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Die Drachenhexe (Band 3): Gift und Lüge
Die Drachenhexe (Band 3): Gift und Lüge
Die Drachenhexe (Band 3): Gift und Lüge
eBook558 Seiten

Die Drachenhexe (Band 3): Gift und Lüge

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Über dieses E-Book

Wenn das Ende naht und die Finsternis dunkler als der größte Schatten ist …

Freyja setzt alles daran, Menam in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Doch als weiße Federn auf die Erde fallen, sind dies die Vorboten einer Dunkelheit, die erneut das Land vergiftet. Alles scheint sich zu wiederholen und die Welt droht abermals ins Chaos zu stürzen. Die Fäden des Schicksals sind jedoch längst gesponnen und es grenzt ans Unmögliche, zwischen all der Schwärze den richtigen Weg zu finden – selbst für eine ehemalige Drachenhexe.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum20. Mai 2022
ISBN9783038962441
Die Drachenhexe (Band 3): Gift und Lüge

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    Buchvorschau

    Die Drachenhexe (Band 3) - J. K. Bloom

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Informationen zum Buch

    Impressum

    Widmung

    Landkarte

    Was bisher geschah …

    Die Wiederherstellung

    Der dunkle Engel

    Die Sehnsucht einer Frau

    Die Nebelbarriere

    Die Ankunft der Engel

    Ein Handel mit dem Teufel

    Einsicht

    Unter meinesgleichen

    Finstere Schatten

    Porta inferna

    Dunkle Vereinbarung

    Der Kuss des Dämons

    Die Angst vor dem Ertrinken

    Der unerwünschte Besuch

    Im Namen des Lichts

    Das Kind der Finsternis

    Die Ruhe vor dem Sturm

    Elohim

    Der König des Eises

    Vorbereitungen

    Die Geburt

    Der Anfang vom Ende

    Der Befehl

    Der Halbblutbruder

    Ich bin ein Gott

    Das Ass im Ärmel

    Mutter und Tochter

    Den richtigen Weg wählen

    Der große Plan

    Am Abgrund der Hölle

    Das Überwesen Elohim

    Worte des Herzens

    Der Tag der Wiederauferstehung

    Aufbruch

    Die Wahrheit über Bestia zero dall’inferno

    Onkel und Nichte

    Drachenmutter

    Rote Ketten

    Der richtige Augenblick

    Luzifers Ruf

    Die Träne der Engel

    Die Erdenmutter

    Das Ende

    Trugbild

    Eine Erinnerung bleiben

    Die unantastbare Seele

    Nachwort

    J. K. Bloom

    Die

    Drachenhexe

    Band 3: Gift und Lüge

    Fantasy

    Die Drachenhexe (Band 3): Gift und Lüge

    Wenn das Ende naht und die Finsternis dunkler als der größte Schatten ist …

    Freyja setzt alles daran, Menam in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Doch als weiße Federn auf die Erde fallen, sind dies die Vorboten einer Dunkelheit, die erneut das Land vergiftet. Alles scheint sich zu wiederholen und die Welt droht abermals ins Chaos zu stürzen. Die Fäden des Schicksals sind jedoch längst gesponnen und es grenzt ans Unmögliche, zwischen all der Schwärze den richtigen Weg zu finden – selbst für eine ehemalige Drachenhexe.

    Die Autorin

    J. K. Bloom schreibt schon, seit sie elf Jahre alt ist. Das Erschaffen neuer Welten ist ihre Leidenschaft, seitdem sie das erste Mal ein Gefühl für ihre Geschichten bekam. Sie ist selbst abenteuerlustig und reist sehr gern. Wenn sie ihre Nase nicht gerade zwischen die Seiten eines Buches steckt, schreibt sie, beschäftigt sich mit ihren zwei Katzen oder plant schon die nächste Reise an einen unbekannten Ort.

    www.sternensand-verlag.ch

    info@sternensand-verlag.ch

    1. Auflage, Mai 2022

    © Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2022

    Umschlaggestaltung: Jaqueline Kropmanns

    Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röllig

    Satz: Sternensand Verlag GmbH

    ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-243-4

    ISBN (epub): 978-3-03896-244-1

    Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Für meine Hexenliebhaber.

    Danke, dass ihr euch gemeinsam

    mit mir in die Dunkelheit gewagt habt.

    Was bisher geschah …

    Prinzessin Freyja, die von der alten Hexe Ravaga verflucht wurde, unterjochte ein ganzes Land. Durch die Dunkelheit, die sie über Menam brachte, zwang sie den Himmel zum Handeln, der einen Halbengel in die Welt setzte.

    Lucien, der von den übrigen vier Ländern dazu auserkoren wurde, die Menschen von der Hexe zu befreien, wuchs im Schloss von Greystone auf, in dem er sowohl die Belehrung seiner Ziehmutter Anna als auch den Schutz des Königs Loucas genoss.

    Als er bereit war, der Hexe entgegenzutreten, machte er sich auf den Weg in ihr finsteres Reich, in dem er sie bezwingen wollte. Freyjas und Luciens Begegnung hielt indes eine schicksalhafte Wendung bereit. Ein Licht rettete sie vor dem Tod und ließ Lucien in die Traumwelt eintreten, in der er der Prinzessin Freyja begegnete – dem guten Teil ihrer Seele. Dort wurde Lucien klar, dass es für die gefürchtete Drachenhexe noch Hoffnung gab, und er erhielt einen bedeutsamen Ring.

    Als Lucien es nicht übers Herz brachte, sie zu töten, schaffte er sie aus ihrem eigenen Land und überreichte damit der Hexe Ravaga die Macht, die einst Freyja gehört hatte.

    Widerwillig beschlossen Lucien und Freyja zusammenzuarbeiten, um den Schatten der ewigen Nacht zu entgehen.

    Im Orden Alexandrias stellte Freyja Lucien auf eine harte Probe. Sie versuchte ihn in jeder freien Sekunde zur Weißglut zu bringen. Doch je mehr sich die Prinzessin in Lucien verliebte, desto stärker begann die Fassade der Drachenhexe zu bröckeln.

