Die Legende von Sankt Julian dem Gastfreien
Von Gustave Flaubert
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Über dieses E-Book
Gustave Flaubert
Gustave Flaubert (1821–1880) was a French novelist who was best known for exploring realism in his work. Hailing from an upper-class family, Flaubert was exposed to literature at an early age. He received a formal education at Lycée Pierre-Corneille, before venturing to Paris to study law. A serious illness forced him to change his career path, reigniting his passion for writing. He completed his first novella, November, in 1842, launching a decade-spanning career. His most notable work, Madame Bovary was published in 1856 and is considered a literary masterpiece.
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Buchvorschau
Die Legende von Sankt Julian dem Gastfreien - Gustave Flaubert
I
Inhaltsverzeichnis
Julians Vater und Mutter bewohnten ein Schloß; das stand am Abhang eines Hügels, mitten in den Wäldern. Die vier Ecktürme hatten spitze, mit Bleiziegeln gedeckte Dächer, und das Fundament der Mauern stützte sich auf Felsblöcke, die jäh abfielen, bis auf den Grund der Wassergräben.
Das Pflaster des Hofes war sauber wie die Fliesen in einer Kirche. Lange Dachrinnen, in Gestalt von Drachen mit dem Rachen nach unten, spien das Regenwasser in die Zisterne; und auf den Fenstersimsen aller Stockwerke sprossen in bemalten Tontöpfen Königskraut oder Heliotrop.
Eine zweite, aus Pfählen bestehende Einfriedung umschloß zunächst einen Obstgarten, dann ein Beet, wo Kombinationen von Blumen geheimnisvolle Figuren bildeten, weiter Laubengänge aus Weinreben zum Luftschöpfen und ein Mailspiel, das der Zerstreuung der Pagen diente. Auf der andern Seite befanden sich der Hundestall, die Pferdeställe, die Bäckerei, die Kelter und die Scheunen. Eine Trift von grünem Rasen zog sich rings herum, ihrerseits wieder von einer starken Dornenhecke umgeben.
Man lebte seit so langer Zeit in Frieden, daß das Fallgatter sich nicht mehr senkte; die Gräben waren voll Wasser; Schwalben bauten ihre Nester in den Spalten der Schießscharten; und der Bogenschütze, der den ganzen Tag über auf dem Mittelwall auf und ab spazierte, verzog sich, sobald die Sonne zu stark schien, in das Wachthäuschen und schlief ein wie ein Mönch.
Im Innern sah man nur glänzende Eisenbeschläge; Wandteppiche hielten in den Zimmern die Kälte ab; und die Schränke quollen über von Leinen, die Weintonnen häuften sich in den Kellern, die eichenen Truhen krachten unter der Last der Geldsäcke.
Im Waffensaal erblickte man zwischen Standarten und Köpfen von wilden Tieren Waffen aller Zeiten und aller Völker, von den Schleudern der Amalekiter und den Wurfspießen der Garamanten bis zu den kurzen Schwertern der Sarazenen und den Panzerhemden der Normannen.
An dem größten Bratspieß der Küche konnte man einen Ochsen wenden; die Kapelle war von einem Prunk wie das Bethaus eines Königs. An einem abgelegenen Ort gab es sogar ein römisches Bad, aber der edle Herr versagte sich seine Benutzung, da das nach seiner Schätzung eine Sitte der Heiden war.
Stets in einen Fuchspelz gehüllt, schritt er durch sein Haus, sprach seinen Vasallen Recht, schlichtete die Streitigkeiten der Nachbarn. Im Winter schaute er dem Fall der Schneeflocken zu oder ließ sich Geschichten vorlesen. Mit Anbruch der ersten schönen Tage ritt er auf seinem Maultier die kleinen Wege entlang, zur Seite der grünenden Saatfelder, und er schwatzte mit den Landleuten, denen er Ratschläge erteilte. Nach vielen Abenteuern hatte er ein Fräulein von hoher Abkunft zur Gattin gewählt.
Sie hatte eine sehr weiße Haut, war etwas stolz und von ernster Gemütsart. Die Auswüchse ihres Kopfputzes streiften den Querbalken der Türen; die Schleppe ihres Tuchgewandes schleifte drei Schritte hinter ihr. Ihr Hauswesen war geregelt wie das Innenleben eines Klosters; jeden Morgen verteilte