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Coedus - Kampf in der Dämmerung
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Coedus - Kampf in der Dämmerung
eBook387 Seiten

Coedus - Kampf in der Dämmerung

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Über dieses E-Book

Als die junge Juljana einer gewaltigen Magie-Explosion nachgeht, die ihr Dorf erschüttert hat, findet sie inmitten des Kraters einen Jungen ohne Erinnerungen.
Wer ist der Fremde, den sie fortan Altair nennen? Auf der Suche nach Antworten geraten sie in ein Netz aus Lügen und Intrigen, das sich bis in den Kaiserpalast erstreckt. Wem können sie trauen?

Coedus: Kampf in der Dämmerung ist der erste Teil einer Trilogie um Magie, uralte Mächte und Geheimnisse.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum28. Dez. 2019
ISBN9783946127390
Coedus - Kampf in der Dämmerung

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    Buchvorschau

    Coedus - Kampf in der Dämmerung - D. F. Hoi

    Impressum

    Prolog

    »Am Anfang war das Nichts. Niemand weiß, ob diese besondere Macht, die von vielen Gott genannt wird, schon immer existierte oder auch erst zu einem späteren Zeitpunkt entstand. Den Legenden zufolge erschuf Gott alles. Den Himmel, die Erde, alle Tiere und auch den Menschen. Gott war sehr zufrieden mit den Menschen und erschuf somit die Engel, die mit ihm im Himmel leben und über die Menschen wachen sollten. Nicht alle Engel waren mit dieser Aufgabe zufrieden und widersetzen sich dem Wort Gottes. Um sie zu bestrafen, wurde die Hölle erschaffen, in der sie fortan gefangen waren.«

    Ein dunkler Raum ohne Fenster, nur das helle Licht des Feuers im Kamin erhellte das Zimmer. Viele Möbel gab es in dem Raum nicht. Er bestand nur aus zwei Sesseln, einem runden Holztisch und dem Kamin. Auf dem Tisch standen zwei kleine Gläser und eine Flasche mit einer durchsichtigen Flüssigkeit darin. Es war still, man hörte nur das Knistern des Feuers. Mit lautem Knarren öffnete sich langsam die hölzerne Tür, und ein Mann mit einem roten Mantel betrat gemächlich den Raum. Er trug eine braune Mütze, jedoch ragten ein paar seiner grauen Haare heraus. Mit kleinen Schritten näherte er sich dem Tisch und setzte sich auf den Stuhl, seine Augen starr auf das Feuer gerichtet. Er füllte die beiden Gläser mit einem kleinen Schluck der Flüssigkeit und stellte die Flasche, die noch zur Hälfte gefüllt war, wieder auf den Tisch. Die Tür öffnete sich wieder mit lautem Knarren, während der Mann an seinem Glas nippte. Ein weitaus jüngerer Mann, mit einem langen braunen Mantel, betrat den Raum. In seinen Augen spiegelte sich das Licht der Flammen, während er mit einem bösen Blick das Zimmer musterte. Mit seiner rechten Hand spielte er an seinem Schnurrbart.

    »Du bist spät«, sagte der Mann mit dem roten Mantel und stellte sein Glas wieder auf den Tisch.

    »Wir haben keine Zeit vereinbart, freu dich darüber, dass ich überhaupt gekommen bin.«

    Die beiden starrten sich an, als wäre es ein Wettbewerb. Den Blick auf den jeweils anderen fixiert, legte der Jüngere seinen Mantel behutsam über die Lehne des Stuhls vor ihm und nahm auf selbigem Platz. Dann erhoben sie ihre Gläser und stießen an. Das laute Klirren der Gläser durchbrach die Stille, die in dem Raum herrschte.

    »Es hat sich viel verändert«, seufzte der ältere Mann. Sein Blick wanderte endlich von seinem Gesprächspartner zu den roten Flammen, die im Karmin ein paar Holzscheitel zu Asche verbrannten.

    »Ich weiß, die Zeit läuft unaufhörlich und zieht viele Veränderungen mit sich.«

    Seinen Blick weiter auf die Flammen gerichtet erhob sich der Ältere, ging zum Karmin und kniete sich nieder, um einen weiteren Scheit nachzulegen.

    Der Alte begann hämisch zu grinsen.

    »Ändern wir die Bedingungen!«, flüsterte er und drehte sich zu dem Jüngeren um, welcher verdutzt die Flasche abstellte, aus welcher er sich soeben nachgeschenkt hatte.

    Kapitel 1: Wer bin ich?

