Flieger am Feind: Einundsiebzig deutsche Luftfahrer erzählen
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Buchvorschau
Flieger am Feind - Werner von Langsdorff
Flieger am Feind
Einundsiebzig deutsche Luftfahrer erzählen
von
Werner v. Langsdorff
______
Erstmals erschienen bei:
C. Bertelsmann, Gütersloh, 1934
__________
Vollständig überarbeitete Ausgabe.
Ungekürzte Fassung.
© 2017 Klarwelt-Verlag
ISBN: 978-3-96559-053-3
www.klarweltverlag.de
Inhaltsverzeichnis
Titel
Zum Geleit!
Zwei Kriegsflüge aus dem Jahre 1914 - Von Albert Mühlig-Hofmann
Kriegsflüge über Tsingtau - Von Gunther Plüschow
Erste Bomben auf Dünkirchen - Von Wilhelm Siegert
Im Westen Anfang 1915 - Von Hugo Geyer
Bombenflug im Hochgebirge - Von Josef Kissenberth
Der Erste! - Von Max Immelmann
Zwei Stunden am Seil - Von Franz Schneider
Luftkampferlebnis - Von Oswald Boelcke
Kriegsflüge über dem Kanal - Von Friedrich Christiansen
Frontflug 1916 - Von Hans Adam
Luftkampf über Smyrna - Von Hans Joachim Buddecke
L 48 stirbt - Von Carl Mieth
L 48 brennt über England - Von Heinz Ellerkamm
Tagebuchblatt aus der Sinaiwüste - Von Richard Euringer
Aus dem Tagebuch eines Bombenfliegers - Von Georg Wulf
Einer gegen vierundzwanzig - Von Eduard Ritter v. Schleich
Ausbruch - Von Horst Merz
Zu zweit im feindlichen Geschwader - Von Friedrich Knevels
Aus hinterlassenen Papieren - Von Rudolf Berthold
Boelckes letzter Flug - Von Erwin Böhme
Aus der Marineluftschifffahrt - Von Richard Frey
Ungleicher Kampf - Von Willy Leusch
Bahnsprengung hinter der Front - Von Fritz Heymann
Im Osten gestrandet - Von Martin Bischoff
Flug auf dem Schwanz - Von Josef Schmidt
Als Jagdflieger 1917 - Von Heinrich Gontermann
Letzter Flug - Von Friedrich Karl Prinz von Preußen
Landung im Niemandsland - Von Emil Schaefer
Luftkampf über Toul - Von Hugo Geiger
Als Jagdflieger bei Richthofen - Von Joachim v. Schoenebeck
Der Achte! - Von Hermann Göring
Drei an einem Tage - Von Rudolf Windisch
Abgeschossen - Von Georg Geigl
Ich kannte ihn nicht - Von Werner v. Langsdorff
Kopfschuß im Luftkampf - Von Manfred Freiherr v. Richthofen
Bruch zwischen Haifischen - Von Otto Stein
Ballonsiege, brennend am Schirm und Voß - Von Paul W. Bäumer
Heimkehr mit totem Führer - Von Peter Hallström
Der neue Franz - Von Carl Töpfer
Kampf in der Dämmerung - Von Adolf Ritter v. Tutschek
Dreimal Glück - Von Leo Leonhardy
In der Staffel Göring - Von Helmuth Dilthey
Gulle, Rammkeil und Muck - Von Rudolf Lochner
Der Scheich von Ras-el-Ain - Von Gerhard Felmy
Einen Flügel verloren - Von Hans-Ioachim v. Hippel
Mein schwerster Kampf - Von Martin Dietrich
Da steht die Wurst! - Von Erik Thomas
Sprung ins Dunkel - Von Ernst Struck
Vierfacher Ballonsieg - Von Fritz Ritter von Roeth
Luftkampf im Osten - Von Gustav Ehinger
Segelflug im Kriege - Von Walter Angermund
Artillerieflieger über Albert - Von Paul Freiherr v. Pechmann
Tagebuchblatt eines Jagdfliegers - Von Rudolf Stark
Ein Munitionslager geht in die Luft - Von Hermann Köhl
Flügelbruch - Von Gustav Koch
Nachtbombenflug - Von Alfred Keller
Abschuss ohne Schuss - Von Willy Neuenhofen
Vergaserbrand - Von Paul Vogel
Absturz in See - Von Karl Krumbein
Als Jagdflieger bei Kriegsende - Von Karl Plauth
F. d. L. † - Von Horst Freiherr Treusch v. Buttlar-Brandenfels
„Ich hatt' einen Kameraden — — —" - Von Gerhard Vollschwitz
Abschuss und abgeschossen! - Von Willy Thoene
Kriegs-Butter-Flüge - Von Boby Zuest
Fast! - Von Ernst Udet
Letzter Absprung - Von Peter Rieper
Letzter Frontflug - Von Lothar Freiherr v. Richthofen
Unser Kommandeur - Von Kurt Bauer
Jagdflieger gegen Tanks - Von Robert Ritter v. Greim
Erste Welle - Von Bruno Erich Schröter
Fluchterlebnis - Von Carl Menkhoff
Unsere Mitarbeiter
Zum Geleit!
