Über dieses E-Book
Ein scheinbar harmloses Seminar endet mit einem schrecklichen Erwachen. Es bleiben von Mirella nur verzweifelte Aufzeichnungen in Ihrem Tagebuch. Das Ende eines Menschen wird zu einem Anfang, der alles bisherige verändern soll.
Vaclav Santini spielt die erste Geige in seinem Prager Orchester. Die Entfremdung zu seiner Frau Mirella hatte sich eingeschlichen wie ein Dieb in der Nacht. Sie war in einen Sog gewisser Kreise geraten, der ihr zum Verhängnis werden sollte.
Anneke Vermeer aus Amsterdam meldet sich unerwartet und kommt für einen Besuch nach Prag. Das Wiedersehen mit Vaclav gestaltet sich völlig anders als erwartet. Der Tod Mirellas wirft Widersprüche auf, die Vaclav und Anneke in den Strudel der Ereignisse ziehen.
Kommissar Jasinski in Prag tappt zunächst im Dunkeln. Spuren führen nach Amsterdam. In Amsterdam setzen sich langsam Bruchstücke zusammen. Es ergibt sich ein roter Faden, der Experimente an Menschen offenlegt, deren Anwendung unvorstellbare Folgen haben wird. Ein Szenario aus Verschleierung und Manipulation macht die Spurensuche fast unmöglich.
Ein Konzern gerät ins Zentrum der Ermittlungen. Die Ergebnisse übertreffen alles bisher Denkbare. Kann dem geplanten Albtraum Einhalt geboten werden?
Hans von Holt
Der Autor wurde am Ende eines Krieges im Jahr 1946 im ausgebombten Hamburg geboren. Sein Spielplatz waren die Trümmer, die eine frühe Prägung hinterlassen haben. Er studierte Musik in Hamburg, Amsterdam und Salzburg. Er kam 1972 ein erstes Mal in die Schweiz. Hier entstand aus der Leidenschaft zur Fotografie ein zweiter Beruf. Audiovisuelle Tätigkeiten führten ihn in die Welt von Film und Fernsehen. Berufsbegleitend ergänzte er seine Ausbildung zum Tonmeister. Als Filmtonmeister arbeitete er während fünfundzwanzig Jahren in Zürich und Köln. Nebenbei engagierte er sich im Musiktheater der »Mixt-Media«, Basel mit vielen Auftritten in Deutschland, der Schweiz, Italien und Griechenland. Mit dem Schreiben begann er in den neunziger Jahren.
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Buchvorschau
inject - Hans von Holt
Für alle, die schon den einen oder anderen Weg
zurückgehen mussten, weil Abgründe,
Sackgassen und sonstige Hindernisse
das Weitergehen
unmöglich
machten.
Handlung, Unternehmen, Ensembles und Personen sind frei erfunden. Jegliche Übereinstimmung mit Namen, Orten oder Ereignissen ist rein zufällig, nicht beabsichtigt und hat keinerlei Bezug zu realen Gegebenheiten.
