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IN 80 JAHREN UM DIE WELT: Jörg Weigand zum Jubeltage
IN 80 JAHREN UM DIE WELT: Jörg Weigand zum Jubeltage
IN 80 JAHREN UM DIE WELT: Jörg Weigand zum Jubeltage
eBook369 Seiten4 Stunden

IN 80 JAHREN UM DIE WELT: Jörg Weigand zum Jubeltage

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Über dieses E-Book

Man kann vieles über ihn sagen … und vieles wurde über ihn gesagt. Jörg Weigand wird achtzig und das völlig zu Recht. Auf wie vielen Feldern er gearbeitet und geackert hat, weiß er vielleicht selbst nicht – seine Produktivität war über all die Jahrzehnte so hoch, dass man ihm die Existenz eines Ghostwriters unterstellte. Diesen Output "Fleiß" zu nennen, ist eine Untertreibung. Natürlich ist das Arbeitsleben eines Journalisten multithematisch, aber die Vielseitigkeit zieht sich durch sein Œuvre, wie der legendäre rote Faden. Zum einen gilt das für seine inhaltliche Bandbreite, Politisches, Wirtschaftliches, Kulturelles, Spezielleres wie etwa Jugendmedienschutz; gleichgültig, ob es sich um chinesische Scherenschnitte handelte, oder den Romanautor als "Ein-Mann-Fabrik", seine Kurzgeschichten und letztlich seine Musik – das alles verbindet seine Liebe zum Detail, zur Recherche. Diese Eigenschaft adelt einen Journalisten – heute vielleicht mehr als damals. Seither ist die unabhängige Überprüfung von Fakten eine Seltenheit geworden. Umso wichtiger ist es, daran zu erinnern, dass "moderner" im Sinne von "jünger" nicht automatisch eine Verbesserung bedeutet.

In diesem Buch feiern zahlreiche Freunde des Journalisten, Autors, Herausgeber, Musikers, Komponisten … kurz: Jörg Weigands runden Geburtstag.
SpracheDeutsch
Herausgeberp.machinery
Erscheinungsdatum21. Dez. 2020
ISBN9783957658739
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    Buchvorschau

    IN 80 JAHREN UM DIE WELT - p.machinery

    1941–1959

    Karla Weigand & Rainer Schorm: Vorwort

    Man kann vieles über ihn sagen … und vieles wurde über ihn gesagt. Jörg Weigand wird achtzig und das völlig zu Recht. Auf wie vielen Feldern er gearbeitet und geackert hat, weiß er vielleicht selbst nicht – seine Produktivität war über all die Jahrzehnte so hoch, dass man ihm die Existenz eines Ghostwriters unterstellte. Diesen Output »Fleiß« zu nennen, ist eine Untertreibung. Natürlich ist das Arbeitsleben eines Journalisten – er war von 1980 bis 1996 in Bonn, beim Zweiten Deutschen Fernsehen tätig – multithematisch, aber die Vielseitigkeit zieht sich durch sein Œuvre, wie der legendäre rote Faden. Zum einen gilt das für seine inhaltliche Bandbreite, Politisches, Wirtschaftliches, Kulturelles, Spezielleres wie etwa Jugendmedienschutz; gleichgültig, ob es sich um chinesische Scherenschnitte handelte, oder den Romanautor als »Ein-Mann-Fabrik« – das alles verbindet seine Liebe zum Detail, zur Recherche. Diese Eigenschaft adelt einen Journalisten – heute vielleicht mehr als damals. Seither ist die unabhängige Überprüfung von Fakten eine Seltenheit geworden. Umso wichtiger ist es, daran zu erinnern, dass »moderner« im Sinne von »jünger« nicht automatisch eine Verbesserung bedeutet.

    Interessanterweise hat sich Jörg Weigands Schaffen vom Sekundären und Journalistischen sowie der Short Story in Bereiche ausgeweitet, die ihn selbst überrascht haben dürften: Er wurde zum Komponisten, veröffentlichte diverse Liedersammlungen und es erschienen Tonaufnahmen auf CD. Diesen alten Wunsch hat er sich selbst mit allem Engagement erfüllt und seine Umgebung staunt bis heute.