ier erzählen einundsiebzig deutsche Luftfahrer eigene Erlebnisse aus dem Krieg. Einundsiebzig von zehntausend können naturgemäß nur einen winzigen Ausschnitt des großen Geschehens geben. Dieser Ausschnitt aber ist wahr, denn sie erzählen nur vom täglichen Kampf des deutschen Fliegers und Luftschiffers im Krieg.
Die deutsche Luftwaffe ist vom ersten bis zum letzten Tag des Krieges ununterbrochen im Angriff geblieben.
Siebentausendachthundertneunundzwanzig deutsche Luftfahrer gaben im Krieg ihr Leben für Deutschland. Ihrem Gedenken soll dieses Buch dienen.
Diese Flagge wehte auf allen Kriegsfahrten
der Marine-Luftschiffe L 9, L 22, L 38, L 42, L 71
Zwei Kriegsflüge aus dem Jahre 1914 - Von Albert Mühlig-Hofmann
en Anfang des Weltkrieges erlebte ich in Graudenz als Oberleutnant im Fliegerbataillon Nr. 2. Zu Beginn hatten wir Erkundungsflüge bis Warschau durchgeführt und waren dabei von Freund und Feind gleich heftig und erfolglos beschossen worden. Während der Schlacht bei Gumbinnen erlebten wir, dass die Führung unseren Meldungen, zum Nachteil der Operationen, keinen Glauben schenkte; in der Schlacht bei Tannenberg hatten wir Flieger dann erfolgreich mitwirken können und waren dabei an einzelnen Tagen bis zu neun Stunden in der Luft gewesen. Nachdem auch Rennenkampf aus Ostpreußen hinausgeworfen war, wurde das 17. Armeekorps, zu dem meine Abteilung gehörte, über das südliche Schlesien gegen die Weichsel angesetzt. Bei Radom und Iwangorod spielten sich diese Kämpfe ab und schließlich lagen wir mit dem 17. AK unter Generalfeldmarschall v. Mackensen gegenüber von Warschau in einem Bogen vor den Forts dieser Festung. Die Unterbringung war denkbar kümmerlich. Auch das Wetter ließ so gut wie alles zu wünschen übrig; nur hin und wieder konnten wir der Artillerie beim Schießen helfen.
Da traf die Nachricht ein, dass nördlich von der Stellung des 17. AK. eine sibirische Schützendivision unsere Stellungen durchbrechen und unsere rückwärtigen Verbindungen zerstört habe. Reserven zur Vernichtung des Gegners waren im Armeeabschnitt nicht verfügbar. Aber weit im Rücken lag eine Landsturmbrigade im 80 Kilometer entfernten Skiernievieze unter dem Befehl des Generalleutnants v. Wrochem. Die Russen hatten aber unsere sämtlichen rückwärtigen Verbindungen unterbrochen, so dass es nur auf dem Luftwege möglich war, der Brigade v. Wrochem Befehle zu überbringen. Am Nachmittag erhielt ich den Auftrag, nach Skiernievieze zu fliegen. Es war schon seit Tagen besonders schlechtes Wetter. Starker Regen hatte den Boden aufgeweicht, schwere Wolken hingen bis auf die Erde und starker Wind sorgte für die erforderlichen Böen. Militärisch war der Auftrag nicht schwierig, weil feindliche Gegenwirkung kaum zu erwarten war, aber fliegerisch war er nicht leicht. Zunächst einmal galt es, bei dem herrschenden Wetter Skiernievieze überhaupt zu finden, denn es war ziemlich ausgeschlossen, dauernd in Erdsicht zu fliegen; dann musste bei Sliernievicze ein geeignetes Fluggelände aus der Luft ausgesucht werden, möglichst dicht bei der Stadt. Nun bestehen die Acker in jener Gegend aus schmalen, etwa eineinhalb Meter breiten Streifen, die durch tiefe Furchen voneinander getrennt sind. Die Landung musste also parallel mit den Furchen derart erfolgen, dass die Räder auf den Streifen liefen, nicht aber in die Furchen gerieten, da in diesem Falle die Fahrgestellachse einen Kopfstand oder Überschlag verursacht hätte. Die gleichen Schwierigkeiten boten sich wieder beim Start. Der Rückflug musste schließlich zum Teil in der Dunkelheit durchgeführt werden. Unterstützt wurde ich bei der Durchführung dieses Auftrages durch meinen Beobachter Nordt, heute Chef des Stabes des Präsidenten des D. L. V., und wir benutzten einen Albatros- Doppeldecker mit vorne liegendem 100 PS-Mercedes-Motor, mit guter Stabilität und ausgezeichneten Flug-, Lande- und Starteigenschaften.