    Erst durch die Gefangennahme einer Verbrecherbande namens Roter Korn, dessen Anführer Valerius Ian Terrgon war, zerbrach das Siegel, welches Freyjas Seele gespalten hatte, endgültig. Sie fügte sich langsam zusammen, sodass Freyja wieder ein Mensch mit Gefühlen wurde.

    Die Rückkehr ihrer Emotionen brachte auch ein Chaos mit sich, gegen welches sie ankämpfen musste.

    Freyjas Freundin Nara, die weiße Hexe eines einfachen Bauerndorfes, gab ihnen den Hinweis, wo sich Ravagas Versteck befinden könnte. Daraufhin beschlossen Freyja und Lucien mit Erlaubnis des Großmeisters Cartis, der gemeinsam mit dem Rat den Magierorden Alexandria leitete, aufzubrechen und Ravaga ein Ende zu bereiten.

    Doch statt zu siegen, tappten sie in eine Falle, und Lucien wurde durch ein Portal gesogen. In ihrer Verzweiflung steckte Freyja den Ring an ihren Finger, den ihr Lucien vor dem Aufbruch gegeben hatte.

    Es stellte sich heraus, dass sie durch das Schmuckstück ihre ursprüngliche Kraft zurückerhielt und mit der Macht ihres eisernen Willens Luciens Standort ausfindig machen konnte.

    Dort angekommen stellte sie sich dem Heer des Roten Kornes, das dabei zusehen wollte, wie ihr Vater Valerius und seine Gefährtin, die niemand anderes war als Freyjas leibliche Mutter Tivana – und Erzdämonin Lilith – Lucien das Herz aus der Brust rissen.

    Freyja konnte das Schlimmste verhindern, allerdings war sie machtlos gegen die Heimtücke Ravagas, die sich im letzten Moment von Lucien töten ließ. Der Schatten-und-Licht-Fluch ging auf ihn über, wodurch die Finsternis von ihm Besitz ergriff.

    Tivana, die auch als ehemalige Königin von Menam bekannt war, hatte sich während all der Zeit für eine Untote namens Zett ausgegeben und Lucien damit hinters Licht geführt. Sie hatte ihm ein Wasser gegeben, welches angeblich aus der Heiligen Quelle stamme und das die Übertragung von Ravagas Finsternis verhindern könne. Es war jedoch eine Fälschung.

    Tivana und Valerius flohen, und Freyja brachte Lucien zum Orden.

    Um ihrem Land zu neuer Blüte zu verhelfen, tat sie sich in ihrem Schloss mit einem Fremden namens Zero zusammen, dessen Aura ihr verdächtig erschien.

    Er besaß sowohl schwarze als auch weiße Magie, wollte Freyja allerdings nie verraten, was er wirklich war.

    Währenddessen kehrte Lucien zurück nach Greystone, um seinem König zu berichten, was geschehen war. Doch obwohl Loucas der Siebte nicht erfreut über die Wendung zu sein schien, stellte er den Engel als Helden dar.

    Lucien kämpfte gegen die Dunkelheit in sich an, wobei ihm der Druck des Volkes und die Distanz zu Freyja schwer zusetzten. Schließlich ließ er sich auf die Finsternis ein und wurde langsam zu einem bösartigen Wesen.

    Freyja und Zero beschlossen, die Natur um Hilfe zu bitten. Mit einem Ritual beförderte Freyja sich in eine Zwischenwelt, in der die Toten lebten und deren Seelen noch auf Erden wandelten. Die Erdenmutter überreichte ihr einen Schlüssel, mit dem Freyja jedoch nichts anzufangen wusste.

    Mit der weißen Magie namens ›Wiederherstellung‹ konnte sie ihr Schloss und dem kahlen Land neue Farben schenken.

    Freyja erfuhr von Zero, dass Lucien sich aufgemacht hatte, um sie zu besuchen. Allerdings war sie wegen des Rituals nicht zu Hause gewesen, worüber sie sich ärgerte, denn sie hielt weiterhin an dem Vorhaben fest, Lucien von der Dunkelheit zu befreien.

    Nachdem Lucien zur Finsternis übergegangen war, ließ er sich auf eine Herzogstochter namens Katharina Ashana Grimaldi ein, die er heiratete. Er empfand zwar keine Liebe, aber eine tiefe Leidenschaft.

    Schließlich kam er dahinter, dass er die ganze Zeit über an der Nase herumgeführt worden war, denn König Loucas entpuppte sich als Valerius und Katharina als die Erzdämonin Lilith. Den echten König hatten die beiden noch vor der Rückkehr Luciens getötet.

    Da Lilith sich von den Fesseln ihres Beschwörers Valerius befreien wollte, überredete sie Lucien dazu, ihr beizustehen und den unsterblichen Magier mit einer besonderen Waffe zu töten.

    Lilith erkannte in Lucien Potenzial und schloss sich ihm an.

    Zur selben Zeit machten sich Freyja und Zero zur Dracheninsel auf, da sie das Siegel des Dämons, welcher in Zero wohnte, verstärken wollten. Dort angekommen, erfuhr Freyja die Wahrheit über ihren Gefährten, der das Opfer eines Experimentes war. Sein wahrer Name lautete Avery Rowell, und seine Familie wurde von den Peinigern umgebracht, die ihm das Herz des Erzdämons Beelzebub einverleibt hatten.

    Trotz aller Widerstände wollte Zero an Freyjas Seite bleiben und mit ihr gemeinsam Menam aufbauen.

    Die Wiederherstellung

    Freyja

    Meine Hände zitterten. Kälte bahnte sich einen Weg in meine erschöpften Glieder, und mit jedem Augenblick, der verging, kam ich der Ohnmacht näher.

    Schweißperlen rannen meine Schläfen hinab, während ich mit Mühe den Arm nach vorne streckte und nicht daran dachte, nachzugeben.

    Gleich ist es geschafft. Nur noch ein bisschen.

    Schwindel überkam mich und die Beine drohten zusammenzubrechen. Keuchend wehrte ich mich innerlich gegen meinen schwachen Körper, verlangte von ihm, mir zu gehorchen und nicht zu kapitulieren.

