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Tavith (Band 3): Wenn Finsternis und Licht sich begehren
Tavith (Band 3): Wenn Finsternis und Licht sich begehren
Tavith (Band 3): Wenn Finsternis und Licht sich begehren
eBook604 Seiten

Tavith (Band 3): Wenn Finsternis und Licht sich begehren

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Über dieses E-Book

Ein Kuss, der beide glauben lässt. Eine Schlacht, die sie erschüttert. Und ein Bündnis, das ihre Welten vereinen soll.

Nachdem der Tavith Kasimir die Engelsheerführerin Nelafina befreit hat, soll er seinen Pflichten als Dämonenfürst nachkommen und das Bündnis der Engel mit dem Höllenreich des Feuers besiegeln. Deswegen muss er eng mit Nelafina zusammenarbeiten, was eine Herausforderung darstellt. Die beiden wissen nach nur einem Kuss, dass sie füreinander bestimmt sind, doch es gibt einen Haken: Sie dürfen lediglich ein einziges Mal miteinander schlafen, ohne dass Kasimir ihr als Halbinkubus schadet. Während sie versuchen, dem verheißungsvollen Knistern zwischen ihnen zu widerstehen, braut sich im Hintergrund eine Gefahr zusammen. Ihr gemeinsamer Feind hat nämlich im Stillen Pläne geschmiedet und ebenfalls mächtige Verbündete gewonnen. Hat ihre Liebe überhaupt eine Chance, wenn im wahrsten Sinn des Wortes die Hölle über sie hereinbricht und die Vernichtung des Himmels mitsamt seinen Alliierten droht?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum3. Dez. 2021
ISBN9783038962281
Tavith (Band 3): Wenn Finsternis und Licht sich begehren

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    Buchvorschau

    Tavith (Band 3) - Philina Hain

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Informationen zum Buch

    Impressum

    Widmung

    Weltkarte

    Die Höllenhierarchie

    Die Himmelshierarchie

    Prolog - Ausflug in den Himmel

    Kapitel 1 - Ihr Kryptonit

    Kapitel 2 - Ein einziger Makel

    Kapitel 3 - Ich bin genial!

    Kapitel 4 - Viele Talente

    Kapitel 5 - Was sollte der Mist?

    Kapitel 6 - In Satans Namen

    Kapitel 7 - Herr, steh mir bei

    Kapitel 8 - Spinner

    Kapitel 9 - Lasst die Jagd beginnen

    Kapitel 10 - Bringer der Apokalypse

    Kapitel 11 - Jenseits der Abgründe

    Kapitel 12 - Wie ein Nullachtfünfzehn-Stalker

    Kapitel 13 - Brodelnde Gerüchteküche

    Kapitel 14 - Das Blutbad

    Kapitel 15 - Sie war der Teufel!

    Kapitel 16 - Die coolen Kids

    Kapitel 17 - Goldene Federn

    Kapitel 18 - Da waren’s nur noch zwei

    Kapitel 19 - Sein Engelchen

    Kapitel 20 - Schon immer

    Kapitel 21 - Entgegen jeder Vernunft

    Kapitel 22 - Asse und Joker

    Kapitel 23 - Die Hochzeitszeremonie

    Kapitel 24 - Obwohl. Nicht weil.

    Kapitel 25 - Rak’dan Zhath

    Kapitel 26 - Weiße Flammen

    Kapitel 27 - Er würde sie auffangen

    Kapitel 28 - Angefixt

    Kapitel 29 - Gemeinsam jung bleiben

    Kapitel 30 - Gruppentreff und Spekulationsrunde

    Kapitel 31 - Der Auftragsmord

    Kapitel 32 - Kein Problem

    Kapitel 33 - Der Maßstab aller Dinge

    Kapitel 34 - Genug gezögert

    Kapitel 35 - Zwei Ewigkeiten

    Kapitel 36 - Der Anfang vom Ende

    Kapitel 37 - Gerissener Bastard

    Kapitel 38 - Alles, was zählt

    Kapitel 39 - Abertausende Fragmente

    Kapitel 40 - Zerplatzte Träume

    Kapitel 41 - Die Krönung

    Kapitel 42 - Tochter des Todes und Lebens

    Kapitel 43 - Hoffnungslos verloren

    Epilog - Friedvoller Hafen

    Nachwort

    Verzeichnis

    Philina Hain

    Tavith

    Band 3: Wenn Finsternis und Licht sich begehren

    Fantasy

    Tavith (Band 3): Wenn Finsternis und Licht sich begehren

    Ein Kuss, der beide glauben lässt. Eine Schlacht, die sie erschüttert. Und ein Bündnis, das ihre Welten vereinen soll.

    Nachdem der Tavith Kasimir die Engelsheerführerin Nelafina befreit hat, soll er seinen Pflichten als Dämonenfürst nachkommen und das Bündnis der Engel mit dem Höllenreich des Feuers besiegeln. Deswegen muss er eng mit Nelafina zusammenarbeiten, was eine Herausforderung darstellt. Die beiden wissen nach nur einem Kuss, dass sie füreinander bestimmt sind, doch es gibt einen Haken: Sie dürfen lediglich ein einziges Mal miteinander schlafen, ohne dass Kasimir ihr als Halbinkubus schadet. Während sie versuchen, dem verheißungsvollen Knistern zwischen ihnen zu widerstehen, braut sich im Hintergrund eine Gefahr zusammen. Ihr gemeinsamer Feind hat nämlich im Stillen Pläne geschmiedet und ebenfalls mächtige Verbündete gewonnen. Hat ihre Liebe überhaupt eine Chance, wenn im wahrsten Sinn des Wortes die Hölle über sie hereinbricht und die Vernichtung des Himmels mitsamt seinen Alliierten droht?

    Die Autorin

    Philina Hain, geboren im September 1994, wuchs auf der Ostseeinsel Fehmarn auf. Mittlerweile lebt die zweifache Katzenmama mit ihrem Mann in Sachsen, wo sie ihre Zeit am liebsten mit Schreiben, Bouldern und Bauchtanz verbringt. Da sie schon seit ihrer Kindheit dichtet und Geschichten verfasst, besuchte sie bereits im Alter von elf Jahren ihre ersten Schreibworkshops. Als Teenager verlor sie dann ihr Herz an romantisch-magische Erzählungen, weshalb sie auch in den Genres ›Romantic Fantasy‹ und ›Paranormal Romance‹ ihre eigenen Bücher schreibt.

    www.sternensand-verlag.ch

    info@sternensand-verlag.ch

    1. Auflage, Dezember 2021

    © Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2021

    Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

    Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röllig

    Korrektorat 2: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

    Satz: Sternensand Verlag GmbH

    ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-227-4

    ISBN (epub): 978-3-03896-228-1

    Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Für Sören.

