Der erste Tag im Ruhestand: Humorvolles & Nachdenkliches
Von Udo Lange
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Über dieses E-Book
Udo Lange
In einem kleinen Dorf in Baden-Württemberg wurde ich 1950 geboren. Als ich zwei Jahre alt war zogen meine Eltern mit meinen Geschwistern und mir in eine Stadt im Rheinland. Dort ging ich zur Schule. Nach erfolgreichem Schul- , Lehr- und Studienabschluss arbeitete ich ab Sommer 1973 bei mehreren Firmen, bis ich 2014 in den Ruhestand wechselte. Da ich bereits vor vielen Jahren den Wunsch hatte schriftstellerisch tätig zu werden, worin mich meine liebe Frau immer ermutigte, entschloss ich mich, diesen Schritt im Herbst 2019 zu wagen.
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Buchvorschau
Der erste Tag im Ruhestand - Udo Lange
1 - Wer ist der Boss?
Es gibt Dinge im Leben, die sind unausweichlich, auch wenn sich ein Ehepaar innig liebt, wie Susanne und Jörg. Beide haben sich vor Jahren kennengelernt und zählten sich damals zu den Mittfünfzigern, denen noch ein spätes, inniges Glück zuteilwerden sollte. Nachdem sie mehrere Jahre das Zusammenleben ausprobiert und auch so manche Schwierigkeit überwunden hatten, heirateten sie im kleinen Kreis, waren und sind sehr glücklich, obwohl so manch großer Unterschied besteht. Sie ist gerne in Haus und Garten, er ein Wandervogel. Aber das ist nicht das Einzige, was sie unterscheidet. Susanne ist es zuwider, kochen zu müssen, sie liebt aber den Umgang mit Wäsche. Bei Jörg ist es genau umgekehrt. So sind die häuslichen Arbeiten perfekt aufgeteilt und beide glücklich mit ihren Aufgaben.
Eines Morgens - das ausgiebige Frühstück war gerade beendet - begann eine „wunderbare" Diskussion.
„Schätzelein, was soll ich heute zu Mittag zu kochen? Worauf hättest du Appetit?"
„Ich habe gerade gefrühstückt, da kann ich dir beim besten Willen noch nicht sagen, was du kochen sollst. Stell‘ mir die Frage bitte ein paar Stunden später."
Das Frühstück war etwa um 10.30 Uhr beendet. Jörg standen innerlich die Haare zu Berge, konnte er doch schon ahnen, wie die Sache ausgehen würde. Ein paar Stunden später, es war schon nach 14 Uhr, wagte er nochmals die Frage zu stellen, worauf sie Appetit hätte.
„Was hast du denn da?"
„Jede Menge Gemüse. Dazu könnte ich Reis, Nudeln oder Kartoffeln kochen."
„Aha."
„Und was bedeutet jetzt dein „Aha?"
„Na, noch nichts, ich überlege noch. Am besten ist, du kochst, wonach dir ist. Ich kann dir nicht sagen, worauf ich Appetit habe. Es schmeckt sowieso alles gut, was du zubereitest."
„Gut, dann mache ich Kartoffeln dazu, ok?"
„Ja, ja, mach‘ man."
Jörg begann Kartoffeln zu schälen sowie das Gemüse zu putzen und klein zu schneiden, um es in den entsprechenden Töpfen zu garen. Es mochten vielleicht zehn Minuten vergangen sein, seit alles auf dem Herd stand. Die Kartoffeln begannen zu kochen. Er hantierte noch mit Schüsseln herum, als er im Hintergrund hörte:
„Wenn die Kartoffeln kochen, brauchst du die Herdplatte nur auf eins zu stellen, das reicht." Jörg sah Susanne aus der Küche gehen und bemerkte, dass die Kochplatte nicht mehr auf drei stand, sondern wieder auf eins und das Wasser nicht mehr sprudelnd kochte, sondern eher das Kochgut zog.
„Kannst du mir bitte mal verraten, warum du den Herd niedriger gestellt hast? Und warum bitte steht der Kurzzeitwecker jetzt auf zwanzig Minuten statt auf dreizehn Minuten?"
