Männerbilder: Theologisch-praktische Quartalschrift
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Buchvorschau
Männerbilder - Verlag Friedrich Pustet
Inhaltsverzeichnis
ThPQ 166 (2018), Heft 2
Schwerpunktthema:
Männerbilder
Ines Weber
Liebe Leserin, lieber Leser!
Erich Lehner
Ringen um Identität: Männlichkeit(en) im Visier
1 Männlichkeit, Muster geschlechtlicher Handlungspraxis
2 Hegemoniale Männlichkeit
3 Sorgende Männlichkeit
Ines Weber
„Männer mit vollen Herzen". Katholische Männlichkeitskonstruktionen in den frühen 1960er-Jahren
1 Der Mann als Ernährer
2 Der Mann als Vater
3 Der Mann als (Ehe-)Partner
4 Der Mann im Haushalt
5 Neues Menschenbild
6 Männer mit vollen Herzen
Josef Pichler
„Hegemoniale Männlichkeit" als Analysekategorie für biblische Texte
1 „Hegemoniale Männlichkeit" als Leitkategorie der Männerforschung
2 Römische Herrschaft und die Herrschaft der Männer: Eph 5,21– 33
3 Nicht herrschen, sondern dienen: Mk 10,35 – 45
4 Ergebnis
Wolfgang Beck
Coole Macher und softe Looser? Männerbilder in Medien und das theologische Lernfeld biografischer Identitätsheterogenität
1 Bewegung in dem kirchlichen „Paradigma der Polarität"
2 Vormoderne Geschlechterrollen halten sich
3 Ein Typ, der durchs Leben treibt: „Oh Boy"
4 Der überforderte und sprachlose Mann?
5 Das Spiel der individuellen Geschlechterbilder als ekklesiales Lernfeld
Andreas Ruffing
Männerpastoral in einer geschlechtersensiblen Kirche. Beobachtungen und Einschätzungen
1 Männer – kirchlich (noch) ein Randthema!
2 Männer – keineswegs religiös unmusikalisch!
3 Anknüpfungspunkte für eine geschlechtersensible Pastoral mit Männern
4 Die geschlechtersensible Kirche gibt es schon!
Alexander Yendell
Rechte Radikalisierungstendenzen – Reine Männersache?
1 Einleitung
2 Theorien zur Erklärung von Rechtsextremismus
3 Forschungsfragen und Methode
4 Rechtsextreme Einstellungen, Gewaltakzeptanz und -bereitschaft
5 Fazit
Abhandlungen
Christoph Theobald SJ
Christentum als Lebensstil
1 Eine Art und Weise die Welt zu bewohnen
2 Ein neues Verhältnis zur Geschichte
Christoph Theobald SJ
Christentum als Stil. Thesen zum epistemologischen Hintergrund des Ansatzes
1 Exegetischer Hintergrund
2 Philosophische Voraussetzungen
3 Historisch-kultureller Hintergrund
4 Der Fächerkanon der Theologie
5 Gastfreundschaft und messianische Heiligkeit Jesu
Literatur
Matthias Remenyi
Resonanzen. Einige Anmerkungen zu Hansjürgen Verweyens Mensch sein neu buchstabieren
Mensch sein neu buchstabieren
Staunen: Einheit in Differenz
Begriff letztgültigen Sinns
Bildwerden im Ikonoklasmus
Letztbegründung?
Theologische Modellbildung
Identität und Alterität
Strukturen des Denkens
Subjektphilosophie und Alteritätsvergessenheit
Panentheismus
Historische Kritik und erstphilosophischer Evidenzanspruch
Exegese und Redaktionskritik
Nochmal: Freiburg …
Rezensionen
Eingesandte Schriften
Aus dem Inhalt des nächsten Heftes
Redaktion
Kontakt
Anschriften der Mitarbeiter
Impressum
Liebe Leserin, lieber Leser!
Als der Soldat Richard Lubanski 1954 nach zwölf Jahren Kriegsgefangenschaft plötzlich vor der Haustür seiner Familie steht, sind seine Frau und seine drei Kinder freudig überrascht, aber auch entsetzt. Sowohl der Anblick des von Leid gezeichneten Äußeren als auch seine Einstellungen und sein ganzes Verhalten, die nicht mehr zur neuen Lebenssituation der Familie passen, erschrecken sie. Als Soldat ist Lubanski Befehl und Gehorsam gewohnt; diese will er auch weiterhin uneingeschränkt in seiner Familie umgesetzt wissen. Jedoch werden ihm sowohl von seiner Gattin, die sich als klassische Trümmerfrau im Nachkriegsdeutschland behauptet und die Familie ernährt, als auch von seinen Kindern Grenzen gesetzt. Das größte Stück Fleisch beim Essen gebührt nicht länger dem Vater, sondern dem im Wachstum begriffenen Sohn. Ohrfeigen werden ebenso in keiner Weise unwidersprochen hingenommen. Und dass deutsche Buben sehr wohl weinen dürfen, das erklärt der Sohn seinem Vater, als Letzterer am Ende eines Films selbst in Tränen ausbricht.