Leserkommentare
»In allen Ebenen ist dieser Roman mehr als gelungen, von der Spannung her, der psychologischen Tiefe, der Beobachtung und Aussage. Er ist wirklich viel mehr als ein Krimi und sollte gelesen werden und vor allem zum Nachdenken anregen.«
»Das vorliegende Buch hat mich absolut begeistert! Die „Geschichte an sich, die eigentlich eher eine Wiedergabe der Jetztzeit abbildet. Wie der Autor es fertig gebracht hat, jede Person, jede Handlung mit so viel Leben und Fachwissen auszustatten, dass es fast schon ein Sachbuch sein könnte, ist genial. Üblicherweise übergehe ich bei einem Krimi oder sonst spannenden Buch Beschreibungen, um schneller an die „Lösung
, ans Ende zu kommen. Nicht so in diesem Buch von Hans von Holt. Keinen Satz wollte ich auslassen, da jeder etwas hätte enthalten können, das schade gewesen wäre, es zu verpassen.«
»Ein überaus spannender Aufbau der Geschichte, meisterhaft ausgestaltet und hält einen in Atem bis zum Ende. Der Humor hat wenigstens noch im kalten Kaffee Platz. Ein gelungener Kriminalroman mit erschreckendem Hintergrund, man darf gar nicht daran denken. Ich freue mich auf das Konzert des neuen Quartetts in der Hoffnung, dass Anneke auch dabei sein wir.«
Inhalt
Leserkommentare
Mirellas Erwachen in Tahui
Bohemia
Swamis Spaziergang
Das Gastspiel in Prag
Der Tauchgang
Vaclavs Erwachen
Frühstück in Tahui
Kommissar Watanubi
Campingplatz auf Bohunal
Anneke Vermeer fährt nach Prag
Der Kommissar und der Swami
Anneke Vermeer kommt in Prag an
Happy Landing in Köln
Anneke & Vaclav
Kommissar Jasinski
Das letzte Konzert
Miller in Amsterdam
Gandria
Mirellas Beerdigung
Die Anstalt
Das Schließfach
Bert aus dem Gefängnis
Die Mikrofilme
Nora
Mirellas Tagebuch
Die Spritze
Noras Handy
Hendersen
Der Test
Das Konzept
Eugenie
Jasinski überlegt
Verknüpfungen
Vaclav kommt in Prag an
Eugenies Beerdigung
Seldwyla ist überall
Annekes Weg
Vaclavs Weg
Jasinskis Abschied
Die Personen
Danksagung
Vom gleichen Autor erschienen
Sisyphos
Nonnas Tafelrunde
Geschichten der Welt
Kapitel 1
Mirellas Erwachen in Tahui
Es wehte ein lauer Wind, der die Kühle der Nacht vertrieb. Ein Hauch des Meeres, der behutsam mit den Vorhängen spielte. Draußen herrschte Stille. Das Rauschen der Wellen drang sanft in ihr Zimmer. Mirella lag reglos hingegossen auf dem durchwühlten Bett. Die geschlossenen Augen gehörten nicht einer Schlafenden. Der Ausdruck von Abwesenheit glich einer Statue, die zufällig liegengelassen wurde. Achtlos, vergessen. Seelenlose Nacktheit. Nur langsam gelang es dem Sonnenlicht, durch ihre Augenlider weiter in die Tiefe zu dringen. Eine Tiefe, in die sie hineingestürzt war. Die freundlichen Farben der aufgehenden Morgensonne hatten bisher vergeblich versucht, ein Stück Wachheit zurückzuholen. Das unendliche Dunkel in ihrem Innern, fern jeden Gewahrseins, war zu dicht, um dem Tageslicht Raum zu geben.
Langsam bekam die Finsternis einen unmerklichen Riss. Die undurchdringliche schwarze Wand hielt nicht mehr stand. Unhörbare Töne eines schmerzlichen Aufbrechens. Im Dunkel des Abgrundes, in dem sie versunken war, kündete sich ein dünner Strahl von Licht an. Er kam aus der Ferne. Unendlich langsames Auftauchen. Erste Gedanken – körperlos – versuchen sich behutsam tastend zu formen. Ein diffuses Sich-Selber-Wahrnehmen. Impulse, die wie schwere Wolken von weit her an einem entlegenen Himmel vorüber ziehen. Bleiern, zäh, fühlbar und unnahbar zugleich. Innere Dämmerung gegen ein helles Außen – ein Dämmergleißen. Schmerzhaftes Eindringen von Licht wie Lanzen in dumpfe Finsternis geschleudert. Der Rückweg ins Dunkel versperrt, der Weg ins Licht unerträglich.
Mirella kämpfte sich in eine zähe Wahrnehmung, heraus aus diesem Zwischenraum aus schwarzer Ohnmacht und gleißendem Erwachen.
Eine Ahnung von Arm – liegt – reagiert nicht – Lähmung – ferner Atem – weit weg, näher, schneller, tiefer – ein Laut. Da wieder der Arm. Eine Hand. Bewegung. Zäh, langsam. Der Arm bewegt sich. Die Hand fällt wie etwas Fremdes über die Augen. Das stechende Gleißen ist gemildert. Ein Gefühl von Körper – Ungewissheit – auf der Schwelle zur Übelkeit. Wenig die Augen geöffnet und gleich wieder bereut. Das Licht ist zu grell.
