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Der König in seinem Käfig
Der König in seinem Käfig
Der König in seinem Käfig
eBook158 Seiten

Der König in seinem Käfig

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Über dieses E-Book

Anna, Stiefkind des Diktators, zweifelt an ihrem privilegierten Leben. Eines Tages wird sie, ganz in Gedanken, von einem Unbekannten vor dem Unfalltod gerettet. Kurze Zeit darauf findet sie eine Visitenkarte in ihrer Handtasche. Daniel. Traumdeuter. Neugierig geworden, setzt sie sich mit ihm in Verbindung. Ohne ihn jemals persönlich zu treffen, wird er ihr auf geheimnisvolle Weise helfen, sich ihrer selbst bewusst zu werden. Wer dieser Daniel ist, wird auch der Diktator nicht herausfinden, dessen Horrorvisionen er deuten soll. Anklänge an das apokryphe Buch Daniel und die Erzählung von Susanna im Bade, Variationen über das wackere Selbst und die Macht der Despoten. Annas Leben wird sich radikal verändern. Wohin?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum8. Jan. 2024
ISBN9783967632842
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    Buchvorschau

    Der König in seinem Käfig - Ralph Roger Glöckler

    Table of Contents

    KM_Gloeckler_Koenig in seinem Käfig

    Impressum

    Widmung

    Motto

    Die Glöckchen der Märtyrerkirche

    Wenn ich beschreiben könnte

    Die Nacht war warm

    Anna

    Plötzlich, flüsterte der Onkel

    Heiß heute

    Olaf lehnte sich

    Das Licht im Esszimmer

    Das Gebirge faltete sich auf

    Anna nahm

    Boris war eingeschlafen

    Maxim, der plötzlich

    Lies, sagte Maxim

    Inka-Kakadu, sagte ich

    Ich habe ganz vergessen

    Werbung 1

    Werbung 2

    Ralph Roger Glöckler

    Der König in seinem Käfig

    Roman

    KM_Logo_Titel_CMYK_450dpi.tif

    Originalausgabe

    September 2023

    Kulturmaschinen Verlag

    Ein Imprint der Kulturmaschinen Verlag UG (haftungsbeschränkt)

    Ochsenfurt

    www.kulturmaschinen.com

    Die Kulturmaschinen Verlag UG (haftungsbeschränkt) gehört

    allein dem Kulturmaschinen Autoren-Verlag e. V.

    Der Kulturmaschinen Autoren-Verlag e. V. gehört den AutorInnen.

    Und dieses Buch gehört der Phantasie, dem Wissen

    und der Literatur.

    Umschlaggestaltung: Sven j. Olsson

    Umschlagabbildung: Teresa Balté, »Traum«

    Eingestellt bei BoD

    978-3-96763-282-8(kart.)

    978-3-96763-283-5(geb.)

    978-3-96763-284-2(.epub)

    Für Günter

    In derselben Stunde erschienen die Finger einer Menschenhand und schrieben gegenüber dem Leuchter etwas auf die weiß­getünchte Wand des königlichen Palastes. Der König sah den Rücken der Hand, als sie schrieb. Da erbleichte er …

    Daniel 5, 5 – 6

    Das Geschriebene lautet aber: mene mene tekel u-parsin. Diese Worte bedeuten: Mene: Gezählt hat Gott die Tage deiner Herrschaft und macht ihr ein Ende. Tekel: Gewogen wurdest du auf der Waage und zu leicht befunden. Peres: Geteilt wird dein Reich und den Medern und Persern gegeben.