    Jedes Dorf hatte seine eigenen kleinen Angewohnheiten, so auch das kleine Dörfchen Karam. Um sechs Uhr ertönte die Glocke der Kirche und die meisten Dorfbewohner erwachten aus ihrem Tiefschlaf. Die meisten begannen ihren Tag mit einem Frühstück. Da es zu dieser Jahreszeit ziemlich warm war, aßen sie im Freien. Während die Sonne immer weiter emporstieg, erhellte sich auch das kleine Dörfchen. Die meisten Häuser waren grau und hatten kleine Gärten, mit vielen Blumen und Bäumen. Die Straße, die sich durch das ganze Dorf zog, bestand aus vielen einzelnen Steinen, welche leicht glitzerten, wenn die Sonne darauf schien. Mitten im Dorf stand ein großer Brunnen mit einem Felsen in der Mitte, auf welchem eine steinerne Statue in die Höhe ragte. Die Statue zeigte einen muskulösen Mann, welcher sein Schwert gen Himmel hielt. Neben dem Brunnen waren sehr viele kleine Holzstände, bei denen viele Händler ihre Waren verkauften. Den ganzen Tag herrschte reges Treiben auf diesem Platz, unzählige Straßenmusiker und Akteure versammelten sich und versuchten, damit Geld zu verdienen. Während sich die meisten Familien beim Frühstück unterhielten, bestand die Familie Desinger aus Morgenmuffeln, welche sich anschwiegen und meistens noch mit offenen Augen träumten. Durch Pollen, die in der Luft umher wirbelten, begann Juljanas Nase zu kitzeln und sie nieste auf ihren kleinen Bruder. Juljana war mit siebzehn Jahren die älteste Tochter der Familie Desinger. Wegen ihren smaragdgrünen Augen und ihren braunen Haaren wurde sie oft von Jungen aus dem Dorf als sehr hübsch bezeichnet.

    »Juljana, wann lernst du endlich, dir die Hand vor dem Mund zu halten wenn du niest?«, schimpfte ihr Vater Talon. Talon trug fast immer seine braunen zerrissenen Hosen, von denen er behauptete, sie brächten ihm Glück. In seiner Familie war er der Einzige mit blonden Haaren. Seine Frau Elena Desinger, sein Sohn Thomas und Juljana hatten alle lange, braune Haare.

    »Du weißt, dass ich um diese Zeit einfach zu müde bin, um schnelle Bewegungen zu machen«, seufzte Juljana und tätschelte ihren Bruder am Hinterkopf. Juljana hatte die Angewohnheit ihren Bruder immer über die Haare zu streicheln, da er - ihrer Meinung nach - so schönes, wuscheliges Haar hatte. Genervt schüttelte Thomas seinen Kopf und widmete sich wieder seinem prall gefüllten Teller.

    »Das kommt davon, wenn man immer bis in die frühen Morgenstunden Bücher liest«, sagte Elena. Währenddessen legte sie Talon eine weitere Scheibe Brot auf den Teller. »Weißt du, irgendwann musst du beginnen, erwachsen zu werden, denn irgendwann ... naja... möchten dein Vater und ich Enkelkinder.«

    Elena hatte die Worte noch nicht vollständig ausgesprochen, als Talon sich schon an seinem Brot verschluckte und Thomas wild zu lachen begann.

    »Juljana! Bitte! Bitte, lass dir mit diesem Thema noch viel Zeit. Du hast noch dein ganzes Leben vor dir und wir brauchen dich hier in unserem kleinen Laden«, entgegnete Talon.

    Dabei wurde sein Kopf immer röter vor Scham. Die Familie Desinger besaß ein kleines Geschäft in dem sie Heilkräuter und Salben verkauften.

    Talon war mit fast zwei Metern einer der größten im Dorf, wogegen Elena relativ klein war. Thomas war das jüngste Mitglied der Familie und ein ziemlich aufgeweckter Junge. Da er es hasste sich zu kämmen, waren seine Haare wie immer ziemlich zerzaust. Am Vormittag arbeiteten Talon, Elena und Juljana in ihrem Geschäft »Desinger Kräuter«. Juljana durfte jedoch am Nachmittag meistens frei nehmen, um mit Thomas oder anderen Kindern im Dorf zu spielen.

    »Ja! Juljana, ich will einen Neffen, damit ich am Vormittag jemanden zum Spielen habe«, kreischte Thomas, während er fast von seinem Stuhl fiel vor Lachen.