„Das habe ich so gelernt."
„Hast du dir einmal überlegt, aus welchem Grund ich die Kartoffeln so klein geschnitten habe?"
„Nö, wie gesagt, das habe ich so gelernt."
Jörg ging das alles zu weit und er wollte schon aufbrausen. Im letzten Moment hielt er sich zurück und stellte den Wecker jetzt auf zehn Minuten und die Herdplatte auf knapp zwei, so dass das Kartoffelwasser wieder leicht sprudelte.
„Du brauchst die Platte nicht wieder auf drei oder so zu stellen."
„Kochst du oder ich?"
„Ich meine ja nur. Das verbraucht dann weniger Strom."
„Und die Kartoffeln möchtest du halb roh essen?"
„Nö, die sollten schon gar sein. Aber ich meine ja nur."
„Hast du schon bemerkt, dass ich heute koche?"
„Ja, ja, du kannst ruhig einen Rat von mir annehmen."
„Meinst du, ich wüsste nicht, wie man was kocht?"
„Meine Zeit, ich meine ja nur."
„Warum redest du mir ständig rein? Schade, dass die Küche zum Flur hin nur einen Vorhang hat, sonst würde ich die Küche von innen zuschließen."
„Das fehlt noch. Du nimmst überhaupt keinen Rat von mir an. Was ist bloß los mit dir?"
„Ich nehme gerne einen Rat von dir an, wenn er vernünftig ist. Bloß weil du mal vor fünfzig Jahren Kochen in der Schule hattest, heißt das noch lange nicht, dass alles genauso wie früher gemacht werden muss."
„Das habe ich ja auch nicht gesagt, aber du könntest ruhig was von mir annehmen."
„Weißt du was? Du kannst hier weitermachen."
„So habe ich das doch gar nicht gemeint. Mein Gott, lege doch nicht gleich jedes Wort auf die Goldwaage."
„Ach, was, meinst du vielleicht, ich sollte alles schlucken? Was glaubst du, was passiert, wenn ich dich nicht ernst nehme? Das hatten wir in der Vergangenheit schon einmal."
„Das war aber auch etwas völlig anderes, das hatte ja nichts mit Kochen zu tun."
Jörg merkte, wie in ihm die Wut innerlich weiter hochstieg, bis ihm schließlich der Kragen platzte.
„Wer ist hier der Boss, du oder ich? Jetzt komm‘ nur nicht auf die Idee, zu sagen, wir beide. Entweder du, dann kochst du auch, oder ich, dann halte dich bitte auch zurück."
Gemurmel und Gegrummel aus dem Hintergrund.
„Wir kochen das nächste Mal genauso, wie du es haben möchtest, ok?"
„Ist in Ordnung." Es kehrte Ruhe ein, keiner sagte mehr ein Wort.
Tage später wurden die Kartoffeln genauso zerkleinert und gekocht, wie SIE es gelernt hatte. Der „Erfolg: Die Kartoffeln waren teilweise noch leicht glasig und hart und „schmeckten
dementsprechend. Von dem Zeitpunkt an sagte Susanne nichts mehr und ließ Jörg in der Küche gewähren. Nur hin und wieder kam ein: „Na, klappt’s? oder „Kann ich helfen?
Die beiden hatten sich darauf verständigt - egal wer kocht - dass der andere zu schweigen hat, denn nur einer kann in der Küche der Boss sein.
2 - Markttag
Es war Anfang März 2000, als sich Paul entschied, für eine Woche nach Portugal an die Algarve zu fliegen, denn dort hatte ein Bekannter eine kleine Ferienanlage, die auch von Künstlern genutzt wurde. Die wenigen Häuschen konnte man zu der Zeit ohne Probleme mieten. Später im Jahr waren sie für einen längeren Zeitraum bereits alle vermietet.
