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Tess Carlisle (Band 3): Jägergrab
Tess Carlisle (Band 3): Jägergrab
Tess Carlisle (Band 3): Jägergrab
eBook337 Seiten

Tess Carlisle (Band 3): Jägergrab

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Über dieses E-Book

Ist das Leben nicht merkwürdig? Meins schon. Hin und wieder zumindest. Also … in letzter Zeit sogar recht häufig. Fast immer, kann man sagen. In einem Moment droht die Welt unterzugehen und im nächsten frage ich mich, warum sich plötzlich alles um Kotze dreht und ob es wirklich so eine gute Idee ist, wenn meine Eltern mir ein Profil auf einer Datingseite anlegen. Als wäre die heldenhafte Opferung unseres dämonischen Mitbewohners zum Wohle des irdischen Fortbestehens nicht schon schlimm genug, muss ich mich nun auch noch mit einer Unzulänglichkeit herumschlagen, die mich nicht nur sprichwörtlich zur Weißglut bringt. Aber hey, mein Name wäre nicht Tess Carlisle, wenn ich nicht jede Katastrophe für mich entdecken würde. Wovon diese Geschichte konkret handelt? Keine Ahnung. Sag du es mir. Den roten Faden in meinem Leben hat das Backenhörnchen schon längst durchgebissen. Kontinuität brauchen wir hier wirklich nicht mehr zu suchen. Aber dafür haben wir jetzt einen eigenen Fla… Oh nein, die Überraschung will ich nicht vorwegnehmen. Ist doch viel spannender, wenn ihr es selbst herausfindet. Vielleicht trinke ich solange mit dem Teufel einen Kaffee. Und das ist noch nicht einmal … Ach, was sag ich … Ihr kommt schon selber drauf …
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum19. Nov. 2021
ISBN9783038962182
Tess Carlisle (Band 3): Jägergrab

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    Buchvorschau

    Tess Carlisle (Band 3) - Nicole Schuhmacher

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Informationen zum Buch

    Impressum

    Widmung

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Dank

    Nicole Schuhmacher

    Jägergrab

    Tess Carlisle (Band 3)

    Fantasy

    Tess Carlisle (Band 3): Jägergrab

    Ist das Leben nicht merkwürdig? Meins schon. Hin und wieder zumindest. Also … in letzter Zeit sogar recht häufig. Fast immer, kann man sagen. In einem Moment droht die Welt unterzugehen und im nächsten frage ich mich, warum sich plötzlich alles um Kotze dreht und ob es wirklich so eine gute Idee ist, wenn meine Eltern mir ein Profil auf einer Datingseite anlegen. Als wäre die heldenhafte Opferung unseres dämonischen Mitbewohners zum Wohle des irdischen Fortbestehens nicht schon schlimm genug, muss ich mich nun auch noch mit einer Unzulänglichkeit herumschlagen, die mich nicht nur sprichwörtlich zur Weißglut bringt. Aber hey, mein Name wäre nicht Tess Carlisle, wenn ich nicht jede Katastrophe für mich entdecken würde. Wovon diese Geschichte konkret handelt? Keine Ahnung. Sag du es mir. Den roten Faden in meinem Leben hat das Backenhörnchen schon längst durchgebissen. Kontinuität brauchen wir hier wirklich nicht mehr zu suchen. Aber dafür haben wir jetzt einen eigenen Fla… Oh nein, die Überraschung will ich nicht vorwegnehmen. Ist doch viel spannender, wenn ihr es selbst herausfindet. Vielleicht trinke ich solange mit dem Teufel einen Kaffee. Und das ist noch nicht einmal … Ach, was sag ich … Ihr kommt schon selber drauf …

    Die Autorin

    Nicole Schuhmacher, geboren im Mai 1987 in der wunderschönen Sächsischen Schweiz, lebt und arbeitet auch noch heute in einem kleinen Ort in Ostsachsen. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie im Teenageralter und frönte dieser Leidenschaft jahrelang als exzessive Verfasserin von Fanfictions. Nicole ist außerdem Cosplayerin, Disney-Verehrerin, Musical-Gängerin und Hunde-Mama. Sie bezeichnet sich selbst als Fangirl, Superhelden-Süchtling und Vampir-Lady. Die bekennende Tagträumerin mag außerdem: Meerjungfrauen, Comics, Zombies und völlig unnütze glitzernde Sachen (PINK! Sie müssen PINK sein!!!1!!11!!!). Sie liebt ihre Playstation, Mangas und Animes, Uniformen, Knoblauch, die Ich-Erzählperspektive, ausgefallene Haarfarben und natürlich Bücher!!! Übrigens ist sie als Baby einmal ganz unglücklich vom Wickeltisch gefallen und hält eigentlich überhaupt nichts von diesen übermäßig seriös wirkenden Autorenporträts … ;D ›Jägerseele‹ ist ihr Debütroman.