    Mit einem kleinen Siegeslächeln auf den Lippen sah ich der Magie dabei zu, wie sie Stein um Stein, Riss um Riss, Faser um Faser die Gegenstände zu dem zurückbildete, was sie einst gewesen waren. Möbel rückten an ihren Platz, morsches Holz festigte sich zu neuen Stützen, die Löcher in den Wänden verschwanden, und mit jeder Sekunde erhielt der Raum seine ursprüngliche Gestalt mehr zurück.

    Mit der Wiederherstellung hatte ich es innerhalb weniger Tage geschafft, dass Schloss bis auf den letzten Ziegel in seinem alten Glanz erstrahlen zu lassen. Es war hart, aber dank Zero und meinem Ehrgeiz gelang es mir.

    Ich stöhnte erschöpft, ließ mich auf die Knie fallen und fing mich schwer atmend mit den Armen ab.

    Für einen kurzen Moment hatte ich geglaubt, alles abbrechen zu müssen, doch mein Wille war stärker.

    ›Du bist geschwächt‹, ertönte die dunkle Stimme meines Drachen im Kopf.

    Seine Sorge rührte mich, hinderte mich allerdings nicht daran, die Magie weiterhin zu benutzen. Denn Noron war anfangs gegen dieses Vorhaben gewesen. Er sagte, dass das Schloss keine Priorität habe, wobei ich anderer Meinung war.

    Nur mit sicheren, ansehnlichen Hallen konnten wir meinen Vater zurück auf den Thron setzen, auch wenn dieser Plan Zweifel in mir säte.

    Vor wenigen Tagen noch hatte er in den Gewölben satanische Symbole an die Wände gemalt und den Teufel angebetet. Niemand konnte mir sagen, ob er besessen war oder ihn etwas anderes heimsuchte. Etwas beraubte ihn seiner Sinne, was keine guten Voraussetzungen für eine Krone waren.

    Sogar Zero, der mehr Bücher als sonst jemand gelesen hatte, wusste keinen Rat, und das sollte schon etwas heißen.

    Es dauerte eine Weile, bis ich die Kraft aufbrachte, auf den Beinen zu stehen. Meine Muskeln zitterten weiterhin, aber ich konnte mich so weit halten, dass ich nicht wieder zusammensackte.

    Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und ging mit unsicheren Schritten nach draußen auf den Korridor. Stolz auf mein Werk betrachtete ich die wiederhergestellten Flure, den roten, edlen Teppich, die Tapeten, an deren Ränder sich goldene Ornamente entlangschlängelten. Braune Mosaikfliesen verliehen dem Ort etwas Königliches.

    Das war es wert.

    Bevor mich die anderen in diesem schwachen Zustand zu sehen bekämen, sog ich mehrmals Luft in meine Lunge und versuchte alles aus mir zu schöpfen, was mein Körper aufbringen konnte. Ich zeigte nicht gerne Schwäche vor anderen, ganz besonders nicht vor Zero, der mir immer wieder bewies, dass er mir – zugegeben – überlegen war.

    Als ich den Thronsaal erreichte, war ich froh darum, niemandem begegnet zu sein. Mein Blick fiel auf den vergoldeten Thron, dessen Verzierungen und rote Polster beeindruckend wirkten. Seit ich ihn wiederhergestellt hatte, traute ich mich nicht einmal, den Gedanken in Erwägung zu ziehen, mich darauf niederzulassen.

    Eine Krone stand mir nicht zu. Nicht, ehe ich meine Sünden reingewaschen hatte – falls das überhaupt jemals möglich war.

    Ich ging auf den mächtigen Stuhl zu und ließ meine Fingerspitzen über die aus dunklem Holz geschnitzten Lehnen gleiten.

    In den letzten Wochen war so viel geschehen.

    Die Erinnerungen strömten wie ein Orkan auf mich ein. Obwohl ich mir geschworen hatte, sie auszublenden, um meine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren, ließ ich es zu.

    Einst saß ich auf diesem Thron und regierte als grauenvolles Monster über ein Land, das ich in Schattentod umbenannte. Wegen der ewigen Nacht verkam die Natur, die Menschen wurden von meinen Schatten verschlungen oder selbst zu kleinen Kreaturen des Wahnsinns. Ich weidete mich an ihrem Leid und genoss es zu herrschen.

    Erst Lucien führte die Prinzessin und damit den guten Teil meiner Seele mit dem dunklen wieder zusammen. Durch seine Tat kehrten Mitgefühl und Glück zu mir zurück.

    Ich schloss die Lider. Innerlicher Schmerz überrollte mich.

    Lucien.

    Er war es, der mich lieben lernte. Der mir das Gefühl gab, nicht allein zu sein, und mir half, in all den Schatten Licht zu erkennen. Er war die Hand, nach der ich gegriffen hatte, um nicht vollends der Finsternis zu verfallen.

    Und was tat ich?

    Ich ließ ihn im Stich. Meinen geliebten Engel, der mit vollem Herzen an das Gute glaubte.

    Nach dem Kampf auf dem Heiligen Berg musste ich eine Entscheidung fällen, da ich nicht die Kraft besaß, beide Schicksale vor dem Untergang zu bewahren.

    Schließlich funkte mir Zero dazwischen, der das Herz eines mächtigen Dämons in seiner Brust trug. Beelzebub.

    Allein sein Name jagte mir einen Schauer über den Rücken.

    Mit einem Ritual konnten wir seine Macht in Zeros Körper einsperren und schwächen, allerdings war die Gefahr um seine Kräfte noch längst nicht gebannt. Der Dämon besaß die Stärke, sich jederzeit aus seinem Gefängnis zu befreien, wenn Zero nicht aufpasste und die Kontrolle über seinen Zorn verlor.

    Während dieser Zeit verlor ich meinen Engel an die Finsternis. Gleich nachdem wir die Siegel auf Zeros Brust gesetzt hatten, wollte ich mich nach Greystone aufmachen, um Lucien aufzusuchen, doch Zero und Noron hielten mich davon ab.

