TRAUMAKOMPASS: SELBSTFÜRSORGE STABILISIEREN STÄRKEN BERUHIGEN SCHULE BERATUNG LAIEN
Von Lisa Zehner
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Über dieses E-Book
Dieses Buch bietet praktische Lösungswege für interessierte Laien, BeraterInnen und Lehrkräfte, die aufrichtig an neuen Perspektiven interessiert sind.
Menschen mit traumatischen Erfahrungen haben häufig negative Gedanken und Gefühle. Durch die Fähigkeit des Gehirns sich neu zu strukturieren (Neuroplastitzität) gelingt es, Wohlbefinden wieder zu vermehren. Lehrkräfte und BegleiterInnen können beim Umfokussieren helfen.
Leitfaden für den Traumakompass:
- Psychoedukation: Versuchen Sie die psychische Dynamik eines Traumas zu verstehen. Das dient der eigenen Selbstfürsorge und beugt Sekundärtraumatisierung vor.
- Ritual: Wählen Sie einfache Übungssequenzen, die Sie regelmäßig wiederholen.
- Gefühlskompass: Führen Sie nur Übungen durch, bei denen Sie sich sicher und freudvoll fühlen.
Beispiele: 5 – 10 Minuten, 1 Ritual täglich, 1 Semester lang:
- Wechselatmung, traumasensibles Schreiben, Power Poses- Atemanker
, bilaterales Zeichnen, Tresorübung
- Bauchatmung, Selbstregulation durch Spannungsregler, Überkreuzbewegungen
- Glückstagebuch, handlungsorientiere Achtsamkeit (Breathwalk), Rücken an Rücken sitzen
- Lösungsorientierte Gesprächsführung, Erdung
Einfache Interventionen helfen bei Dissoziation, Übererregung oder Erstarrung.
Sie können durch die Übungen stabilisieren, Ressourcen stärken oder beruhigen.
Positive Rituale sind hilfreich und formen konstruktive, neue Gewohnheiten.
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Buchvorschau
TRAUMAKOMPASS - Lisa Zehner
Laien
Mag. Lisa Zehner
Vorwort
In Japan werden zerbrochene Objekte mit Gold repariert. Der vergoldete Riss wird als ein einzigartiger und besonders wertvoller Teil der Geschichte des Gegenstands gesehen. Die Einfachheit, das Verstehen und die Wertschätzung der Fehlerhaftigkeit stehen im Zentrum dieser Anschauung. Übertragen auf das zerbrochene Porzellan, hebt die Goldverbindung den Makel hervor. Durch eine aufwendige Restauration erlangt die Schale einen einzigartigen Status, gibt dem Zerbrochenen mehr Wert, nicht weniger. Kintsugi (jap. „Goldflicken") nennt sich diese traditionelle Reparaturmethode für Keramik.
Ich möchte mit dieser positiven Metapher der mit Gold reparierten Schale beginnen. Sie macht Ihnen hoffentlich Mut. Die Verwandlung der Schale beschreibt die bestmögliche Entwicklung, die ein Mensch erleben kann, der ein Trauma überlebt hat. Denken Sie bitte daran, wenn Sie das nächste Mal das Gefühl haben, dass etwas in einem Menschen zerbrochen ist.
Bildquelle: Wikimedia Commons¹
Nach einem Jahrhundert der Psychotherapie wissen wir immer noch nicht zufriedenstellend, wie wir mit seelischen Verletzungen umgehen sollen. Viele stecken fest im Ignorieren der Verletzungen und überspielen die eigene Not. Traumata werden, damit wir in unserer Gesellschaft funktionieren können, einfach weggedrückt. Wir haben nur teilweise eine Kultur entwickelt, die zu einem guten Leben führt.
Unterschiedliche therapeutische Ansätze zur Traumaheilung wurden in den letzten Jahrzehnten sehr gut erforscht und für hilfreich befunden. Der Gehirnforscher Gerald Hüther schreibt in seinem Buch „Gebrauchsanleitung für unser Gehirn", dass es sicher noch dauert, bis das Wissen in der Schule ankommt.
Lange wurde das Thema Trauma aus der Lehre ausgeklammert. Man könnte sagen, es gibt noch viel Entwicklungspotential in diesem Feld. Aufgrund der steigenden Anforderungen wird es immer dringlicher, das Wissen aus der Traumaforschung für die Pädagogik aufzubereiten. Sinnvoll wäre eine Implementierung in die Ausbildung für PädagogInnen. Das könnte auch die Lehrkräfte mittels besserer Selbstfürsorge vor dem Ausbrennen durch Sekundärtraumatisierung schützen.