Noch immer lag sie ausgestreckt auf dem Rücken, der Kopf hing über das Fußende des Bettes. Es war bereits heiß und die Hitze nahm zu. Sie spürte die stehende Luft auf ihrem nackten Körper, der sich zu den Beinen hin in Dumpfheit verlor. Wo war sie? In ihrem Inneren drehte sich alles. Übelkeit, dann wieder Stillstand – Lähmung. Es dauerte eine Zeit, bis sie sich auf die Seite drehen konnte. Langsam, Stück für Stück, meldete sich der Körper zurück. Sie spürte ihn wieder, versuchte, die Beine zu bewegen. Es war klebrig zwischen den Schenkeln. Woher? Es war kein Schweiß, so viel konnte Mirella fühlen. Dumpfer Ekel. Erinnerung? Nebel. Nichts.
Wieder spürte sie diese Nahtstelle zwischen dem unendlichen Dunkel, aus dem sie kam, und dem gleißenden Tag, den sie kaum erreicht hatte. Ein klaffender Zwischenraum, aus dem ein breit gähnender Abgrund drohte. Die Müdigkeit, oder war es Erschöpfung, zog sie sehnsüchtig ins Dunkle. Der Tag mit seinem Licht und der aufsteigenden Übelkeit zerrte an ihren Sinnen, ließ den Weg zurück nicht zu.
Mirellas erwachendes Bewusstsein zog unerbittlich weitere Kreise. Das Zimmer? Ja, das war ihr Zimmer. Das wusste sie. Das schien klar zu sein. Das war alles. Dann kamen Bruchstücke an die Oberfläche. Ferien. Meer. Südsee. Und dieses Gefühl – zäh und klebrig. Da war es wieder, das Klebrige an den Schenkeln. Nicht denken! Toilette!
Sie kämpfte sich mühsam auf und schaffte den Weg ins Bad. Endlos pissen, als wollte es nicht mehr aufhören. Und dann eins: Wasser, unendlich viel Wasser, ein Meer von Wasser. Sich auflösen. Sie stand unter der Dusche, abfließen, leer werden, sich weg duschen. Das Wasser floss über sie, und es hüllte sie ein, wie ein klarer Fluss aus milder Barmherzigkeit, der ihre Seele langsam auftaute.
Eine Ewigkeit später saß sie an dem kleinen Schreibtisch ihres Zimmers. Es war ihr innerlich kalt und sie hatte sich eng in einen Bademantel eingehüllt. Ihr Tagebuch lag vor ihr. In der ganzen letzten Zeit hatte sie ihre Erfahrungen aufgeschrieben. Ihre täglichen Gedanken, die Begebenheiten. Alles begann Bedeutung zu bekommen. Alles, was früher achtlos vorbeifloss.
Was war in den Seminaren geschehen? Was hatte sie zu diesen Seminaren geführt. Was hatte sie erwartet? Die eigentliche Frage brannte immer mehr auf den Nägeln: Was war am Ende dabei heraus gekommen? Was hatte sie gesucht, und vor allem, was hatte sie am Ende gefunden?
Die Bilanz an diesem Morgen war niederschmetternd. Sie wollte weiter schreiben, die letzten Ereignisse, alles, was sie erinnerte und was in diesem entsetzlichen Erwachen gipfelte. Mirella versuchte, sich zu konzentrieren, die Details aufzufrischen, es aufzuschreiben, um Klarheit zu bekommen.
Allmählich kam eins nach dem anderen zurück. Sie schrieb. Alles, wie sie es erlebt hatte. Die letzten Übungen und die Hinführung zu dieser sogenannten Einweihung, die ihr immer absurder vorkam. Nein! Absurd war nicht das richtige Wort: Suspekt war es. Auch das traf es nicht. Es war ein tonloser Schrei in ihrem Inneren. Ekel kroch in ihr hoch. Es war schwierig, in Worte zu fassen, den roten Faden darin zu finden.
