Die Ermittler – Wahre Verbrechen, echte Polizeiarbeit: True Crime über die Jagd nach Serienkillern und die neusten Ermittlungsmethoden
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Über dieses E-Book
Es ist ein grausamer Anblick. Kinder finden im Wald die verbrannten Reste einer Frauenleiche. Morde wie dieser sorgen für Schlagzeilen und sind Vorlage für zahllose Krimis, in denen Fälle in kürzester Zeit gelöst werden. Doch die Realität sieht anders aus.
Der dänische Kriminalexperte Bent Isager-Nielsen, bekannt durch das ZDF-Doku-Format »Die Ermittler!«, gibt anhand dieses Mordes und weiterer Fälle Einblick in die faszinierende Arbeit der Polizei. Denn Mordermittlungen sind Teamarbeit. Zusammen mit dem Gerichtsmediziner Hans Petter Hougen und dem forensischen Anthropologen Niels Lynnerup zeigt er, wie es gelingen kann, selbst die kompliziertesten Fälle zu lösen.
Facettenreich, realistisch und hochspannend: Ein Muss für jeden Fan von True Crime!
Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Die Ermittler« von Bent Isager-Nielsen, Hans Petter Hougen und Niels Lynnerup wird Fans von »Criminal Minds« und »Evil Genius« sowie Leser und Leserinnen von Michael Tsokos und Adrian Langenscheid fesseln. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Buchvorschau
Die Ermittler – Wahre Verbrechen, echte Polizeiarbeit - Hans Petter Hougen
Über dieses Buch:
Es ist ein grausamer Anblick. Kinder finden im Wald die verbrannten Reste einer Frauenleiche. Morde wie dieser sorgen für Schlagzeilen und sind Vorlage für zahllose Krimis, in denen Fälle in kürzester Zeit gelöst werden. Doch die Realität sieht anders aus.
Der dänische Kriminalexperte Bent Isager-Nielsen, bekannt durch das ZDF-Doku-Format »Ermittler!«, gibt anhand dieses Mordes und weiterer Fälle Einblick in die faszinierende Arbeit der Polizei. Denn Mordermittlungen sind Teamarbeit. Zusammen mit dem Gerichtsmediziner Hans Petter Hougen und dem forensischen Anthropologen Niels Lynnerup zeigt er, wie es gelingen kann, selbst die kompliziertesten Fälle zu lösen. Facettenreich, realistisch und hochspannend. Ein Muss für jeden Fan von True Crime.
Über den Autor:
Bent Isager-Nielsen war Chef der dänischen Mordkommission und einer Spezialeinheit, die sich mit schwersten Verbrechen befasst. ZDF-Zuschauer kennen ihn aus der Doku-Serie »Ermittler!«.
Bei dotbooks veröffentlichte der Autor:
»Die Ermittler – Wahre Verbrechen, echte Polizeiarbeit«, das außerdem als Hörbuch bei SAGA Egmont erscheint, www.sagaegmont.com/germany.
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eBook-Ausgabe August 2023
Die dänische Originalausgabe erschien erstmals 2012 unter dem Originaltitel »Efterforskerne« bei SAGA Egmont, Kopenhagen.
Copyright © der dänischen Originalausgabe 2012 SAGA Egmont, Kopenhagen.
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2023 SAGA Egmont.
Copyright © der eBook-Ausgabe 2023 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Karol Kinal unter Verwendung von Bildmotiven von Shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ys)
ISBN 978-3-98690-909-3
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Bent Isager-Nielsen, Hans Petter Hougen, Niels Lynnerup
Die Ermittler – Wahre Verbrechen, echte Polizeiarbeit
True Crime
Aus dem Dänischen von Patrick Zöller
dotbooks.
VORWORT
Ein guter Ermittler wird in aller Regel von seinem unfähigen Chef suspendiert, anschließend mischt er als einsamer Wolf die kriminelle Unterwelt auf, raucht unzählige Zigaretten, trinkt literweise Whisky und brüllt Verdächtige und Zeugen an – oder sie bekommen gleich ein paar gescheuert. Auf diese Weise klärt er alle möglichen und unmöglichen Fälle auf, und obwohl alle anderer Meinung sind als er, behält er am Ende natürlich recht.