Nach ein paar Tagen wollte er nach Olhao fahren, um sich das Städtchen anzusehen, welches direkt am Meer lag. Er wachte morgens auf und die Sonne schien direkt in das Häuschen. Um zu sehen, wie das Wetter insgesamt aussah, trat er auf die kleine Terrasse und sah, dass der Himmel total blau war, ohne eine Wolke und es bereits angenehm warm war, einfach herrlich. Nach dem Frühstück fuhr er mit seinem Leihwagen über Santa Catarina und Moncarapacho nach Olhao - eine liebenswerte Kleinstadt, wie er gehört hatte.
Ihm leuchteten die Häuser mit ihren weißen Fassaden entgegen. Überall blühte und grünte es und es sah manchmal aus wie auf einer kitschigen Postkarte. Die Straßen waren sauber und der Ort wirkte sehr gepflegt. Man sagte ihm, er müsse sich unbedingt die Markthallen von innen und die Stände außen herum ansehen. Er fuhr ganz in den Ort rein und sah überall die Schilder mit dem Symbol „absolutes Halteverbot". So kurvte er eine ganze Zeit rum und hielt verzweifelt nach einem Parkplatz Ausschau. Endlich, nach unzähligen Runden, fuhr vor ihm ein großer PKW aus einer Parklücke. Gott sei Dank auch noch da, wo man offiziell parken durfte, und er war in diesem Moment der glücklichste Mensch der Welt. Er hatte nämlich gehört, dass die örtlichen Ordnungshüter nicht zimperlich und sehr rigoros seien.
Paul schlenderte eine der Hauptstraßen entlang Richtung Markthallen und sah diese von Weitem. Es waren architektonisch sehr schöne Gebäude, die sich wunderbar in das umgebende Stadtbild einfügten. Dort angekommen, genehmigte er sich erst einmal einen Kaffee, den er in aller Ruhe genoss, während das Leben drum herum geschäftig ablief. Es war alles gemütlich hier, keine Hektik und kein Gehetze.
Als er seinen Kaffee ausgetrunken hatte, bog er nach rechts in die erste Halle und fand dort nur Obst, Gemüse und Fleischstände vor, ein Gewirr von Stimmen und Gerüchen. Es wurden Waren angeboten, die er noch nie zuvor gesehen, geschweige denn gegessen hatte. Er vernahm ein buntes, herrliches Treiben, ohne jede Hektik oder Aufgeregtheit, das genaue Gegenteil von ihm zu Hause. Dann betrachtete er die ausgelegten Waren und schlenderte von Stand zu Stand. Als er einmal rundherum gegangen war, ging er in die gegenüberliegende Halle. Dort wurde nur Fisch angeboten. Es war eine unglaubliche Vielfalt, die er so auch noch nie gesehen hatte. Er drehte ganz langsam Runde um Runde, um nur ja nicht einen Stand zu verpassen. Es war aufregend und spannend. Nachdem er alles in den Hallen gesehen hatte, ging er wieder nach draußen, setzte sich in die Sonne und bestellte sich einen Kaffee, sowie einen großen Becher Eis mit Sahne. Als er alles in Ruhe genossen hatte und mit allem fertig war, begab er sich auf die Rückseite der Hallen, wo Einheimische aus ihren Privatgärten Obst, Gemüse und Kräuter anboten. Er durfte hier und da etwas kosten und es war die reinste Gaumenfreude. Auch Gewürze wurden angeboten. Leider standen ganz viele Wörter, die auf den Schildern geschrieben waren, nicht in seinem kleinen Lexikon, so dass er nur riechen oder schmecken konnte. Das Angebot war gigantisch. Ganz am Ende der Marktstände war ein Stand, dessen Verkäuferin eine ältere Frau war. Ihr Alter war für Paul nicht zu schätzen, da ihre Haut von der Sonne ganz braun gebrannt und runzelig war. Sie konnte fünfzig Jahre alt sein, aber auch fünfundsiebzig. Das Geschäft schien bei ihr an diesem Markttag nicht zu florieren, da die Stände vor ihr ziemlich leer gekauft waren. Paul entschied sich, sechs frische Orangen bei ihr zu kaufen.