    Ich besaß noch immer keine Lösung für den Fluch, was mich rasend machte. Denn sich unüberlegt in ein aussichtsloses Gefecht zu stürzen, das möglicherweise sogar einen Krieg zwischen den Ländern auslösen würde, wäre sinnlos.

    Also gab ich mich geschlagen.

    Und nun stand ich hier. Von Selbsthass und Enttäuschung erfüllt.

    »Es ist nur ein bedeutungsloser Stuhl, der dich mächtig fühlen lässt«, hörte ich plötzlich eine Stimme an den Wänden widerhallen. Diese Worte hatte er schon einmal zu mir gesagt, als wir beide uns das erste Mal begegnet waren.

    Mit einem matten Lächeln wandte ich mich Zero zu. »Ja, auf den ersten Blick ist er das, aber wenn man darauf sitzt …« Ich schüttelte den Kopf. »Vergiss es. Es gebührt meinem Vater, darauf Platz zu nehmen.«

    Zeros zuvor verschränkte Arme fielen neben seinen Körper. Das Lächeln verging ihm und er schritt auf mich zu. »Es ist wegen ihm, oder?«

    Unsere Blicke trafen sich. Sein silberweißes Haar glänzte im Schein der Sonne wie angestrahlter Magnesit. Ich öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen, doch da wurde mir klar, dass er recht hatte.

    Es war wegen Lucien.

    Ich ertrug den Gedanken nicht, ihn womöglich endgültig an die Finsternis verloren und damit eine der schlimmsten Sünden begangen zu haben. Denn was war unverzeihlicher, als den Mann, den ich liebte, im Stich zu lassen?

    Zero hielt neben mir inne und legte eine Hand tröstend auf meine Schulter. Ich schaute hinunter und erkannte die dunkelroten Symbole auf seinem Handrücken, die ihm jemand durch ein Blutritual eingebrannt hatte.

    Seit mir Zero zugesagt hatte, dass er nun bei mir blieb, um mich zu unterstützen, waren wir vertrauter miteinander. Er zog sich keine Handschuhe mehr über, um die Narben seiner Vergangenheit zu verstecken, sondern offenbarte sie, weil er sich an diesem Ort aufgehoben fühlte.

    Hier, bei der weißen Hexe Nara, der kleinen Zofe Marielle, meinem Drachen Noron, meinem Vater und mir.

    Und ich war unendlich froh, dass er sich dazu entschieden hatte, denn ohne Zero hätte ich das Schloss niemals in so kurzer Zeit wiederherstellen können.

    Außerdem verband uns etwas. Grauen. Tod. Verderben und die Hölle.

    Wir wussten, was Schmerz bedeutete, wie sich wahre Dunkelheit anfühlte und wie man mit ihr umzugehen hatte. Wir kämpften gegen die Mächte der Finsternis an und gewannen.

    Zero, in dessen Brust das Herz eines Erzdämons schlug.

    Ich, in deren Adern das Blut der Erzdämonin Lilith floss.

    »Ruh dich für heute aus«, durchbrach er die entstandene Stille, in der er auf eine Antwort von mir gewartet hatte. »Ich studiere noch ein paar der Symbole, die dein Vater an die Wand gemalt hat. Vielleicht finden wir so heraus, wer ihn kontrolliert.«

    Ich nickte und zog meine Finger vom Thron zurück, um die Arme um meine Mitte zu schlingen. »Werden wir zu dem Ball gehen? Er ist in wenigen Tagen. Ich darf den König nicht warten lassen, Zero.«

    Über die damalige Einladung des Königs, der nicht nur mich, sondern alle Herrscher der übrigen Länder über das Fest informiert hatte, das er abhalten wollte, hatten wir noch nicht richtig gesprochen.

    Zero ließ von meiner Schulter ab und schnaubte unzufrieden. »Wenn du fliegst, nimmst du mich gefälligst mit.«

    Ich senkte das Kinn und berührte unauffällig mein Dekolleté. Darauf befand sich die Narbe, die Lucien mir damals hinterlassen hatte, als wir gegeneinander kämpften. Die Hexe und der Engel, zwei unerbittliche Feinde.

    Obwohl wir dachten, dass dies der Vergangenheit angehörte, hatte ich nun das Gefühl, alles wiederholte sich. Lucien hielt mich für jemanden, den es zu hassen galt. Das hatte er mir im Garten der Prinzessin deutlich gemacht, als ich seinen Geist mit Naras Hilfe zu mir in die Illusionswelt beförderte.

    »Und das Schloss?«, frage ich mit zusammengerückten Brauen.

    Zeros Blick glitt zum Eingangstor, welches in den Thronsaal führte. Es stand die meiste Zeit offen, da wir sowieso keinen Besuch erwarteten. Zero hatte aus der vertrockneten Erde wieder eine grüne Wiese wachsen lassen, sodass der Anblick weniger trübselig erschien. »Die Baumgeister sind auch noch da. Außerdem verfügt Nara ebenfalls über Magie, wodurch sie in der Notlage deinen Vater und Marielle beschützen kann.«

    Das mochte stimmen, dennoch fühlte ich mich nicht besser, wenn ich daran dachte, das Schloss verlassen zu müssen. »Es wird sowieso eine Falle sein, wie mir Lucien mitteilte. König Loucas wird mich auf die Probe stellen.«

    Zeros Miene blieb eisern. »Das werde ich zu verhindern wissen. Lucien kann sich nicht mit einer mächtigen Hexe und einem Dämon anlegen.« Er schnaubte und hob selbstgefällig einen Mundwinkel in die Höhe. »Er ist nur ein Mensch.«

    Ich schaute wieder in seine dunkelbraunen, beinahe schwarzen Augen auf. »Nimm das nicht auf die leichte Schulter, Zero. Er ist immer noch ein König.«

    »Und du bist eine Königin«, erwiderte er energisch. »Ich verstehe nicht, weshalb du dich bestrafen willst, indem du den Thron an deinen Vater abgibst.«

    Ich riss mich von ihm los und machte mich auf den Weg zur Bibliothek. »Weil ich eine Krone nicht verdient habe.«

    Zero folgte mir, offenbar wollte er von dem Thema nicht so schnell ablassen. »Ach, denkst du, Loucas hat die Krone verdient? Oder der Herrscher Snowcrows? Pyronons? Oder gar Acarts? Sie alle sind nur Erben, nichts weiter. Niemand hat sich diesen Platz erkämpft. Er wurde ihnen in den Schoß gelegt.«

    Ich schritt weiter, da ich ungern über das Thema sprach.