    Dazu ein anderes, wiederum literarisches Phänomen: Er bestritt stets, lange Texte, besonders Romane, schreiben zu können. Seit die Musik ihm eine weitere Inspirationsquelle lieferte, ist auch diese Selbsteinschätzung Makulatur. Nach der ungewöhnlichen »Isabelle« beweisen das etliche Kurzromane und ein Taschenbuch von etwa 300 Seiten Umfang.

    Die Musik hat ihm nicht, wie er selbst befürchtete, das Schreiben unmöglich gemacht – sie hat es ausgeweitet und befruchtet.

    Die Schreiber dieser Zeilen können sich an dieser Stelle ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen, denn der Jubilar äußerte seine Überzeugung bezüglich der eigenen diesbezüglichen Unfähigkeit ähnlich resolut, wie er das immer tat und noch immer tut.

    Neue Publikationen wie das »Abenteuer Unterhaltung«, die »Träume auf dickem Papier« und nicht zuletzt die Neuauflage seines »Lexikons der Pseudonyme« sind aktuelle Publikationen.

    Für den geneigten Leser gibt es also viel zu entdecken. Unter anderem in der Phantastischen Bibliothek Wetzlar, der er seit langen Jahren verbunden ist. Oder in den Publikationen der Autorengruppe »Phantastischer Oberrhein«, die er initiierte.

    Wie er all das schafft? Vielleicht hat er tatsächlich einen Ghostwriter … oder deren mehrere. Denn Vielseitigkeit ist nicht eine Qualität …

    … um es biblisch zu formulieren: Es sind viele!

    Die Autorengruppe »Phantastischer Oberrhein« (2019): Karla Weigand, Ursula Dotzler, Hans-Dieter Furrer, Rainer Schorm, Frank G. Gerigk, Hans Jürgen Kugler, Peter Mathys, Jörg Weigand.

    Hans Jürgen Kugler, Peter Mathys, Jörg Weigand

    Kai Riedemann: Ach, wie gut, dass niemand weiß …

    Nachts sollte man kein Amaranth-Müsli essen. Vera Müller tat es trotzdem. Es war ihr egal, ob sich die Kopfschmerzen nun auch noch mit Magengrimmen verbrüdern würden. Eigentlich war ihr alles egal.

    Sie saß vor dem Büro-PC und spann einen Gedanken nach dem anderen, um ihn gleich wieder zu verwerfen. Nein, die Aufgabe konnte keiner lösen.

    Wieder sah sie Jacob König vor sich. Sein Grinsen, sein fast kameradschaftliches Hand-auf-die-Schulter-Legen.

    »Sie wollen doch diesen Job, oder?«, hatte er gefragt und sich über das lange gegelte Haar gestrichen. »Dann zeigen Sie mal, was Sie als Anlageberaterin taugen. Verdoppeln Sie das fiktive Kapital an der Börse. In zwei Tagen, bitte.«

    Vera starrte auf den Bildschirm. Verdammt, sie brauchte diesen Job bei König Investment.

    Wütend knallte sie den Löffel in die halbvolle Müslischüssel. Milch spritzte hoch und hinterließ einen hässlichen Fleck auf dem PC-Monitor, direkt neben den fünf Männchen, die sie mit schief gelegtem Kopf anblickten. Männchen? Rechts unten in der Bildschirmecke hockten sie. Klein, mit langem grauem Bart und zotteligen Haaren. Jeder trug ein andersfarbiges Abzeichen, und zwar in den Farben Grün, Rot, Gelb, Weiß und Schwarz.

    Daneben stand in geschwungenen Lettern: »Offenbar haben Sie Probleme. Brauchen Sie Hilfe? Ja. Nein. Diese Meldung nicht wieder anzeigen.«

    Vera seufzte und klickte auf Ja. Was hatte sie schon zu verlieren?