Was Regisseur Sönke Wortmann vor einigen Jahren im Film „Das Wunder von Bern" überragend in Szene gesetzt hat, spiegelt die Situation unzähliger Familien nach 1945. Das alte Männerbild trug nicht mehr, ein neues musste erschaffen, adaptiert und dann auch angeeignet werden. Seither hat sich Vieles verändert. Männliche und weibliche Domänen haben sich zusehends vermischt, und Verhaltensweisen des typisch starken Mannes eignen diesem heute nicht mehr allein. Vielen Männern – auch in Führungspositionen – ist ihre Familie ebenso wichtig geworden wie ihr Beruf. Sie reduzieren ihre Arbeitszeit, um in Elternzeit zu gehen oder die eigenen hochbetagten Eltern zu pflegen. Gleichzeitig ist der Mann als Ernährer der Familie noch immer in den Köpfen vieler präsent. Befindet sich der Mann bzw. das Bild von ihm deshalb in der viel besprochenen Krise, weil alte Rollenmuster nicht mehr tragen und neue noch nicht etabliert sind? Oder führt eine solche Frage in die Irre, weil sie von falschen Vorannahmen ausgeht? Wie wenig tragfähig eindeutige Rollenbilder, wie vielfältig demgegenüber Männlichkeitskonstruktionen sind und immer schon waren, das zeigen die unterschiedlichen psychologischen, theologischen und soziologischen Beiträge unseres aktuellen Themenheftes.
Den Auftakt macht der Wiener Psychoanalytiker und Männerforscher Erich Lehner, der brillant vor Augen führt, wie vielfältig Männlichkeiten heute konstruiert werden (müssen) und wie sehr die auf einem EU-weiten Projekt beruhende „caring masculinity" sowohl das Verhältnis der Geschlechter zueinander entlastet, als auch die Grundzufriedenheit von Männern steigert. Männlichkeiten werden nicht länger als hegemonial entlang den Kategorien von Macht und Dominanz, sondern als sorgend und auf Gleichstellung beruhend konstruiert. Dieselbe sorgende Männlichkeit forderten bereits die katholischen Autoren der 1960er-Jahre, so überraschenderweise die Linzer Kirchenhistorikerin Ines Weber. Weil Liebe, Achtsamkeit und Wertschätzung zu den Grundzügen menschlicher Existenz gehörten, müssten sie auch von Männern eingeübt und in das Familienleben eingespeist werden. Auch der Grazer Neutestamentler Josef Pichler wendet die Theorie der hegemonialen Männlichkeit auf die neutestamentlichen Texte an. Fundiert arbeitet er ein Gegenkonzept von Männlichkeit heraus, das auf Dienst und Empathie und nicht auf Dominanz, Stärke und Macht beruht. Damit wird ein großes Potenzial christlicher Theologie sichtbar. Darüber hinaus zeigen die biblischen Texte eine Vielzahl von Männerbildern, die abhängig vom Lebenskontext, der Rolle sowie der Charaktereigenschaft des jeweiligen Mannes variieren, Männlichkeiten also, die sowohl vom sozialen Kontext strukturiert als auch individuell ausgestaltet werden. Diesen Gesichtspunkt betont auch Wolfgang Beck, Juniorprofessor für Pastoraltheologie und Homiletik in St. Georgen. Exzellent führt er vor Augen, wie wenig eindeutig Männlichkeitskonstruktionen in Film und Fernsehen heute sind, wie vor allem in der Werbung das Klischee des starken, technik- und handwerksaffinen Mannes perpetuiert wird. Welch gewaltiger Handlungsbedarf deshalb in Kirche und Pastoral besteht, hebt Andreas Ruffing, verantwortlich für die diakonische Pastoral in Fulda, hervor. Wenngleich Männer in Kirche und Gemeinde weniger zahlreich vertreten sind, so erlaube dies nicht den Schluss, dieselben hätten kein Interesse an spirituellen Angeboten. Im Gegenteil: Das Bedürfnis nach Sorge um sich selbst und andere sei immens hoch. Allein ein vielfältiges, die individuellen Bedürfnisse des Mannes wertschätzendes Angebot fehle. Demgegenüber macht Alexander Yendell, Mitarbeiter in der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie an der Universität Leipzig, anhand einer Leipziger Studie zur Gewaltbereitschaft aufschlussreich deutlich, dass rechtextreme Einstellungen keine männlichen Phänomene sind. Sie können auch nicht einfach als Reaktion auf Männlichkeitskonstruktionen verstanden werden, die weniger die Stärke und Macht von Männern betonen.