    Selbst wenn alle Stricke reißen,

    ist da noch deine Hand,

    die mich festhält.

    Prolog - Ausflug in den Himmel

    Vor sechs Jahrtausenden

    Pheromone lagen schwer in der Luft, er verströmte sie unaufhörlich, machte andere dadurch gefügig.

    Als ob er das nötig hätte! Wohin auch immer er ging, verharrten alle, um ihn anzustarren und mit ihren Blicken auszuziehen. Wann immer er sprach, seufzten Unsterbliche beim Klang seiner Stimme. Und wenn er jemandem ein Lächeln schenkte, konnten sie gar nicht schnell genug mit ihm in einer dunklen Gasse, ihrer Behausung oder einem Etablissement verschwinden, um es mit ihm zu treiben.

    So war es auch der Dämonin ergangen, die gerade unter ihm im Bett lag. Er hatte lediglich in einem Höllendorf rasten und in einem Lokal etwas essen und trinken wollen, da war sie ihm über den Weg gelaufen.

    Ihre rötlichen Schuppen durchbrachen nur stellenweise die Haut an Armen und Beinen, sie besaß langes schwarzes Haar, und ihre roten Hörner wanden sich am Kopf nach hinten. Sie war hübsch, aber selbst wenn sie es nicht gewesen wäre, hätte er sich mit in ihren Bungalow nehmen lassen. Denn während seines Marsches durch die Unterwelt begegneten ihm auf den Straßen nicht allzu viele Unsterbliche, die er verführen könnte. Davon hing allerdings sein Überleben ab, also nutzte er seine Aufenthalte in Siedlungen und Städten dafür.

    Die Dämonin stöhnte an seinen Lippen und er ließ seine Zunge in ihren Mund gleiten. Soeben hatten sie sich ihrer Kleidung entledigt, sodass sie nun ihre nackten Beine um seine Hüfte schlang.

    Er griff zwischen ihre Körper, positionierte seine Erektion an ihrer Mitte und drang mit einer kraftvollen Bewegung in sie ein.

    Ihre Augen rollten zurück und sie gab erneut ein Stöhnen von sich, tiefer als zuvor.

    Seine Sexpartner hatten ihn des Öfteren als Inkubus bezeichnet und als solcher wusste er immer, was andere wollten. Bei dieser Dämonin hatte er gespürt, dass sie sich nur nach einem kurzen, harten Fick sehnte.

    Das kam ihm gelegen, denn er zählte zu einer der stärksten und seltensten Dämonenarten. Sie wurden nicht schwächer, wenn sie keinen Sex hatten, sondern stärker und das so lange, bis sich ihre Körper von innen heraus zerstörten.

    Er war jedoch anders als gewöhnliche Inkubi, war irgendwie … komplizierter. In seinem Inneren nahm er nämlich zwei Energien wahr. Die eine – die Inkubus-Energie – konnte er nur während eines Höhepunktes an seine Sexpartner abgeben und dadurch verhindern, sich selbst zu zerstören. Die andere diente seinen Fähigkeiten und wurde verbraucht, wenn er sich beispielsweise von Verletzungen heilte. Sie stellte sich aber mit der Zeit wieder her.

    Aus welchem Grund auch immer, er war besonders. Und das nicht nur wegen seiner beiden unabhängigen Lebensenergien, sondern auch wegen der goldenen Augen und der Flügel an seinem Rücken, die nicht zu einem Höllengeschöpf passten.

    Die Dämonin griff nach dem Kopfteil des Bettes, hielt sich fest und reckte ihm ihre Hüfte entgegen. Er unterbrach den Kuss, schaute in ihre lustverschleierten Züge und zog sich aus ihr zurück, nur um sich sofort wieder in ihr zu versenken. Wieder und wieder.

    Ein flüchtiger Blick auf den Silberring an seinem Mittelfinger versicherte ihm, dass das magische Schmuckstück an Ort und Stelle saß. Es würde verhindern, dass er sich während des Höhepunktes in seine Sexpartner ergoss, was zwar körperlich nicht allzu befriedigend war, aber zum Überleben reichte und die Chancen auf Nachkommen ausmerzte. Er müsste lediglich in jemandem zum Höhepunkt kommen, damit sein Körper alle Schutzschilde fallen ließ und Energie an andere abgab – gleichgültig, ob beim Sex oder Oralsex, und egal, ob mit Mann oder Frau.

    Dass er kein magisches Sperma besaß, lag eigentlich auf der Hand. Wenn er zu einer Dämonenart zählte, sollte es theoretisch auch Frauen seiner Rasse geben und es bei denen ähnlich mit der Abgabe ihrer Lebensenergie funktionieren. Einziger Unterschied? Jemand musste in ihnen sein, wenn sie kamen.

    Mit jedem seiner Stöße knallte das Bett gegen die Wand und übertönte beinahe die Lustschreie der hübschen Fremden. Ihre inneren Wände zogen sich um ihn zusammen, als sie kam.

    So sexy.

    Endlich packte ihn die Leidenschaft und ließ für nichts anderes Raum als für Begehren.

    »Mehr!« Die Dämonin vergrub die Krallen einer Hand in seinem Hintern und spornte ihn zu einem schnelleren Rhythmus an.

    Verflucht … gut. Gleich …

    Jeder Muskel seines Körpers spannte sich abrupt an. Sein Höhepunkt rauschte durch ihn hindurch, und er warf den Kopf zurück, um ein lautes Stöhnen von sich zu geben. In diesem Augenblick verließ ihn endlich ein Teil seiner Lebensenergie, sodass die Menge erträglich wurde.

    Die Hübsche unter ihm spürte seine Energie in sich – wie ein Junkie, der sich gerade einen Schuss gesetzt hatte – und kam erneut, zog sich wieder um seinen Schwanz zusammen.

    Cuesh! Scheiße, ja!

    Auch wenn er sich gerade nicht in sie ergoss, hinterließ sein Orgasmus ein Gefühl der Befriedigung. Vor allem bedeutete der Höhepunkt, dass er sich nicht von innen heraus zerstören würde. Zumindest nicht in den nächsten Tagen.

    Schwer atmend sackte er auf der Dämonin zusammen, besann sich dann aber darauf, Abstand zwischen sie zu bringen. Also glitt er aus ihr und setzte sich auf die Bettkante.

    Einerseits bereitete ihm körperliche Nähe, die Zuneigung suggerierte, Unbehagen. Andererseits durfte er kein Risiko eingehen, dass seine Bekanntschaft erneut mit ihm schlafen wollte und er sich dazu überreden ließ. Dadurch würde er sie von sich abhängig machen und das Einzige, was sie von seiner Wirkung befreien würde, wäre ihr Tod.

    Seine Lebensenergie war die potenteste Droge, die es gab.