    Augenblicklich kam Leben in die Männchen. Sie hüpften auf und ab, tanzten in wilden Zuckungen über den Schirm, schickten schrilles Piepen über die Lautsprecher.

    »Als Gegenleistung für die Hilfe«, zeigte jetzt ein Schriftkasten an, »schließe ich einen einwöchigen Flatratevertrag ab. Bitte hier bestätigen.«

    Die Männchen blickten sie in freudiger Erwartung an. Vera bestätigte mit einem Mausklick.

    Dann ging alles ganz schnell. Wie ein Feuerwerk explodierten Farben auf dem Schirm, glühten, verschmolzen, drehten sich in fantastischen Wirbeln. Dazwischen hüpften Zahlen, Formeln und die Männchen.

    Vera blieb nichts übrig, als sich im Bürostuhl zurückzulehnen und den Rest des Amaranth-Müslis zu löffeln. Mit den Gedanken an Jacob Königs hoffentlich verblüfftes Gesicht schlief sie schließlich ein.

    Verblüfft war es gewesen, das Gesicht. Aber nicht verblüfft genug.

    »Anfängerglück, Fräulein Vera«, hatte König gesagt und dabei lässig auf der Schreibtischkante gethront. »Das machen wir gleich noch einmal.«

    Jetzt saß sie also schon wieder nach Mitternacht im Büro von König Investment. Vor sich eine Tasse Himmelstautee und zwei Pfefferkuchenherzen. Leider wusste Vera immer noch nicht, wie sie die Aufgabe bewältigen sollte. Genauso gut hätte er von ihr verlangen können, Stroh zu Gold zu spinnen. Vielleicht, wenn wieder diese kleinen …

    Frech grinsten die nächtlichen Helfer sie in der rechten Bildschirmecke an. Wieder trug jeder ein Abzeichen, und wieder in den Farben Grün, Rot, Gelb, Weiß und Schwarz.

    »Offenbar haben Sie Probleme. Brauchen Sie Hilfe? Ja. Nein. Diese Meldung nicht wieder anzeigen.«

    Vera nahm einen Schluck Tee und klickte auf Ja.

    Doch dieses Mal erwachten die Männchen nicht zum Leben. Sie hüpften auch nicht auf und ab oder tanzten in wilden Zuckungen über den Schirm oder schickten schrilles Piepen über die Lautsprecher. Sie grinsten nur.

    »Als Gegenleistung für die Hilfe«, zeigte jetzt ein Schriftkasten an, »schließe ich einen lebenslangen Flatratevertrag ab, der bei Geburt des ersten Kindes auf dieses übertragen wird. Bitte hier bestätigen.«

    Die Männchen blickten sie immer noch grinsend an. Vera zögerte, doch schließlich bestätigte sie mit einem Mausklick.

    Dann ging wieder alles ganz schnell. Wie ein Feuerwerk explodierten Farben auf dem Schirm, glühten, verschmolzen, drehten sich in fantastischen Wirbeln. Dazwischen hüpften Zahlen, Formeln und die Männchen.

    Vera blieb nichts übrig, als sich im Bürostuhl zurückzulehnen und den Rest ihres Himmelstautees zu schlürfen. Mit den Gedanken an Jacob Königs hoffentlich verblüfftes Gesicht schlief sie schließlich ein.

    Zur Begrüßung hatten ihr die neuen Kollegen einen Strohblumenstrauß geschenkt. Vera stellte ihn zwischen Bildschirm, Teetasse und Teddybär. »Vera Müller, König Investment«, so prangte es in goldener Schrift auf ihrem Namensschild. Es war geschafft.

    Vera schaltete ihren Büro-PC ein und wartete. Der Bildschirm blieb dunkel. Dauert morgens wohl etwas länger, dachte sie und kochte sich erst mal einen Sommertraumtee. Doch als sie zurückkehrte, hatte sich immer noch nichts getan. Der erste Arbeitstag fing prima an.