Es folgt ein freier Doppelbeitrag des bekannten Pariser Dogmatikers und Fundamentaltheologen Christoph Theobald SJ, der Einblicke in seine Theologie im Sinne eines Christentums als Lebensstil gewährt.
Das Heft schließt mit besonderen, zum Teil sehr persönlichen Resonanzen Matthias Remenyis auf Hansjürgen Verweyens „Mensch sein neu buchstabieren".
Liebe Leserinnen und Leser!
Unsere Autorin und Autoren sind sich einig: Männerbilder sind heutzutage keineswegs eindeutig und müssen es auch nicht sein. Keinesfalls biologisch determiniert, vielmehr sozial konstruiert, werden sie im Dialog mit dem Gegenüber und dem eigenen Leben entworfen. Sie dürfen deshalb vielfältig sein und bleiben. Diese Pluralität ist aber kein Zeichen von Krise, sondern Hinweis auf die menschliche Individualität und den Reichtum des Lebens. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen im Namen der Redaktion eine anregende Lektüre.
Ihre Ines Weber
(Chefredakteurin)
Erich Lehner
Ringen um Identität: Männlichkeit(en) im Visier
♦ Wenn nach heutigem Forschungsstand „Männlichkeit" biologisch nicht mehr so eindeutig definierbar ist, sondern auch soziale und kulturelle Faktoren eine wesentliche Rolle spielen, dann hängt – wie der Autor dieses Beitrags aufzeigt – viel davon ab, in welche Richtung Männlichkeit entwickelt wird, sodass eine Gleichstellung von Mann und Frau gefördert wird. (Redaktion)
Die Geschlechtergeschichte im Allgemeinen und die Geschichtsforschung der Männlichkeit im Speziellen¹ zeigt eine Vielfalt von unterschiedlichen Formen das Mannsein zu leben auf. Diese Erkenntnisse haben wesentlich dazu beigetragen, „die Vorstellung stabiler und homogener [Geschlechts- E.L.] Identitäten zu verabschieden und den Blick stattdessen auf Prozesse der subjektiven wie kulturellen Identifikation zu lenken, die instabil, variabel und historisch zu denken sind². Die Autoren halten fest, dass „die Veränderlichkeit identitärer Kategorien
diese „nicht weniger machtvoll macht, „da sie die Positionierung von Menschen in einem soziokulturellen Feld, deren Ein- und Ausschlüsse, Hegemonialisierungen und Marginalisierungen beeinflussen
³.
1 Männlichkeit, Muster geschlechtlicher Handlungspraxis
Die Erkenntnisse zu einer Vielfältigkeit gelebter Männlichkeiten stellen essenzialistische Konzepte von Geschlecht zutiefst in Frage. Die Annahme einer naturhaft gesehenen Differenz zwischen den Geschlechtern im Fühlen, Denken und Handeln hält einer kritischen Überprüfung nicht stand.⁴ Janet S. Hyde unternimmt eine kritische Durchsicht der wichtigsten Meta-Analysen zu den psychologischen Variablen in Bezug auf die Geschlechterdifferenzen und kommt zu dem Schluss: „The striking result is that 30 % of the effect sizes are in the close-to-zero range, and an additional 48 % are in the small range. That is, 78 % of gender differences are small or close to zero.⁵ Im Gegensatz zu der gängigen Annahme der Verschiedenheit der Geschlechter ist eher von Ähnlichkeiten der Geschlechter – mit Janet Hyde von einer „Gender Similarities Hypothesis