    Daniel 5, 25 – 28

    DIE GLÖCKCHEN DER MÄRTYRERKIRCHE unten in der Stadt schlu­gen an, schriller, schräger, von Dämonen gerüttelt, und sirrten, nachdem sie verstummt waren, in Annas ­Ohren weiter, während das Wochenende von der Kathedrale her mit sonoren Schlägen eingeläutet wurde. Anna, die ganz in Gedanken versunken war, kam wieder zu sich. Sie hob den Kopf. Sieben Uhr. Das Licht verfärbte das Geschirr auf dem Terrassentisch, ließ es rötlich schimmern, glomm in den Gläsern, verwandelte die Häuser, auf die sie hinabsah, in fremdartige, leuchtend gestaffelte Flecken, in ein Gemälde, das aufglühen und verlöschen würde, so­bald die Sonne hinter den Bergen versänke. Schwalben schwirrten umher, stoben auseinander. Wenig später würden die Straßenlaternen erglühen, erste Fenster auf­leuchten, um sich gegen Dämmerung, Sonnenuntergang, gegen die Nacht zu wehren. Die Hitze würde nachlassen, schon war ein Hauch zu spüren, Wind von den Bergen, sachtes, geräuschloses Heben und Senken der Luft, Atmen, das ihre Lunge, Körper und Seele belebte, hier am Tisch mit ihrem Mann, Maxim, und den beiden zu frühem Abendessen geladenen Gästen, Olaf und Mirko, Partner und Kollegen, wie sie sich nannten, Familiennamen sollte sie, wie Anna annahm, besser nicht kennen, waren sie doch in zwielichtige Organisationen eingebunden, fühlte kühlendes Streicheln in ihrem Gesicht, ließ Messer und Gabel sinken, auch die Herren schwiegen, die sich in ihrer Gegenwart leise, andeutungsweise über finanzielle Transaktionen aus der Heimat in dieses oder jenes als sicher erachtete Land unterhielten, bevor, nicht wahr, internationale Sanktionen griffen, nachdem das Militär fremdes Territorium erobert hatte, und darüber, wie sie in ihren Kreisen zu umgehen wären, also auch die Herren schwiegen, konnten sich der einfließenden Brise nicht entziehen. Erleichterung? Anna blickte umher. Eine Amsel schlug an, man drehte sich um, fast erschreckt von dem unerwarteten Gesang, die Herren lachten, verlachten die lächerliche Kreatur, bevor sie sich, nach verstohlenem Blick auf die jugendlich schöne Herrin des Hauses, wieder ihren flachen, neben den Tellern liegen­den Rechnern widmeten. Diesmal Bilder von Demons­trationen, Transparente, wehende Fahnen. Aufsässige oder der Apparat? Die Nation vor einer Zerreißprobe. Offene Gesichter, gereckte Fäuste. Polizei, Milizen, Wasser­werfer. Klar, wer obsiegen würde. Oder? Wann werden es die ­Waf­fen sein? Ein anderer, unsichtbarer Vogel hob an, irgend­­wo in den Bäumen des parkartigen Gartens, jubelte in der Dämmerung, hielt gespannt inne, wartete auf Antwort, die nach angemessener Pause erfolgte, Wechsel­ge­sang, um den Übergang vom Tag in die Nacht zu feiern. Anna legte das Besteck weg, trank den letzten Schluck Rotwein und lauschte den verborgenen Sängern. Etwas klang schräg, war nicht ganz geheuer. Nacht, fragte sie sich, oder Untergang? Oder war es ihr Ohr, das die Töne verzerrte? Seltsame Fragen, die sie sich da stellte. Sie wäre gerne aufgestanden, um sich von diesem Tisch, diesen Männern, von ihrem Gatten zu entfernen, den Garten zu durchqueren, auf die Straße, in die Stadt, ans Ufer des Sees zu laufen, ein verwirrendes, sich unaufhaltsam ausbreitendes Gefühl, das sie versuchte ab­zu­wehren, wohin würde es führen, diesen Impulsen nachzugeben, lehnte sich vor, bereit aufzuspringen, blickte ihren Mann an, als erwartete sie augenzwinkerndes, ihre ­Stimmung zerstreuendes Einvernehmen, keine ­Ahnung, was, das den Schauder vertreiben und sie ermutigen würde, hier, nicht nur an diesem Tisch, sondern auch in diesem Haus, diesem Land zu bleiben, das der Präsident, der sie nach dem Tod der Eltern an Kindes­statt angenommen hatte, seit Jahrzehnten eisern regierte, kein Wunder also, dass viele aufbegehrten, aber da verschwammen ihre Gedanken, sie sank in den Segeltuchstuhl zurück, was konnte sie denn erwarten … Sie musste dankbar sein, hatte erst im Ausland studieren, dann, noch vor dem ­Exa­men, ­diesen Rechtsanwalt heiraten dürfen, um Herrin eines privi­le­gierten Hauses und Mutter zu werden. Der Onkel hatte verfügt und sie den Mund gehalten. Zu ihrem Besten, oder? Die ­Glocken schlugen eine nach der anderen an, langsam, bei den Märtyrern wurde gebetet. Sie vernahm die Stimmen der Gläubigen, ohne sie zu verstehen, ein Summen aus jahr­hunderte­alten Mauern. Warum hatte sie eingewilligt und getan, was man von ihr verlangte?

