Funklerwald: Packende Freundschaftsgeschichte über den Umgang mit Fremden für Kinder ab 8 Jahren
Von Stefanie Taschinski und Verena Körting
4.5/5
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Über dieses E-Book
Das Luchsmädchen Lumi lebt schon immer im Funklerwald und kennt jeden Baum und jedes Tier rund um ihren Bau. Der Waschbärenjunge Rus kommt ganz neu in den Wald und sucht dort mit seiner Familie eine Heimat. Als Lumi in eine Felsspalte fällt, hilft Rus ihr aus der Patsche. Aber die anderen Funklerwald-Tiere mögen keine Neulinge. Und sie beschließen: Die Waschbären sollen verschwinden! Lumi und Rus müssen ganz schnell einen Weg finden, damit die Waschbären bleiben dürfen. Und dieser Weg führt sie in die gefährlichsten Regionen des Waldes, zu der weisen Fledermaus Maushardt und dem geheimen Wandelbaum ...
In der Tradition von "Der Wind in den Weiden" und anderen Klassikern.
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Rezensionen für Funklerwald
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Buchvorschau
Funklerwald - Stefanie Taschinski
In Liebe für Kichererbse, Kleinkröte und Käpt’n F.
Es ist früh im Jahr. Noch ist der Schnee im Funklerwald nicht geschmolzen. Die Märzsonne steigt langsam höher, und mit ihrer Wärme beginnt sich das verborgene Leben zu regen. Eine kleine Webespinne kommt aus ihrem Rindenversteck und spinnt den ersten silbernen Faden.
Vor dem Beginn
Der Wald, in dem Lumi, das Luchsmädchen, heranwuchs, hieß Funklerwald. Er war groß, so groß wie der weite Ozean, und sein Blätterdach funkelte in der Sonne, als wäre es aus Seide. Jeder Baum des Waldes, selbst der allerkleinste, webte sein Muster in diese Pracht: die Buchen mit ihren schlanken Stämmen, die Eichen, deren Rinde über die Jahrhunderte runzelig geworden war, der Ahorn mit seinen an fünf Enden spitz zulaufenden Blättern und die Fichten, Kiefern und Tannen, die ihre Nadelmäntel das ganze Jahr trugen.
Der Baum, der über dem Luchsbau aufragte, war ein großer Ahorn. Seine Wurzeln waren zwischen den Felsen tief in die Erde hineingewachsen, eine reichte sogar bis in die Schlafhöhle von Lumi und ihrer Tante Kette.
Lumi konnte sich nicht an die Nacht erinnern, in der ihre Tante sie in den Bau gebracht hatte. Sie wusste nichts von dem Schneesturm, der damals über dem Funklerwald tobte, und dem Heulen der Wölfe, das über den zugefrorenen See bis zu Kettes Bau flog und sie aus ihrer Höhle trieb. Sie wusste nicht, dass die Wölfe ihre Mutter in die Jahrtausendschlucht gejagt hatten, aus der es keine Wiederkehr gab.
Von alldem erzählte Kette Lumi nichts. Die Luchsin wärmte und sorgte für Lumi, als wäre sie ihre eigene Tochter. Und sie nahm sich vor, sie vor allen Gefahren des Funklerwalds zu beschützen.
So verbrachte Lumi ihre ersten Wochen damit, tief unten im Luchsbau jeden Winkel ihrer Schlafhöhle zu erkunden. Doch eines Morgens, als Kette zur Jagd aufbrach, blickte Lumi ihr noch lange hinterher. Wie es da draußen wohl aussieht?, fragte sie sich. Gab es wirklich Bäume mit gezackten Blättern, wie der Dachs Zottel sie in den Sand der Höhle gemalt hatte? Und fliegende Käfer, die im Dunkeln leuchteten? Oder sogar Waldtrolle, die zwischen den Felsen hausten?
Schritt für Schritt näherte Lumi sich dem Ausgang der Schlafhöhle, bis ihre Vorderpfoten die Wurzel berührten, die quer zur Höhlenöffnung wuchs. Für ein kleines Luchsmädchen ist es draußen sehr gefährlich, hatte Kette ihr eingeschärft. Die pinselfeinen Haare auf Lumis Ohren zitterten vor Aufregung. Sie wollte ja nur ein wenig im Gang vor der Höhle rumschnuppern. Das war bestimmt nicht gefährlich.
Lumi setzte die erste Pfote in den Gang. Unter ihren weichen Ballen fühlte sie den kühlen Stein, und um ihre Nase wehte ein frischer Luftzug. Roch das gut!
Nur noch ein paar Schritte, dachte Lumi, dann kehr ich um.
Doch je näher sie dem Ausgang des Luchsbaus kam, desto stärker lockte sie der unbekannte Duft.
Vor ihr machte der Tunnel eine Biegung.
Jetzt sollte ich wirklich umkehren, sagte Lumi streng zu sich selbst.
Doch sie lief weiter, bis sie am Ende des Gangs einen leuchtenden Fleck sah. Das Helle kitzelte in ihren Augen. Und dazu hörte sie ein geheimnisvolles Rauschen.