    www.sternensand-verlag.ch

    info@sternensand-verlag.ch

    1. Auflage, November 2021

    © Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2021

    Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

    Lektorat/Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röllig

    Korrektorat 2: Jennifer Papendick

    Satz: Sternensand Verlag GmbH

    ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-217-5

    ISBN (epub): 978-3-03896-218-2

    Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Für alle, die den roten Faden

    noch immer nicht gefunden haben.

    Kapitel 1

    Was unternimmt man, wenn die Angst so groß ist, dass sie einen zu verschlingen droht?

    Man sperrt sie in den hintersten Winkel seines Bewusstseins, um nicht den Verstand zu verlieren und wenigstens ansatzweise rational zu reagieren.

    So die Theorie. Die Praxis sieht da schon ganz anders aus.

    »Wie sitzt meine Frisur?«

    Ich frage das, obwohl wir aufgrund des soeben stattfindenden Erdbebens kaum aufrecht stehen können.

    »Was?!«, will Puck, der völlig zurecht perplex guckt, mit kraus gezogener Stirn von mir wissen.

    Ohne darauf einzugehen, kratze ich Reste roten Lacks von meinem Nagelbett.

    »Was machst du denn?«, erkundigt er sich.

    Meine Beine zittern so sehr, dass ich dem Drang nachgebe und mich auf staubigen Boden plumpsen lasse.

    Puck der Wichtel, mein kleiner garstiger Begleiter, ist nicht etwa ein Schulterteufelchen oder das Resultat einer drohenden Psychose. Er ist noch immer mein Vermieter und bester Freund, was ich jedoch nur unter schlimmster Folter zugeben würde. Und ich bin auch nicht die minderbemittelte Tochter irgendeines Hinterwäldlers, wie man vielleicht meinen könnte. Ich bin Tess Carlisle, Kautionsdetektivin und Chaosmagnet aus New Orleans, der ›Wiege des Jazz‹, dem ›Big Easy‹, dem …

    Nein! Ein Fleck! Auf meiner Hose!

    Ich benetze meinen Zeigefinger mit Spucke und rubble, was das Zeug hält.

    Was ist das? Cocktailsoße?

    Heute ist wirklich nicht mein bester Tag.

    »T. C., das ist doch jetzt scheißegal. Niemanden interessiert, wie du aussiehst.«

    Diese Aussage ist so nicht ganz richtig. Mich würde es sehr wohl stören, sollte man unsere Leichen in so desolatem Zustand finden.

    Ich krieche zurück zum Wagen und brauche drei Anläufe, um mich an der geöffneten Beifahrertür hochzuziehen.

    Warum muss hier auch alles so doll wackeln?

    Im Seitenspiegel überprüfe ich den Sitz meines Make-ups.

    Ach so. Ich trage ja gar keins.

    Moment. Sitzt da eine Ratte auf meinem Kopf?

    »T. C.!«, ruft Puck und bringt mich dazu, von dem jämmerlichen Spiegelbild abzulassen. »Könntest du dich einmal zu mir beugen?«

    Ich folge seiner Bitte, obwohl ich mich schon ein wenig darüber wundere.

    Was will er tun? Mir Essensreste aus dem Mundwinkel wischen? Das ist so lieb von ihm.

    »Festhalten, Alvin.«

    Alvin? Ist das der Name der Ratte? Ich kann mich an kein Nagetier erinnern. Woher stammt der plötzliche Gedächtnisverlust? Mir dünkt, ich verdränge da eine Kleinigkeit. Vielleicht kommt die Erinnerung zurück, wenn …

    Mein Kopf fliegt zur Seite, als ich geohrfeigt werde und vor lauter Erstaunen darüber geräuschvoll aufkeuche.

    »Ich weiß, du stehst vermutlich unter Schock«, unterstellt mir der Wichtel. »Aber könntest du bitte aufhören, so eine einfältige Kuh zu sein und wieder zu der T. C. werden, die ich kenne? Mach dir keine Gedanken. Danny wird das Kind schon schaukeln, da bin ich mir sicher. Gib ihm noch ein paar Minuten.«

    Danny? Danny … Danial!