Ganz gleich, was uns Hollywoodfilme und TV-Serien weismachen wollen, diesen Ermittler gibt es nicht – und wenn doch, würde er nicht mal einen Taschendieb dingfest machen. Es ist auch noch nie vorgekommen, dass ein Mörder einzig und allein durch einen genialen Gerichtsmediziner überführt wurde, der irgendetwas entdeckt, das alle anderen übersehen haben.
Verbrechen aufzuklären, insbesondere Mord, ist harte, systematische Teamarbeit. Eine Mordermittlung ist ein großes und komplexes Puzzlespiel, in das zahlreiche Menschen einbezogen sind, und für einen Außenstehenden kann es sehr schnell sehr unübersichtlich werden. Gerichtsmediziner tragen einen Teil bei, Kriminaltechniker einen anderen, forensische Anthropologen, forensische Odontologen, Telekommunikationsanalytiker und alle möglichen anderen Spezialisten wie zum Beispiel Botaniker und Ingenieure leisten ihren Beitrag, bevor sich für Polizei und Ermittlungsleiter ein klares Bild vom Tathergang abzeichnet und sie den mutmaßlichen Täter identifizieren können.
In meinem ersten Buch Man jagt ein Monster und fängt einen Menschen berichte ich hauptsächlich über meine Zeit als Ermittler und Ermittlungsleiter der sogenannten Reisegruppe, einer landesweit agierenden Spezialeinheit der dänischen Kriminalpolizei zur Aufklärung von Schwerverbrechen. Vielleicht ist dadurch bei einigen Leserinnen und Lesern der Eindruck entstanden, es sei ausschließlich die Polizei, die Verbrechen aufklärt. Das war nur äußerst selten der Fall. Viele Male, wenn wir zu einem Einsatzort gerufen wurden und die Ermittlungen aufnahmen, waren wir extrem von der Kooperation mit fähigen Partnern und Kollegen abhängig, die dabei halfen, die einzelnen Puzzlesteine zusammenzutragen.
In Man jagt ein Monster und fängt einen Menschen bin ich in Verbindung mit der Polizeiarbeit auch auf eine Reihe Problemstellungen eingegangen, die ich später auf Nachfrage von Personen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Polizeiapparates vertiefen sollte. Jetzt, gut fünf Jahre nach der Neustrukturierung der Polizei und wesentlicher Organisationsänderungen, sammeln wir erste wertvolle Erfahrungen der Reformen. Darauf werde ich in diesem Buch eingehen, da ich dieses Thema in Man jagt ein Monster und fängt einen Menschen nur kurz angesprochen habe und hoffe, die Leserinnen und Leser sind wie ich der Ansicht, dass es sich lohnt, die Herausforderungen genauer zu beleuchten, denen wir Polizisten tagtäglich gegenüberstehen.
In der heutigen Zeit verlangen Mordermittlungen detaillierte Kenntnisse in zahlreichen Bereichen. Es wurden viele neue Methoden entwickelt, besonders was IT und Telekommunikation betrifft. So mancher Mord, insbesondere im Umfeld organisierter Kriminalität, wird heute mit Hilfe dieser Ermittlungsmethoden aufgeklärt. Wird ein Mord mit einer Schusswaffe begangen, von denen es immer mehr gibt und bei dem natürlich ein gewisser Abstand zwischen Opfer und Täter gegeben ist, dann sind bei der Aufklärung des Falles in der Regel andere Spezialisten als der Gerichtsmediziner die wichtigsten Kooperationspartner der Polizei. Nichtsdestotrotz spielen die Gerichtsmediziner bei der Mehrzahl der Ermittlungen eine wichtige Rolle.