    Vera wollte gerade die Neustarttaste betätigen, als sie im Schwarz ihres Bildschirms bekannte Gestalten entdeckte. Langer grauer Bart, zottelige Haare, farbige Abzeichen.

    »Sie haben die erste Rate Ihres lebenslangen Flatrate-Vertrags noch nicht bezahlt«, erschien eine Meldung in den bereits vertrauten geschwungenen Lettern. »Bitte bestätigen Sie die Abbuchungserlaubnis in Höhe eines halben Nettomonatsgehalts.«

    Vera verschluckte sich an ihrem Tee. Ein halbes Monatsgehalt? Das war doch nur Spaß gewesen, die Sache mit den Männchen und der nächtlichen Hilfe.

    »Ihr spinnt ja!«, entfuhr es ihr laut, sodass die Kollegen an den anderen Schreibtischen aufblickten.

    »Du konntest das ja nicht«, krächzte das Männchen mit dem roten Abzeichen. »Nun gib uns, was du versprochen hast«, ergänzte der grüne Kollege. Zum ersten Mal hörte Vera ihre Stimmen. Hastig drehte sie die Lautstärke runter.

    Während die Männchen lässig auf und ab schlenderten, rollten Vera die ersten Tränen übers Gesicht.

    »Okay«, erklang dieses Mal etwas leiser die krächzende Stimme des weißen Männchens. »Drei Stunden wollen wir dir Zeit lassen. Wenn du bis dahin unser Passwort weißt, so sollst du dein Geld behalten.«

    Auf dem Bildschirm erschien eine Eingabemaske. Der Cursor blinkte hämisch.

    Vera König nahm ihren Teddy vom Schreibtisch, kraulte sein dichtes Fell und seufzte. Es konnte Millionen Kombinationen geben. Geburtstagsdaten, Orte, die Namen der Kinder. Plötzlich musste sie an Doktor Heinrich Dammann denken.

    »In Märchen kann man fürs Leben lernen«, hatte ihr Literaturprofessor an der Uni immer gesagt. »Wenn ihr Probleme habt, schlagt einfach bei Grimm nach.«

    Rumpelstilzchen? Konnte das möglich sein? Mit zitternden Fingern tippte sie das Wort in die Eingabemaske. Doch die schüttelte sich nur. »Passwort falsch«, erschien in den vertrauten Lettern auf dem Schirm. Dazu erklang höhnisches Lachen aus den Lautsprechern. Nein, die Lösung musste komplizierter sein.

    Ein Bild tauchte in ihren Gedanken auf. Ihr Sinologieprofessor Doktor Ferdinand Teufel. Eine Vorlesung. Wie war das gewesen? Er hatte über chinesische Soldaten auf dem Gefechtsfeld doziert. Die Soldaten waren zu je fünf Linien gestaffelt und in den drei Heeressäulen gegliedert. Jede der fünf Linien trug ein andersfarbiges Abzeichen, und zwar in den Farben: Grün, Rot, Gelb, Weiß und Schwarz! Die fünf Abzeichen! Die fünf Männchen! Jetzt fiel ihr auch wieder ein, woraus ihr Professor Teufel damals zitiert hatte: aus der Dissertation des berühmten Jörg Weigand über Staat und Militär im altchinesischen Militärtraktat Wei Liao-tzu!

    Vera stellte den Teddy zurück auf den Schreibtisch, trank noch einen Schluck Sommertraumtee und tippte dann das Passwort »Wei Liao-tzu« in die Eingabemaske.

    Der Bildschirm wurde schlagartig babyblau. Die Männchen sprangen auf, schrien, stießen mit dem rechten Fuß vor Zorn in den jetzt aufleuchtenden Desktophintergrund.

    »Das hat dir der Teufel gesagt«, erklangen ein letztes Mal ihre krächzenden Stimmen aus den Lautsprechern. »Das hat dir der Teufel gesagt.«

    Damit hatten sie irgendwie sogar Recht. Der Teufel – und Doktor Jörg Weigand.