    Hilfreich bei der Wahl seiner Sexpartner war, dass er als Inkubus die Gerüche anderer nicht nur wahrnahm, sondern sogar die einzelnen Nuancen herausfiltern konnte. Das verriet ihm, ob jemand noch Jungfrau oder bereits erfahren war. Und wenn er mit einem Geschöpf geschlafen hatte, blieb ihm der Geruch der- oder desjenigen für immer im Gedächtnis – ganz anders als Namen oder Gesichter. Dadurch ließ sich vermeiden, dass er selbst nach mehreren Jahren versehentlich erneut mit derselben Person schlief.

    Die Matratze wippte, Laken raschelten hinter ihm. »Komm zurück ins Bett«, bat die Dämonin in verführerischem Tonfall.

    Unzählige Male hatte er diese Bitte gehört und würde sie wohl auch noch zukünftig etliche Male hören. Einerseits genoss er es, dass andere ihn begehrten, ihm auf eine Art nahe waren, die kein Leid bedeutete, sondern Vergnügen. Andererseits fragte er sich, ob das alles war, was sein Leben fortan für ihn bereithielt – umherreisen und herumvögeln.

    Er musste durch die Hölle streifen, denn durch seine Erscheinung erregte er Aufsehen, was im schlimmsten Fall in seiner Gefangennahme resultieren könnte. Erneut. Außerdem war er stets auf der Suche nach neuen Bettpartnern.

    Er drehte sich zu der Dämonin um und schenkte ihr ein geschultes Lächeln, das sie verträumt seufzen ließ. »Später.« Er fuhr mit dem Finger ihr Kinn entlang, ehe er die Hand sinken ließ. »Schlaf.«

    Er hasste es, zu reden. Ihm wurde jedes Mal bewusst, dass ihn nie jemand irgendeine Sprache richtig gelehrt hatte, und all die Wortfetzen, die ihm über die Lippen kamen, erinnerten ihn daran, dass er im Käfig eines Höllenzirkus aufgewachsen war.

    Als Baby war er dort von einer Sklavin versorgt worden und man hatte ihn herumgezeigt, da er ja ach so besonders war – warum auch immer. Die Faszination hatte nicht lange angehalten und sich in etwas Düsteres verwandelt. Seine Qualen, seine Schreie hatten der Unterhaltung gedient. Schon bald hatte er gelernt, dass ein Zirkuszelt mit vielen Besuchern Leid bedeutete. Und wegen seiner stärker werdenden Heilungskräfte hatte man ihm viele schlimme Dinge antun können, die andere Kinder nicht überlebt hätten.

    Ein Teil von ihm war auch gestorben, als sein Hirn aufgehört hatte, Schmerzsignale zu verarbeiten, und bald darauf nur noch Taubheit und Gleichgültigkeit in ihm zurückgeblieben waren. Was Angst war, geriet bereits in Vergessenheit.

    Man hatte ihn damals auf so viele unterschiedliche Arten gefoltert und er hatte es durchgestanden. Man hatte ihm Leid zugefügt, das andere brechen würde, und er hatte es überlebt. Also, wovor sollte er sich auf dieser Welt noch fürchten und warum?

    Richtig, vor nichts, weil es keinen Grund mehr dafür gab.

    Seine Gedanken kehrten zu dem letzten Tag zurück, an dem er Schmerzen empfunden hatte. Man hatte ihn in Brand gesetzt, die Flammen hatten sich an seinem Körper emporgewunden, Haut, Muskeln und Sehnen mit gierigen Mäulern gefressen. Rauch und Asche hatten seine Lunge gefüllt, seine Schreie erstickt. Seine Sicht verschwamm, lediglich kleine Funken blitzten klar und deutlich vor seinen Augen auf und für einen Sekundenbruchteil stand die Welt still. Etwas in seinem Inneren flüsterte, dass nicht das Feuer, sondern der Schmerz sein Feind sei. Ein Schalter legte sich in seinem Inneren um, Schmerz verblasste, verschwand gänzlich. Inmitten des Infernos lächelte er, als gäbe es keinen Ort, an dem er lieber wäre.

    Doch dann war die Realität zu ihm durchgedrungen, dass er noch immer ein Sklave in einem Höllenzirkus war.

    Spielt keine Rolle, rief er sich ins Gedächtnis.

    Er war nicht mehr wehrlos und schwach, wurde nicht mehr verspottet, sondern begehrt. Alle, die ihn wollten, würden ihm gehören – wenn er nur zweimal mit ihnen schlief – und sie würden alles tun, was er von ihnen verlangte, außer sich von ihm fernhalten oder ihn anderen überlassen.

    Es hatte schon einige Blutbäder gegeben, bei denen sich Unsterbliche gegenseitig getötet hatten, nur um ihn für sich allein zu haben.

    Anfangs hatte er sich geschmeichelt gefühlt und bei seiner Vorgeschichte … Nun, es war berauschend gewesen. Doch mittlerweile nervte ihn dieser Umstand und das Einzige, was er dagegen tun konnte, war, nur ein Mal mit einer Person zu schlafen, damit diese ihm nicht verfiel. Das nervte ihn ebenso. Ein Mal war kein Mal.

    Die Dämonin zog einen Schmollmund und ließ sich in die dunklen Kissen sinken. Kurz darauf fielen ihre Augen zu. Ihre Atemzüge wurden langsam und gleichmäßig.

    Er legte den Kopf in den Nacken und sah zur Decke des überschaubaren Bungalows.

    Eigentlich stimmte es nicht, dass ihn nie jemand eine Sprache gelehrt hatte. Manche Sklaven und andere Gefangene im Zirkus hatten ihm Worte und ganze Sätze beigebracht, nur leider in der allgemeingültigen Sprache der Unsterblichen, da diese leicht verständlich war. In der Hölle unterhielten sich aber fast alle auf Dämonisch, also hatte er sich selbst ein wenig davon beigebracht oder … es versucht. Dämonisch war unglaublich kompliziert.

    Mit einem Mal knisterte die Luft im Schlafgemach, jemand schien sich hierher zu … Ihm fiel das Wort nicht ein. Wie nannte man es noch, wenn jemand aus dem Nichts auftauchte?

    War ja auch egal. Er hoffte nur, dass die Dämonin hinter ihm keinen Partner besaß, der hier aufkreuzen und ein Theater veranstalten würde. So was Nervtötendes. Das Konzept von Partnerschaften verstand er sowieso nicht.

    Ein Mann tauchte nahe der Tür auf. Er trug einen langen Mantel und eine Hose – beides aus Leder – und dazu Stiefel. Die Haut seines Oberkörpers war voller Zeichnungen, die bis zum Hals und zu den Handgelenken reichten. Er besaß definierte Muskeln und recht kurzes schwarzes Haar, das oben länger war als an den Seiten. Vor sein Gesicht hielt er sich ein merkwürdiges Gerät, durch das er atmete. Seine goldenen Augen wirkten kalt und doch verfügte er über ein gewisses Temperament, das ihn wie eine Aura umgab.