    Allerdings schien Zero viel daran zu liegen, weswegen er sich vor mich stellte und meine Oberarme packte, um mich aufzuhalten. »Du willst Menam zu neuer Blüte verhelfen und ich kenne niemanden, dessen Willen so entschlossen ist wie deiner. Also hör endlich auf, dich als nicht würdig zu empfinden.«

    Ich griff nach Zeros Handgelenken und sah ihn verärgert an. »Es ist aber meine Schuld, dass das Land verkommen ist.«

    »Herrgott, Freyja! Du warst nicht du selbst. Man machte dich dazu. Schon vergessen? Dein Fluch?«

    Sofort fielen mir die Worte der Natur ein, die mir vor wenigen Tagen die weiße Magie ›Wiederherstellung‹ gewährt hatte. Dank ihrer Zustimmung erlangte ich Mächte, die ich als Wesen der Dunkelheit gar nicht besitzen dürfte.

    »Der Fluch war nur der Anfang.«

    Eigentlich wollte ich gar nicht wissen, was das zu bedeuten hatte. Stand mir noch Schlimmeres bevor? Die Drachen prophezeiten mir auf ihrer Furcht einflößenden Insel etwas Ähnliches.

    Ich zischte und löste mich aus Zeros Umklammerung. »Ich sagte: Nein.«

    Damit verließ ich ihn und steuerte die Bibliothek an. Zero blieb im Thronsaal zurück.

    Zwischen den etlichen Regalen und Tausenden von Geschichten fand ich schließlich meine Freundin Nara. Sie saß an einem Tisch, beugte sich über ein aufgeschlagenes Buch und blätterte durch die Seiten.

    Als ich den riesigen Raum betrat, schaute die weiße Hexe zu mir auf. In ihren dunkelbraunen Augen lag Sorge. »Eure Diskussion war bis hierher zu hören.« Sie legte den Kopf schief, wobei ihr eine graue Strähne aus dem Haarknoten fiel. »Ich will nicht Partei ergreifen, aber Zero hat recht. Es wäre klüger, du trügest die Krone. Es würde dir nicht nur Autorität verleihen, sondern auch Stärke. Dein Vater ist zu alt und schwach für ein solches Amt.«

    Ich ballte die Hände zu Fäusten. »Wie kannst du es wagen, so über ihn zu reden?«

    Nara schien von meiner Wut unbeeindruckt. »Es ist die Wahrheit und das weißt du.« Sie widmete sich wieder dem Buch und zupfte am Kragen ihres grauen Bauernkleides. »Außerdem musst du deinen Vater mit zu diesem Ball nehmen, um ihn den Ländern vorzustellen. Ansonsten würden sie deinen Worten keinen Glauben schenken.«

    »Nein«, rebellierte ich gleich. »Das kommt auf keinen Fall infrage. Wenn überhaupt, gehen nur Zero und ich. Noron bringt uns hin.«

    Nara lachte. »Du hast keinerlei Beweise, dass Aurum lebt. Wie willst du sie davon überzeugen?«

    Wütend knirschte ich mit den Zähnen, fand allerdings kein Gegenargument, um ihr zu widersprechen. Der Gedanke war mir ebenfalls gekommen, doch ich wollte ihn nicht weiterspinnen, da ich sonst der Wahrheit ins Auge blicken müsste.

    Damit mein Vater als König akzeptiert würde, müsste er vor die anderen Länder treten und seine Rückkehr kundtun.

    Ich seufzte. Zum Glück hatte ich noch ein paar Tage Zeit, um mir dieses Vorhaben durch den Kopf gehen zu lassen. »Irgendwelche Hinweise bezüglich Vaters Besessenheit?«, lenkte ich rasch vom Thema ab.

    Nara zuckte mit den Schultern. »Seine Symptome deuten auf eine solche hin, allerdings müsste er irgendwelche Symbole an seinem Körper tragen, die die Verbindung zu dem Höllenwesen herstellen. Aber da ist nichts – Zero hat ihn gründlich untersucht.«

    Ich fasste mir nachdenklich ans Kinn und versuchte mich an Ravagas Lehren zu erinnern. Da ich mich selbst nie für Bücher interessiert hatte, fehlte mir einiges an Wissen über die schwarze Magie. Allerdings besaß ich immer ein offenes Ohr, wenn die alte Hexe mich belehren wollte.

    Leider fiel mir nichts Sinnvolles ein. »Vielleicht beeinflusst jemand seinen Geist.«

    Nara schüttelte zuerst den Kopf, doch dann schien sie sich an etwas zu erinnern und riss die Augen weit auf. Blinzelnd schaute sie mich an. »Du hattest ihn über hundert Jahre lang in einen Sarg gesperrt, oder?«

    Obgleich ich nicht gerne an diese Tat erinnert wurde, nickte ich.

    »Freyja, eine gefangene Seele kann sich von ihrem Körper trennen und mit anderen Geistern kommunizieren. Was ist, wenn das deinem Vater passiert ist und jemand zusammen mit ihm in den Körper zurückgekehrt ist?«

    Ich runzelte die Stirn und lief zu ihrem Tisch hin, um mich an deren Kante zu lehnen. Mit verschränkten Armen sah ich sie zweifelnd an. »Das wüsste Vater.«

    »Oder eben nicht. Es ist wie bei Zero. Übernimmt ein Geist den anderen, bekommt der unterdrückte Teil nichts mit – was auf seinen aktuellen Zustand zutreffen würde«, erklärte sie grüblerisch und erhob sich von ihrem Stuhl.