    Karl-Ulrich Burgdorf: Jörg Ernst Weigand, etymologisch

    »What’s in a name?«

    – William Shakespeare: Romeo und Julia

    »Le style, c’est l’homme« oder, richtiger zitiert: »Le Style, c’est l’homme même«: Diesen Ausspruch tat der Naturforscher Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon, in der Antrittsrede, die er 1753 unter dem Titel »Discours sur le style« anlässlich seiner Aufnahme in die Académie Française hielt. Übersetzen könnte man das etwa mit »Der Stil eines Menschen ist das Abbild seines Charakters«.

    Wenn das zutrifft (und wer bin ich, es zu bezweifeln?), könnte man dann nicht vielleicht auch den womöglich ebenso zutreffenden Satz »Le nom, c’est l’homme (même)« aufstellen, also »Der Name eines Menschen ist das Abbild seines Charakters«? Die alten Lateiner jedenfalls haben dies getan, denn für sie galt, dass der Name zumindest auf den Charakter eines Menschen oder einer Sache vorausdeutet: »Nomen est omen!«

    Dieser Gedanke kam mir, als ich von Karla Weigand und Rainer Schorm die Einladung erhielt, einen Beitrag zu der hier vorliegenden Festschrift zu verfassen, mit der wir den 80. Geburtstag unseres Freundes und Kollegen Jörg Weigand feiern wollen. Sagt der Name »Jörg Weigand« also womöglich etwas über den Charakter des Jubilars aus, und wenn ja, was? Um das herauszufinden, beschloss ich, Jörg Weigands Namen einer – zugegebenermaßen laienhaften – etymologischen Untersuchung zu unterziehen, und ich möchte Sie herzlich einladen, mich auf dieser kleinen Reise durch Namenskunde und Sprachgeschichte zu begleiten. Schon jetzt kann ich Ihnen versprechen, dass wir dabei Erstaunliches zutage fördern werden.

    Und bevor ich es vergesse: Auch ein zweiter, vielleicht nicht so allgemein bekannter Vorname des Jubilars wird Teil unserer Untersuchung sein; davon später mehr.

    Der Nachname: Weigand

    Just in den Tagen, als die Einladung bei mir eintraf, hatte ich wieder einmal, so wie ich es gerne tue, in Nabil Osmans Kleinem Lexikon untergegangener Wörter geblättert, das bereits 1971 zum ersten Mal erschienen ist und das als Band 487 der Beck'schen Reihe in der 10. Auflage von 1998 in meinem Bücherregal steht. Eine vage Erinnerung trieb mich dazu, dort als Erstes nachzuschauen, und tatsächlich fand ich auf Seite 229 den Eintrag »Weigand, Wiegand – Kämpfer«. Das klang nun außerordentlich spannend, denn ein Kämpfer ist Jörg Weigand in der Tat, und darum begann ich zu exzerpieren, was Nabil Osman an Quellen zur Bedeutung dieses Wortes zusammengetragen hat.

    Johann Christoph Adelung etwa, seines Zeichens Polyhistor und Sprachforscher, schreibt dazu in seinem Grammatisch-kritischen Wörterbuch der hochdeutschen Mundart, dem bekanntesten lexikalischen Werk des 18. Jahrhunderts, dies sei »ein längst veraltetes Wort, welches ehedem einen Kriegsmann, braven Soldaten, tapferen Helden« bedeutet habe. Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Leipzig 1854–1960, ergänzt:

    »(Es) ist nach hoher blüthe zumal im volksepos des mittelalters seit ende des 13. jh. zurückgegangen, lebt aber im ganzen sprachgebiet bis anf. d. 16 jh. … dichter und gelehrte des 17. jh. knüpfen ausdrücklich an mhd. sprachgebrauch an … Gottsched, Adelung, Campe haben die erneuerung des worts nicht unterstützt, von den classikern zeigt nur Wieland neigung dafür, die wenigen dichter, die sich sonst dafür einsetzen, dringen nicht durch … so ist das wort über den gelehrtenkreis kaum hinausgedrungen; nicht zu vergleichen mit den gelungenen erneuerungen altdeutscher wörter wie: hain, halle, minne, norne, rune.«