    Anna steht an der Fußgängerampel, blickt, wie sie es gewohnt ist, in beide Richtungen, um den Verkehr zu beobachten, sie würde, weil es rot und verboten ist, die Straße zu überqueren, nie stehen bleiben, wenn keine Gefahr droht, aber sie ist in Gedanken versunken, nimmt weder Autos noch Ampeln wahr, nach Hause, denkt sie, beladen mit Körben und Taschen, und fragt sich, ob dieses große, von einem Park umgebene Haus, mit Pool und Blick über die Stadt, in das sie zurückkehren will, ihr Zuhause ist, fühlt nur ein Unbehagen, als müsste sie auf eine fremde Insel zurückkehren, die weder ihr noch ihrem Mann oder sonst wem aus ihrem Leben gehört, doch, ihrem Onkel, dem Präsidenten, dem … Enklave seltsamer Gewohnheiten, Riten, Gesetze, wo ihr kleiner Sohn auf sie wartet, Boris, einziger Grund, sich nicht davonzustehlen, abzuhauen, unterzutauchen, den sie nach all den Jahren als einzigen in dieser arrangierten Ehe von Herzen liebt, ach, es geht ihr gut, das muss sie zugeben, hat alles, was eine Frau sich wünschen mag, alles außer, aber sie könnte nicht sagen, was ihr fehlt, etwas, das … da wird sie von kräftiger Hand gepackt, zurückgerissen, nimmt ein schleuderndes, mit quietschenden Reifen ausweichendes Fahrzeug wahr, Körbe und Taschen fallen hin, Früchte kullern hervor, und landet in den Armen eines Mannes, der sie festhält, offen anblickt, als wäre es selbstverständlich gewesen, sie vor dem Tod zu bewahren, einfach so, lässt sie los, hebt das am Boden liegende Fahrrad auf, nickt ihr noch einmal heiter lächelnd zu, um wortlos alles Gute zu wünschen, etwas, das … Anna will sich bedanken, aber er winkt nur, als wäre alles gesagt und getan, und radelt davon, streckt den Arm aus, um nach links abzubiegen. Sie zittert vor Schrecken, bückt sich, sammelt ein, was aus den Taschen gefallen ist, schnell, bevor Autos das Obst zermalmen. Dann überquert sie die Straße, betritt das Parkhaus, um den Wagen zu ­holen, schwingt Körbe und Taschen hinein, setzt sich ans Lenkrad, will den Motor starten, aber sie bringt es nicht fertig, ihn anzulassen, in die Stadt, in dieses Haus auf dem Berg zu fahren, nein, sie ist zu aufgeregt, die Finger geben nach, alles gibt nach, lässt sie über das Steuer sinken. Dann fasst sie sich, steigt aus, geht langsam, fast schwerfällig hinaus und setzt sich auf eine Bank in der Anlage hinter dem Parkhaus. Wer war dieser Mann? Wie hat er ausgesehen? Wie alt könnte er gewesen sein? War es ein Mann? Eine Frau? Sie erinnert kein Gesicht, nur diese offenen, weder Anteilnahme noch Besorgnis ausdrückenden Augen, aus denen Freude, mehr noch, Schalk geleuchtet hatte, diesen über Leben und Tod entscheidenden Augenblick gewonnen und getan zu haben, was getan werden musste, ohne Wenn und Aber, nur so, um des Daseins und seiner Wahrheit willen. Und was ist die Wahrheit? Anna schließt die Augen, folgt dem farbigen Gewölke hinter geschlossenen Lidern. Nein, sie kann sich an kein Gesicht erinnern, nur an den Blick und den Griff, mit dem sie am Arm gepackt worden ist. Je mehr sie versucht, sich an diesen Menschen zu erinnern, desto weniger kann sie ihn fassen. Mann. Frau. Das eine, das andere. Wer? Alter? Sie wird es niemals wissen, nein, erinnert sich nur an ein Rad, einen Fahrer, die auftauchten, um sie an sich zu reißen, links abgebogen und aus ihrem Leben verschwunden sind. Anna öffnet die Augen. Kinder tummeln sich im Sandkasten, klettern auf Geräten herum, gleiten die Rutschbahn hinab. Lachen. Kreischen. Heulen. Sie steht auf. Etwas, fühlt sie, ist anders geworden, aber sie weiß nicht, was.