Wir flogen ab und schaukelten in geringer Höhe etwa eine Stunde bis nach Skiernievicze, unterwegs wiederholt erfolglos von russischen Patrouillen beschossen. Die Landung gelang glatt, und wir überbrachten unseren Befehl an Exzellenz v. Wrochem, der sich sofort mit seinen Offizieren beriet. Wir baten ihn auftragsgemäß um das Ergebnis der Beratung und seinen Entschluss, damit von der Front aus die geeigneten Maßnahmen zur Unterstützung seiner Aktion eingeleitet werden könnten. Er teilte uns dann mit, dass seine Truppe natürlich nicht mit aktiven Verbänden verglichen werden könnte; Nachtgefechte könne er seinen Leuten nicht zumuten, aber mit Vorsicht und Schonung angesetzt, würde die Brigade ihre Pflicht tun. Er wolle den Nachmittag zu Vorbereitungen verwenden, die dringend erforderlich seien, und werde am Abend um zehn Uhr aufbrechen. Mit diesem Bescheide wurden wir entlassen. Start und Rückflug gingen glatt vonstatten, obgleich das Wetter sich nicht gebessert hatte und es immer dunkler wurde. Auch die Landung erfolgte bei fast völliger Dunkelheit glatt, und wir meldeten dem Generalkommando das Ergebnis unseres Fluges. Drei Tage später erfuhren wir, das; die durchgebrochenen Russen in Stärke von 3000 Mann und 33 Offizieren gefangengenommen waren und dass daran die von uns in Marsch gesetzte Brigade v. Wrochem einen namhaften Anteil gehabt habe.
Als einige Zeit darauf bei der Festung Iwangorod, die die Österreicher hatten erstürmen wollen, durch einen Ausfall der Besatzung die österreichische Front durchbrochen war und unsere rückwärtigen Verbindungen aufs schwerste bedroht wurden, musste unsere Stellung geräumt werden. Durch gründliche Zerstörung aller Verkehrswege und -mittel — selbst die Isolatoren an den Telegraphenstangen wurden zerschlagen — wurde das Vordringen der Russen aufgehalten, und es ist dadurch ja auch gelungen, sie, abgesehen von einigen Patrouillen, von deutschem Boden fernzuhalten. Als die Armee wieder deutschen Boden betrat, sahen wir überall sorgenvolle Gesichter. Doch im Armeeoberkommando, das inzwischen Exzellenz v. Mackensen übernommen hatte, war eine wirksame Operation ausgearbeitet worden: Die Russen konnten der Zerstörungen wegen nur langsam vordringen; daher wurden sämtliche deutschen Truppen mit geringfügigen Ausnahmen aus Schlesien mit der Bahn abtransportiert, etwa 100 Kilometer vor der Front des Gegners vorbeigeführt und östlich von Posen ausgeladen. Von dort erfolgte ein wirksamer Stoß in die Flanke des Gegners in Richtung Lodz. Es gab unerhörte Marschleistungen der deutschen Truppen, und eine Zeitlang schien es, als ob sich in Lodz ein zweites Tannenberg wiederholen sollte. Rings um Lodz standen deutsche Kräfte, aber diese waren leider zu schwach. Die Russen wirkten aus Nordosten von Warschau und aus Südosten von Iwangorod gegen Lodz und schoben sich zwischen die Truppen, die Lodz in weitem dünnen Kreise umschlossen hielten. So wurde eine bedeutende Truppenabteilung, darunter das 25. Reservekorps unter General Scheffer v. Boyadel, die Garde-Reserve-division unter General Litzmann, ein Kavalleriekorps und eine Brigade