    Eilig lief sie zu den Bücherregalen und suchte nach etwas.

    Ich folgte ihr. »Bekommen wir den fremden Geist wieder aus seinem Körper?«

    Als die alte Hexe abwesend nickte, entfloh mir ein erleichterter Seufzer.

    »Allerdings ist es nicht so einfach. Wir müssten beide Geister in eine Illusionswelt schaffen und …« Sie blieb stehen und schien das gesuchte Buch gefunden zu haben. »Ah! Da ist es ja.«

    Sie zog es heraus und kehrte an den Tisch zurück. Erneut haftete ich mich an ihre Fersen.

    »Ist das nicht gefährlich?«, fragte ich besorgt.

    Sie warf den dicken Einband polternd auf den Tisch und schlug die ersten paar Seiten auf. Anschließend suchte sie eine Textstelle und las sich diese durch. »Sie müssen in der Illusionswelt gegeneinander antreten. Derjenige, der siegt, darf zurück in den Körper.«

    Angst überkam mich. Mein gebrechlicher, alter Vater sollte kämpfen? War das ihr verdammter Ernst? »Es muss eine andere Lösung geben!«

    »Tut mir leid«, entgegnete die weiße Hexe. »Es geht nur auf diese Weise oder der Geist wird immer mehr seinen Körper übernehmen, sofern dein Vater ihm nicht standhält.«

    Das Herz schlug panisch in meiner Brust. Er würde scheitern. Vater war viel zu alt für solch einen Kraftakt. »Nara, er …«

    Bedauernd schlug sie das Buch zu und stieß einen langen Atemzug aus. »Ich weiß, Kind. Sieht nicht gut für ihn aus.«

    Ich darf ihn nicht verlieren. Nicht schon wieder.

    Wütend erhob ich mich und kehrte der Hexe den Rücken zu. Allerdings tat ich das nur, damit sie die Tränen in meinen Augen nicht bemerkte. »Ich erzähle es Zero. Vielleicht hat er eine andere Idee.«

    Damit verließ ich die Bibliothek.

    Obwohl ich mich ein wenig ausruhen wollte, war jetzt nicht mehr daran zu denken.

    Der dunkle Engel

    Lucien

    »… keine eigenen Nachfahren hatte, und somit war es des Königs letzter Wunsch, dass Lucien, der wie ein Bruder für ihn war, sein Amt übernähme. Ein Testament bezeugt, dass Lucien Meridiem das Erbe der Königsfamilie Greystones erhält und damit all seine Reichtümer und den Thron«, verkündete der Sprecher auf der Empore, während unter ihm die ganze Hauptstadt seinen Worten lauschte.

    In seinen Händen hielt er das Pergament, das mich nicht nur zum neuen König Greystones machte, sondern mir auch die mächtigste Position des Landes verlieh.

    Oh, diese dummen, armen Menschen. Sie haben ja keine Ahnung.

    Der Sprecher begann über Loucas’ heldenhafte Taten als König zu reden, die dem Volk noch einmal klarmachen sollten, was für einen gutherzigen Regenten sie gehabt hatten.

    Alles Heuchelei. Loucas war egoistisch und zu selbstüberzeugt gewesen – wie mir im Nachhinein immer bewusster wurde.

    Aber woher sollten sie das auch wissen? Sie sahen nur das, was man ihnen in der Öffentlichkeit zeigte. Einen Mann mit goldener Krone auf dem Kopf und einem Lächeln, das jeden blendete.

    Die letzten Wochen hatten mir einen vollkommen neuen Blickwinkel gezeigt und ich war mehr als zufrieden. Dank der Finsternis in mir, die mir hilfreiche Ratschläge gab, hatte ich es erst so weit geschafft. Sie war der Grund, weshalb ich nun der neue König von Greystone wurde.

    Als ich nach der Schlacht auf dem Heiligen Berg zum Palast zurückkehrte, war ich ein verschüchterter, ängstlicher Engel gewesen, der geglaubt hatte, es allen recht machen zu müssen. Doch ich hatte gelernt, Mut zu fassen, meine eigenen Ziele zu verfolgen und dem Guten die Stirn zu bieten. Denn das Licht versuchte über die Welt zu regieren, ihm Regeln aufzubürden und Kontrolle zu erlangen.

    Dabei war es nicht besser als die Dunkelheit.

    Wo war das Licht gewesen, als meine Schwester in die ewigen Jagdgründe geschickt wurde? Wo war das Licht gewesen, als die fortwährende Nacht über alle Länder hereinbrach? Wo war das Licht gewesen, als Valerius Loucas tötete, um seine Rolle zu übernehmen?

    Ich lachte heimlich in mich hinein. Alles Lügen und Täuschung. Es gab kein Gut und Böse – sie waren alle gleich. Machthungrige Wesen, die sich nach Kontrolle sehnten.

    Allerdings mit einem Unterschied: Die Finsternis hatte meine Entscheidungen unterstützt und mich stärker gemacht – was das Licht zu unterdrücken versuchte.

    Also wenn ich eine Seite wählen müsste, würde ich die Dunkelheit vorziehen. Sie war so viel einflussreicher, als es die Engel jemals sein könnten.

    Nachdem meine Ehefrau und ich Valerius getötet hatten, entschieden wir uns, umgehend das Königshaus über Loucas’ Tod in Kenntnis zu setzen. Wir schrieben ein gefälschtes Testament und versteckten es in Loucas’ Zimmer.

    Eine seiner Gelehrten fand das Dokument und teilte mir mit, dass ich nun König über Greystone sei.

    Monarchie ist so einfach.

    ›Mit deinen Fähigkeiten wird dir die ganze Welt zu Füßen liegen, kleiner Engel‹, ertönte das Flüstern der Finsternis in mir.

    ›Daran arbeite ich.‹

    Eine Hand wanderte sanft von meinen Schultern bis zu meiner Elle hinunter. Schmale Arme hakten sich bei mir ein und jemand lehnte seine Wange an meinen rechten Oberarm.

    Der Duft von Rosen kroch in meine Nase und ich wusste sofort, wer sich an mich geschmiegt hatte.