    Mein … unser lieber guter Danial ist in die Hölle gefahren, um den Tag des Jüngsten Gerichts abzuwenden … vorerst.

    Wie zur Bestätigung des Gedachten erhebt sich infernalischer Lärm um uns. Der Wind heult, entwickelt sich zum Sturm, ein Feuerball zeigt sich am Himmel und vergeht in der Nacht, eine Explosion dringt zu uns herüber und das Beben der Erde dröhnt in unseren Körpern.

    Eine Sekunde später ist es vorbei. Schlagartig. Mit einem Mal ist es so still, dass ich das Blut in meinen Ohren rauschen höre und Roberts (keine Ratte, sondern ein Backenhörnchen!) rasselnde Atemgeräusche. Meine Beine zittern noch immer, aber nur, weil die Erdstöße in meinem Inneren nachhallen.

    »Siehst du?«, fühlt sich Puck in seiner Ansprache bestätigt. »Alles wieder tutti paletti.«

    Ich wage kurz, aufzuatmen und mich zu räuspern. Vielleicht sind wir ja doch noch mal ganz knapp an der großen Katastrophe vorbeigeschrammt.

    Ein Tränenschleier trübt meine Sicht und hindert mich daran, dem Straßenverlauf die Aufmerksamkeit zu schenken, die er vernünftigerweise verdient hätte. Dicke Tränen quillen durch angestrengtes Blinzeln aus meinen Augen und kullern über brennende Haut. Ich umschließe das Lenkrad des Hondas so fest, dass meine Fingerknöchel weiß hervortreten. Ein Schweißfilm bildet sich auf dem Steuer, was mich nur noch stärker zupacken lässt, bevor ich die Nase hochziehe und laut schluchze.

    »Könntest du endlich aufhören zu heulen?!«

    Pucks Stimme reißt mich aus meiner Traurigkeit. Für einen kurzen Moment fühle ich nicht mehr die unerträgliche Sorge um Freunde, Familie und den Fortbestand der Menschheit, sondern Wut darüber, dass mein wichteliger Beifahrer selbst in einer Situation wie dieser nur am Meckern ist.

    »Entschuldige, dass ich gerade einen Nervenzusammenbruch habe!«, keife ich, wobei die Angst in meinen Knochen mich dazu bringt, unkontrolliert zu zittern.

    Mein Fuß liegt wie Blei auf dem Gaspedal, als wir durch die nächtliche Wüste New Mexicos heizen. Umgestürzte Strommasten und liegen gebliebene Fahrzeuge säumen unseren Weg entlang der Interstate 40. Die aufgeblendeten Scheinwerfer meines Hondas tauchen eine kleine Ortschaft namens Prewitt an der Route 66 in geisterhaftes Licht. Kein Wesen ist in dieser dunkelsten aller Nächte unterwegs. Jeder, der genug Verstand besitzt, hat sich nach den Ereignissen der letzten Stunden in seinen vier Wänden verschanzt. Oder in einem Atomschutzbunker. Außer wir natürlich.

    »Jetzt übertreib mal nicht«, spielt Puck das Geschehene herunter. »So schlimm war es doch gar nicht.«

    »War es nicht?«, frage ich und wische mir die Rotznase am Unterarm ab, um anschließend loszubrüllen. »War es nicht?!«

    Selbst Robert, unser voodooverzaubertes Backenhörnchen vom Dienst, der seit geschlagenen zehn Minuten aufgebracht über die Armaturen des Kleinwagens flitzt, kommt endlich zur Ruhe und sieht mich aus großen Hörnchenaugen erschrocken an.

    »Die Welt wäre fast den Bach runtergegangen, und das nennst du ›nicht schlimm‹?«

    Eine Steppenhexe wird kurz vor der Abfahrt nach San Rafael über die Straße geweht. Ich erschrecke dermaßen vor der rollenden Pflanze, dass ich das Lenkrad verreiße und wir für einen Augenblick die befestigte Fahrbahn verlassen. Wir werden durchgeschüttelt, Puck hält sich krampfhaft an seinem Kindersitz fest und Robert fiept angsterfüllt, als er in den Fußraum auf der Beifahrerseite rutscht. Dann habe ich den Wagen wieder unter Kontrolle und unsere rasante Fahrt geht weiter.