des 1. Armeekorps, von den Russen, etwa in der Gegend von Brzeziny, umzingelt. Offene Funksprüche der Russen wurden aufgefangen, in denen bereits Züge für den Abtransport der Gefangenen angefordert wurden, und bei den deutschen Kommandostellen war man seit langem ohne Nachricht über den Verbleib der Truppen. Die Stimmung war sehr ernst. Da bekam ich zusammen mit meinem Beobachter Nordt auf dem Gefechtslandeplatz in Zgierz bei Lodz den Auftrag, die deutschen Truppen in der Gegend von Brzeziny zu suchen. Die Flugzeuge des 1. AK., die der Lage nach in erster Linie für diesen Flug hätten herangezogen werden müssen, konnten diesen Auftrag, bei dem es auf eine Landung in unvorbereitetem Gelände ankam, nicht ausführen; es waren „Tauben", die schon auf dem Flugplatz häufig Kopf standen und instandsetzungsbedürftig wurden. Ein solches Missgeschick war bei dem beabsichtigten Fluge fast mit Sicherheit zu erwarten und hätte die Auslieferung des Flugzeuges an den Gegner bedeutet.
Unser Auftrag wurde uns nur mündlich erteilt, man rechnete damit, dass wir in Feindeshand fielen, und daher durften wir nichts Schriftliches und keine Karte mit Einzeichnungen mit uns führen. Man befürchtete vor allem, dass die abgeschnittenen Truppen über ihre Lage nicht hinreichend unterrichtet seien und Mangel an Munition und Verpflegung hätten, so dass sie nicht zur Armee durchbrechen könnten. Wir sollten also die abgeschnittene Armeeabteilung über die Lage unterrichten, Erkundigungen über die Stimmung und den Kampfwert der Truppen einziehen und der Armeeabteilung den Befehl überbringen, bei Strykow durchzubrechen, wo von außen energisch entgegengearbeitet werden würde.
Der uns erteilte Auftrag lag uns sehr; von unseren früheren Flügen kannten wir die Gegend bei Brzeziny gut und wussten auch, dass dort Landegelände war. Außerdem war das Wetter herrlich, ein klarer Frosttag. Die Entfernung war auch nicht groß. Hin- und Rückflug würden, abgesehen von der Erkundung, je etwa eine halbe Stunde dauern. Die fliegerischen Umstände waren diesmal sehr günstig, umso schwieriger beurteilte man die militärischen Verhältnisse. Zunächst konnten wir die Front, wenn wir nicht sehr viel Zeit verlieren wollten, nur in geringer Höhe überstiegen. Dann mussten wir kurz die Lage erkunden und dabei unsere Truppen suchen, über deren Aufenthalt man seit acht Stunden im ungewissen war. Dann musste ein höherer Stab festgestellt und schließlich in seiner Nähe ein Landeplatz ausgemacht werden. Denn die Zeit reichte nicht, um etwa nach der Landung noch einen größeren Fußmarsch zur Übermittlung der Befehle durchzuführen; hinzu kam, dass wir leicht das Opfer von feindlichen Patrouillen werden konnten, wenn das Gelände uns zwang, allzu weit von unseren Truppen entfernt zu landen. Auf alle Fälle mussten wir darauf gefasst sein, im Falle einer Beschädigung unseres Flugzeuges bei der Landung den Rückmarsch und Durchbruch bei der Truppe mitzumachen. Im Generalkommando befürchtete man, ohne es uns zu sagen, das Schlimmste. Wir merkten nur aus dem Ernst des Abschiedes, dass man kaum mit einem Wiedersehen rechnete.