Trauma ist eine komplexe Angelegenheit. Deshalb ist das Buch folgendermaßen aufgebaut:
Sie werden in dem Buch viel Wissen zum Verständnis der Traumadynamik finden, das Sie, also die Lehrkräfte, direkt anspricht.
Weiters werden viele praxiserprobte, einfache Übungen erklärt, in denen Ihre Schülerinnen und Schüler direkt angesprochen werden.
Bei dem Wunsch zur Vertiefung des Wissens gibt es eine umfassende Literaturliste oder Seminarangebote.
Mit den praxiserprobten Übungen können Lehrkräfte auf einfache Weise stabilisieren, ressourcenorientiert arbeiten, in Akutfällen handeln, stärken oder beruhigen.
Manche Übungen mögen auf den ersten Blick einfach und unspektakulär erscheinen. Allerdings: Stetig, als Ritual angewandt, sind sie sehr hilfreich und formen konstruktive, neue Gewohnheiten.
Das vorliegende Buch erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, ersetzt keinen Arzt oder Therapeuten.
Mag. Lisa Zehner – Psychologische Beratung, Maltherapie
¹ Schale 1: Wikimedia Commons, Autor: Sakurasand; Schale 2: unbekannter Künstler: Schale 3: Haragayato
Inhalt
Titelseite
Vorwort
Was ist ein Trauma?
Monotrauma und Komplextraumatisierung
Bindungstrauma – Traumatische Kindheit
Sequentielle Traumatisierung: Beispiel Flucht
Das Basistrauma – „Trauma der Identität"
Transgenerationstrauma – Vererbte Narben
Reaktion während des Traumas
„Komm her, geh weg!" – Traumatische Bindung
PTBS und ihre Auswirkungen auf das Alltagsleben
Wie sind Traumata oder posttraumatische Belastungsstörungen zu erkennen?
Posttraumatisches Wachstum
Psychoedukation – Die halbe Miete
Angst und Panik entstehen im Kopf
Was passiert bei einem Trauma im Gehirn?
Kraftquellen und Umfokussieren – eine Gebrauchsanweisung
Gebrauchsleitfaden für die Praxis
Quellen der Kraft und Stärke
Traumasensiblen Unterricht gestalten
Die Schule als sicherer Ort – Rahmen und Strukturen
Positive Rituale im Schulalltag
Klassenvertrag – sich beteiligen
STOPP-Technik und Time-out
Achtsamkeit – „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne"
Achtsamkeitsübungen
Traumasensible Achtsamkeit – handlungsorientiert, nach außen gerichtet
Achtsamkeit und Angst – nur für erfahrene und stabile SelbstbeobachterInnen
Lösungsorientierte, wertschätzende Kommunikation
Gesprächsführung
Systemische Fragetechniken für Lehrkräfte und Kinder
Gewaltfreie Kommunikation
4-Punkte-Modell – Giraffen und Wolfssprache
Selbstregulation
Spannungsskala
Der Spannungsregler
Stress reduzieren
Emotionales Selfie
Trauma ist auch Körpersache
Bewegungsübungen
Kurzübungen – Hilfe zur Selbsthilfe
Training der Selbstermächtigung durch „Power Poses"
Balanceübungen
Links-, Rechts- und Überkreuzbewegungen mit Händen und Füßen
Klavierspiel
Kniechen/Näschen/Öhrchen
Links-, Rechts- und Überkreuzbewegungen mit dem Körper
Armkreisen
Walking-Variationen
Ellbogen – Knie, Schuhplattln, halber Hampelmann
Bewusstes Atmen für starke Nerven
Atemanker
Rhythmische Atmung 8 – 4 – 7 – 4
Wechselatmung
Atem- und Visualisierungsübung – Farbe ableiten
Ein Plädoyer für handschriftliches Schreiben
Psychologische Vorteile des Schreibens
Lernen und Gehirntraining
Expressives Schreiben oder Free Writing
Klar schreiben und kommunizieren
Schreiben, Dankbarkeit und eine gute Stimmung
Schwierige Zeiten liefern Treibstoff für das Free Writing
Was sagt die Wissenschaft?
Hilft schreiben bei Traumata? Eine Überprüfung der Theorie
Warum hilft Schreiben?