    »Ist sie aber nicht«, wirft Puck ein und überprüft den Sitz seines Sicherheitsgurts.

    »Und das haben wir nur Danial zu verdanken!«

    Oh Gott, Danial …

    Meine Augen drohen erneut überzulaufen, als ich an sein Opfer für uns alle denke. Durch seine Rückkehr in die Hölle konnte er den Weltuntergang verhindern, den vermutlich seine vermaledeite Schwester eingeleitet hatte, um sich an ihm zu rächen. Nur weil er den Erstgeborenen Sohn des Teufels auf dem Gewissen und sein irdisches Dasein einem Leben in der Unterwelt vorgezogen hatte.

    Schon wenige Minuten nach Danials Heimkehr ebbte das Beben der Erde merklich ab. Weitere Augenblicke später hörten die Gesetze der Natur auf zu existieren. Die eingetretene Stille war beängstigend.

    Doch für wie lange kann jene Ruhe anhalten? Und was tun seine abgrundtief scheußlichen Geschwister Danial gerade an? Jetzt, in diesem Moment?

    Puck scheint meine Gedanken zu erahnen, denn seine kleine Hand grapscht nach meinem Oberschenkel, um aufmunternd darauf herumzupatschen.

    »Mach dir mal keine Sorgen um Danny. Der Typ ist so alt wie die Welt. Dem passiert schon nichts.«

    Ich hoffe, er hat recht. Dem Lieblingssohn des Teufels wird man in der Unterwelt doch wohl kaum Leid zufügen, oder? Oder?! Auch wenn er seinen eigenen Bruder in die ewigen Jagdgründe geschickt hat. Okay, nicht so richtig. Vielmehr in die ganz besondere Hölle. Buhu.

    Trotzdem macht mich die Aussage meines Beifahrers wütend.

    Energisch schalte ich mehrere Gänge runter, um ein mitten auf der Straße liegen gebliebenes Auto schwungvoll zu umfahren. Puck wird dadurch gegen die Beifahrertür gedrückt und stöhnt genervt auf. Das Hörnchen im Fußraum übergibt sich für ein so kleines Tierchen äußerst lautstark.

    »Das weißt du überhaupt nicht!«, rufe ich und werfe das erste Mal seit Flagstaff einen Blick auf die Tankanzeige.

    Mist. Warum musste Danial uns auch mitten in die Pampa beamen?

    Seitdem wir so knapp an der Apokalypse vorbeigeschrammt sind, habe ich nicht eine in Betrieb genommene Tankstelle mehr gesehen. Mit dieser Tankfüllung schaffen wir es mit viel Glück gerade noch bis Albuquerque.

    Puck verzieht angewidert das Gesicht, als es anfängt, nach Hörnchenkotze zu müffeln.

    »Und ob ich das weiß«, ruft er anschließend, nun ebenfalls ein wenig aufgebracht. »Danny und ich sind so.« Zeige- und Mittelfinger seiner linken Hand verhaken sich ineinander, um zu verdeutlichen, wie sehr die beiden befreundet sind. Diese Geste kann er sich sparen. Dessen bin ich mir auch so bewusst. »Ich würde sofort merken, wenn etwas nicht in Ordnung wäre. Wir sind so was wie seelenverwandt.«

    Okay, wenn er meint.

    »Probierst du es bitte noch mal?«, widme ich mich einem anderen Thema und öffne die hinteren Fenster einen Spalt, auch wenn dadurch der Fahrlärm deutlich zunimmt.

    Kaum zu glauben, dass ein paar halb verdaute Nüsse so miefen können.

    »Klar«, lenkt Puck augenblicklich ein und schnappt sich mein Telefon aus der Mittelkonsole.

    Während er meine Kontakte öffnet, versuche ich, einen Radiosender zu finden, dessen Übertragung weiterhin läuft. Vergeblich.

    Schnell stelle ich das Rauschen wieder ab und sehe zu Puck. »Und? Erreichst du jemanden?«

    Der Wichtel schüttelt den Kopf. »Keine Chance.«

    »Scheiße!«, schimpfe ich und hämmere dabei mit der Faust auf das Lenkrad. »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«

    Ein Fluch, ein Schlag. Bis der letzte Hieb auf das Steuer die Hupe trifft und ich den Wagen erschrocken zum wiederholten Male ins Schlingern bringe.