⁶ – auszugehen. Darüber hinaus zeigen Menschen mit einem intergeschlechtlichen Körper, dass es selbst auf biologischer Ebene keine Eindeutigkeit in Bezug auf eine Festlegung auf (nur) zwei Geschlechter im Sinne von Mann und Frau gibt. Diesen Personen ist gemeinsam, dass sie einen nicht den „Geschlechternormen entsprechenden Körper oder Chromosomensatz haben, sondern in sich Geschlechtsmerkmale beider Geschlechter in unterschiedlicher Ausprägung vereinen. Anne Fausto-Sterling⁷ konnte plausibel aufzeigen, dass die Zellen mit den Genen, Chromosomen, Hormonen etc. allein nicht ausreichen, um eine männliche oder weibliche Entwicklung eindeutig vorherzubestimmen. Jedes Gen in einer Zelle braucht für seine Wirkung die systemische Kooperation mit anderen Genen im Rahmen des Organismus. Dieser wiederum ist verbunden mit der Psyche und beide sind eingebettet in menschliche Interaktionen, auf die Kultur und Geschichte einwirken. Anne Fausto-Sterling verwendet für dieses komplexe Zusammenspiel das Bild der russischen Puppe. Die Zelle, der Organismus, die Psyche, die Interaktion, die Kultur und die Geschichte stellen dann jeweils eine einzelne Puppe dar, die wie in einer russischen Puppe aufs engste miteinander verbunden sind und wechselseitig aufeinander einwirken. Sigrid Schmitz⁸ hält deshalb fest, dass es zwischen Sex und Gender keine Ursache-Wirkungs-Beziehung, sondern nur ein gegenseitiges Wechselspiel gibt. Beide sind untrennbar miteinander verwoben, bedingen und beeinflussen sich gegenseitig und unterliegen beständig wechselseitigen Veränderungsprozessen. Geschlecht, so lässt sich festhalten, ist in diesem Sinn als eine soziale Konstruktion zu verstehen. In ihr kommt der Biologie eine wesentliche, jedoch keine ursächliche Bedeutung zu. Anne Fausto-Sterling sagt: „Sexuality is a somatic fact created by a cultural effect.
⁹
Vor diesem Hintergrund lässt sich mit Todd W. Reeser formulieren, dass „Männer nicht aufgrund genetischer Disposition oder einer Veranlagung im Blut männlich [agieren], sondern größtenteils, weil ihre gendered acts Handlungen zitieren oder evozieren, die bereits andere vollführt haben – Handlungen, die im Augenblick Autorität, Bedeutung und Stabilität versprechen"¹⁰. Den Bezugsrahmen, in dem diese Handlungen vollführt werden, gibt das Konzept der „hegemonialen Männlichkeit der australischen Männerforscherin Reawyn Connell ab.¹¹ Sie begreift Männlichkeit als „configuration of gender practice
¹².
2 Hegemoniale Männlichkeit
Nach Connell gibt es in unterschiedlichen Kulturen, aber auch in unterschiedlichen Gruppen und Settings einer Kultur vielfältige Formen, Mannsein zu erlernen und zu leben.¹³ Allerdings, wie Connell betont, gelten diese verschiedenen Formen innerhalb einer Gesellschaft nicht als gleichberechtigt. Sie werden bewertet und sind hierarchisch untereinander verbunden. In Anlehnung an Antonio Gramsci nennt Connell jene Form von Männlichkeit eine „hegemonic masculinity, die „the dominant position of man und the subordination of women
¹⁴ garantiert. Diese hegemoniale Männlichkeit dominiert gleichzeitig auch andere Formen der Männlichkeit, die untergeordnet – beispielsweise homosexuelle Männlichkeiten – oder marginalisiert – beispielsweise ethnische Männlichkeiten – sind.¹⁵ Eine weitere Form der Männlichkeit wird als „complicit masculinity bezeichnet. Sie erfüllt zwar nicht die Standards einer hegemonialen Männlichkeit, profitiert aber von ihr durch die „patriarchale Dividende
und stützt sie.¹⁶ Ein Beispiel dafür wäre eine männliche Karriere, die dadurch zustande kommt, weil weibliche Mitbewerberinnen aufgrund der Möglichkeit, Kinder zu bekommen, von Vorgesetzten nicht berücksichtigt werden. Ein Großteil der Männer verkörpert diese Form der Männlichkeit.