    Katharina Ashana Grimaldi, die in Wahrheit Tivana Albasanguis, Freyjas leibliche Mutter und zugleich Erzdämonin Lilith war.

    Sie schenkte mir ein stolzes Lächeln, als ich zu ihr hinunterblickte. »Sieh sie dir an, Lucien.« Etwas Dunkles beschlich ihre sonst so liebliche Miene. »Ahnungslos. Schwach. Verängstigt.«

    Ich wusste ganz genau, was sie meinte, und zog ebenfalls einen Mundwinkel nach oben. Mir gefiel es, wie sehr der Tod des Königs das Volk bekümmerte. Wir ließen sie in dem Glauben, dass er an einer Krankheit gestorben sei. »Wir werden sie auf den dunklen Pfad führen. Weg vom Licht und dessen Kontrolle.«

    »Ja«, säuselte sie zufrieden. »Das werden wir.«

    »… unseren zukünftigen König und dessen Gattin begrüßen. Lucien und Katharina Meridiem«, verkündete der Sprecher und heiterte damit die betrübte Menge wieder auf.

    Ich rückte den Kragen meines edlen Gewandes aus rotem Stoff und goldenen Rändern zurecht, bevor ich gemeinsam mit Katharina auf die Empore trat und mich dem Volk stellte.

    Wir blieben nur eine Armeslänge vor dem Abgrund stehen und blickten mit einem aufgesetzten Lächeln in die Menge. Dieser Moment erinnerte mich daran, wie ich einst hier gestanden hatte – schüchtern und beklommen. Ich hatte keinen einzigen Satz zustande gebracht, bis die Finsternis mir schließlich meine Angst nahm. Seitdem war ich wie ausgewechselt, ein völlig neuer Lucien.

    Ehrfurchtgebietend hob ich meinen Arm und brachte damit die Menge zum Schweigen. Mit erhobenem Kinn und aufrechter Haltung schaute ich auf die Menschen hinab. »Verehrte Bewohner von Greystone, ich weiß, dass ich euch heute keine guten Nachrichten überbringen konnte. Der Verlust meines Freundes und Bruders, Loucas des Siebten, schmerzt mich zutiefst. Er hatte mir seine Krankheit verschwiegen aus Angst, mir dadurch Kummer zu bereiten, aber letztendlich hat sie über ihn gesiegt.«

    Katharina hatte sich darum gekümmert, dass niemand die Leiche zu sehen bekam. Wir entsorgten seinen Körper weit außerhalb der Hauptstadt, verbrannten seine Knochen zu Asche. Schließlich erschuf Katharina aus Lehm und Erde eine perfekte Nachahmung des verstorbenen Königs, um sie den Bediensteten zu präsentieren. Die Heiler und Magier hielten wir davon ab, die Fälschung näher anzusehen, indem wir die Beerdigung so schnell wie möglich vollzogen.

    »Der Verlust stellt uns vor neue Herausforderungen, doch ich bin bereit, diese gemeinsam mit euch zu bewältigen. Als euer Held der fünf Lande verspreche ich euch, alles dafür zu tun, um Greystone vor dem Bösen zu beschützen«, redete ich weiter und spürte, wie Katharina ihre Hand mit meiner verschränkte. »Meine Ziehmutter Anna, die Schwester von Loucas dem Sechsten, ertrug den Verlust ihres Neffen nicht länger und schlief gestern Nacht friedlich in ihrem Bett ein. Sie hat schon damals den Tod ihres Bruders nicht gut verkraftet, der von Loucas überstieg ihre eigenen Kräfte«, erklärte ich, womit ich alle Thronfolger beiseitegeschafft hätte.

    Im Testament beschrieben wir ausführlich, weshalb nicht Anna den Thron im Falle von Loucas’ Tod übernehmen sollte, sondern ich.

    Ich war der Held der fünf Lande. Niemand wäre perfekter dafür geeignet als ich.

    Unter meinen Fingerkuppen konnte ich noch immer den Druck spüren, den ich ausübte, als ich den Dolch in Annas Bauch gerammt hatte. Mir wurde bewusst, dass sie nur ein Hindernis für meine Krone gewesen wäre, weshalb ich umso erleichterter war, sie getötet zu haben.

    »Mit meinen Engelsfähigkeiten und dem Glauben an die Hoffnung werde ich mich meinen neuen Aufgaben als König stellen.« Ich streckte den linken Arm aus und deutete mit einer ausschweifenden Bewegung auf alle Anwesenden. »Aber was ist mit euch? Akzeptiert ihr mich als euren Regenten? Als euren Beschützer, der über euch wachen wird?«

    Amen, hätte ich am liebsten sarkastisch hinterhergeworfen.

    Kurz war es still und die Menge starrte mich mit ausdruckslosen Mienen an. Als ich schon glaubte, nicht genügend Mut in ihnen geschürt zu haben, brachen sie in Jubel aus.

    »Geheiligt sei König Lucien Meridiem! Geheiligt sei König Lucien Meridiem!«, riefen sie begeistert. »Unser Held! Ein Engel wird über uns wachen!«

    Ein diabolisches Lächeln stahl sich auf meine Lippen.

    Zwar entdeckte ich immer noch strenge Blicke in den Reihen des Volkes, allerdings sprach sich der Großteil für meine Amtsübernahme aus. Wer hätte auch sonst den Thron besteigen sollen? Loucas besaß keine Nachfahren, geschweige denn Geschwister, die über Greystone regieren könnten.

    Abgesehen davon war Katharina Grimaldi eine weit entfernte Verwandte des alten Königs. Ihr Vater, der Herzog, war über drei Ecken mit der Königsfamilie verwandt. Hätten die Kardinale und engen Vertrauten von Loucas gegen mich gestimmt, hätte Tivana diesen besonderen Trumpf eingesetzt.

    Wir warteten noch eine Weile, bevor wir uns mit einem Nicken von der Menge verabschiedeten und von der Empore stiegen.

    Tivana blieb an meiner Seite, und gemeinsam kehrten wir, begleitet von den Königswachen, ins Schloss zurück.

