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Nach Hause kommen: Weihnachtsgeschichten
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eBook159 Seiten1 Stunde

Nach Hause kommen: Weihnachtsgeschichten

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Über dieses E-Book

Und wieder naht sie, die schönste Zeit des Jahres – Weihnachten!
Doch ist es wirklich noch die schönste Zeit? Die Zeit, die mit so viel geheimnisvollem Zauber als Fest der Liebe gilt? Oder bedeutet sie nur noch Kommerz, Hetze und Einsamkeit?

18 Autoren versuchen diese besondere Zeit in ihren Geschichten und Gedichten einzufangen und stoßen doch an die Grenzen, die uns die heutige Zeit vielfach mit auf den Weg gibt. Aus dem Fest der Liebe wird oftmals eine Feier, die aus Pflichtbesuchen, überhöhten Erwartungen und viel Kommerz besteht. Den Zauber finden wir nur noch in unserer Fantasie.
Vielleicht sollten wir uns alle in diesem Jahr einen dreitägigen Stromausfall wünschen, damit die Strahlkraft dieses Festes wieder zu uns zurückkehrt.

Nehmen wir dieses Buch so, wie es entstanden ist. Als ein Nachdenken darüber, wie wir den Zauber und die Liebe wieder in unser Leben lassen können – lassen Sie uns wieder nach Hause kommen …
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum6. Nov. 2018
ISBN9783746777269
Nach Hause kommen: Weihnachtsgeschichten

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    Buchvorschau

    Nach Hause kommen - Autorengruppe Weihnachtsgeschichten

    Grafik8

    Andersautor Alexander Brummer († 2018)

    Wie jeden Morgen im Dezember rannte Paul Anstifter – kaum, dass er mit einem Bein aus dem Bett gekrochen war – mit ungestümer Vorweihnachtsfreude zu seinem Weihnachtskalender, der an seinem Stammplatz an der Treppe baumelte. Mit großen Augen öffnete er sein allerletztes Türchen und rief begeistert: »Hurra, heute ist Weihnachten. Hurra! Endlich, endlich, endlich! Solange hatte es gedauert.«

    Die Wartezeit war dem Jungen nahezu unendlich vorgekommen.

    Heute durfte er das größte Türchen öffnen. Das war bestimmt dreimal so groß wie die vorherigen. Das, was er nun in seinen Händen hielt, sah sehr geheimnisvoll aus: Es steckten ein, in glitzerndes Goldpapier verpackter, Schokoladenengel und eine kleine Schachtel drin. Vorsichtig öffnete er ihren Deckel. Aus der Schachtel kamen eine bunte Lichterkugel, mit einem Anschaltknopf sowie eine Weihnachtskarte zum Vorschein. Was es wohl damit auf sich hatte? Als er sich das Kärtchen näher anschaute, waren darauf nur lauter unbekannte Buchstaben, Ziffern und Symbole zu erkennen, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Nur den letzten Satz von der Karte konnte er entziffern.

    Da stand zu lesen: »Lieber Paul! Hab noch ein bisschen Geduld, der Weihnachtsmann erklärt dir erst heute Abend, was die Winterzauberkugel alles kann! Aber den Schokoladenengel, den darfst du schon jetzt verputzen.«