Wir machten uns schnell zum Fluge fertig, starteten und gingen in 600 Meter Höhe über die Front. Auch damals noch, glaube ich, schossen unsere Truppen auf uns; will aber zu ihrer Ehre annehmen, dass ich mich getäuscht habe. Ganz heftig jedenfalls war die Beschießung durch die Russen, wenn auch erfolglos. Das Flugzeug war wohl in der geringen Höhe zu schnell aus dem Gesichtsfeld entschwunden, als dass ein wirkungsvolles Feuer auf uns hätte abgegeben werden können; jedenfalls blieben wir unversehrt. Nun flogen wir weiter nach Brzeziny und suchten unsere Truppen. Bald fanden wir auch in der Gegend, wo sie zu erwarten waren, lange Marschkolonnen. Der Lage nach konnten es nur die gesuchten Verbände sein. Auch ein Stab schien die Kolonne zu begleiten. Wir setzten also zum Gleitflug an und versuchten mit dem Glase Näheres festzustellen. Auffallend war zunächst, dass wir nicht beschossen wurden.
Oswald BoelckeOswald Boelcke
Manfred Freiherr v. RichthofenManfred Freiherr v. Richthofen
Dann rief mir Nordt plötzlich zu: „Lauter Russen, lauter Russen; beobachtete nochmals mit dem Glase und sagte dann: „Es sind aber auch Deutsche dabei.
Meiner Bitte, festzustellen, wer denn die Gewehre habe, konnte er nicht mehr entsprechen, denn inzwischen waren wir unten, und ich landete etwa parallel zu der Marschkolonne. Während des Ausschwebens konnte ich noch feststellen, dass es sich um russische Gefangene handelte. Wäre mir das nicht möglich gewesen, so beabsichtigte ich, wieder Gas zu geben, und wir hätten unser Glück möglicherweise nochmals an anderer Stelle versuchen müssen. So aber setzte ich, wenn auch noch nicht völlig beruhigt, auf dem großen Feld auf, wir waren bei den gesuchten Truppen. Auch einer anderen Gefahr waren wir bei der Landung aus dem Wege gegangen: eine Anzahl ziemlich großer, auf dem Feld zerstreut umherliegender Steine hatten wir vermieden, sie hätten uns leicht verhängnisvoll werden können. Es war für uns in jeder Beziehung ein Glückstag, denn unmittelbar neben uns hielt ein Divisionsstab des 25. Reservekorps. Aber den Standort des Generalkommandos war dem Divisionsstabe nur bekannt, dass gerade ein Stellungswechsel durchgeführt werde. So sahen wir von einer weiteren Landung bei Exzellenz v. Scheffer-Boyadel ab.
Während mein Beobachter sich unseres Auftrages entledigte, kam ich mit einigen Offizieren ins Gespräch, deren Augen von den kriegerischen Erfolgen leuchteten. Ich konnte mich auch davon überzeugen, dass die Truppen für den in der kommenden Nacht geplanten Durchbruch sowohl genügend Verpflegung als auch besonders Munition hatten. So wandelte sich die besorgte Stimmung in große freudige Erregung. Ein junger Leutnant sagte zu mir: „Was sagen Sie zu uns, sind wir nicht tüchtige Leute! Es wurde mir schwer, seine Freude zu dämpfen, aber ich antwortete ihm: „Das wohl, aber Sie müssen noch schwer kämpfen, Sie sind von der Armee abgeschnitten und wir bringen Ihnen gerade den Befehl, wo Sie die feindlichen Linien durchbrechen sollen.
Kurz bevor wir abflogen, kamen Infanteristen und meldeten in unverkennbar sächsischem Dialekt: „Herr General, da hinten steht noch ’ne Kanone im Sumpf; mein Freund und ich konnten sie nicht herausziehen, es wäre aber doch schade, wenn wir sie stecken ließen!" Nun, die Kanone wurde geholt und der Durchbruch gelang glänzend unter Mitnahme der Gefangenen und der erbeuteten Geschütze. Eine Waffentat ersten Ranges!