    »Ist euch eigentlich aufgefallen, dass man heute überhaupt keine Vögel singen hört?«, unterbrach Juljana das Thema, mit noch immer sichtlich errötetem Kopf.

    »Hm, wär mir eigentlich gar nicht aufgefallen, wenn du es nicht erwähnt hättest«, musste Talon zugeben. Sein Blick wurde plötzlich Ernst und er beobachtete die Gegend. Eine Stunde später war es acht Uhr und die Desingers eröffneten, wie üblich, ihren Laden. Der Laden war in Karam sehr berühmt und viele Leute kauften täglich bei ihnen ihre Kräuter. Wie jeden Mittwoch war der Priester im Geschäft, um Juljana davon zu überzeugen, wieder öfter in die Kirche zu gehen. Ihre Eltern und ihr Bruder gingen jede Woche in die Kirche, um zu beten. Juljana jedoch hielt nichts von der Kirche oder Gott, da sie der Meinung war, dass es so etwas wie einen Gott nicht gab.

    »Ach, Juljana. Wir vermissen dich immer in der Kirche und würden uns wirklich freuen, wenn du uns wieder öfter besuchen kommen würdest«, jammerte der Priester Franz. Emsig stellte er sich seine Lieblingskräuter zusammen und sprach weiter.

    »Du weißt doch, Gott hat uns nach seinem Ebenbild erschaffen und dafür sollten wir ihm dankbar sein. Die Engel wachen über uns und geben uns Kraft, über Geschehenes hinwegzusehen.«

    Juljana sortierte die neuen Kräuter in die Regale und antwortete:

    »Ich weiß, Herr Priester. Ich werde es mir überlegen.«, sie lächelte den Priester wohlwollend an. Ihr Feixen zeigte sofort, dass sie kein Interesse hatte, wieder in die Kirche zu gehen. Sie stellte die letzte Pflanze hin, drehte sich um und begann sich nach ihrer Mutter umzusehen. Elena stand in diesem Moment vor dem Laden, um mit der Besitzerin des Hutladens, Clara, über die gestiegenen Steuern zu sprechen. Clara war eine immer gutgelaunte Dame, die es liebte, zu tratschen und neue Hüte zu erfinden. Man konnte sagen, ihre Arbeit war auch ihre allergrößte Leidenschaft.

    »Ich finde es wirklich eine Frechheit, dass der Kaiser schon wieder die Steuern angehoben hat«, schnaufte Elena »Wir müssen doppelt so viele Kräuter…«

    »Mama, ich geh nachhause. Ich habe alle Kräuter sortiert«, unterbrach sie Juljana, während diese schon mit den Gedanken zuhause war.

    »Ja, ist in Ordnung. Bitte koch Thomas was und versuch, ihn dazu zu bringen, sich zu kämmen und zu waschen.«

    Die letzten Worte konnte Juljana nicht mehr verstehen, weil sie schon längst um die Ecke des Ladens gelaufen war. Möglicherweise hatte sie die Worte ihrer Mutter aber auch einfach nur gekonnt ignoriert.

    Als Juljana auf dem Nachhauseweg war, musste sie an das Frühstück denken, da sie immer noch keinen Vogel zwitschern hören konnte. Als sie gerade in ihre Straße einbog, hörte sie ihren Bruder schreien:

    »Juljana! Juljana, du musst schnell kommen!«

    »Ist etwas geschehen?«, rief sie ihm entgegen. Ohne eine Antwort abzuwarten, begann sie zu laufen.

    »Wir wollen im Wald spielen, aber wir dürfen doch nicht ohne einen Älteren dort hinein.«, Thomas lächelte, er wusste ganz genau, dass ihm seine Schwester nie einen Wunsch abschlagen konnte.

    »Erschreck mich doch nicht so, du Depp!«, fluchte Juljana.

    »Aber von mir aus. Ja ich gehe mit euch in den Wald.«

    Thomas und Juljana wurden von Armin, der ein Jahr jünger war als Juljana, und Emma, die um zwei Jahre jünger war als Armin, begleitet. Armin und Emma waren zwei Waisenkinder, welche oft mit Thomas und Juljana spielten. Sie wussten nichts von ihren Eltern, aber da sie beide strohblonde Haare hatten, die schon fast ins weiße übergingen, vermuteten sie, dass ihre Eltern auch sehr helle Haare besessen hatten. Die beiden wurden vor vielen Jahren vom Priester vor der Kirche gefunden. Armin hatte nur eine kleine Taschenuhr bei sich, welche vermutlich seinen Eltern gehört hatte.