Einer dieser hervorragenden Spezialisten ist Hans Petter Hougen, Professor für Gerichtsmedizin mit der Erfahrung von mehr als tausend Obduktionen u. a. in Dänemark, Thailand, dem Kosovo und den USA. Ein weiterer Kooperationspartner von nicht zu überschätzendem Wert ist Niels Lynnerup, Professor der Forensischen Anthropologie und Dänemarks führender Experte, wenn es darum geht, tote Menschen nur auf der Basis ihres Skeletts oder anderer Leichenreste zu identifizieren. Außerdem ist er inoffizieller „Dänischer Meister" in der Disziplin, lebende Menschen aufgrund der Bilder einer Überwachungskamera zu identifizieren.
Ich kenne Hans Petter und Niels seit vielen Jahren und habe größten Respekt sowohl vor ihrer fachlichen Expertise als auch vor ihren menschlichen Eigenschaften. Sie sind fantastische Mitstreiter. Ohne sie wäre so mancher Täter nicht für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden. Hans Petter und Niels haben zugestimmt, an diesem Buch mitzuwirken, um einen seltenen Einblick in ihre Fachgebiete und in die Teamarbeit zu ermöglichen, die Voraussetzung für jede erfolgreiche Mordermittlung ist. Daher habe ich mich als Leitmotiv in diesem Buch für einen der Mordfälle entschieden, an dem wir gemeinsam gearbeitet haben. Ausgehend davon gibt es natürlich „Abstecher" zu anderen Fällen und in die spezifischen Arbeitsgebiete von Hans Petter Hougen und Niels Lynnerup.
In meiner Karriere war ich nicht nur mit Mordfällen beschäftigt, sondern habe auch an der Aufklärung vieler anderer Verbrechen gearbeitet – und teilweise waren spektakuläre Fälle dabei. Beispielsweise habe ich in den späten Jahren die Ermittlungen zum größten Raubüberfall in der Geschichte Dänemarks sowie in Fällen von organsiertem Verbrechen und Wirtschaftskriminalität geleitet. Doch Mord ist sowohl in der Bibel als auch im Strafgesetzbuch das schlimmste aller Verbrechen und nimmt damit eine Sonderstellung ein. Kein anderes Verbrechen ist Gegenstand so vieler Bücher, TV-Serien und Filme. Das ist darauf zurückzuführen, dass Mord sowohl abschreckt als auch fasziniert. Es graut uns, aber gleichzeitig müssen wir hinschauen, denn vorsätzlicher Mord ist ultimativ; die Tat kann niemals wiedergutgemacht werden. Nach einem Mord ist etwas verändert, für immer. Das Geld aus einem Raubüberfall kann wiedergefunden werden, Opfer von Gewalt tragen seelische Narben davon, können aber doch weiterleben, und die verschlungenen Fäden umfassender Wirtschaftskriminalität können entwirrt werden. Mord ist unwiderruflich. Auch wenn der Täter gefasst und über ihn auf der Basis gültigen Strafrechts das strengste Urteil gefällt wird, das möglich ist, bringt es das Opfer niemals zurück.
Nicht zuletzt deshalb fordert Mord die menschliche Moral und unser grundlegendes Gerechtigkeitsempfinden wie keine andere Straftat heraus. Kein anderes Verbrechen muss so unbedingt aufgeklärt werden, kein anderes Verbrechen lässt das Dilemma der Gerechtigkeit so scharfkantig hervortreten: Wie bestrafen wir eine Tat, die niemals wiedergutgemacht werden kann? Dieser tiefliegende Gerechtigkeitssinn ist es, der, auch bei mir, eine Faszination für Mord bewirkt – oder besser: für die Aufklärung eines Mordes. Mord stellt die Arbeit der Polizei vor die ultimative Prüfung, denn es ist beinahe unmenschlich, den Gedanken zu denken, dass der Täter ungestraft davonkommt. Als Mordermittler ist Misserfolg keine Option, und das gefällt mir.
Als Ermittler beziehungsweise Ermittlungsleiter kommt man mit Teilen der Gesellschaft in Berührung, die man ansonsten kaum kennenlernt. Ich bin von Natur aus neugierig, und ich finde, man kann sich glücklich schätzen, wenn man sogar Geld dafür bekommt, sich in das Leben anderer Menschen hineinzuversetzen. Dadurch lernt man auch viel über sich selbst. Meine besserwisserische Art stößt an ihre Grenzen, wenn ich auf Menschen treffe, die da sind, wo das Leben richtig wehtut.