    »Herrgott, T. C., du wirst uns noch umbringen«, beklagt sich mein Beifahrer und würde sich jetzt gewiss am Angstgriff festhalten, wären seine Arme dafür nicht viel zu kurz. »Lass mich fahren.«

    Ich lache freudlos auf. »Wie denn? Du kommst nicht einmal an die Pedale.«

    »Uns wird schon was einfallen. Nun halt endlich den Wagen an, bevor du womöglich einen Unfall baust!«

    »Ich schaffe das«, beharre ich weiter.

    »Ich meine es ernst«, gibt Puck ebenfalls nicht so einfach klein bei.

    Chip, sollen wir laut Robert bedenken.

    Doch ich kann das Steuer nicht abgeben. Ich kann nicht auf dem Beifahrersitz Platz nehmen und nichts zu tun haben, außer in die trostlose Nacht zu starren. Denn dann wäre ich allein mit meinen Gedanken. So habe ich eine Aufgabe, auf die ich mich konzentrieren muss, auch wenn mir das immer schwerer fällt. Unvernünftig, das weiß ich selbst.

    Holt mal jemand die Moralapostel?

    »T. C., halt an.« Irgendetwas in Pucks Stimme hat sich geändert. Sie ist jetzt energischer, drängender. Und täusche ich mich, oder schwingt nun ebenfalls Angst darin mit? »Halt an, halt an, halt an!«

    Durch meine angespannten Nerven habe ich kaum Zeit, angemessen zu reagieren, da greift der Wichtel bereits ins Lenkrad.

    Was zum …?

    »Puck!«, kreische ich, lenke gegen und trete mit aller Kraft auf die Bremse, als der Wagen auszubrechen droht.

    Wir geraten trotz meiner Bemühungen gefährlich ins Schlingern, die Reifen quietschen. Unzählige Sekunden lang fürchte ich, dass wir uns überschlagen, doch letztendlich kommen wir mittig der Fahrbahn zum Stillstand, wenn auch quer stehend.

    Mein Herz hämmert wie wahnsinnig in meiner Brust, Blut rauscht in meinen Ohren. Das Lenkrad umklammere ich erneut so stark, dass meine Knöchel knacken.

    »Hast du einen Knall?!«, brülle ich.

    Dann ziehe ich die Handbremse an und sehe zum Wichtel. Mit schreckensweiten Pupillen starrt er an mir vorbei und bringt mich dazu, ebenfalls auf der Fahrerseite aus dem Fenster zu schauen.

    Großer Gott …

    Der Grand Canyon ist ein Scheiß gegen den Krater, der sich nur einen Steinwurf entfernt vor unseren Augen auftut. Ein klaffender Riss unermesslichen Ausmaßes zieht sich von hier bis Kalkutta. Schätzungsweise. Der Abgrund scheint endlos, soweit ich das in der sternenlosen Nacht beurteilen kann. Aufgerissener Asphalt liegt zuhauf neben geborstenem Stein zu unserer Linken.

    Ich schlucke angestrengt. Nur ein paar Meter weiter und wir würden die Radieschen von unten betrachten. Hätte Puck nicht eingegriffen, wären wir mit Krachen und Zischen ab zu den … also … wir wären draufgegangen, definitiv. Seine Wichtelaugen funktionieren in Dunkelheit einfach besser als meine. Das war so was von haarscharf!

    Mein Magen rebelliert, als ich realisiere, wie haarscharf. Außerdem fühle ich den Anflug einer Hyperventilation in mir aufsteigen. Wahrlich keine gute Mischung.

    Hastig stelle ich den Motor ab, greife nach dem Schloss meines Sicherheitsgurts und löse die Zunge aus ihrer Verankerung. Zeitgleich öffne ich die Fahrertür und stolpere auf die Fahrbahn, bevor ich ein paar Meter weiter, unweit des enormen Risses, auf die Knie falle. Kaum dass auch meine Handflächen über spröden Asphalt schrammen, muss ich würgen und erbreche meinen kläglichen Mageninhalt direkt zwischen meine durchgestreckten Arme.

    Ich muss ein grauenhaftes Bild abgeben, würgend und keuchend wie Pucks Katze, die dann meistens auf den Fußabstreicher im Garten kotzt. Meine wie immer eilig zusammengeklöppelte Frisur hat sich schon lange aufgelöst und nun muss ich aufpassen, dass mein krauses Haar nicht mit Vorverdautem und Magensaft bespritzt wird.