Immer wieder tauchte er auf, dieser Kopf, rund, glatt und mächtig wie ein Dröhnen. Es war ihr, als fuhr sie unaufhörlich durch diese runde Form hindurch. Als wäre es ein Tunnel aneinander gereihter Köpfe. Gewölbe aus Schädeln, in die sie unablässig hineinfuhr, einer nach dem anderen, eine Fahrt ohne Ende, und eine Bewegung, die lautlos dröhnend auf der Stelle stand, aus der Zeit gelöst, sich in sich selbst wiederholte, fremd und gnadenlos. Ihr wurde schlecht. Übelkeit, die aus der Tiefe in ihr aufstieg, sich wie eine Kugel ausbreitete, sich entfernte und wieder kam. Ein zähes Pulsieren eines tiefen Tones oder eines dunklen Sternes, der sich erbarmungslos nähert. Es wollte ihren eigenen Schädel sprengen. Sie brauchte Wasser, mehr Wasser. Die Dusche war nicht genug. Sie wollte ganz ins Wasser eintauchen, alles auflösen.
Mirella schrieb die letzten Zeilen: »Ich muss in die Badewanne, alles auflösen – und wegspülen!« Dann verstaute sie ihr Buch in der Reisetasche, ließ Wasser in die Wanne ein, schenkte sich einen großen Whiskey mit viel Eis ein und kippte ihn herunter. Es würgte sie kurz. Sie schüttelte sich, hielt gleich wieder inne, denn der Kopf schmerzte bei jeder Bewegung. Und das Licht war noch immer zu hell.
Sie schenkte nach mit mehr Eis. Eis tat gut. Eiswürfel an die Schläfe. Und ein großer Schluck. Ein Kopf zum Zerspringen. Wo waren die Tabletten. Zerstreut tappte sie herum. Nachttisch, Schubladen, Tasche. Da, das Röhrchen. Gefunden, geöffnet, eine Tablette genommen. Ein Schluck. Runtergespült. Der Kopf ... Noch eine Tablette. Schluck. Das Röhrchen wieder verlegt. Beim Nachschenken vergessen. Sie stand vor der Badewanne, das Glas fest umklammernd, die Flasche daneben. Das Rauschen des Wassers milderte die Wogen ihrer Gefühle.
»Hassu Dir das so vorgestellt«? begann sie mit sich zu hadern. Der Alkohol tat seine Wirkung. Sie stieg in die Badewanne, vorsichtig das Glas balancierend. Die Eiswürfel klingelten im schwappenden Whiskey.
»So richtich aufräumm’ mipm Lebn, jawoll! Ha«! Ein zynisches Lachen machte sich breit, gefolgt von einem Tränenschub. Sie stellte das Wasser ab. Mit der Ruhe kam ein Stück Schwere zurück. Ein Gedanke an zu Hause, an Prag, an Vaclav – und weggespült. »Scheiße! Scheiße! Scheiße! Was für eine Selbschverwirklichhh ... verficklichhhh... verfick dich«!
Die Worte erstickten in leisem Schluchzen. Das Salz der Tränen vermischte sich mit dem Whiskey. Sie lehnte sich zurück, das Glas fest umklammernd, die Flasche daneben. Der Versuch, die Gedanken zu ordnen, die wie aufgescheuchte Krähen in ihrem Kopf herum flatterten. Die Suche nach einem letzten Strohhalm, den Boden wieder zu finden.
Der Weg, den sie gesucht hatte, war unversehens zur Sackgasse geworden. Der Blick zurück schmerzhaft. Der Blick nach vorn zeigte einen Abgrund. Gedanken glitten ab, waberten ineinander. Bilder kamen und gingen. Die Unschärfe nahm wieder zu. Noch ein Schluck. Schritte wurden hörbar, kamen näher. Mirella erschrak. Die Türwurde geöffnet. Nein! Nicht jetzt! Nicht Du! Sie setzte sich mühsam auf.
»Mirella?! Bist Du wach«?, tönte es fröhlich durch die offene Tür. Nicht diese Stimme! Bitte! Nicht jetzt! Nie mehr! Als sie seinen kahlen Schädel sah, fühlte sie ihre Übelkeit, als wollte sich ein Vulkan aus ihrem Innern erbrechen: »Hau ab! Ich hab’ genug«!