    Solche Ausflüge in den Wald unternahmen die drei des Öfteren, wobei Juljana keine Wahl hatte und immer die Aufpasserin sein musste. Juljana galt in Karam als ein sehr besonnenes Mädchen, weshalb viele der Eltern sie oft darum baten auf die anderen Kinder aufzupassen. Der Weg zum Wald war nicht lang, jedoch trödelten die vier immer wieder, so dass aus einem Minutenmarsch auch Stunden werden konnten.

    Mit fast zwei Stunden Marsch war es diesmal ein neuer Rekord für die kurze Strecke.

    »Puuh, heute haben wir wirklich lange gebraucht«, meinte Thomas, als sie den Wald erreichten.

    »Haha, ja das stimmt, aber das kommt davon, weil wir so eine kleine Rotznase wie dich dabei haben!« erwiderte Armin mit einem Lächeln im Gesicht.

    Armin konnte es sich nie verkneifen, Thomas ein wenig zu ärgern. Juljana half normalerweise Thomas dabei, sich gegen Armins Sticheleien zu verteidigen, aber sie hatte dieses Mal ein ungutes Gefühl. Etwas war heute anders. Zu still, es war so still wie noch nie. Man hörte keine Vögel, keine Grillen oder sonst ein Anzeichen von Leben.

    »Lasst uns wieder Nachhause gehen«, sagte Juljana mit ernster Miene.

    »Es gefällt mir hier heute nicht. Ist das in Ordnung für euch?«

    »Natürlich ist es das«, erwiderte Armin sofort.

    »Wir wissen ja, dass du ein kleiner Angsthase bist, weil du deine Magie nicht richtig verwenden kannst!«

    Nach diesem Satz von Armin mussten alle lachen, außer Juljana.

    Sie wurde ein wenig rot und verzog das Gesicht. Während die anderen lachten, spannte sie die Hand an und eine kleine blau leuchtende Kugel begann, sich oberhalb ihrer Handflächen zu bilden. Sie sah Armin mit einem ernsten Blick an und warf die Kugel in seine Richtung. Kurz bevor die Kugel Armin traf, erschien eine grün leuchtende Wand vor Armin und die Kugel prallte mit einem Knall dagegen. Die blaue Kugel schoss durch die grüne Wand und Armin konnte sich, noch bevor ihn die Kugel traf, auf den Boden werfen.

    »Sag mal, spinnst du?« schrie Armin.

    Die grüne Wand begann, langsam zu verschwinden.

    »Haha. Wenn ich meine Magie nicht richtig verwenden kann, ist es für so einen Profi wie dich sowieso kein Problem meine Kugel abzuwehren, doch so wie es aussieht war meine Kugel stärker als deine Wand«, entgegnete ihm Juljana. Voller Stolz marschierte sie weiter. Die anderen folgten ihr, nur Armin blieb wie angewurzelt stehen. Er fragte sich, ob Juljana mittlerweile vielleicht doch besser war als er, und ob sie ihn jetzt vielleicht für schwach hielt.

    »Jetzt komm schon, du Blödmann«, forderte Emma ihn auf.

    Im Kupferwald war es normalerweise immer ziemlich dunkel, selbst wenn am Tag die Sonne strahlte, da der Wald nur aus sehr hohen und dichten Bäumen bestand.

    »Seht mal, Leute«, rief Thomas begeistert.

    »Da vorne ist es heute total hell!«

    Juljana musste wieder an ihr schlechtes Gefühl von vorhin denken, wollte jedoch nichts zu den anderen sagen, da sie Angst hatte, wieder verspottet zu werden.

    »Kommt! Das sehen wir uns an«, sagte Armin begeistert. Mit langsamen Schritten näherten sie sich der Lichtung und ein Schauer lief ihnen über den Rücken. In einem riesigen Radius lagen alle Bäume am Boden.

    »Deshalb ist es hier so hell«, bemerkte Emma entsetzt.

    »Was ist hier nur passiert? W.. wie ist sowas eigentlich möglich?«, fragte Juljana, während sie sich langsam den am Boden liegenden Bäumen näherte.

    »Ich habe wirklich keine Ahnung«, entgegnete ihr Armin, der ihr folgte.

    Die vier begaben sich in Richtung Zentrum der Lichtung.

    »Seht mal!«, rief Thomas.