    Das ließ Paul sich nicht zweimal sagen. Ungeduldig pfriemelte er das Goldpapier ab und ließ sich die Schokolade schmecken. Die geheimnisvolle Schachtel ließ er vorerst in seiner Pullovertasche verschwinden und marschierte dann mit Schokoladenfingern in Richtung Küche, um zu frühstücken. Dabei lief er auch am großen Fenster vorbei. Die letzten Tage im Advent hatte er besonders gespannt hinausgeschaut, um zu gucken, welche Laune das Wetter hatte. Er sehnte sich so sehr nach Schnee. Aber auch an diesem Tag sah alles nur matschig und grau aus – dabei war doch Weihnachten … Warum zeigte das Wetter keine Weihnachtsstimmung? Seit ein paar Jahren gab es zu Weihnachten einfach keinen Schnee mehr. Das machte Paul unglaublich traurig. Vorletztes Jahr hatte er vom Weihnachtsmann Skier bekommen, aber es gab keinen Schnee. Noch nie hatte er sein Geschenk ausprobieren können und es stand seither nutzlos in der Garage. Im letzten Jahr hatte er einen neuen Schlitten bekommen, auch den konnte er noch nie benutzen. Der Schlitten lehnte ebenso verloren an der Garagenwand, wie die dicken Schneestiefel. Irgendwo mussten zwischen all den Sachen auch noch seine Schlittschuhe verkramt sein. Die hatte er bisher nur einmal ausprobieren können, als er mit seiner Mutter zu einer weit entfernten Schlittschuhhalle in der Stadt gefahren war, weil der See im Ort einfach nicht zufrieren wollte. Dass er auch in diesem Jahr ein Geschenk bekommen würde, für das man Schnee oder gar Eis bräuchte, glaubte er nicht. Die wenigen Matscheflocken, die gerade vom Himmel herabfielen, sahen nicht besonders vielversprechend aus. Nein, das Wetter hatte absolut keine gute Laune und die Weihnachtsferien versprachen nichts als Stubenhockerei, wie Mama es nannte, wenn man wegen des Wetters nicht raus gehen konnte. Wie zum Ausgleich, blinkerte und blitzte es in der Straße, in der Paul mit seiner Mama wohnte, an jedem Haus. Man könnte denken, die Bewohner hätten im Lotto gewonnen und das ganze Geld nur in die Weihnachtsbeleuchtung gesteckt, so viel wurde geschmückt. An jedem Haus sah man grellbunt dekorierte Fenster und Lichterketten zierten sämtliche Tannen, Fichten und Sträucher. Pauls Mama behauptete, Nachbarin Rosa hätte dieses Jahr eine besonders pompöse Beleuchtung gekauft, weil sie mit ihrem Erzfeind, Nachbar Seitenhieber, einen heimlichen Wettstreit starten wollte. Sieger des Jahres sei derjenige, der die meisten Lichter in den Bäumen hängen hatte. So war die ganze Straßenseite alleine von den beiden Nachbarn, selbst mitten in der Nacht, taghell beleuchtet.

    Mama und Paul hatten nur einen großen beleuchteten Weihnachtsmann sowie eine schöne Sternschnuppe an der Garage hängen und das Wohnzimmerfenster war reich beklebt mit selbst gebastelten Sternen und Engeln. Außerdem hatte Paul das ganze Wohnzimmer mit seinen Lichtspielzeugen aus dem Adventskalender bestückt. Bunte Lichtkreisel, blinkende Flummy-Bälle, Murmeln, die im Dunkeln leuchteten zierten das Fenstersims. Seine neue Lichtkugel passte bestimmt ganz hervorragend dazu. Paul liebte solche Spielzeuge sehr und auch das bunte Farbenspiel da draußen fand er unheimlich toll. Ein einziges Lichtermeer. Er konnte sich kaum daran sattsehen und lehnte sich nach dem Frühstück stundenlang auf die Fensterbank, um das Lichtspektakel zu genießen. Der Einzige, der in der Straße nicht mal ein winziges Lichterspiel aufgehängt hatte, war Pauls Lieblingsnachbar Gandalf von Gegenüber. Gandalf hieß eigentlich Gunnar, aber alle Kinder in der Straße nannten den alten Mann Gandalf, weil er mit seinen langen grauen Haaren und dem weißen Bart genauso aussah, wie der alte, weise Mann aus dem Film Herr der Ringe. Bei Gandalf gab es am Fenster nicht eine einzige bunte Kugel zu sehen, keine Lämpchen, keine Kerzen, geschweige denn leuchtende Sterne. Der Anblick machte Paul noch trauriger und seine Weihnachtsstimmung verflog so schnell, wie sie gekommen war. Für den Jungen war eines ganz klar: Wer zu Weihnachten sein Haus nicht schmückt und es nicht, wie all die anderen, in ein großes schimmerndes Farbenmeer verwandelt, ist nicht glücklich und lebt nicht richtig! Vor Gandalfs Fenstern hingen nur trostlose graue Vorhänge herab und im Zimmer hinter den Fenstern war es immer dunkel. Dass der alte Mann etwas sonderbar geworden war, seit vor zwei Jahren seine geliebte Frau Else starb, wusste Paul. Mama sagte sogar manchmal, er sei recht wunderlich geworden. Paul konnte die Traurigkeit des alten Mannes gut verstehen. Auch er hatte vor gut zwei Jahren seine Großeltern verloren und wusste daher, wie es sich anfühlte, wenn plötzlich jemand Wichtiges im Leben fehlte. Erst war der Opa gestorben und kurz darauf war die Oma hinterhergegangen, wie Mama erklärte. Das war eine ganz schlimme Zeit gewesen. Damals war es Mama und ihm ganz schlecht gegangen und nichts war mehr so wie vorher. Auch jetzt noch gab es immer wieder Tage, wo die Großeltern ganz arg fehlten. In der Weihnachtszeit war es besonders schlimm. So ähnlich musste es wohl auch für Gandalf sein, dachte sich Paul. Mama sagte immer, dem Eigenbrötler von nebenan sei die Einsamkeit ins Gesicht geschrieben, weil seine Mundwinkel immer ganz weit nach unten gezogen waren und er anderen Menschen nie ein Lächeln schenkte. Aber für Paul hatte der alte Mann manchmal ein kleines Lächeln im Gesicht, wenn sie sich zum Beispiel im Sommer beim Entenfüttern am nahegelegenen See trafen oder wenn sie sich zufällig in dem alten Trödelladen an der Ecke begegneten, um in den verstaubten Regalen zu stöbern. Für Paul war Gandalf, mit der Zeit, zu einer Art Opa-Ersatz geworden. Der Junge hörte ihm gerne zu, wenn er von seinen Erlebnissen aus der Kindheit erzählte und manchmal sprachen sie auch über die Schule. Darüber, wie es früher war und was heute alles anders ist. Einige Male waren sie gemeinsam zum Bäcker gegangen und kauften dort Kekse oder ein Stück Butterkuchen, um die Leckereien hinterher auf der Bank am See zu verspeisen. Doch seit der Herbst angebrochen war, hatte Paul den alten Mann kaum noch gesehen. Den ganzen Advent über hatte der sich nicht einmal auf der Straße oder im Vorgarten blicken lassen und im Trödelladen waren sie sich auch nicht mehr über den Weg gelaufen. Ob der alte Mann wohl Pauls Hilfe brauchte?