Weitere Studien zur positiven Wirkung des Schreibens
Wie soll das in der Praxis funktionieren? Tagebuch 2.0
Allgemeine Tipps zum täglichen Zehn-Minuten-Schreiben
Schreibübungen zur Ressourcenstärkung
Free Writing
Schülerinnen- und Schülerstimmen zum Free Writing
Glückstagebuch
Ich sammle Lernerfolge
Aufsatz: Zaubere dir deine Welt
Skillstraining: Selbstbewusstsein – Erschaffe dir deinen eigenen Planeten
Skillstraining: Sich sicher fühlen – Containment
Dein Wohlfühlort
Käseglocke – Ein sicherer Ort
Tresorübung („bewusste Verdrängung")
Schatzkiste – Wegpacken und in Sicherheit bringen
Inneres Helferteam
Kreatives Schaffen – Ressourcen stärken
Stärkencollage
Mein starker Baum
Bilaterales Zeichnen
Notfallmaßnahmen – Akutinterventionen
Wie können Sie erkennen, ob sich jemand in einem Schockzustand befindet?
Zurückführen ins Hier und Jetzt
Beruhigung
Grounding, sich erden
Entspannungsübung mit sofortiger Wirkung
Sitzen: Rücken an Rücken
Lavalampe oder Sanduhr am Rückzugsort betrachten
Stellung des Kindes (Yoga)
Essen, Wasser trinken, Düfte riechen
Interventionen im Klassenzimmer – Übersicht
Sekundärtraumatisierung – Stärkung der Lehrkräfte
Lösungsansätze, Prävention, Selbstfürsorge
Vertiefendes Free Writing zur Psychohygiene für Lehrende
Praxisberichte
Traumatherapie
Glossar, Literaturliste
Zur Autorin
Impressum
Was ist ein Trauma?
Ein Trauma wird als eine psychologische und emotionale Reaktion auf ein Ereignis definiert, welche zutiefst belastend oder verstörend ist.
Um ein Trauma handelt es sich, wenn drei Bedingungen zusammenkommen.
Ein Erlebnis, das als existentielle Bedrohung für das eigene Leben oder das Leben einer geliebten Person empfunden wird,
die Bewältigungsmechanismen übersteigt,
als Einschnitt erlebt wird, der das bisherige Leben nachhaltig zum Schlechten verändert. Es gibt ein „Vorher und „Nachher
bzw. „Seitdem".
Betroffene werden durch die Empfindung, ihr Leben sei bedroht, in einen überwältigenden und hilflosen Zustand des Ausgeliefertseins versetzt. Das Resultat ist eine ungeschützte Angst-Schreck-Schock-Situation.
Das Gehirn wird dabei regelrecht mit Stress überflutet. Diese überschießende Erregung führt dazu, dass vernünftige Reaktionsmuster des Großhirns vorübergehend nicht mehr zugänglich sind. Die Kontrolle übernimmt ein instinktiv angelegtes Notfallprogramm. Der Totstellreflex, Furcht, Angst, Erstarrung, Dissoziation, Unterwerfung setzen ein.¹
Gründe dafür sind vielfältig: pränataler Stress, eine schwere Geburt, frühkindliche Vernachlässigung, häufiges Verlassen- oder Alleingelassen werden, Verlust eines geliebten Menschen, Scheidung, emotionaler wie sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, häusliche Gewalt, heftige Zurückweisung, Tod eines geliebten Menschen, ärztliche Eingriffe, Krankheit, Verletzung, Armut, Unfall, Gewalt, Krieg, Folter etc.
Nicht immer sind es schwerwiegende Erlebnisse, die ein Trauma verursachen. Bei sensiblen Menschen kann ein scheinbar harmloses Ereignis ein Trauma hervorrufen.
Menschen verarbeiten traumatische Ereignisse individuell, weil unsere bisherigen Lebenserfahrungen, Prägungen und Beziehungen zu anderen Menschen unterschiedlich sind.
Sich ohnmächtig zu fühlen, führt zum Verlust des Urvertrauens. Wir verlieren die Fähigkeit erfolgreich zu handeln, zu gestalten und für uns selbst gut zu sorgen.
Die Symptome eines Traumas haben unterschiedliche Merkmale. PsychologInnen haben mehrere Kategorien entwickelt, um verschiedene Arten von Traumata zu unterscheiden. Nachfolgend sind die im Moment gängigen Traumakonzepte aufgezählt.
Monotrauma und Komplextraumatisierung
Traumatyp I oder Monotrauma ist eine einmalige lebensbedrohliche Situation.
Beispiele: Unfall, Tod eines nahestehenden Menschen, Geburtstrauma, Vergewaltigung, Naturkatastrophe, Terroranschlag