»Beim fünfzackigen Ahornblatt! Ich sage dir, Zottel, sie ist noch viel zu klein!«
Lumi blieb stehen. Das war Kette!
»Aber ist sie nicht genauso groß wie das Fuchsmädchen und der Wildschweinjunge?«
Das war die Stimme des Dachses.
»Mag schon sein«, knurrte Kette. »Aber …«
Doch der alte Zottel ließ sie nicht ausreden. »Und stromern diese zwei nicht schon eine ganze Weile im Funklerwald herum, wie es ihnen gefällt?«
Lumi spitzte die Ohren. Davon hatte ihre Tante kein Wort erzählt!
»Was geht es mich an, was die Füchse oder Wildschweine tun? Lumi ist ohnehin noch zu ängstlich«, stellte Kette fest. »Sie würde sich gar nicht aus der Höhle trauen.«
Lumi trat aus dem Luchsbau hinaus ins Sonnenlicht.
»Klar trau ich mich!«, sagte sie.
»Lumi«, stieß ihre Tante hervor. »Sofort zurück in den Bau!«
Lumi schaute sich um.
Wie groß der Wald war!
Wie hoch die Bäume wuchsen!
Bis in den Himmel.
Mit einem Sprung war sie an der Kante der Felsplatte und schnupperte in die Morgenluft. Sie blickte von den tanzenden Blättern zu ihrer Tante.
»Sieh nur«, rief sie. »Sie winken mir zu!«
»Das ist nur der Wind«, schnaubte Kette.
Lumi legte ihre Stirn an Kettes.
»Darf ich auch herumstromern wie das Fuchsmädchen und der Wildschweinjunge?«
Zottel ließ sich neben der Luchsin auf sein breites Hinterteil plumpsen.
»Du kannst sie sowieso nicht für immer im Bau behalten.«
»Nein«, knurrte Kette ihn an. Dann leckte sie Lumi übers Ohr.
»Na komm, ich zeig dir unseren Wald.«
Der feine Faden, von Zweig zu Zweig gesponnen, ist gerissen. Von Raureif bedeckt, kleben die kurzen Enden an der Rinde. Bis eine zweite Spinne von warmen Sonnenflecken angelockt wird und ihren Weg über den großen Ast findet. Mit ihrem Garn fügt sie die Enden neu zusammen und webt Faden für Faden diese Geschichte.
1. Kapitel
Endlich war es so weit: Im Funklerwald hatte die Zeit der Blaubeeren begonnen. Ihr Duft legte den Waldboden mit einem Teppich aus, der jede andere Fährte zudeckte. Lumi lachte in sich hinein. Kluge Rissa, dachte sie. Ganz bestimmt war es ihre Idee gewesen, den Weg durch die Blaubeeren zu nehmen und Lumi so abzuhängen. Wenn sie Spurensucher spielten, gewann das Fuchsmädchen fast immer.
Lumi senkte ihre Nase und folgte der Linie der Sträucher. Eine kleine Füchsin wie Rissa konnte leicht zwischen den Büschen hindurchlaufen, ohne Spuren zu hinterlassen. Aber ein kräftiger Wildschweinjunge wie Borste konnte das nicht. Auch wenn er immer wieder versuchte, es Rissa nachzutun – seine Hufe stanzten Löcher in das weiche Laub, und dort, wo er sich durch das Unterholz zwängte, brachen die Äste.
Von den Zweigen der Blaubeerbüsche war jedoch kein einziger abgeknickt. Wo steckten ihre Freunde nur?
Lumi schaute zwischen den Büschen zur Lichtung hinüber. Auf der anderen Seite, unter den Eichen, lebten die Wildschweine. Ob Borste sich durch das hohe Gras nach Hause geschlichen hatte? Nein, dachte Lumi. Die zwei hockten ganz bestimmt in der Nähe und warteten nur darauf, dass sie endlich ihre Spuren fand. Was Lumi brauchte, war ein Ausguck, von dem aus sie einen besseren Überblick hatte. Der abgebrochene Baumstumpf hinter ihr war dafür genau richtig. Mit einem kräftigen Satz sprang Lumi hinauf und blickte sich um. Weit, weit über ihr spannten die Buchen ihr mächtiges Kronendach auf. Helle Lichtflecken tanzten über die Rinde bis hinunter zu den Wurzeln. Lumi kniff die Augen zusammen. Spielte ihr das Sonnenlicht einen Streich, oder bewegte sich dort unten eine der Baumwurzeln?
»Borste!«, rief Lumi und hüpfte von dem Stumpf. Mit zwei Sprüngen war sie bei der Wurzel. »Hab dich!«
Borste reckte erstaunt seine dunkle Schnauze zu ihr hoch und kroch aus der Mulde unter den Wurzeln.
»Wie hast du mich gefunden?«, grunzte er. »Ich hab mich doch ganz gründlich im Schlamm gewälzt, damit du mich nicht wittern kannst.«
»Ich hab dich auch nicht gewittert«, sagte Lumi grinsend. »Ich hab gesehen, wie sich hier was bewegt hat.«
»Hab versucht, an die Blaubeeren zu kommen«, erklärte Borste und lief zu den Sträuchern.