    Der Gedanke ließ Paul einfach nicht los. Den ganzen Vormittag ratterte es wie verrückt in seinem Kopf, sodass er darüber sogar die geheimnisvolle Schachtel in seinem Pullover vergaß.

    Weil sein Gedankenkarussel einfach nicht stillstehen wollte, fasste er einen Entschluss: Dem alten Gandalf musste geholfen werden. Nur wie und womit? Das war die große Frage.

    Am Nachmittag konnte Paul einen Blick in Gandalfs Wohnzimmer erhaschen. Dort saß der alte Mann zusammengekauert in seinem Schaukelstuhl und starrte sinnlos ins Leere. Paul konnte sich die Tränen nicht verkneifen und ihm rannen vor lauter Mitleid ein paar dicke Tropfen die Wangen hinunter. Ich muss ihm helfen, dachte er immer wieder, ich muss es einfach! Mal schauen ob Mama eine Idee hat, überlegte er und wischte sich die Tränen am Pulloverärmel ab. Aber ob Mama ihm auch weiterhelfen konnte, war die Frage. Sie fand nämlich, dass Gandalf ein ganz komisch-seltsam-merkwürdig-verkauzter alter Kauz war. Ja, genauso sagte sie das immer.

    Als Pauls Mutter, am späten Nachmittag, endlich von der Arbeit Heim kam – sie arbeitete in einem Krankenhaus und musste daher sogar am Heiligen Abend »ranrauschen«, wie sie es formulierte, stürmte der Junge ihr sofort entgegen. »Mama, Mama, du musst mir unbedingt helfen«, rief er und zerrte seine Mutter zum Fenster. »Schau mal, wie traurig und alleine Gandalf in seinem Schaukelstuhl sitzt. Wir müssen was machen. Wir müssen ihm helfen! Hast du eine Idee?«

    »Jetzt beruhig dich erst mal«, sagte Pauls Mama und strich ihrem Sohn vorsichtig über den Kopf. »Du bekommst ja kaum Luft beim Sprechen.« Sie warf ihre Haustürschlüssel auf das kleine Schränkchen im Flur. Dann sagte sie: »Weißt du, wir haben heute keine Zeit. Heute ist doch Heiliger Abend. Hast du das etwa vergessen? Wir müssen jetzt unsere Sachen packen und dann zu Tante Mira und Onkel Bernd fahren. Die warten doch schon auf uns und der Weihnachtsmann kommt doch auch noch vorbei und will …« Aber Paul ließ seine Mutter nicht ausreden. Enttäuscht rief er mitten in ihren Satz hinein: »Ach Mann«, und lief tränenüberströmt in sein Zimmer. Er hatte plötzlich gar keine Lust mehr zu den doofen Verwandten zu fahren und was der Weihnachtsmann wollte, war gerade auch überhaupt nicht wichtig. Viel lieber wollte er sich zusammen mit Mama, etwas Schönes für Gandalf ausdenken und den Weihnachtsabend mit dem einsamen Mann verbringen. Nachdem Mama sich schnell die Schuhe und die Jacke ausgezogen hatte, folgte sie ihrem Sohn ins Zimmer. »Paul«, meinte sie tröstend, »ich verspreche dir, dass

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