    Anna öffnet die Augen, stößt die Bettdecke weg, setzt sich auf. Das Fenster schneidet ein hohes Rechteck aus der Nacht, lässt einen schummrigen Himmel ein. Die Stadt unten lässt seine Ränder glimmen und aufflackern, wenn Autos bergan um die Kurven fahren. Anna, die sich nie an Träume erinnert, kann das anhaltende, langsam ­Farben wechselnde Bild nicht vergessen, aus dem sie gerade erwacht ist, ja, als würde es schillern und still in sich selbst verharren, faszinierend bewegungslose Szenerie …

    Was ist, fragt Maxim benommen. Kannst du nicht ­schlafen?

    Nein, antwortet sie leise. Ich setze mich hinaus. Mach dir keine Sorgen.

    Maxim brummt zustimmend, dreht sich um und schläft leise schnarchend weiter. Anna hüllt sich in ihren Morgenmantel, tastet nach der Zigarettenschachtel, die irgendwo liegen muss, kann sie aber nicht finden und ergreift ihre Handtasche, in der sie wohl stecken muss. Sie verlässt das Schlafzimmer, geht aus dem Haus hinaus, dimmt die Poolbeleuchtung, bevor sie sich auf einen der Liegestühle am Rand des ovalen, türkisfarben schimmernden, von Zypres­sen, Koniferen, Lavablöcken umgebenen Beckens setzt und die Handtasche auf den Boden stellt. Sie betrachtet die aufgerichtete Bronzeschlange, Arbeit eines verfemten, regimekritischen Bildhauers, den sie schätzt und schützt, auch wenn sie nicht wagt, seinen Namen auszusprechen, weil sie des Onkels Pflegekind und die Frau eines Mannes ist, der … Schlange, aus deren Maul, wenn sie den Hahn aufdrehte, Wasser ins Becken rauschte, und deren Augen im Sonnenuntergang glimmen würden.

    Anna zieht eine Zigarette hervor, zündet sie an. Da war dieses dunkel glänzende, bis in den Horizont reichende Wasser, glatte, unbewegte Oberfläche, lauwarm-­flüssiges Metall, obwohl sie weder Fuß noch Finger eingetaucht, geschweige denn darin gebadet hat, Traumgewässer, aus dem die Bögen eingestürzter Brücken wuchsen, archaisch anmutende Ruinen, in gerader Linie, nah beieinander, als wären sie früher ein endlos übers Wasser führendes Bauwerk gewesen, von Rissen zersprengte, in den Horizont führende Trümmer. Und darüber hätte sie gehen sollen? Wie? Wohin?

    Sie zerdrückt die angerauchte Zigarette im Aschenbecher, folgt den Wasser kräuselnden Fingerspitzen des Windes, lässt das Becken vor ihren Augen verschwimmen. Brückenbögen. Geborstene Pfeiler. Mauerreste. In einer Reihe. Bis in den Horizont. Unverrückbar aus der Tiefe emporge­stoßen. Und was bedeutet das? Nichts, vermutlich. Oder?

    Sie greift nach der Handtasche, fingert darin herum, weiß aber nicht, wonach sie sucht, Notizbuch, Kuli, Ziga­retten, Schlüssel, wühlt und weiß nicht mehr, weshalb sie hier ­draußen sitzt, um Bildern nachzusinnen, die schon verloschen sind und nichts, gar nichts bedeuten wollen, oder, ­warum geht sie nicht zurück ins Bett, da gerät ihr ein schmaler Karton zwischen die Finger, eine, wie sie erkennen kann, Visitenkarte, vermag aber, weil es dunkel ist, weder Namen noch Adresse zu lesen noch sich daran zu erinnern, wer sie ihr gegeben hat, hält sie nah vor die Augen, Daniel, steht da in grünblauem Wasserschimmern, Traumdeuter. Wer, fragte sie sich, soll das sein, lässt die Karte sinken, starrt aufs Wasser, versucht ein Gesicht zu erinnern, jemanden, den sie zuordnen kann, aber da ist nur die

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