Nach Abmeldung beim Divisionsstab flogen wir zurück. Der Start ging auf dem großen Feld glatt vonstatten, einige Steine hatte ich noch hinwegräumen lassen. In großer Kurve umflogen wir den Stab und die Kolonnen und winkten ihnen für die Nacht guten Erfolg. Unsere Stimmung war wunderbar gehoben. Alle Befürchtungen der Generalkommandos, die uns entsandt hatten, waren zerstreut; ja sogar noch ein beachtlicher Erfolg zu melden. Da war es uns dann auch gleichgültig, ob wir etwa beschossen würden. In ganz geringer Höhe ging’s wieder über unsere Linien zurück, und bald landeten wir glatt auf dem Gefechtslandeplatz. Die günstige Meldung, die wir erstatten konnten, wirkte recht belebend; und der kommandierende General Exzellenz von Pannewitz überreichte uns für die gute Durchführung unseres Auftrages das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Dann mussten wir unsere Meldung auch im Generalkommando des 1. Armeekorps erstatten, wo Exzellenz von Scholz über die Nachrichten vom Befinden seiner Brigade sehr erfreut war und uns in liebenswürdiger Weise bewirtete.
Bei einbrechender Dunkelheit flogen wir nach unserem Abteilungsflughafen zurück, landeten dort einmal wieder bei völliger Dunkelheit und ließen es uns im Kameradenkreise bei Abendbrot und Ungarwein gut sein.
Meinen Beobachter und mich täuschte diese allseitige lebhafte Anerkennung für unseren Flug nicht darüber hinweg, dass weniger unsere Leistung der Grund dafür war, sondern mehr der Inhalt der erstatteten Meldung. Wäre die Lage unserer Truppen bei Brzeziny weniger günstig gewesen, so hätten wir mit ungleich größeren Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, aber ich glaube nicht, dass dann die Anerkennung gleich freudig gewesen wäre. Im Kriege wie im ganzen Leben entscheidet eben nicht die Leistung, sondern der Erfolg!
Kriegsflüge über Tsingtau - Von Gunther Plüschow
anz außerordentlich wurde das Fliegen für mich als einzigstem Flieger in Tsingtau erschwert durch den kleinen, von hohen Bergen wie ein Kessel eng umschlossenen Flugplatz und die ganz außerordentlich schwierigen Luftverhältnisse. Durch die hohen, schroffen Gebirge, durch den Wechsel von Land und Wasser und durch die starke Sonnenbestrahlung war die Turbulenz der Luft ganz ungewöhnlich stark und die Luftverhältnisse schon morgens um acht Uhr so ungünstig, wie sie in Deutschland während der heißesten Jahreszeit um die Mittagsstunden kaum vorkommen.
Hinzu kam, dass meine „Taube", welche für normale Verhältnisse zu Hause gebaut war, in dieser dünnen Luft zu schwer war, mein Motor hundert Umdrehungen zu wenig machte und ich mit einem selbstgebauten Ersatzpropeller flog. So konnte ich nicht daran denken, einen Beobachter mitzunehmen. Alles irgend Entbehrliche riss ich aus meinem Flugzeug heraus, um es zu erleichtern. Benzin und Öl wurden so bemessen, dass es eben ausreichte, ja oft ließ ich sogar meine Lederjacke zu Hause, nur um mit dem Flugzeug aus dem Platz herauszukommen.
Denn jeder Start musste glücken; sonst war es um mich und mein Flugzeug geschehen. Und wie oft hat es nur an einem Haar gehangen, dass das Flugzeug nicht zerschellte!
Manchmal, wenn ich nach Süden zu startete, setzten am Ende des Platzes, ungefähr da, wo das Fort Hu-Tchuen-Huk mit dem Meere zusammenstößt, enorme Fallböen ein, das Flugzeug fiel direkt unter mir weg, ich riss es eben noch über die Geschützrohre des Forts frei, dann fiel das Flugzeug wieder schwer durch und oft handelte es sich nur um Handbreiten, dass ich es über dem Meeresspiegel wieder abfing, wo es sich langsam erholte und zu klettern anfing.
Beim besonders schwierigen Stark nach Norden, nach West und Ost kam überhaupt nicht in Frage, musste ich im äußersten Südzipfel des Platzes starken. Nach wenigen hundert Metern musste ich über meinen Schuppen, mehrere Villen und unseren Kirchhof weg, der bereits an einem zirka 150 Meter hohen schmalen Sattel lag, der von beiden Seiten von den Felsmassen des Bismarck-Berges und der Iltis-Berge eingeschlossen wurde. Sowie ich links den Bismarck-Berg hinter mir hatte, kamen die ersten Seitentäler, und aus diesen setzten scharfe Böen ein, mein Flugzeug bekam einen mächtigen Stoß und legte sich schwer nach Steuerbord über, und trotz voller Verwindung konnte ich das Flugzeug nicht wieder aufrichten. Seitensteuer durfte ich nicht geben, um nicht in die Felsen hineinzurennen. So raste denn mein Flugzeug in dieser Stellung mit der rechten Flügelspitze nur wenige Zentimeter von den unter mir liegenden Baumkronen und Felsmassen entfernt durch dieses Höllental hindurch, und ich konnte nichts weiter tun, als mein Steuer mit eiserner Ruhe führen, um nicht unten zu zerschellen. Viel ich dann endlich auf der anderen Seite über dem Wasser der Kiautschoubucht schwebte und mein Flugzeug wieder vernünftig wurde.