    »Dort in der Mitte ist ein Platz, an dem der Boden nicht von den Bäumen bedeckt ist!«

    Mit kleinen Schritten näherten sie sich der unbedeckten Fläche. Nach ein paar Meter sahen sie eine Silhouette, die am Boden lag. Sie liefen auf die Silhouette zu und erkannten, dass es ein Junge war, der bewusstlos mitten auf der Lichtung lag. Er war mit einer weißen Decke zugedeckt und ungefähr in Juljanas Alter. Juljana lief zu ihm und überprüfte, ob sein Herz noch schlug.

    »Er lebt«, sagte sie aufgeregt.

    »Ich werde ihn mit Magie heilen.«

    »Warte«, schrie Armin.

    »Was ist, wenn er böse ist? Wir sollten erst Hilfe holen«.

    »Nein! Was ist, wenn ihm in dieser Zeit etwas geschieht?«, gab Juljana mit nervöser Stimme zu bedenken.

    Armin wollte gerade etwas sagen, als Juljana schon ihre blau leuchtenden Hände über den Kopf des Jungen hielt. Zur Sicherheit befahl Armin Thomas und Emma, sich hinter ihn zu stellen und begann sich zu konzentrieren. Sein Körper begann grün zu schimmern und er sah mit ernstem Blick zu Juljana und dem Jungen hinüber. Langsam öffnete der Junge seine Augen und sah Juljana völlig verwirrt an.

    »Wer bist du«, fragte er sie.

    Er versuchte, sich hinzusetzen, aber tat sich sichtlich schwer damit, seinen Körper zu bewegen.

    »Ich bin Juljana. Es freut mich dich kennenzulernen.«

    Der Junge wirkte noch ziemlich verschlafen und durcheinander. Er sah wie versteinert auf seine Hände und antwortete mit leiser Stimme:

    »Ich .. ich.. weiß es nicht.«

    »Du wirst dich doch noch an deinen eigenen Namen erinnern«, schrie Armin ihn an, der mittlerweile eine grüne Wand vor seiner Schwester und Thomas erschienen lies.

    »Nein, ich weiß es wirklich nicht«, erwiderte der Fremde völlig starr.

    »Weißt du wenigstens, wo du herkommst«, fragte ihn Juljana mit freundlicher Stimme.

    »Nein«, antwortete er, während er seinen Kopf langsam hin und her bewegte und die Umgebung musterte.

    Juljana stand auf, lächelte, reichte ihm die Hand, und bot ohne zu überlegen an: »Komm mit! Du schläfst heute bei uns zu Hause.«

    Der Verletzte sah sie verdutzt an und nahm dann zögernd, jedoch dankend ihre Hand. Während er langsam aufstand, fiel die Decke zu Boden. Die anderen vier wurden rot und drehten sich sofort um. Er trug, außer einem Medaillon um seinen Hals, keine Kleidung. So schnell wie möglich hob der Junge die Decke auf und wickelte sie um sich. Dann machten sie sich auf den Weg zurück ins Dorf.

    ***

    Es war spät geworden, als sie im Dorf ankamen. Auf dem Rückweg versuchte Armin immer wieder, Informationen aus dem Jungen herauszubekommen, jedoch ohne Erfolg. Er wusste nichts mehr aus seiner Vergangenheit und wirkte ziemlich müde. Juljana ermahnte Armin, er solle ihn in Ruhe lassen, da es dem Jungen ohnehin schon nicht gut ging. Im Dorf angekommen, verabschiedeten sich Armin und Emma sofort und Armin ermahnte den Jungen ein letztes Mal: »Und wehe dir du führst Blödsinn im Schilde und spielst das alles nur! Ich passe auf Juljana auf!«

    Juljana antwortete ganz gelassen, dass sie auf sich selbst aufpassen könne und er schlafen gehen solle. Als Armin und seine Schwester gegangen waren, begaben sich die drei auf den Heimweg.

    »Du musst wissen, Armin meint es nicht böse«, mit dieser Aussage wollte Juljana die unangenehme Stille zwischen den dreien aufheben.

    »Er ist nur ein wenig überfürsorglich.«

    Es war ein sternenklarer Himmel an diesem Abend. Durch den Mond erschien das Dorf in einem hellen Licht. Die Statue, die auf dem Brunnen stand, leuchtete in vielen hellen Lichtern und im Wasser, welches darunter floss, spiegelten sich die Sterne wieder. Wenn man den Himmel lange genug betrachtete, konnte man auch einige Sternschnuppen beobachten, die schnell über den Himmel zogen. Thomas war sehr begeistert von diesem Anblick und konnte sein Glück nicht fassen.