    Deshalb zieht Nabil Osman das Fazit:

    »Untergangsgrund: [wir erinnern uns: dies ist schließlich das Kleine Lexikon untergegangener Wörter!] misslungene Neubelebung eines altdeutschen Wortes. Wie Ger, Kämper, Minne, Norne, Rune u. a. misslungene Neubelebungen alter Wörter konnte sich das Wort trotz Neubelebungsversuchen im 18. Jh. nicht durchsetzen. Da die Theoretiker Gottsched, Adelung, Campe nicht mitgehen wollten, drang das Wort über den gelehrten Kreis kaum hinaus.«

    Festhalten sollten wir also, dass »Weigand« »Kämpfer« bedeutet. Damit enden allerdings die Parallelen, denn was Osman über den Untergang des Wortes »Weigand« sagt, trifft auf die Person Jörg Weigand keineswegs zu. Dieser Weigand ist schließlich keineswegs »untergegangen«, sondern nach wie vor obenauf; er hat sich als Autor wie als Kritiker durchgesetzt und ist, nachdem er einmal die (SF-) Szene betreten hatte, auch nie wieder weg gewesen. Außerdem ist es ihm sehr wohl gelungen, über den »gelehrten Kreis« hinaus zu dringen, denn auch wenn er eine Reihe von Sachbüchern veröffentlicht hat, werden seine Unterhaltungsromane auch von einfachen Menschen gelesen, denen der Sinn einfach nur nach spannender Lektüre steht. »Neubelebungsversuche« waren deshalb niemals nötig, ja, man darf sogar sagen, dass Jörg Weigand gerade jetzt, zu seinem 80. Geburtstag, in »hoher blüthe« steht, da er nach wie vor eifrig produziert und veröffentlicht – woraus wir lernen können, dass auch die Etymologie eines Wortes bisweilen in die Irre führen kann.

    Aber schauen wir weiter, denn mit einem Nachnamen allein ist es ja nicht getan.

    Der erste Vorname: Jörg

    In den Polizeirevier 87-Kriminalromanen des amerikanischen Autors Ed McBain gibt es einen Cop, der nicht nur mit Nachnamen, sondern auch mit Vornamen »Meyer« heißt. Also: Meyer Meyer. Natürlich bringt ihm das eine Menge Spott ein, und er fragt sich mit schöner Regelmäßigkeit, was sich seine Eltern wohl dabei gedacht haben mögen, ihm einen solchen Vornamen zu geben.

    Ein ähnliches Schicksal hätte auch Jörg Weigand treffen können, denn tatsächlich ist »Weigand« nicht nur ein Nach-, sondern auch ein Vorname. (Wenn Sie’s nicht glauben: Ich habe wirklich mal jemanden gekannt, der mit Vornamen »Weigand« hieß. Mit Nachnamen allerdings nicht.)

    Glücklicherweise haben Jörg Weigands Eltern auf diese extravagante Art der Namensgebung verzichtet. Statt als »Weigand Weigand« ist er als Jörg Weigand in die Welt hinausgetreten, und diese hat es ihm gedankt, indem sie im Gegensatz zum armen Meyer Meyer keinen Kübel voll Spott über seinen Namen ausgegossen hat.

    Aber passt der zunächst einmal ganz friedlich klingende Vorname »Jörg« überhaupt zum, wie wir im Zuge unserer bisherigen etymologischen Untersuchung herausgefunden haben, recht streitbaren Nachnamen »Weigand«?