Ich will’s gestehen, heiß und kalt hat’s mich bei jedem Start überlaufen, und ordentlich froh war ich, als ich ihn hinter mir hatte und mich höher und höher schraubte, bis ich endlich meine zweitausend Meter erreicht hatte. Das war allerdings eine Geduldsprobe. Manchmal kam ich in einer Stunde hinauf. Gewöhnlich aber dauerte es bis zu eindreiviertel Stunden. Während dieser ganzen Zeit flog ich weit, weit draußen über See, um den Schrapnells, die die Japaner nach mir sandten, zu entgehen.
Was konnte ich noch lange darüber nachdenken, dass ich ein Landflugzeug hatte, und dass ich bei der geringsten Motorpanne ertrinken musste. Es wäre ja doch dasselbe gewesen, als wenn eine Panne oder womöglich ein Volltreffer mich über dem Lande erreicht hätten. Im ganzen Schutzgebiet gab es nur Felsen, Schluchten und außer meinem Flugplatz nicht ein einziges Plätzchen, wo ich hätte heil landen können.
Sobald ich dann über dem Feinde war, drosselte ich den Motor so, dass das Flugzeug die Höhe von selber hielt. Dann hängte ich meine Karte vor mich an das Höhensteuer, nahm Bleistift und Notizheft zur Hand und beobachtete nach unten, zwischen Tragfläche und Rumpf hindurchsehend, den Feind. Das Höhensteuer ließ ich ganz los, und die Seite steuerte ich mit den Füßen.
Eine Stellung umkreiste ich dann so lange, bis ich alles ausgemacht, in die Karte eingetragen, mir genau aufgeschrieben und eine ganz genaue Skizze angefertigt hatte. Ich hatte bald eine solche Übung darin, dass ich oft, ohne überhaupt aufzusehen, eineinhalb bis zwei Stunden nach unten beobachtete und alles genau aufschrieb.
Und wenn mir dann das Genick steif wurde, drehte ich mich um und sah nach der anderen Seite hinunter. Bis ich dann endlich mit meinen Aufzeichnungen zufrieden war und ein Blick auf die Benzinuhr mich belehrte, dass es höchste Zeit sei, umzukehren, um noch meinen Platz zu erreichen.
Mein Flugzeug wurde natürlich während der ganzen Stunden, die ich über den feindlichen Stellungen schwebte, auf das heftigste mit Gewehren und Maschinengewehren beschossen. Und als das nichts half, kamen die Schrapnells. Die waren allerdings eklig.
Als ich an einem herrlichen Morgen mit prächtigem blauem Himmel von einer Aufklärung zurückkam und landen wollte, schwebten über meinem ganzen Landungsplatz lauter kleine weiße Wölkchen in etwa dreihundert Meter Höhe, die von oben ganz allerliebst aussahen. Aber bald merkte ich, dass die Japaner sich wieder einmal einen Scherz mit mir erlaubten, denn die Wölkchen waren Sprengwolken von 10 ½-Zentimeter-Schrapnells.
Aber was half es; Zähne zusammen und durch! Und vier Minuten später stand meine Maschine, aus zweitausend Metern Höhe im Sturzflug kommend, wohlbehalten auf dem Platz; und so schnell ich konnte, rollte ich mit ihr in den Schuppen, dessen Dach durch Erde geschützt war.—
Erste Bomben auf Dünkirchen - Von Wilhelm Siegert
„ as ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn! Verstand ist stets bei Wen’gen nur gewesen!"
Als ich in Metz in den Monaten Februar und April l913 mit der Ausbildung von Nachtflügen begann, wackelten verschiedene Köpfe. Es ging dabei viel besser, als man hatte zu glauben wagen können. Kein ernster Unfall trat ein.