    »Ich habe schon fünf Sternschnuppen gesehen. Kann ich mir jetzt etwas wünschen?«

    »Natürlich Thomas«

    »Ja. Ich wünsche mir morgen zum Frühstück eine große Torte!«

    »Thomas, du darfst deinen Wunsch nicht laut sagen, sonst kann er nicht in Erfüllung gehen.«

    »Oh, nein!«, schrie Thomas, und dachte sich sofort einen neuen Wunsch aus, den er wiederum gleich aussprach.

    Während die beiden über die Sternschnuppen und das Problem mit dem Aussprechen der Wünsche diskutierten, stand der Junge wortlos hinter ihnen und sah zum Himmel hoch. In seinem Kopf waren viele Fragen. Er dachte über sich selbst nach und ob er vorher auch schon einmal so einen schönen Himmel gesehen hatte. An seinen Augen konnte man sehen, dass er wirklich verzweifelt war. Hatte er Familie oder Freunde, die ihn vermissten? Es waren Fragen über Fragen, die ihn beschäftigten, als er plötzlich von hinten gestoßen wurde.

    »Was machst du denn da? Träumst du?«, lächelte ihn Thomas an.

    »Ich muss bald ins Bett und möchte nicht wegen dir von Mama und Papa geschimpft werden!«

    »Ich muss nur die ganze Zeit daran denken, wer ich denn überhaupt bin.«

    Juljana fing an, den Jungen verständnisvoll anzulächeln.

    »Das gibt es nicht! Seitdem wir unterwegs sind, hast du kein Wort gesagt. Du klingst sogar ganz freundlich«, sagte Juljana, während sie einen Gesichtsausdruck machte als wäre ein Wunder geschehen. Thomas und Juljana begannen zu lachen und selbst der Junge musste ein wenig grinsen.

    Kurz bevor sie das Haus der Desingers erreichten, sah Juljana Thomas an und erwähnte beiläufig:

    »Thomas, sei leise und warte mit ihm hier. Ich muss Mama und Papa die Situation erklären.«

    Juljana ging auf die Tür zu, blieb noch einmal stehen und atmete tief ein. Sie überlegte sich, wie sie ihren Eltern erklären sollte, dass ein Junge ohne Erinnerungen heute bei ihnen schlafen sollte. Juljana betrat langsam das Haus. Thomas und der Junge konnten noch hören, wie ihre Eltern sie begrüßten. Danach fiel die Tür zu und man hörte Talon husten, als hätte er sich an seinem Essen verschluckt. Thomas und der Junge sahen sich an und warfen sich nervöse Blicke zu. Ein paar Minuten lang hörte man eine laute Diskussion, jedoch konnte man vor der Tür keine genauen Worte verstehen. Es fühlten sich an wie Stunden, bis sich langsam die Tür öffnete. Talon sah Thomas und den immer noch nur in Decke gehüllte Jungen an und forderte Thomas auf, er solle ins Haus gehen. Thomas winkte dem Jungen noch traurig zu und ging langsam in Richtung Tür. Bevor Talon etwas sagen konnte, lief Elena auf den Jungen zu und hielt ihn bei den Armen fest.

    »Du siehst völlig ausgehungert aus! Hast du Hunger? Was isst du denn gerne?«

    »Ahm, ich… Ich weiß es nicht«, antwortete er mit vor Scham errötetem Gesicht.

    »Komm!«, sagte Elena und zerrte ihn in das Haus.

    »Du schläfst heute bei uns, aber vorher werden wir für dich ein gutes Essen kochen!«

    Elena und Juljana bereiteten ein Mahl für die Familie zu, Talon suchte mit Thomas Kleidung für ihren neuen Gast, welcher ruhig auf einem Stuhl saß und das Geschehen beobachtete. Es dauerte zwar eine Weile, aber voller Stolz konnte Talon verkünden:

    »Hier! Das könnte dir passen!« Er kam mit ein paar Kleidungsstücken zurück.

    »Du musst wissen, ich war auch so schlank wie du, als ich Elena kennenlernte.«

    Thomas fing laut an zu lachen.

    »Du musst ja mindestens 1000 Kilo zugenommen haben, Papa!«

    Während Talon versuchte, sich zu verteidigen, stimmte der Rest der Familie in das Gelächter ein, der Junge sah nervös zu Talon, welcher sichtlich weniger gut gelaunt war als der Rest der Familie. Ihr Gast zog sich die Kleidung an, die ihm zwar von der Größe passte, dennoch aber an Armen und Beinen viel zu lang war.