Ich glaube, es ist gut, hin und wieder auf solche Menschen zu stoßen. Nach diesen Begegnungen habe ich die kleinen Probleme des Alltags wohl – hoffentlich – nicht mehr so ernst genommen. Im persönlichen Umfeld kann ich sehr schnell unruhig und nervös werden – würde ich etwas anderes behaupten, würden die Menschen, die mir nahestehen, sicher lachen und sagen: „Tja, wärst du hysterisch, würden wir dich wohl kaum wiedererkennen." Aber es gibt viele Dinge, über die ich mich nicht mehr aufrege, weil ich gesehen haben, was Menschen einander antun können.
Auf diese Weise habe ich durch meine Arbeit sehr viel gelernt. Ich versuche, meine Kämpfe mit Bedacht zu wählen. Versuche, mich anderen gegenüber anständig zu benehmen – und auf das zu fokussieren, was im Leben wichtig ist. Es passiert immer noch, dass ich mich dabei ertappe, wie ich mich über Kleinigkeiten beklage, aber ich weiß mich ebenso glücklich über mein privilegiertes Dasein zu schätzen. Denn ich habe gesehen, wie wenig es braucht, damit wir Menschen so weit abtreiben, dass uns der Boden unter den Füßen verloren geht.
Alles in diesem Buch könnte genauso passiert sein, wie es beschrieben ist, aber aus Rücksicht auf Angehörige, Hinterbliebene und Menschen, die ihre Strafe verbüßt haben, wurden Namen, Orte und Zeitpunkte an bestimmten Stellen geändert. Ebenso wurden in einigen Fällen Details mit Blick auf Betroffene und ihre Familien weggelassen. Aus demselben Grund wurden einzelne Bestandteile eines bestimmten Falls auf einen anderen übertragen. Mehr als drei Jahrzehnte lang habe ich als Ermittler oder Ermittlungsleiter gearbeitet und es dabei mit Fällen schwerster Kriminalität zu tun bekommen. Mit ein paar der im Buch vorkommenden Fälle hatte ich nicht direkt zu tun, habe sie aber mit einbezogen, weil sie auf die eine oder andere Weise wesentliche Tendenzen oder Entwicklungen im Hinblick auf Mordermittlungen anschaulich verdeutlichen. Darüber hinaus möchte ich betonen, dass alles in diesem Buch Geschriebene auf meinen persönlichen Erfahrungen basiert und meine persönlichen Meinungen und Einstellungen wiedergibt. Obwohl ich immer noch für die Polizei aktiv bin, spiegelt dieses Buch nicht die offizielle Sichtweise der Polizei wider. Alles, was Sie im Folgenden hören, geht auf meine „Rechnung".
KAPITEL 1: DIE LEICHE IM WALD
Mord mit unbekanntem Opfer ist etwas, das der Teufel geschaffen hat. Verstehen Sie mich nicht falsch: Auch wenn ich mehr als dreißig Jahre auf die eine oder andere Weise daran gearbeitet habe, Morde aufzuklären, bin ich natürlich der Meinung, dass alle Morde etwas sind, das der Teufel geschaffen hat. Aber ein Mord, bei dem das Opfer nicht unmittelbar identifiziert werden kann, ist aus Sicht eines Ermittlers ein richtig schlechter Anfang. Eine Mordermittlung kreist zu Beginn immer um das Opfer. In welchem Umfeld hat er oder sie sich bewegt? Wo hat er oder sie gewohnt? Wo hat er oder sie gearbeitet? Mit welchen Problemen hatte er oder sie zu kämpfen? Welche Feinde könnte er oder sie gehabt haben? Wer könnte von seinem oder ihrem Tod profitieren?