    Sie starrten einander an, keiner sagte etwas. Da der Fremde durch dieses merkwürdige Gerät Luft holte, atmete er die Pheromone, die gerade in der Luft lagen, nicht ein und hatte offenbar gewusst, wer und was ihn erwarten würde. Dann sollte er auch erklären, was er hier wollte – hoffentlich in simplen Sätzen.

    »Mein Name ist Kendric«, sprach der Fremde schließlich mit tiefer, samtiger Stimme, obwohl diese durch das Gerät ein wenig verzerrt wurde. »Ich würde gern ungestört mit dir reden.«

    Reden? Guter Witz.

    Ehe er dazu kam, diesen Gedanken laut zu äußern, standen er und der Fremde namens Kendric auf dem Dach des Hauses. Hier war die Luft sogar noch drückender als drinnen, die Hitze der Hölle konnte allerdings weder ihm noch dem Fremden etwas anhaben.

    Der Mann namens Kendric nahm das Gerät von seinem Gesicht und es ging in seinen Händen in schwarzen Flammen auf. »Du kannst dich also auch teleportieren, wenn du die Energieströme so klar siehst.«

    Er sollte in der Lage sein, sich zu teleportieren? Das wäre … nützlich.

    Moment, woher wusste der Kerl …?

    »Ich bin ein Gedankenleser«, erklärte der Fremde und auf seinen Lippen erschien ein verwegenes Lächeln. »Deswegen brauche ich auch nicht nach deinem Namen zu fragen. Du besitzt keinen und bevor du mir deine Attraktionsnummer aus dem Höllenzirkus verrätst … Was hältst du von Marbas?«

    Ein Gedankenleser. Wie … nervig.

    Der Fremde gab ein leises, raues Lachen von sich. »Du findest wohl so ziemlich alles nervig. Aber was ist jetzt? Darf ich dich Marbas nennen?«

    Marbas … Ich bin Marbas.

    Ja, das klang nicht schlecht.

    Er zuckte mit den Schultern.

    Kendric verdrehte die Augen. »Nun denn, Marbas, du weißt nicht viel über unsere Welt, oder? Möchtest du mehr darüber erfahren?«

    Marbas sah sich um, blickte bis zum Horizont. Weit und breit nur Hölle, und wenn er eins über diese Welt gelernt hatte, dann dass die Starken tun und lassen durften, was auch immer sie wollten, und dass die Schwachen sich mit ihrem Schicksal abfinden mussten.

    Erneut lachte Kendric leise. »Die Hölle ist zwar groß, doch nur ein Teil dieser Welt.«

    Wieder teleportierte der Fremde sie beide, aber dieses Mal rasten sie auf die Decke der Hölle zu. Marbas wandte sich ab, kniff die Augen zusammen und machte sich auf den Aufprall gefasst. Dieser blieb allerdings aus. Schon im nächsten Moment schlug ihm kühler Wind entgegen. Er roch … frisch. Rein.

    Marbas öffnete die Augen und ihm schlug das Herz bis zum Hals. Er stand auf einem Berg. Warmes, helles Licht strahlte von einer blauen Decke auf ihn herab. Es brachte das Wasser vor ihm zum Glitzern. Dieses war sogar ebenfalls blau und reichte bis zum Horizont.

    Als eine weitere Windböe ihn traf, roch er etwas Salziges und so unsagbar vieles, was er noch nie zuvor wahrgenommen hatte.

    Unter ihm am Berg gab es keine karge Einöde, sondern Pflanzen, die nicht giftig zu sein schienen, wenn sie Insekten und Tieren als Heimat dienten. Alles war grün. So wunderschön grün, blau und hell war es hier.

    »Du bist wirklich noch wie ein Kind«, murmelte Kendric neben ihm. »Das hier nennt man übrigens die Menschenwelt.«

    Menschenwelt.

    »Wow.«

    Wieder einmal lachte Kendric leise. »Komm, ich zeige dir das Nymphenreich auf der unteren Himmelsebene.«

    Kurz darauf standen sie auf weichem weißem Untergrund. Zu seiner Rechten bot sich ihm ein ähnlicher Anblick wie eben. Es gab Hügel, viel Grün und auch Flüsse und Seen, die weder aus Lava bestanden noch giftig zu sein schienen, wenn man die blaue Farbe bedachte.

    Er ging in die Hocke und berührte das helle … Etwas … unter sich.

    »Das sind Wolken«, erklärte Kendric mit amüsiertem Ton, hockte sich neben Marbas und hielt ihm ein Kleidungsstück entgegen. »Hier, zieh die an. In diesem Teil der Welt sind alle etwas … verklemmt.«

    Verklemmt? Das Wort kannte er nicht, aber er nahm die Hose und zog sie sich über.

    Kendric nickte. »Gut, lass uns eine Runde fliegen.« Er vollführte eine Armbewegung, und goldene Flügel kamen zum Vorschein, die ebenso im Licht strahlten wie Kendrics Augen.

    Marbas war endgültig verzaubert von dem Fremden und starrte ihn sprachlos an.

    »Na los.« Kendric schubste ihn mit mehr Kraft als nötig.

    Marbas stolperte, sein Fuß trat ins Leere und schon fiel er, raste auf die sogenannte Menschenwelt zu. Statt sich zu fürchten, drehte er sich auf den Rücken, breitete die Arme aus und mit ihnen seine Schwingen, allerdings ohne Spannung darin, sodass er weiter fiel.

    Über sich entdeckte er Kendric, der auf seinen goldenen Schwingen durch die Luft glitt und sich vom Wind tragen ließ.

    Ah, dafür waren die Flügel also da: zum Fliegen. Er hatte sich immer gewundert, warum er mit solch hinderlichen Dingern am Rücken geboren worden war, und noch nie jemanden gesehen, der wie Kendric auf Schwingen herumgeflogen war.

    Womöglich gab es in einem anderen Höllenreich ebenfalls geflügelte Geschöpfe. Da Marbas jedoch ahnte, wie unglaublich wenig er bisher von der Hölle und auch der oberen Welt gesehen hatte, wunderte es ihn nicht, bisher keine fliegenden Unsterblichen bemerkt zu haben.

    Marbas drehte sich um, schlug die Flügel auf, brachte so viel Spannung wie möglich hinein und wurde augenblicklich vom Wind getragen.

    Nichts hatte sich je so angefühlt: richtig, selbstverständlich und befreiend.

    Er sah zu Kendric auf und entdeckte über ihm in der Ferne geflügelte Männer und Frauen, die noch weiter hinauf zu der blauen Decke über ihnen flogen. Ihre Federn waren silbern und manche hielten Schwerter aus weißem Licht in der Hand. Oder waren es weiße Flammen?

