bedeutungsebenen des Davor neu zu erkunden. In einer Zeit medienvermittelter Simultaneitäten gewinnt das Nachdenken über die Spielarten des Antizipierens einen eigenen Reiz.
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