Michael Meuser verbindet das Konzept der hegemonialen Männlichkeit mit dem Habituskonzept Pierre Bourdieus. Nach Bourdieu werden die Männlichkeitskonstruktionen habituell „konstruiert und vollendet […] in Verbindung mit dem den Männern vorbehaltenen Raum, in dem sich, unter Männern, die ernsten Spiele des Wettbewerbs abspielen"¹⁷. In modernen Gesellschaften stellen Ökonomie, Politik, Wissenschaft, religiöse Institutionen, Militär, aber auch Vereine, Clubs, Freundeskreise etc.¹⁸ jene den Männern vorbehaltene Räume des Wettbewerbs dar. „Hegemoniale Männlichkeit" ist nach Meuser „Erzeugungsprinzip eines vom männlichen Habitus bestimmten doing gender bzw. doing masculinity (Hervorhebung im Original)¹⁹. Macht, Dominanz, Wettbewerb, Konkurrenz und Hierarchie werden so zu prägenden Elementen von Männlichkeit. Eine Eigenart männlicher Konkurrenz unter Männern ist jedoch, dass sie nicht nur trennt, sondern auch verbindet. Die Gleichzeitigkeit von Wettbewerb und Solidarität ist ein entscheidendes Kennzeichen männlicher Lebensweise.²⁰ Nach Pierre Bourdieu drückt sich diese paradoxe Form der männlichen Bezogenheit im Gegensatzpaar „Partner – Gegner
²¹ aus. Zu ergänzen ist noch ein weiteres wichtiges Kennzeichen aktueller Männlichkeitskonstruktionen: männliche Berufstätigkeit. Bezahlte Erwerbsarbeit stellt ein zentrales Element für die Herausbildung männlicher Geschlechtsidentität dar.²²
Männlichkeit umfasst in unterschiedlichen Bereichen eine Vielzahl von Formen, Mannsein zu verkörpern. Sie ist keine Eigenschaft individueller Personen. Sie ist vielmehr Handlungspraxis, die in sozialen Interaktionen zwischen Männern und Frauen und unter Männern (re)produziert wird und sich in Institutionen verfestigt.²³ Hegemoniale Männlichkeit ist kulturelles Orientierungsmuster, das dem doing gender der meisten Männer zugrunde liegt und die Gestaltung der Beziehung zu Frauen und zu anderen Männern prägt. Männlichkeit ist vor allem als Relation zu sehen. Sie „wird konstruiert und reproduziert in einer Abgrenzung sowohl gegenüber Frauen als auch gegenüber anderen Männern²⁴. Michael Meuser bezeichnet dies als jene „doppelte Distinktions- und Dominanzlogik
²⁵, auf der die soziale Konstruktion von Männlichkeit basiert.
Männliche Identitätsbildung stellt den einzelnen Mann in einen komplexen Entwicklungsprozess innerhalb eines vielfältigen Beziehungsgeflechts. Männlichkeit wird weder biologisch determiniert noch einfach von Bezugspersonen (Eltern, LehrerInnen …) anerzogen. Carrie Paechter sieht die Konstruktion einer Geschlechtsidentität von Kindern und Jugendlichen vielmehr als Ergebnis von Gruppenprozessen.²⁶ Sie schreibt: „This process of learning to be male or female takes place within loose, overlapping, local communities of masculinity and feminity practice"²⁷. Für Kinder und Jugendliche betont sie die Bedeutung der Familie (die hier neben der eigenen Kleinfamilie auch die weitere Verwandtschaft und nahe Freundschaft umfasst), die peer-group und die Schule.²⁸ Aber auch für den weiteren Verlauf eines Männerlebens gilt es sich innerhalb der Vielfalt von Männlichkeitsentwürfen und in Beziehung zu Frauen und anderen Männern zu positionieren. Im Entwickeln subjektiver Identität kann ein Mann, eingebunden in von hegemonialer Männlichkeit geprägten sozialen und diskursiven Strukturen, diese durch eigene Handlungspraxis reproduzieren bzw. auch verändern.²⁹ So kann ein Mann zum Beispiel durch die Übernahme der Sorge um Kinder sowie kranker und sterbender Familienmitglieder hegemoniale Männlichkeit verändern oder sie durch das Erzählen sexistischer und homophober Witze bestärken. Auch kann ein Mann mit einem wertschätzend partnerschaftlichen Umgang mit Frauen das Bild einer hegemonialen Männlichkeit modifizieren oder es als Chef, der Unterschiede in der Karriereförderung und Entlohnung der Geschlechter macht, bestärken.
Aufgrund der generellen gesellschaftlichen Dominanz von Männern als Gruppe kann es keine entsprechende hegemoniale Weiblichkeit geben. Auch wenn es Dominanz und Hierarchie unter Frauen gibt, so ist sie mit der männlichen nicht vergleichbar und umfasst vor allem nicht Männer. Connell spricht von einer „emphasized feminity". Sie ist zur hegemonialen Männlichkeit insofern komplementär, als sie der Unterordnung ihr Einverständnis gibt und sich an den Interessen und Wünschen des Mannes orientiert.³⁰
3 Sorgende Männlichkeit
Im Gegensatz zur „hegemonialen Männlichkeit" hat sich mittlerweile „caring