    Als das Essen serviert war, begann Thomas das Thema »Namen« anzusprechen.

    »Wir brauchen ganz dringend einen Namen für ihn, findet ihr nicht?«

    »Das ist eine wirklich gute Idee!«, sagte Juljana.

    »Ich finde ja Julian toll!«, erwiderte Elena. Sie reichte Talon eine weitere Portion Fleisch und wartete auf ein Reaktion.

    »Das klingt total langweilig, Mama!«schnaubte Juljana. »Ihr kennt doch alle die Statue am Brunnen«, sagte Juljana.

    »Ich bin fest davon überzeugt, dass Altair gut zu ihm passen würde. Wie der Gründer unseres Landes.«

    »Also, ich finde das toll! Altair war ein richtiger Held!« Thomas Augen strahlten richtig, als er den Satz aussprach.

    »Gefällt dir der Name?«, fragte Juljana an den Jungen gewandt, während dieser sich mehr mit seinem Essen beschäftigte als mit seinen Namen.

    »Altair? Findet ihr wirklich, dieser Name könnte zu mir passen?«

    Der Junge erhielt ein einstimmiges Nicken von der Familie.

    »Gut, dann freut es mich, euch kennenzulernen. Mein Name ist Altair«, man merkte, dass er Freude an dem Namen hatte.

    Nachdem die fünf gegessen hatten, kümmerten sich Thomas und Juljana um den Abwasch. Talon saß vor dem Kamin und las ein Buch über Kräuter. Elena errichtete zur selben Zeit ein Bett für ihren Besucher. Natürlich verrichtete sie dabei keine körperliche Arbeit. Ihre Hand leuchtete blau und sie nahm ein Holzstück nachdem anderen und setzte sie zusammen. Altair beobachtete sie derweil fasziniert.

    »Kann eigentlich jeder diese Kraft verwenden?«

    »Du weißt nichts über Magie, oder?«, lächelte Elena.

    »Nein.«

    »Nun, ich glaube, dass es jeder kann, aber es gibt auch einige Menschen, bei denen die Magie sehr schwach ausgeprägt ist. Diese Menschen können mit ihrer Magie fast nichts anfangen.«

    »Könnten sie mir vielleicht beibringen, wie ich meine Magie benutze?«, fragte Altair ziemlich schüchtern.

    »Dafür ist noch genug Zeit«, Talon hatte sein Buch weggelegt, um sich in das Gespräch der beiden einzumischen.

    »Das wichtigste morgen ist, dass wir herausfinden wer du bist und wo du herkommst. Wahrscheinlich suchen dich deine Eltern schon.«

    »Und wie können wir herausfinden, woher ich komme?«

    »Als erstes werden wir den Priester fragen«, antwortete Elena stolz. »Er kennt viele Leute, auch diese, die in anderen Dörfer leben.«

    »Gut, dann ist das beschlossen«, fügte Talon hinzu.

    »So! Aber nun ist für euch alle Schlafenszeit«, Talon wandte sich an Juljana, Thomas und Altair.

    Thomas und Juljana begaben sich in Richtung ihrer Zimmer, drehten noch einmal um und wünschten Altair eine gute Nacht. Elena versicherte Altair, er solle sich wie zuhause fühlen und sich gut ausruhen, er habe viel durchgemacht.

    Die Schlafzimmer der Familie befanden sich im oberen Stock, während Elena das Bett für Altair im Erdgeschoss aufgebaut hatte. Von außen sah das Haus zwar nicht so aus, aber es war eigentlich wirklich geräumig. Es besaß eine große Küche, ein Esszimmer und eine gemütliche Stube in der die Familie gerne ihre Freizeit verbrachte. Das Bett von Altair stand in der Stube und wurde direkt unter einem Fenster platziert.

    Talon ging als letzter zur Treppe, doch bevor er den Raum vollkommen verlassen hatte, drehte er sich um und sah Altair an: »Ich hoffe wirklich, du lügst uns nicht an oder nützt unsere Gutmütigkeit aus.«

    Dieser Satz war Altair sehr unangenehm, aber er konnte die Bedenken von Talon verstehen.

    »Nein so etwas würde ich niemals tun.«

    Talon nickte noch einmal und wandte sich wieder der Treppe zu. Altair beobachtete ihn noch dabei, wie er auf den knarrenden Holztreppen die Stiege nach oben kletterte.