Ist das Opfer unbekannt, sind diese ansonsten üblichen Herangehensweisen unmöglich, und die Ermittlungsarbeit gestaltet sich von Anfang an problematisch. Ist das Opfer so übel zugerichtet, dass man nicht erkennen kann, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, einen Erwachsenen oder ein Kind, vielleicht sogar um ein Tier, wird es richtig schwierig.
Bei dem Fall, den wir innerhalb der Spezialeinheit „Reisegruppe Die brennende Leiche nannten, hatten wir im Großen und Ganzen nichts, von dem wir ausgehen konnten, als die Ermittlung in Gang kam. Zu diesem Zeitpunkt war ich seit achtzehn Jahren bei der „Reisegruppe
und dachte, ich hätte eigentlich schon alles gesehen. Ich hatte mich geirrt. Wieder einmal.
Alles begann an einem Sonntag Ende September 1999. Ich machte gerade den Abwasch, als mein Handy klingelte. Damals war ich Chef der Mordkommission innerhalb der „Reisegruppe", weshalb mein Handy allgegenwärtig und fast schon ein Teil von mir geworden war, und ich ließ alles liegen und stehen, was ich in den Händen hielt, wenn es klingelte.
Damals war die „Reisegruppe ein Dezernat innerhalb der Nationalen Polizei und unterstützte die Polizeikreise außerhalb Kopenhagens, wenn sie es mit Kriminalität ab einer bestimmten Größenordnung aufwärts zu tun hatten. Jedes Jahr werden in Dänemark zwischen fünfzig und achtzig Morde begangen und die allermeisten sehr schnell aufgeklärt, entweder weil der Täter ein Geständnis ablegt oder auf andere Art und Weise klar wird, wer für das Verbrechen verantwortlich ist. In diesen Fällen wurde die „Reisegruppe
nicht eingeschaltet. Ging eine Unterstützungsanfrage aus einem der Polizeibezirke ein, konnte man mit Sicherheit davon ausgehen, dass die örtliche Polizei keinen ganz gewöhnlichen Fall zu bearbeiten hatte. Eine Unterstützungsanfrage bedeutete außerdem, dass die Polizei vor Ort nach achtundvierzig Stunden Ermittlung mit leeren Händen dastand oder der örtliche Polizeichef und seine Kollegen sofort eingesehen hatten, dass der Fall ihre Ressourcen übersteigen würde. Wurde die „Reisegruppe" gerufen, ging es nur selten um Fälle, die bis Montag warten konnten. So auch dieses Mal.
Daher waren sowohl ich als auch mein Umfeld es gewohnt, dass der Rasenmäher mitten im Garten stehen, dass Abendessen auf dem Teller liegen oder bei Familienfeiern ein Stuhl leer blieb.
An diesem Septembertag war der Chef aus einem der Polizeibezirke auf Seeland am Telefon. Wir hatten schon früher zusammengearbeitet, und wenn er die „Reisegruppe kontaktierte, gab es in der Regel keinen Zweifel, worum es ging. „Wir haben zwei Menschen da und da gefunden, und es sieht so aus, als seien sie erschossen worden, aber wir haben keine Spur vom Täter. Wir brauchen Hilfe.
Diesmal blieb der Anrufer jedoch einigermaßen im Ungefähren:
„Ganz ehrlich, Bent, ich weiß nicht recht, was wir hier haben", sagte er.
Ein paar Stunden zuvor hatten einige neunjährige Mädchen trotz des Regens im Wald gespielt. Als sie an einer Lichtung vorbeikamen, bemerkten sie so etwas wie ein Lagerfeuer, dessen Flammen allerdings sehr hoch schlugen, obwohl es in Strömen schüttete. In der Mitte des Feuers lag ein undefinierbares, zirka siebzig Zentimeter langes Bündel. Zum Glück rannten sie sofort nach Hause zu ihren Eltern, die nach einer kurzen Inaugenscheinnahme des Feuers umgehend die Polizei riefen.
Ich habe schon oft gedacht, was wohl passiert wäre, wenn sie gedacht hätten: „Na ja, da verbrennt wohl nur jemand seine Gartenabfälle. Tatsächlich wurde etwas anderes als Abfall verbrannt, wie schnell klar wurde, nachdem die örtliche Polizei auf der Bildfläche erschienen war. Was sie fanden, veranlasste sie, schnellstens die „Reisegruppe
einzuschalten.