    Der Vorname »Jörg« ist natürlich eine Nebenform von »Georg«. Legenden-, Mythen- und Fantasyanklang: Georg und der Drache! Aber wer ist das historische Vorbild dieses sagenhaften Drachentöters? Um das herauszufinden, greife ich zu Herders Kleinem Lexikon der Heiligen, das mir, wenngleich in recht knapper Form, die gewünschte Information liefert: Beim Namenspatron für jeden Georg und damit auch für jeden Jörg handelt es sich um

    »Georg von Kappadozien, Hl. [heißt offenbar: Heiliger; aber das wussten wir dank des Lexikontitels ja ohnehin schon], Märtyrer, einer der Vierzehn Nothelfer, der große Verehrung in der ganzen christlichen Welt genoss. Patron vieler Länder, Bistümer und Kirchen. Angerufen bei Fieber und in Kriegsgefahr.«

    Interessant: Wer alles den Hl. Georg in Kriegsgefahr anrufen kann, darüber schweigt sich das Kleine Lexikon der Heiligen aus, und von einem Drachen ist auch nirgendwo die Rede … Das schreit nun geradezu nach weiterer Recherche! Also ein erneuter Griff ins Bücherregal, diesmal zum siebten Band (Gas – Gz) meines Großen Brockhaus von 1930 (einen aktuelleren besitze ich leider nicht, aber über diesen frühchristlichen Märtyrer wird in den letzten neunzig Jahren wohl nicht so viel Neues ans Tageslicht gekommen sein). Und da steht nun zu lesen:

    »Georg, christl. Heiliger, einer der 14 Nothelfer, Patron der Sattler und Küfer, Schutzpatron der Krieger und seit dem 13. Jahrh. Englands, gewöhnlich Ritter Sankt G. genannt, in der morgenländ. Kirche als der Siegbringende und der Großmärtyrer gefeiert, stammte nach der Legende aus Kappadokien und starb unter Diokletian (angeblich 303 n. Chr.) den Märtyrertod. (…) In der späteren Legende wird er zum Drachentöter, so in der Legenda aurea des Jakobus de Boragine, die als Erste berichtet, dass G. einen Lindwurm getötet habe, der die Königstochter Aja (Kleodolinde) zu verschlingen drohte. Als Drachentöter ist er ein beliebtes Motiv der Malerei, der Plastik sowie der Dichtung geworden.«

    Das Heiligenlexikon hat also mehr als nur ein bisschen geschummelt: Dass der Hl. Georg ein Kriegsmann war, unterschlägt es ganz, desgleichen auch, dass es die Krieger sind, die ihn in Kriegsgefahr anrufen dürfen, nicht die menschlichen Kollateralschäden (früher einmal auch »Zivilisten« genannt).

    Aber zurück zum Thema.

    Georg/Jörg ist also selbst Kriegsmann und zugleich Schutzheiliger der Krieger in Kriegsgefahr! Das hat auf seine Weise etwas beruhigend Science-Fiction-Mäßiges, denn es erinnert an ein Möbiusband, bei dem ja auch beide Seiten letztlich eins sind.

    Damit könnten wir die Diskussion des Vornamens »Georg/Jörg« eigentlich abschließen, aber bevor wir zum nächsten Punkt übergehen, sei zuvor die Lektüre im Heiligenlexikon beendet. Dort heißt es nämlich weiter:

    »An seinem Feste findet die Pferdesegnung statt (Georgsritt). Dargestellt mit Drachen, Rittern, Pferden und weißer Fahne mit rotem Kreuz.«

    Das nun passt leider nicht so ganz zu unserem Jubilar, denn das Fest des Heiligen fällt keineswegs auf den 21. Dezember, also Jörg Weigands Geburtstag, sondern auf den 23. April. Und dass Jörg Weigand etwas mit Pferden und ihrer Segnung zu tun hätte, ist wenigstens mir bisher noch nicht bekannt geworden. Aber sei’s drum – schließlich gilt auch hier der Satz »Nobody is perfect.«

    Der zweite Vorname: Ernst

    »Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.« Dieser Ausspruch stammt von Victor Hugo, und er führt uns geradewegs zu Jörg Weigands zweitem Vornamen. In schon fortgeschrittenem Alter hat unser Jubilar nämlich damit begonnen, all das, was er nicht in Worten auszudrücken, über das er aber auch nicht zu schweigen vermochte, in Musik zu fassen.