    Marbas konnte es sich nicht erklären, doch etwas tief in ihm schien ihn zu den Geflügelten zu rufen.

    Kendric kam auf ihn zu. »Du solltest lieber erst einmal lernen, deine Hörner unter magischen Schleiern zu verbergen, ehe du dich mit Engeln abgibst.«

    »Engeln«, wiederholte er mit rauer Stimme und verstand nicht, warum sein Herz mit einem Mal so schnell schlug.

    Er schaute den Geflügelten nach und fühlte sich beinahe magisch von ihnen angezogen. Ihre Schwingen sahen seinen sogar ziemlich ähnlich.

    »Warum …«, setzte er zu einer Frage an und musterte Kendric aufmerksam. »Warum helfen … du mich?«

    Der Fremde hatte ihn quasi aus der Hölle befreit, ihm eine neue Welt gezeigt, ihm vorgemacht, wie man flog. Dafür erwartete er sicherlich eine Gegenleistung. Niemand half schließlich anderen, ohne dabei Hintergedanken zu haben. Das war Marbas in den letzten dreißig Jahren nur allzu oft bewiesen worden.

    Kendric neigte kaum merklich den Kopf, während er mit den Flügeln schlug, um an Ort und Stelle zu schweben. »Ich führe ein Imperium, und eines Tages werde ich der neue König der Hölle sein. Dabei möchte ich deine Unterstützung. Mit deinen Fähigkeiten wärst du eine Bereicherung für mich und meine Gefolgschaft. Du musst nur noch viel lernen.«

    Kendric besaß Macht, das konnte Marbas fühlen. Und sie beide wollten mehr.

    »Gut.« Er nickte knapp.

    Kendric hielt ihm seine Hand entgegen. »Dann auf gute Zusammenarbeit, Marbas.« Der Fremde lächelte verschmitzt, was ihn nur noch unwiderstehlicher machte.

    Marbas starrte stirnrunzelnd auf Kendrics Hand, ehe er sie ergriff. »Auf gute … Zusammenarbeit.«

    »Ich muss dich allerdings warnen«, fuhr Kendric in bitterernstem Ton fort, während sie kurz die Hände schüttelten. »Wenn du das Gute in dieser Welt kennenlernst, wirst du realisieren, was dir Schlimmes angetan wurde. Und wenn du mit der Zeit begreifst, was man unter ›Moral‹ versteht, wirst du merken, dass einige deiner Taten moralisch verwerflich waren. Das wird viel Leid für dich bedeuten.«

    Marbas kapierte nur etwa die Hälfte von dem, was der goldäugige Mann da von sich gab.

    Er zuckte mit den Schultern. »In Ordnung.«

    Dass er leiden würde, bezweifelte er zu diesem Zeitpunkt. Er empfand keinen körperlichen Schmerz mehr und im Prinzip war ihm alles egal oder … fast alles.

    Sein Blick glitt hinauf zu den Wolken, hinter denen die sogenannten Engel verschwunden waren.

    Er würde stärker werden, würde viel über diese Welt lernen und irgendwann … Ja, eines Tages würde er zu den Engeln fliegen und herausfinden, was ihn dort so magisch anzog.

    Kapitel 1 - Ihr Kryptonit

    Nela

    Gegenwart: Erster Tag der Zusammenarbeit

    Nela war auf ein Knie gesunken, hatte den rechten Arm vor ihrer Brust und den linken Arm an ihrem unteren Rücken angewinkelt. Sie ballte die Hände, hatte die rechte Faust über ihr Herz gelegt. Den Kopf hielt sie in Demut gesenkt, sodass ihre feuerroten Haare über die Schultern nach vorn fielen.

    Ihr Blick hing an dem farbenfrohen Mosaik, das den Boden des Besprechungssaals des Himmlischen Rates bedeckte und uralte Schlachten zwischen Engeln und Höllengeschöpfen darstellte. Die Bilder waren wie Kuchenstücke nebeneinander angeordnet worden, sodass sie einen Kreis bildeten, in dessen Mitte Nela kniete. Um besagten Kreis war ein halbmondförmiges, meterlanges Podest aufgebaut worden, an dem alle Ratsmitglieder und Erzengel mit ihren goldenen Flügeln Platz genommen hatten.

    Der Gedanke an Kuchen erinnerte Nela daran, dass es bald Mittag war und ihr Magen schon wieder knurrte. Als Halbphönix verbrannte sie Kohlenhydrate wie nichts Gutes.

    »Erhebe dich, Nelafina. Bitte«, forderte Azrael, der Erzengel des Todes, sie sanft auf und das nicht zum ersten Mal heute.

    Sie lächelte, hielt den Blick gesenkt. »Ich muss dankend ablehnen.«

    Der Himmlische Rat verlangte von niemandem, vor ihm niederzuknien. Dennoch taten es alle aus Respekt vor den ältesten und weisesten Engeln aller drei Arten.

    Es existierten Kriegerengel, wie Nela einer war. Sie besaßen silbriges Gefieder und waren zum Kämpfen geboren worden. Die Federn gewöhnlicher Kriegerengel verfügten über einen hellen Silberton und die der neun Heerführer über einen dunklen. Ebenso gab es Schutzengel, die durch ihre weißen Schwingen gekennzeichnet waren und den Menschen den rechten Weg wiesen. Außerdem lebten hier noch die Erzengel mit den verschiedensten Flügelfarben und überwältigenden Fähigkeiten.

    Aus diesen drei Engelsarten bestand der Himmlische Rat, vor dem Nela seit Stunden kniete. Jedes einzelne Ratsmitglied hatte seine ursprüngliche Flügelfarbe verloren und ihre Schwingen hatten eine goldene Schattierung angenommen.

    Fälschlicherweise bezeichneten Außenstehende oft die Ratsmitglieder als dritte Engelsart, da ihr Gefieder wie bei Krieger- und Schutzengeln eine einheitliche Farbe aufwies.

    Eins hatten fast alle Engel gemeinsam: Ihre Flügelfarben wurden aufgrund ihrer Charaktereigenschaften von ihrer Gottheit bestimmt und konnten sich ändern. Wenn beispielsweise einem Schutzengel Schlimmes widerfuhr und er sich anschließend eher als Kriegerengel eignete, wandelte sich sein weißes Gefieder in silbriges.

    Es gab aber auch Ausnahmen von der Norm wie die Wächter und Boten, die ihre Ämter unabhängig von ihrer Flügelfarbe bekleideten.