    »Ich bin sehr froh, euch kennengelernt zu haben.«

    Talon lächelte ruhig. Er nahm seinen Zeigefinger, streckte ihn in die Höhe und ließ eine rote Kugel, in der Größe einer Erbse, ober seinem Finger, erscheinen.

    »Gute Nacht«, sagte er und schoss die Kugel gleichzeitig gegen die Lampe, die das Zimmer erhellte. Danach wurde es dunkel im Raum. Altair setzt sich auf sein Bett und beobachtete den Himmel. Mit seinen Fingern fuhr er immer wieder über die Kette, die er um seinen Hals trug.

    ***

    »Ganz ehrlich, es macht mir Sorgen«, besorgt sah Talon Elena an und saß sich an das Ende ihres Bettes.

    Die beiden hatten ein geräumiges Zimmer mit einigen Blumen, welche im ganzen Raum verteilt waren.

    »Ich weiß, Schatz.«

    »Ich habe noch nie davon gehört, dass Bäume in einem perfekten Kreis am Boden liegen. Geschweige denn, dass ein Junge ohne Erinnerungen an dem Platz liegt, an dem die Spitzen der Bäume einen Freiraum lassen«, er verzog die Miene. »Könnte es sein, dass... naja... dass das ein Zeichen für etwas Kommendes sein soll?«

    »Schatz mach dir nicht so viele Gedanken. Er ist ein lieber Junge«, Elena sah Talon tief in die Augen und lächelte.

    Elena war schon immer sehr optimistisch gewesen und sah schon seit ihrer Kinderheit immer nur das Beste in Menschen.

    »Natürlich ist er ein netter Junge, aber was sollen wir tun, wenn der Priester nichts über ihn weiß?«

    »Dann bleibt er in der Zwischenzeit bei uns«, Elena sah leicht gereizt aus. Sie fand es unnötig, überhaupt darüber zu diskutieren, in ihren Augen war er nur ein kleiner Junge, der Schutz benötigte.

    »Ein Kind ist teuer, das weißt du Elena!«

    »Ich bin mir sicher, dass sich das alles aufklären wird. Und jetzt versuch zu schlafen, es war ein langer Tag.«

    Die beiden gaben sich einen Gutenachtkuss und Talon schoss, wie vorhin, auf die Lampe.

    Es wurde ruhig im Haus der Desingers, selbst Altair hatte es geschafft, einzuschlafen.

    Es war eine stille und dunkle Nacht viele Wolken waren aufgezogen und verdunkelten den Himmel. Nur das Leuchten des Mondes erhellte manchmal Karam, doch die meisten Bewohner nahmen davon nichts wahr, da sie sich zu dieser Zeit ihren Träumen hingaben. Das einzige Geräusch, das man im Dorf hören konnte, war das Plätschern des Wassers, während die Statue anmutig gen Himmel ragte. Juljana lag im Bett und machte sich Gedanken über das Geschehene. Es ist wirklich selten, dass mal etwas Spannendes passiert. Das letzte Ereignis, nach dem sie nicht hatte schlafen können, war damals, als sie aus Versehen mit einer Magiekugel das Wohnzimmer in die Luft gejagt hatte. Talon hatte sich dabei verletzt und sie hatte ein sehr schlechtes Gewissen gehabt. Doch heute war es kein schlechtes Gewissen oder dergleichen.

    Sie machte sich Sorgen um Altair. Juljana kannte ihn zwar erst seit ein paar Stunden, aber sie fühlte sich in irgendeiner Weise verantwortlich für ihn. Langsam erhob sie sich aus ihrem Bett und schlüpfte in ihre warmen Stoffschuhe. Sie schlich langsam die Treppe hinunter in das Zimmer, in dem Altair schlief. Juljana wollte ihn gerade aufwecken, um mit ihm zu reden, drehte jedoch wieder um. Er hatte heute schon genug erlebt, der Schlaf würde ihm guttun. Leise machte sie sich auf den Weg zurück in ihr Zimmer und sah noch einmal kurz in das Zimmer von Thomas. Dieser schnarchte und umarmte sein Kissen. Juljana legte sich in ihr Bett und versuchte nun auch endlich zu schlafen.

    Kapitel 2: Ein neuer Tag

    Nachdem die Glocke ertönte, war es langsam an der Zeit für die Familie aufzustehen, jedenfalls für Elena und Talon. Elena schaffte es wie jeden Morgen, als erste das Bett zu verlassen. Nachdem sie sich angezogen hatte, öffnete sie immer die Vorhänge im Schlafzimmer, um auch

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