Das Lächeln der Erwartung in seinem Gesicht erstarrte. Es war die Überraschung, die ihn kalt erwischte. Eine Situation, die weit außerhalb dessen lag, was er für möglich hielt. Er verriet plötzliche Unsicherheit, als habe er unvermittelt einen falschen Raum betreten. Ein Gefühl, das er kannte, und welches er lange abtrainiert hatte. Wie sehr er sich auf falschem Terrain bewegte, sollte ihm erst später bewusst werden.
»Lass’ mich in Ruhe!« brach es weiter aus Mirella hervor, »verfickter Guru! Verpiss Dich! RAUS«!
Sie machte eine abrupte Geste, und wollte das Glas nach ihm werfen. Der Swami wich zurück, stieß dabei einen Stuhl um und stolperte in den Flur. Einen Moment lang stand er da – vor Schreck wie angewurzelt, da wehte ein Windhauch die Zimmertüre zu. Das Echo klang nach.
Kapitel 2
Bohemia
Ein angenehmer frühabendlicher Wind wehte zur Stube herein. Ein sanfter Hauch, der zum Ausgehen lockte. Vaclav Santini saß am Tisch in seiner Wohnung in Prag. Durch die weit geöffneten Fenster sog er die Sommerluft ein. Das tat gut. Er sortierte die Post. Seine Geige lag auf einem Stuhl neben ihm, wo er sie nach der Orchesterprobe abgelegt hatte. Er würde sie heute nicht mehr spielen. Der Abend war frei. Draußen kündigte sich ein lauer Sommerabend an, dessen rötliches Licht immer mehr in der Dämmerung versank. Er mochte diese Tageszeit, die den Abend ankündigte, wenn die Farben des Tages nahtlos in das warme Licht der Lampen übergingen. Die Menschen wurden ruhiger, die Hektik des Tages ebbte ab, und das Leben zeichnete weichere Konturen. Seinen Händen entglitt die Post und fiel zurück auf den Tisch. Vaclav schaute aus dem Fenster und ließ seine Gedanken treiben, als wären sie schwerelose Wolken am Horizont eines Sommerhimmels. Ein Vorbeiziehen, das in der Ferne bleibt.
Er freute sich darauf, ins ›Bohemia‹ zu gehen, Vaclavs Insel im Alltag der Stadt, der Ort, an dem er abschaltete, wo er Freunde traf. Freie Abende wie dieser waren eher selten und kamen meist dann vor, wenn wie heute ein anderes Orchester ein Gastspiel gab.
Sein Blick kehrte vom offenen Fenster zum Tisch zurück. Die Post lag ungeöffnet da. Zuoberst lag eine Karte von Mirella aus Tahui, einer dieser Inseln mitten in der Südsee. Sie war allein zu einem ihrer Seminare gefahren. Kurse, die Vaclav nicht verstand. So hatte sie es ihm gesagt. Sie hatte recht. Er verstand diese Dinge nicht. Auch Mirella schien er immer weniger zu verstehen, je mehr sie in diese Esoterik eintauchte. Das machte ihn zunehmend ratloser. Ihr schien es gut zu gehen in diesem Südseeparadies: »Strahlende Sonne, strahlend blaues Meer, strahlend weißer Strand«. Es war nichts Persönliches in den wenigen Zeilen. Ein paar Sätze, aus deren Zwischenraum ihm Leere entgegen starrte. Das irritierte ihn, machte ihn nachdenklich. Woher kam diese Leere, die er früher nie gekannt, und die er mit Mirella zu Anfang nie gespürt hatte. War es die Abwesenheit des Persönlichen in diesen Zeilen, was diese Leere vermittelte? War es ein Stück von ihm, sein Nicht-Verstehenkönnen, das sich in den Raum zwischen die Zeilen schob, ihn daraus anstarrte?
Dieses sprühende Leben, das er von seiner Mirella kannte, hatte sich in der letzten Zeit verändert. Was war geschehen? Was war es, dass sich seiner Aufmerksamkeit entzogen hatte? Er wachte eines Tages auf, und das Leben war über Nacht anders geworden. Unbemerkt. Übergangslos. Kein Anfang ersichtlich. Es erschien ihm, als wäre Mirella in wachsendem Maße durch einen unsichtbaren Vorhang von ihm getrennt. Hatte das mit dieser Leere zu tun, die Vaclav spürte, die er vergeblich zu füllen versuchte? Und die ihn aus den Zwischenräumen der wenigen Zeilen auf der Postkarte anstarrte?