    »Nun gut«, meinte Michael schließlich, der wie Azrael zu den Erzengeln zählte und eine tiefere Stimme als sein Bruder besaß. »Fass deinen Bericht bitte noch einmal zusammen, damit wir überprüfen können, ob uns alle Details in chronologischer Reihenfolge vorliegen.«

    Nela nickte und tat wie ihr befohlen. »Ich bin durch ein Portal mit meinen jungen Soldaten in die Dimension Awbur, die Dimension der Amazonen, aufgebrochen. Wir waren nur ein Spähtrupp, meine Soldaten noch unerfahren. In Awbur trafen wir unerwartet sofort mit den Feinden zusammen – mit Amazonen und Dämonen.«

    »Also haben sich die schlimmsten Befürchtungen tatsächlich bewahrheitet«, murmelte Michael mit seiner tiefen Stimme.

    Nela sah kurz auf, bemerkte, wie er sich über das kantige, stoppelige Kinn rieb, und senkte erneut den Blick auf das Mosaik vor ihr. »Ja. Es gelang einer Dämonenfürstin, die dem Höllenprinzen Belial dient, die Amazonen davon zu überzeugen, sich mit dem Dunklen Prinzen zu verbünden. Die Kriegerinnen gestatteten den Dämonen, um ihre Siedlung Zelte aufzuschlagen und einen Höllenstützpunkt zu errichten.«

    In den letzten Jahrzehnten hatten sich die Engel um Bündnisse mit allen Himmelsvölkern bemüht, um diese auf ihrer Seite zu wissen, wenn es zum Kampf gegen die Höllenprinzessin Leviathan kommen sollte. Das hatte der Höllenprinz Belial geschickt ausgenutzt, um sich mit den Völkern zu verbünden, die in Paralleldimensionen lebten und für Engel durch Portale nur schwer zu erreichen waren. Die magischen Pforten konnten nämlich nur allzu leicht manipuliert oder geschlossen werden.

    Da Leviathan in der letzten Schlacht geschlagen worden war, bestand die neue Priorität der Himmelsarmeen darin, Belials Höllenstützpunkte auszumerzen, damit er die Engel nicht aus dem Hinterhalt angriff.

    Was für Verwirrung sorgte, war der Umstand, dass Belial eine Dämonenfürstin zu den Amazonen geschickt hatte. Theoretisch besaß der Prinz nämlich nur männliche Anhänger. Womöglich hatte er erst kürzlich eine Fürstin in seine Reihen aufgenommen oder eine Baronin zu den Amazonen geschickt oder – was am schlimmsten wäre – einer seiner vier Fürsten war ein Gestaltwandler. Solch eine Fähigkeit war extrem gefährlich.

    Da niemand Einwände erhob, fuhr Nela ruhig fort. »Es gelang mir, die Feinde zurückzuhalten, sodass meine jungen Soldaten durch das Portal entkamen. Dann wurde ich allerdings überwältigt, gefangen genommen und man hat mir die Flügel ausgerissen, ehe ich in unterirdischen Katakomben an mystischen Fesseln aufgehängt wurde, sodass ich mich nicht befreien konnte. Über eine Woche lang hielt man mich eingesperrt, bis die Amazonen-Dämonen-Allianz noch einen weiteren Gefangenen nahm: Kasimir, einen Tavith. Dieser befreite und heilte mich schließlich, woraufhin wir durch das Portal zurückkehrten.«

    Zwar regenerierte Nela als Unsterbliche schnell, aber dank Kasimirs Heilkräften hatte er ihre Flügel binnen eines Wimpernschlages wiederhergestellt und sie hatten beide auf ihren Schwingen die Dimension nach dem Portal abgesucht.

    Ausgerissene Flügel machten noch keinen gefallenen Engel, es sei denn, der Himmlische Rat nahm einem die Schwingen.

    Dass Kasimir sie aus der Gefangenschaft befreit hatte, war Glück im Unglück gewesen. Denn wie sich im Verlauf des Gespräches heute Morgen gezeigt hatte, war es ihren Leuten nicht möglich gewesen, Nela aus der Dimension zu retten. Offenbar war das Portal von außen nicht mehr zugänglich gewesen und hatte nur noch von innen genutzt werden können.

    Als Engel verfügten sie über gewisse Mittel, um die Lebensgeschichte aller Geschöpfe in Erfahrung zu bringen, die keine reinblütigen Dämonen waren und somit nicht unter dem direkten Schutz des Teufels standen. Zu den Tavith konnten sie also auch Informationen einholen. Nur zum Höllenprinzen Kendric – besser bekannt als Veressos De’lon, Sohn des Teufels – nicht, da er bereits als Kind seine Macht vom König der Hölle erhalten haben musste, wodurch der Himmel nichts über ihn erfuhr.

    Weil die Engel Kendrics Geschichte nicht in Erfahrung bringen konnten und seine wahren Intentionen ihnen schleierhaft blieben, hatten sie gezögert, ein Bündnis mit ihm einzugehen. Dabei bemühte er sich schon lange darum und sie brauchten ihn als Verbündeten im Kampf gegen die anderen Höllenreiche.

    Da kam Kasimir ins Spiel. Dessen Geschichte begann vor etwa eintausend Jahren – was keinen Sinn ergab, da er offensichtlich um einiges älter und mit der Hölle vertraut war. Immerhin bezeichnete er Kendric als seinen besten Freund und er musste den Rang eines Höllenfürsten innehaben, wenn man seine Kräfte bedachte.

    Dass Nela jetzt ausgerechnet dem mysteriösen Kasimir begegnete, weckte ihr Interesse – was er nicht wissen musste – und vor allem könnte sie von ihm erfahren, was Kendric tatsächlich plante.

    Wäre er wirklich ihr Freund? Oder würde er sich als Feind entpuppen? Kasimir könnte die Antworten auf diese Fragen wissen.

    »Deine Schilderung eurer Begegnung war äußerst interessant«, merkte Azrael jetzt leise an.

    Nela nickte und erwiderte nichts.

    Sie hatte bei ihrem Bericht kein Detail ausgelassen. Als eine der neun Heerführer sprach sie stets die Wahrheit. Dass sie Kasimir gewollt, mit ihm geflirtet und ihn sogar geküsst hatte, nachdem er sie befreit hatte, verschwieg sie dem Himmlischen Rat nicht.

    Es war ihr auch nicht unangenehm. Sie fühlte sich ungewöhnlich stark zu dem Tavith hingezogen und das musste der Rat wissen, um sie weiterhin möglichst effizient einsetzen zu können.

    Nun gut, sie hatte nicht von jedem Detail berichtet. Dass sie sich selbst beim Kuss vergessen hatte und zum ersten Mal seit Jahrtausenden in Flammen aufgegangen war, hatte sie verschwiegen und es spielte außerdem für ihre Mission keine Rolle.

    Sie musste ihre Phönixkräfte aus Selbstschutz geheim halten. Niemand ahnte, dass Nela über diese verfügte, somit fragte auch niemand danach oder zwang sie zum Lügen – nicht direkt.

    Niemand wusste etwas von Nelas Flammen. Außer Kasimir.