Ich ließ die letzten Teller und Tassen auf der Spüle zurück, entledigte mich der Schürze, wechselte das Hemd und griff nach den Autoschlüsseln, während eine wohlbekannte Mischung aus Adrenalin und Konzentration meinen Körper einnahm.
Zufällig wohnte einer meiner Kollegen aus der „Reisegruppe" in der Nähe des Fundortes und war bereits wenige Minuten nach dem Anruf vor Ort. Ich war noch auf der Autobahn, als ich ihn erreichte und versuchte, mehr darüber zu erfahren, was mich erwartete.
Ich will immer so viel wie möglich so schnell wie möglich wissen, aber dieses Mal war mir der Kollege keine große Hilfe. Inzwischen war die Feuerwehr an Ort und Stelle, hatte die Flammen gelöscht und einige Planen gespannt, um den Fundort vor dem Regen zu schützen, aber noch wusste niemand, was in den Überresten des Feuers lag. Einig war man sich lediglich darüber, dass es einmal ein lebendiges Wesen gewesen sein musste. Man war wohl der Meinung, es könnte sich um eine Ziege oder ein Schaf handeln.
Als ich mein Ziel erreichte, herrschte bereits große Betriebsamkeit: Beamte aus dem zuständigen Polizeibezirk, Kriminaltechniker und Kollegen der „Reisegruppe" liefen herum, und offen gestanden war mein erster Eindruck, dass wir die Zeit einer ganzen Reihe von Leuten verschwendet hatten, als ich mir die Feuerstelle näher ansah. Obwohl die Flammen gelöscht waren, stieg aus einer zwei Meter tiefen Grube stinkender schwarzer Rauch auf. In der Grube lag etwas, bei dem es sich augenscheinlich um die Überreste eines Tieres handelte. Allerdings ergab das unmittelbar keinen Sinn, denn wer machte sich die Mühe, mitten in einen Wald zu fahren, eine Art Scheiterhaufen aufzuschichten und literweise mit Grillanzünder zu überschütten, bloß um ein totes Schaf loszuwerden, und das in strömendem Regen?
Während ich versuchte, mir einen Überblick zu verschaffen, was die Techniker bisher gefunden hatten, rumpelte Hans Petter Hougens alter schwarzer Volvo zwischen den Bäumen heran und kam vor der Absperrung zum Stehen.
„Du hast das Blaulicht vergessen!", rief ich.
„Mein Antrag ist noch auf dem Weg durch die Instanzen. Die Mühlen mahlen langsam", kam die Antwort mit melodischem norwegischem Akzent.
Hans Petter Hougen ist einer der erfahrensten Gerichtsmediziner Dänemarks und einer der kompetentesten und seriösesten Menschen, die ich kenne. Er ist keiner, der gerne Räuber und Gendarm spielt und mit Blaulicht durch die Gegend fährt, und so war es immer ein Running Gag zwischen uns, wann er endlich eine blinkende Leuchte samt Sirene auf seinem Autodach haben würde.
„Und, was habt ihr jetzt schon wieder gefunden, Bent?" Genauso schlug Hans Petter immer einen etwas vorwurfsvollen Ton an, wenn er zu einem Fundort kam – als würden wir persönlich durch die Wälder laufen und wahllos Mordopfer verstreuen, nur um ihn zu ärgern.
Einem Außenstehenden mag es respektlos erscheinen, am Fundort einer Leiche Witzchen zu machen, aber es gehört nicht nur dazu, es hilft tatsächlich. Wenn das Arbeitsleben wie im Fall von Hans Petter und mir sich fast ausschließlich mit dem Übelsten befasst, was Menschen einander antun können, braucht man untereinander einen ungezwungenen Umgangston, um nicht den Verstand zu verlieren.
Während ich Hans Petter über das Wenige, das ich wusste, ins Bild setzte und andeutete, dass wir vielleicht vieler Leute