Schade! Wäre sie da, sie gingen heute Abend zusammen aus. Früher taten sie das immer gerne. Seitdem sie diesen Guru, Swami, weiß nicht, wie er sich nannte, kennengelernt hatte, veränderte sie sich.
Dort praktizierte sie in eigenartigen Sitzungen, wie man angeblich in vergangene Leben zurückging. Vaclav konnte sich das nicht vorstellen. Nachher saß sie dann stundenlang da, schrieb und malte, bekam traurige Augen. Sie fand das alles für ein sinnvolles Weiterleben unumgänglich. Auf Grund dieser Geschichten wurde sie sich immer sicherer, dass ihr Platz in ihrer ursprünglichen Heimat im Tessin wäre. Sie wollte zurück zu ihren Wurzeln, wo sie etwas zu erledigen hätte, wie sie meinte, ohne zu wissen, was es denn sei. Solche Gedanken vergrößerten die Entfernung zwischen ihnen. Er lebte gerne in Prag, er war hier zu Hause, er hatte sein Orchester, und es gab keinen Grund, es zu ändern.
Hätte er ihr nur nicht die Geschichte seiner Vorfahren erzählt, dass die Seinen einst aus dem Tessin ausgewandert waren. Sie waren Baumeister und Architekten, die zu Hause keine Arbeit fanden, und die seinerzeit der fürstliche Hof und die kaiserlichen Bauten mit ihren verlockenden Aufträgen nach Böhmen zogen. Da war sie sich sicher, auch er müsse an seinen Ursprung zurück. Kein Argument war dem gewachsen. Ihr Wissen bekam kosmischen Stellenwert. Das machte ihn immer hilfloser. Die Entfernung zu Mirella nahm weiter zu.
Was sollte er im Tessin, außer in den Ferien, wo er ihre gemeinsame Wohnung in Gandria genoss. Der Ort war etwas Besonderes, der Blick auf den See einmalig. Die in der Ferne funkelnden Lichter von Lugano Paradiso am Abend, und die Berge, die ringsum zu Ausflügen an malerische Orte einluden, das waren immer wieder Momente der Erholung. Doch er war Musiker. Für seinen Alltag brauchte er die Großstadt, sein Orchester, den Konzertsaal mit der knisternden Spannung, die ein Publikum verströmt. In Gedanken vertieft vergaß er, den Rest der Briefe zu öffnen. Es war Zeit für ihn. Das ›Bohemia‹ rief. Der Weg zu seinem Gasthaus war kurz. Vaclav nahm den Schlüssel, die Zeitung, nein, die brauchte er heute Abend nicht. Er legte sie wieder hin und machte sich auf den Weg zu seinem Stammlokal.
Draußen hatten inzwischen die leuchtenden Straßenlaternen und die Kandelaber, die sich an den altehrwürdigen Fassaden behaupteten, den Tag endgültig vertrieben. Die Wärme lockte die Menschen aus den Häusern auf die Straßen und Plätze. Die Fenster der Wohnungen standen offen, von irgendwoher kam Musik. Das Leben des Abends umwogte Vaclav wie das Meer eine in sich selbst entrückte Insel.
Er schlenderte die Nerudova hinab. Der Himmel zeigte noch einen Streifen der Dämmerung. Die untergegangene Sonne zog den Rest des Lichtes mit sich in die Nacht. Vaclav ging vorbei an vollbesetzten Tischen und bog links in die Zámecká ein und ein kurzes Stück die schmale Gasse hinauf. Er stand in der Thunovská. Vor ihm lag die Treppe zum Palais und links winkten ihm die leuchtenden Fenster mit dem vertrauten Eingangstor entgegen. Vaclav beflügelte die Schritte, trat durch die offene Tür ins ›Bohemia‹ und blieb kurz stehen. Wie so oft nahm er für einen Augenblick die Atmosphäre in sich auf, das Draußen innerlich abschüttelnd und sich auf seine soeben betretene Insel einlassend. Sein Blick schweifte in die Runde und fand sogleich, was er suchte. Hinten zum Gartendurchgang sah er den Kollegen Pavol in