Die Verkäuferin und er schauten sich an und er konnte sich an ihr nicht satt sehen. Es quoll so viel Liebe und Güte aus ihren Augen, die ihn magisch anzogen. Sie lächelten sich zu und er ging Richtung Halleneingänge. Auf dem Weg dorthin sah er einen Blumenstand, der nicht nur einzelne Blüten verkaufte, sondern auch farblich wunderbar zusammengestellte Sträuße. Einen davon erwarb er und ging zurück zu der alten Verkäuferin. Sie bediente gerade ein junges Pärchen. Als dieses gegangen war, überreichte er ihr den soeben gekauften Strauß. Erst kniff sie die Augen zusammen und musterte Paul von oben bis unten, nach dem Motto „Was soll das?" Er ermutigte sie, sein Geschenk anzunehmen. Sie zögerte noch, aber dann sah er, wie ihr eine Träne die Wange runterlief. Er lächelte sie an und verabschiedete sich. Ihm kam der Gedanke: Wann hatte diese Frau zuletzt von jemandem einen Blumenstrauß bekommen? Vielleicht war das schon viele Jahre her.
So einen schönen Tag, mit derart viel Freude und vielen Erlebnissen, hatte er lange nicht mehr gehabt. Sein Tag war gelaufen und er hatte auch das Gefühl, einen Menschen glücklich gemacht zu haben.
3 - Im Tierheim
Toni, ein aufgeweckter Teenager im Alter von Anfang 15, wohnt mit seiner jüngeren Schwester Alina und seinen Eltern in einer Etagenwohnung, in der keine Haustiere, wie Hund, Katze, Maus, gehalten werden dürfen. Zu gerne würde er einen Hund haben, so einen richtigen vierbeinigen Freund. Leider ging das nicht.
Eines Tages kam er ganz traurig von der Schule nach Hause und seine Mutter fragte ihn, was vorgefallen sei und warum er mit hängendem Kopf ankomme. Toni sagte ihr, dass er so gerne einen Hund hätte, er aber wisse, dass das nicht ginge. Alina, seine Mutter und er saßen schweigend am Tisch und aßen zu Mittag. Irgendwie war die Stimmung durch Tonis Traurigkeit völlig unten. Nach dem Essen gingen die Geschwister in ihre Zimmer, um die Schularbeiten zu machen. Nach einer ganzen Weile klopfte es an Tonis Tür und seine Mutter stand lächelnd in der Tür und meinte:
„Mir ist soeben noch etwas eingefallen. Wir haben doch hier in unserem Stadtteil ein Tierheim. Wie wäre es, wenn du dich dort melden würdest und fragst, ob du nicht eine Patenschaft übernehmen könntest. Die wären sicher froh, wenn sich jemand zur stundenweisen Betreuung der Tiere anbieten würde. Vielleicht kannst du auch Hunde Gassi führen. Was würdest du von dieser Idee halten?"
Tonis Gesichtsausdruck hellte sich auf und seine Mutter merkte, dass er überlegte. Er war nicht der Typ Mensch, der vor Spontanität nur so sprühte. Nach einer Weile meine er nur:
„Mama, deine Idee lasse ich mir mal durch den Kopf gehen. Sie ist eine Überlegung wert. Bestimmt wird das Tierheim aber genügend Leute haben, die sowas machen."
„Das ist gut, denke in Ruhe mal darüber nach, dann hättest du wenigstens etwas mit Tieren zu tun."
Der Gedanke ließ Toni nicht mehr los. Am nächsten Tag rief er im Tierheim an und brachte sein Anliegen vor. Die Leiterin, Frau Kamulke, war von Tonis Ansinnen erfreut und bat ihn, am nächsten Tag um 15 Uhr bei ihr zu sein, um alles Weitere zu besprechen. Gesagt, getan. Am nächsten Tag ging er frohen Mutes ins Tierheim, wo ihn Frau Kamulke freundlich empfing. Bei einer Tasse Kaffee besprachen sie alles. Toni erzählte ihr, dass er so gerne einen Hund hätte, was aber nicht ginge,