    Noch schlimmer, als es ihn jemandem erzählen zu lassen, wäre es, ihn darum zu bitten, ihr Geheimnis für sich zu bewahren. Immerhin begehrte er sie und würde als Höllenfürst garantiert nicht davor zurückschrecken, sie mit ihrem Geheimnis zu erpressen.

    Der irrationale, dunkle Phönixteil in ihr fand dummerweise sogar Gefallen daran. Ein Mann, dem jedes Mittel recht war, um sich zu nehmen, was er wollte, übte eine gefährliche Anziehungskraft auf sie aus. Das lag gewiss daran, dass sie seit Jahrtausenden von Geschöpfen umgeben war, die einen intakten moralischen Kompass besaßen.

    Beinahe hätte sie geseufzt. Wenn sie sich mit den Guten zwischen den Laken vergnügte, musste sie sich immerhin keine Sorgen um ihre Phönixkräfte machen. Die blieben verborgen. Bei Kasimir hingegen … Ihr wurde schon ganz heiß, wenn sie nur an seinen Kuss und seine Berührungen zurückdachte.

    Niemand hatte sie je so geküsst wie er – als wäre sie das Heilmittel zu seiner Krankheit und er ohne sie dem Tod geweiht.

    »Uns wurde heute früh ein Bote von Veressos De’lon gesandt, der darum bat, Kasimir als einen der Unseren aufzunehmen«, erläuterte Barachiel mit ihrer sanften Stimme. Sie zählte ebenfalls zu den Erzengeln. »Mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten würde Kasimir eine Bereicherung darstellen, selbst wenn er Veressos De’lon über jeden unserer Schritte informiert. Kasimir auf unserer Seite zu wissen, wäre mit das Beste, was wir aus dem Bündnis mit dem Höllenprinzen schlagen können. Denkst du, du kannst den Tavith manipulieren?«

    Wohl eher bezirzen, korrigierte Nela in Gedanken.

    Sie biss die Zähne fest aufeinander und zwang sich, ruhig zu antworten. »Es tut mir leid, doch ich bin ihm ebenso verfallen wie er mir. Und ihr selbst teiltet mir mit, dass er ein Inkubus, ein Sexdämon, ist. Er ist extrem aufmerksam und würde mich sofort durchschauen.«

    Sie gestand dies nicht gern, aber sie kannte sich und ihre Fähigkeiten gut genug, um einsehen zu müssen, dass der Tavith ihr unter die Haut ging und sie bei ihm auf einem schmalen Grat zwischen Verlangen und Verleugnung wandelte.

    Er hatte sie in Awbur befreit, was darauf schließen ließ, dass er sie sympathisch fand und an ihr interessiert war. Dann hatte er sie geküsst, als gäbe es kein Morgen, und sie gefragt, ob sie an das Schicksal glaube, weil sie wie seins aussehe.

    Vor zwei Tagen hatte sie ihm ins Gesicht gelacht und gefragt, ob der Spruch jemals funktioniert habe. Dabei hatte sie erwidern wollen: Ob ich an das Schicksal glaube? Jetzt schon. Dein Kuss lässt mich daran glauben.

    Das konnte sie allerdings nicht so einfach zugeben. Sie waren wie Frühling und Herbst – so verschieden und doch so gleich. Es bedurfte schon mehr als eines unsagbar heißen, süchtig machenden Kusses, damit sie ihre Zweifel über die erheblichen Unterschiede vergaß.

    »Lass mich die Frage umformulieren«, fuhr Barachiel seelenruhig fort. »Kannst du ihn kontrollieren?«

    Die Frage platzierte ein Lächeln auf Nelas Lippen. »Ja.«

    Denn sie besaß etwas, das er unbedingt wollte: sie. Problematisch war nur, dass er auch etwas besaß, wonach sie sich sehnte: ihn. Im Gegensatz zu ihm würde sie hingegen ihrem Verlangen nicht nachgeben, da das Zeigen ihrer Phönixkräfte ihrem Todesurteil gleichkäme und sie nicht wusste, wie sie diese in seiner Gegenwart unter Kontrolle bringen sollte.

    »Hervorragend«, murmelte Barachiel. »Er wird bald hier sein. Und du erneut.«

    Das bedeutete, dass der Himmlische Rat sich bereits entschieden hatte, das Bündnis mit Veressos De’lon zu besiegeln, sollte Kasimir sich nach einem gewissen Probezeitraum als Bereicherung erweisen. Dass er ab heute in ihren Reihen aufgenommen wurde, machte Nela wohl zu seinem Babysitter.

    Scheiße.

    Sie würde fortan jeden Tag einen superheißen Inkubus und Höllenfürsten um sich haben, der vermutlich sogar ihr Seelenverwandter war, wenn man bedachte, wie stark nur ein einziger Kuss sie erschüttert hatte.

    Verfi… Scheiße.

    Darauf war sie nicht vorbereitet. Aber das spielte keine Rolle. Das tat es nie.

    Sie rang sich ein Lächeln ab. »Wie ihr wünscht.«

    »Sehr gut, dann werden wir uns nun über das weitere Vorgehen besprechen und dich später mit ihm hier erwarten«, informierte Michael sie.

    Nela nickte, erhob sich und schaute in die Gesichter der Ratsmitglieder.

    Die Frauen waren mit Anfang oder Mitte zwanzig und die Männer mit Ende zwanzig oder Anfang dreißig nicht mehr gealtert. Sie alle trugen weiße Roben und hinter ihnen ragten ihre goldenen Flügel empor.

    Alle Engel lächelten Nela an, ehe diese sich noch einmal verneigte und aus dem Saal schritt.

    Scheiße, Scheiße, Scheiße!

    Dass sie den brünetten Tavith gleich wiedersehen würde, überrumpelte sie. Aber wie immer blieb ihr nichts anderes übrig, als sich den Umständen anzupassen.

    Man überlebte nicht viele Jahrtausende, wenn man nicht anpassungsfähig war. Und man wurde nicht zu einer Heerführerin, wenn man nicht in jeder Situation einen kühlen Kopf bewahren und schnell Entscheidungen treffen konnte.

    Die breiten, von Verzierungen geschmückten Türen wurden von Wachen geöffnet, sodass Nela in den Flur treten konnte.

    Auch der Boden des Ganges wurde von farbenfrohen Mosaiken und religiösen Bildnissen geziert. Die Wände bestanden aus weißen weichen Wolken. Ein Dach gab es nicht, da es schlichtweg nicht nötig war, weil stets die Sonne oder das Licht des Mondes und der Sterne auf diese Himmelsebene herabschien. Regenwolken und Gewitter existierten hier nicht.

    Nela ging den Flur entlang bis zu einer Bank, die keine Rückenlehne besaß und weit genug von der Wand entfernt stand, sodass Nelas silbrigen Flügeln im Sitzen ausreichend Platz blieb.