    In unserem Gemach, in dem wir uns aktuell am Ungestörtesten fühlten, setzte ich mich auf einen mit rotem Leder verkleideten Stuhl. Die Armlehnen glänzten golden.

    Es tat so verdammt gut, mächtig zu sein.

    »Hast du dir schon überlegt, ob du deine Gestalt komplett ablegen willst? Wenn ich die Nebelbarriere um das Land ziehe, werden sie wissen, dass etwas nicht ganz stimmt«, begann ich und glitt mit den Fingern über die Maserungen des polierten Goldes. »Lange wollte ich mein wahres Gesicht sowieso nicht verbergen.«

    Tivana ließ sich auf das Bett fallen und seufzte. »Tivana ist auch nur ein Name von vielen, die ich getragen habe. Sie haben keinerlei Bedeutung für mich. Daher kann es gerne bei Katharina und ihrer Gestalt bleiben.« Sie lächelte verzückt. »Außerdem weißt du ja, wie ich in Wirklichkeit aussehe.«

    Ich erinnerte mich an meine geplante Hinrichtung auf dem Heiligen Berg zurück. Tivana und ihr Geliebter Valerius – jedenfalls dachte ich einmal, dass sie ihn lieben würde –, wollten mein Herz vor den Anhängern des Roten Korns herausreißen. Bevor es jedoch losging, zeigte sie ihr wahres Gesicht in Gestalt eines nebelartigen Geschöpfes namens Lilith.

    Ravaga hatte mich zuvor gefangen gehalten, da sie Freyja und mir in der Tundra von Snowcrow eine Falle gestellt hatte. Sie ließ uns durch ihre Schatten glauben, dass sie sich dort aufhielte, dabei hatte sie nur darauf gehofft, mich in eine Art Portal zu ziehen, hinter dem mich ein Gefängnis erwartete. Bereits dort sah ich zum ersten Mal Liliths Gestalt, konnte mir aber bis zur Hinrichtungszeremonie keinen Reim darauf machen.

    Tivana war eine Meisterin der Täuschung. Trotz oder gerade wegen ihres Verrates an ihrem ehemaligen Geliebten Valerius konnte ich ihr nicht zu einhundert Prozent vertrauen. Sie legte mich schon damals mit Zett herein, einer untoten Frau, welche mir auf der Reise mit Freyja immer zur Seite stand. Erst später stellte sich heraus, dass dies alles zu ihrem diabolischen Plan zählte.

    Des Weiteren hatte sie mich erneut in Gestalt von Katharina hinters Licht geführt. Also weshalb sollte sie es kein drittes Mal tun?

    Seitdem ich mich verändert hatte und keine Angst mehr spürte, besaß Tivana etwas äußerst Anziehendes. Vielleicht war es ihre Dunkelheit, die sie in sich trug, oder der Gedanke, einer mächtigen Erzdämonin ebenbürtig zu sein. Womöglich erkannte ein kleiner Teil von mir auch ihre Tochter Freyja in ihr. Der Drachenhexen-Version, nicht der verweichlichten Prinzessin, die mit einem Mal an das Gute glaubte.

    Wie auch immer, Lilith sah in mir großes Potenzial, auch wenn ich noch nicht herausgefunden hatte, wofür sie es einsetzen wollte.

    »Dann soll ich dich auch weiterhin Katharina nennen?«, wollte ich wissen.

    Sie nickte und erhob sich vom Bett, um auf mich zuzugehen. Ihre Hüften wiegten dabei galant, sodass sie mich an eine Katze erinnerte, die spielen wollte.

    Sie hob den Saum ihres Kleides an und setzte sich mit gespreizten Beinen auf meinen Schoß. Ihre wunderschönen, nach Rosen duftenden Haare fielen ihr über die Schulter. Die Farbe der seichten Wellen glich einem Abendrot, geküsst von der einkehrenden Nacht.

    Meine Hände umschlangen wie von selbst ihre Taille und glitten seitlich an ihren Brüsten bis zu ihren Oberarmen hoch.

    Sie verschränkte die Finger in meinem Nacken. »Du kannst mich nennen, wie du willst, mein König.«

    Mir gefiel ihr kleines Wortspiel und ich hob amüsiert einen Mundwinkel. Eines musste man ihr lassen, ihrem unbeschreiblich schönen Körper konnte ich keinesfalls widerstehen.

    Sie beugte sich zu mir und ließ ihre Lippen über den meinen schweben.

    »Noch besitze ich die Krone nicht«, raunte ich.

    »Aber so gut wie.«

    Bevor ich etwas erwidern konnte, unterbrach sie unser kurzes Gespräch mit einem innigen Kuss. Lust überkam mich, brennende Begierde, der ich nachgeben wollte.

    Es war nicht Liebe, was ich verspürte, da ich nicht mehr wusste, wie sich diese anfühlte. Seitdem ich so voller Hass gegenüber Freyja gewesen war, die mich im Orden zurückgelassen hatte, um ihr kostbares Land zu retten, sperrte die Finsternis in mir jegliches Gefühl weg, das einen Menschen ausmachte.

    Mitleid, Güte, Vergebung … das waren für mich nur noch leere Worte. Dinge, die mich die Kirche lehrte, um mich zu einem besseren Menschen zu machen. Alles Lügen.

    Ich war jetzt besser. Stärker. Mächtiger.

    Ein Regent. Ein Held. Ein Engel, der sowohl himmlisches Blut als auch die Dunkelheit in sich trug. Ich war Chaos und Ordnung zugleich.

    Angetrieben von meiner Eigenmotivation und dem Stolz, der in meiner Brust anschwoll, packte ich Katharina und erhob mich mit ihr gemeinsam vom Stuhl.

    Ich griff unsanft ihren Arm und stieß sie auf das Bett. Bereitwillig ließ sie sich fallen und ich machte mich ungestüm an ihrem Kleid zu schaffen, dessen Schnüre ich hastig aufriss.

    Währenddessen beugte sie sich erneut zu mir und drückte verlangend ihre Lippen auf meine. Ein Teil

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