    Ich huste, als es mich erneut hebt und nur noch Schaum auf die Straße tropft. Ich leere meinen Mund, indem ich ein letztes Mal auf die Fahrbahn spucke, und setze mich völlig erledigt zurück auf meine Fersen.

    Mit geschlossenen Augen lege ich den Kopf in den Nacken. Ich konzentriere mich auf meine Atmung. Die klare Nachtluft strömt regelmäßig in meine Lungen und lässt das Unwohlsein schnell verfliegen. Die vergangenen Stunden waren wohl zu viel für mich.

    Als ich mich wieder ansatzweise unter Kontrolle habe, krieche ich zurück zum Wagen und lasse mich mit dem Rücken neben der offen stehenden Fahrertür gegen die Karosserie fallen.

    Erschöpft schaue ich in die Nacht, bis kleine Wichtelfüße aus der Öffnung baumeln. Ich wende den Blick zu Puck, der soeben auf dem Fahrersitz Platz genommen hat und mir somit Gesellschaft leistet. Sogar Robert lugt vorsichtig aus dem Inneren hervor und hüpft mit Bedacht auf die Verkleidung der Fahrzeugtür, um uns besser unter Beobachtung zu haben. Schön, dass es zumindest ihm wieder gut geht.

    »Hier.« Puck hält mir ein Stofftaschentuch vor die Nase. In der anderen Hand trägt er eine kleine Trinkflasche, die er mir ebenfalls reicht.

    »Danke.«

    Ich trinke etwas Wasser, wische mir über den Mund und will dem Wichtel das Taschentuch bereits wieder aushändigen, als er die Ärmchen in abwehrender Haltung hebt. »Behalt es lieber.«

    Er betrachtet meinen Pullover, während er mit seinem Finger unterhalb des Kinns auf sein Shirt deutet und dabei die Nase rümpft.

    Ich folge seinem Blick, begutachte meinen zwei Nummern zu großen dunklen Pulli und seufze leidend. Robert fiept tröstend, Puck tätschelt meine Schulter.

    Sieht ganz so aus, als hätte ich mich in einer Glanzleistung an Treffsicherheit von oben bis unten vollgebröckelt. Dank Pucks spendabler Taschentuch-Gabe ist es mir jedoch möglich, mein Aussehen wieder ansatzweise herzurichten.

    Jetzt schaut die Substanz auf meiner Kleidung wenigstens nicht mehr aus wie Trollrotze, sondern nur noch wie Erdnussbutter. Ja, damit kann ich vorerst gut leben.

    Entmutigt blicke ich in die Ferne. Das Ende der Erdspalte ist in der Dunkelheit nicht einmal zu erahnen. Wie breit wird sie sein? Wie weit zieht sie sich? Bis Colorado?

    »Was für eine Nacht«, murmle ich, reibe mir kurz über die müden Augen und sehe am Horizont einen hellen Streifen, der die langsam aufgehende Sonne ankündigt.

    Robert macht einen Satz und landet auf meinem Knie. Allerlei Fieplaute kommen dabei aus ihm heraus und ich wundere mich, was er hat. Diesen Denkvorgang äußere ich auch.

    »Was hat er denn?«

    Puck grunzt belustigt. »Womöglich ist er rollig.«

    Ein empörtes Trillern ist die Antwort auf diese Aussage. Ich kichere, weil ich seinen Erklärungsversuch lustig finde. Dann prescht Robert davon, wird kurz von den Scheinwerfern angestrahlt und verschwindet in der Nacht.

    Puck runzelt die Stirn. »Oder er hat uns gerade gesagt, dass wir ihn kreuzweise können und er sich ab jetzt allein nach New Orleans durchschlägt?«

    New Orleans …

    Von unserem Zuhause trennen uns über tausend Meilen. Wir werden mehrere Tage unterwegs sein, sollten wir den Krater jemals überwinden.

    »Genau«, stimme ich dem Wichtel zu. »Weil wir Pappnasen sind.«

    Mein Mitbewohner gluckst bejahend. »Die größten.«

    Gott, ich vermisse die anderen Pappnasen schon jetzt.

    »Kannst du noch mal anrufen?«, frage ich und stopfe mir sein Schnupftuch in die Hosentasche.

    »Klar«, sagt er nickend und fischt umständlich hinter sich, um erneut in der Mittelkonsole nach dem Telefon zu greifen.