    Kurz: Er hat nicht nur angefangen, Klavier zu spielen, sondern auch zu komponieren, wovon eine erste CD inzwischen klangvoll Zeugnis ablegt. Für diese Komponistentätigkeit nun hat er sich auf seinen zweiten, bis dahin in seiner schriftstellerischen Tätigkeit nie gebrauchten Vornamen besonnen, nämlich »Ernst«. Und auch den wollen wir nun einer kleinen etymologischen Untersuchung unterziehen.

    Dafür greifen wir nun allerdings nicht mehr auf das gedruckte Wort, sondern auf modernere Medien zurück, nämlich das Internet. Unter www.wissen.de finden wir ohne große Mühe die nachfolgende Erklärung:

    »Ernst. Das Wort geht über mhd. ernest, ernust auf westgerm. *ernustu, ›Kampf, Aufrichtigkeit‹ zurück, das seinerseits auf idg.* er–/or– ›erheben, sich erregen, hochfahren‹ beruht; auch in griech. éris, ›Kampf‹ und lat. adorior; die Bedeutung entwickelte sich von ›Kampf‹ über ›Kampfeseifer‹ und ›Verfestigung im Kampf‹ zum heutigen ›Verfestigung des Willens‹.«

    (Wobei »idg.« natürlich »indogermanisch« bedeutet.)

    Ganz ohne Abkürzungen, dafür aber auch etwas weniger tiefschürfend sagt es auch Wikipedia:

    »Ernst kommt vom althochdeutschen ›ernust‹, ›Kampf‹ und bedeutet demgemäß ›der Entschlossene‹, dann auch ›der Ernsthafte‹, einer der wenigen einstämmigen deutschen Namen. Als latinisierte Version liegt auch Ernestus vor, mit der Variante Ernestinus.«

    Ein Nachname und zwei Vornamen – eine Zusammenschau

    Am Ende unserer kleinen etymologischen Untersuchung kommen wir somit zu der erstaunlichen Erkenntnis, dass alle drei Bestandteile von Jörg Ernst Weigands Namen, die beiden Vornamen ebenso wie der Nachname, entweder mit Krieg, Kampf oder mit tapferem Streitertum zu tun haben. Passt das zu seiner Person? Ist in diesem Falle nomen wirklich omen, gilt also die zu Beginn dieser etymologischen Untersuchung probeweise als Parallele zu Comte de Buffons Meinung über den (Schreib-) Stil eines Menschen aufgestellte These »Le nom, c'est l'homme même« – »Der Name eines Menschen ist das Abbild seines Charakters«?

    Wer mir bei dem kleinen Rundgang durch die Herkunftsgeschichte der Namen »Jörg«, »Ernst« und »Weigand« gefolgt ist, und wer darüber hinaus das Glück hat, Jörg Weigand persönlich zu kennen, wird mir gewiss ohne jedes Zögern zustimmen: Ja, zumindest im Falle Jörg Weigands stimmt diese These. Denn ein Kämpfer ist Jörg Weigand in der Tat, wenngleich keiner, der etwa kriegerische Gewalt gegen Personen oder Sachen üben würde. Seine Waffe ist vielmehr die des streitbaren Intellektuellen, nämlich das geschliffene Wort, mit dem er nicht nur bei der Diskussion über kontroverse Themen brillant zu fechten versteht, was jeder bestätigen wird, der ihn jemals als Diskussionsredner – etwa bei den »Tagen der Phantastik« in Wetzlar – erlebt hat. Darüber hinaus aber meldet er sich auch in gedruckter Form immer wieder entschlossen und ernsthaft zu Wort, wenn es um Themen geht, für die zu streiten ihm dringend nötig erscheint. Das hat er nicht nur in vielen seiner Kritiken bewiesen, sondern zuletzt auch wieder in seinem Sachbuch Träume auf dickem Papier. Das Leihbuch nach 1945 – ein Stück Buchgeschichte, das seit Kurzem in einer erweiterten 2. Auflage vorliegt und

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