    Im Reich der Engel gab es generell keine Sitzlehnen, dafür jedoch besonders breite Türen und Betten. Auch Gänge und Räume wurden großzügig erbaut, damit man sich mit den Flügeln nicht in die Quere kam oder jemanden versehentlich berührte.

    Nela stützte ihre Ellenbogen auf den Knien auf und vergrub ihr Gesicht in den Handflächen. Wie sollte sie nur das Beste aus dieser Situation machen? Wie sollte sie jemandem widerstehen, der unwiderstehlich war?

    Sie vernahm Schritte, die ihr aus dem Saal gefolgt waren, und sah auf zu einem ihrer wenigen und ältesten Freunde: Azrael.

    Sein schwarzes, schulterlanges Haar umrahmte sein glatt rasiertes Gesicht, und seine blauen Augen funkelten unbeschwert.

    Früher war er die Trübseligkeit in Person gewesen. Doch dann hatte er in Tallulah, der Anführerin der Walküren, vor eintausend Jahren seine Seelenverwandte gefunden. Die Frau hatte mit ihrem Temperament neues Leben in dem Erzengel des Todes entfacht und mittlerweile war er sogar zweifacher Vater und brachte Schwung in den Schuppen.

    »Warum so bedrückt?«, fragte er mit einer unverschämten Fröhlichkeit in seiner tiefen Stimme. »Solltest du dich nicht freuen, wahrscheinlich deinen vom Schicksal Auserwählten gefunden zu haben?«

    Für Engel galt das Finden des Seelenverwandten als eine Ehre. Es kam so selten vor, dass es die meisten Engel mit Ehrfurcht erfüllte, ihrem Auserwählten zu begegnen und vom Schicksal favorisiert zu werden.

    Nela seufzte. »Ich will darüber am liebsten gar nicht nachdenken. Es gibt derzeit Wichtigeres.«

    Sie hatte einst beschlossen, nie wieder jemanden zu lieben – außer vielleicht ihren Seelenverwandten. Doch den dürfte sie nicht in ihr Herz lassen, weil ausgerechnet er ein Höllenfürst war und ein Inkubus, der nur ein Mal mit jemandem schlafen konnte, ohne denjenigen von sich abhängig zu machen. Folglich würde es nie mehr als eine bedeutungslose Nacht zwischen ihnen geben können und Nela wäre schön blöd, irgendwelche Gefühle zuzulassen.

    Ein Herz brach nur so oft, wie man es brechen ließ.

    »Wichtigeres?« Azrael zog die dunklen Augenbrauen in die Höhe und trat neben Nela, um sich ebenfalls auf die Bank zu setzen. »Wie das Abwenden der Apokalypse?«

    Ihre Mundwinkel zuckten. »Zum Beispiel.«

    Nun war es Azrael, der seufzte. »In den letzten Wochen sind unzählige Kriege in der Menschenwelt ausgebrochen, die Schutzengel haben alle Hände voll zu tun, um die Menschen zu beruhigen und ihnen friedvolle Worte zuzuflüstern.«

    »Hm, so was in der Art habe ich letzte Nacht schon von meiner Freundin Amaleya gehört«, murmelte Nela.

    Nachdem sie und Kasimir einen ganzen Tag lang mit der Suche nach dem Portal verbracht hatten, waren sie gestern Abend aus der Dimension Awbur zurückgekehrt. Nela hatte sich sofort mit Amaleya, Taina und Céline getroffen, um die drei weiblichen Tavith endlich wiederzusehen und sich nach der Gefangenschaft auf den neusten Stand bringen zu lassen.

    Okay, und auch um sich zu betrinken, in der Hoffnung, sie würde den Kuss mit Kasimir vergessen. Das hatte offenbar nicht geklappt.

    Dass sich innerhalb der letzten Woche nicht viel geändert hatte, war einerseits erleichternd, weil Nela nicht viel verpasst hatte, doch zugleich auch niederschmetternd, weil sich nichts gebessert hatte.

    »Ach, Amaleya!« Azrael schnipste, als ihm einfiel, von wem die Rede war. »Die schwarzhaarige Tavith, Seelenverwandte von Nymphenkönig Jiyan und Tochter vom Heerführer Celestino.«

    Nela nickte langsam. »Ja, genau die. Irgendwann trete ich Celestino in den Hintern, damit er es ihr endlich sagt.«

    Azrael stieß sie sanft mit der Schulter an und schüttelte grinsend den Kopf. Mit einem Mal verblasste allerdings seine Heiterkeit wieder. »Die plötzlichen Kriege in der Menschenwelt bedeuten, dass die Götter der Unterwelt nun in der Apokalypse mitmischen und durch die Tumulte gestärkt werden.«

    Selbst wenn sie nicht für die Auseinandersetzungen der Menschen verantwortlich sind, ergänzte Nela in Gedanken.

    Kurz schloss sie die Augen und hätte beinahe erneut geseufzt. »Das ist zumindest die einzig plausible Schlussfolgerung, auch wenn kaum jemand sie wahrhaben will.«

    Dass die Unterweltgötter sich in den großen Krieg einmischten, ließ die Schlussfolgerung zu, dass sie sich mit Belial absprachen und beide Fraktionen zugleich die Oberwelt angreifen würden.

    Das Schlimmste daran wäre, dass keiner wusste, wie viele Götter der Hölle es genau gab. Wie sollte man einen Feind besiegen, von dessen Existenz man nichts ahnte?

    Azrael erhob sich und blickte auf sie hinab. »Womöglich wird Kasimir uns diesbezüglich Genaueres erzählen, wenn du ihn ganz lieb darum bittest.« Er zwinkerte ihr zu.

    Als Höllenfürst sollte Kasimir Einzelheiten kennen. Nur gestaltete sich die Kommunikation mit ihm umständlich, weil er nicht gut auf direkte Fragen ansprach und sie bei ihren Aussagen hoffen musste, dass er darauf reagieren wollte.

    Bisher hatte sie sich noch nicht entschieden, ob sie diese Eigenart interessant oder nervig fand.

    Sie verdrehte die Augen und erhob sich ebenfalls. »Er will bezahlt werden und selbst sein Freundschaftspreis ist nicht gerade billig.«

    Der Tavith hatte ihr angeboten, ihn mit Küssen zu bezahlen. Das traf sicherlich nicht nur auf das Heilen von Wunden, sondern auch auf das Mitteilen von Informationen zu.

    Normalerweise würde sie, ohne zu zögern, zustimmen. Doch bei einem Inkubus, der vielleicht sogar ihr Seelenverwandter war? Das sollte sie noch mal überdenken.

    Azrael ließ ein leises Lachen von sich hören. »Dir fällt schon noch was ein. Ich gehe zu den anderen zurück und schaue mal, was sie bereits besprochen haben. Wir holen dich

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