    Ich richte meinen Blick wieder auf den Horizont. Die Sonne schiebt sich langsam über den Erdkreis. Erste zaghafte Strahlen legen sich wärmend auf unsere Haut.

    »Unverändert«, verkündet Puck schon bald und lässt das pinkfarbene Mobiltelefon in meinen Schoß fallen. »Was machen wir jetzt?«

    Ich denke über seine Frage nach.

    Tja, was nun? Umdrehen und eine andere Strecke probieren? Durch die Prärie heizen? Versuchen, einen Flug zu bekommen, wenn diese sonst so alltäglichen Dinge wieder ansatzweise funktionieren?

    »Warten wir erst einmal ab, bis es richtig hell ist«, schlage ich vor. »Dann schauen wir, ob wir den Krater umfahren können.«

    So, Entscheidung getroffen.

    »Und Alvin?« Puck springt auf die Straße und guckt sich suchend um. »Ist der Scheißer einfach abgehauen, angelt sich eine kleine Hörnchenfreundin, zeugt mit ihr viele Hundert Babys und lebt ab jetzt in der Wüste?«

    »Ja«, sage ich schlicht, weil ich wirklich nicht darüber diskutieren will, welche Zukunftsvisionen er sich für Robert ausgedacht hat. »Aber vielleicht taucht er auch jeden Moment wieder auf.«

    Infernalischer Lärm bringt uns dazu, erschrocken die Köpfe zu heben. Eine Einheit der US-Luftwaffe schießt mit drei Kampfflugzeugen über uns hinweg in Richtung Westen. Der Donnerhall der Düsenjets tut mir in den Ohren weh.

    Als der Krach Sekunden später endlich verebbt, schnalzt Puck, der alte Militärexperte, anerkennend mit der Zunge.

    »F-15E Strike Eagle«, erläutert er den Flugzeugtyp. »Wem wollen die denn in den Arsch treten? Ob zusätzlich zu den Naturkatastrophen ein paar Dämonen aus ihren Löchern gekrochen sind?«

    Bei dem Gedanken läuft es mir eiskalt den Rücken hinab. »Ich hoffe nicht.«

    »Oder Aliens«, sagt Puck mit einem Mal völlig euphorisch.

    Chiiiiiiiiiip!

    Ein zitterndes Backenhörnchen springt mir so plötzlich in die Arme, dass ich mir vor Schreck auf die Zunge beiße.

    Aua.

    »Bist du das, Robert?«, frage ich und schmecke Blut.

    »Wer denn sonst?!« Puck verdreht genervt die Augen. »Du bist schließlich keine Disneyprinzessin, die Wildtiere magisch anzieht, oder?«

    Öhm … Nein?

    »Alles gut.« Ich tätschle den Kopf des verwunschenen Millionärs, dessen menschliche Instinkte wohl etwas von denen eines echten Hörnchens überlagert werden. »Das waren nur ein paar Flugzeuge, die …« Dämonen bekämpfen? Geister jagen? Das Ende der Welt abwenden wollen? »… Dinge tun.«

    »Was hast du gefunden, Alvin?«, will Puck wissen. »Oder warst du nur auf Futtersuche?«

    Auch ich bemerke die vollen Backentaschen des Streifenhörnchens. Wenn er jetzt gleich einen prall gefüllten Benzinkanister daraus hervorzaubert, bin ich wahrlich beeindruckt.

    Roberts kleine Knopfaugen blinzeln hektisch und sein Schwanz zuckt aufgeregt, als er aus meinen Armen springt und versucht, uns zu animieren … einen Tango zu tanzen?

    »Führt er gerade Shakespeares Hamlet auf?«, überlege ich laut. Ich bin ernsthaft überfragt.

    »Ich denke, er möchte uns sagen, dass wir den Riss umfahren können«, mutmaßt der Wichtel mit gerunzelter Stirn.

    Das Hörnchen fiept. Dabei fällt ihm ein abgeranzter Penny aus der Backentasche.

    Schade, kein Benzinkanister.

    Kapitel 2

    Der Wagen holpert durch die letzten Ausläufer der Navajo Nation Reservation. Roter Sand legt sich immer wieder auf die Frontscheibe meines Hondas namens Shirly, sodass ich in regelmäßigen Abständen die Wischer betätigen muss, um überhaupt zu erkennen, wohin ich fahre. Trotz der mäßigen Temperaturen eines Novembermorgens hat sich das

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