Lumi folgte ihm.
»Und Rissa? Weißt du, in welche Richtung sie gelaufen ist?«
Borste wies schmatzend über das Blaubeerfeld. »Da lang.«
Lumi versuchte, sich in das Fuchsmädchen hineinzuversetzen. Wo hätte sie sich an Rissas Stelle versteckt?
»Wollen wir sie nicht einfach rufen?«, schlug Borste vor. »Wir finden ihre Fährte doch sowieso nicht!«
Aber so schnell wollte Lumi nicht aufgeben. »Lass uns zwischen den Sträuchern suchen.«
»In Ordnung, ich übernehme die Blaubeeren.« Borste schnüffelte kurz zwischen den Büschen, dann fing er wieder an zu naschen.
Die Nase fest auf den Boden gepresst, pirschte Lumi weiter. Plötzlich entdeckte sie zwischen den Blättern ein Ding, das wie ein schmaler roter Pilz aussah. Ein Pilz mit ganz feinen Haaren. Fuchshaaren! Lumi gab Borste ein Zeichen, dann versetzte sie dem Pilzdings einen Schlag mit der Tatze.
Blätter stoben auseinander, und mit einem Fauchen sprang Rissa aus ihrem Versteck.
»Super Tarnung!«, rief Lumi. »Fast wär ich an deiner Schwanzspitze vorbeigelaufen!«
»Gefunden!«, johlte Borste.
Rissa schüttelte die Blätter ab.
»Ha, aber nur, weil ich Lumi geholfen hab. Sonst hätte sie meine Spur morgen noch gesucht!«
»Von wegen«, sagte Lumi lachend. »Du hast einfach vergessen, deinen Schwanz unter den Blättern zu verstecken.«
»Quatsch!«, grummelte Rissa.
Lumi und Borste grinsten sich an. Sie wussten beide, dass ihre Freundin keine gute Verliererin war.
»Ist ja auch egal.« Lumi stupste Rissa fröhlich an. »Ich hab dich nicht einmal von meinem Ausguck aus gesehen.« Sie drehte sich zum Baumstumpf um. »Schau, da oben hab ich …«
Lumi verstummte. Denn auf dem Baumstumpf thronte Kette. Lumi war, als wäre ihre Tante aus dem Nichts aufgetaucht. Und ihre schmalen Augen funkelten sie streng an.
2. Kapitel
»Hast du schon lange dort gesessen?«, fragte Lumi. »Ich hab dich gar nicht gehört!«
»Weil du nicht aufmerksam bist!«, schnaubte Kette.
»Och, wir haben Spurensucher gespielt, und ich hab Rissa gefunden, obwohl sie sich ins Laub eingegraben hat!«
»Du hast Rissa entdeckt, weil du sie gesucht hast. Aber du musst lernen, auch das zu entdecken, was du nicht suchst.« Lumis Tante blieb stehen und wartete, bis Lumi neben sie kam. »Schließ die Augen.«
Lumi schloss die Augen.
»Wir Luchse sehen mit all unseren Sinnen: unserer Nase, unseren Ohren, unseren Pfoten.«
Lumi spürte, dass Kette sich ein paar Meter von ihr entfernte.
»Eine gute Jägerin durchdringt den Wald selbst mit geschlossenen Augen. Also, sag mir, was du wahrnimmst.«
Lumi wusste, was sie wahrnehmen sollte: zum Beispiel eine Maus, die sich unter einem Stein versteckte. Ein Kaninchen, das am abfallenden Seeufer zu seinem Bau hüpfte. Oder ein Eichhörnchen, das nur ein paar Stämme weiter die Rinde hochlief. Alle Jäger im Funklerwald konnten die Tiere, die sie jagten, so aufspüren. Rissa hatte ihr erzählt, dass sie den Herzschlag einer Maus auf fünfzig Meter in den Pfoten fühlte.
Aber Lumi konnte das nicht. Klar, wenn der Wind günstig stand, witterte sie die Maus, das Kaninchen oder das Eichhörnchen. Aber das tat sogar Borste, und der war schließlich ein Wühler und kein Jäger. Wenn Lumi die Augen schloss, wurden nicht die Tiere sichtbar, die sich in der Nähe befanden – sondern die Bäume. Immer wieder schien es ihr, als hörte sie im Knacken und Rascheln der Zweige ein Flüstern. Dann wieder spürte sie ein Rauschen, das von den Wurzeln in die jungen Stämme strömte und sie in die Höhe schob. Wie jetzt, ganz dicht neben ihr!
»Und?«, fragte Kette schneidend. »Was hörst du?«
Lumi sah schnell nach rechts, und tatsächlich – dort wuchs ein junger Ahorntrieb. Sie strahlte ihre Tante an.
»Ich hab gehört, wie der Ahorn gewachsen ist!«
»Unsinn!«, erwiderte die große Luchsin schroff. »Kein Luchs kann hören, wie die Bäume wachsen.«
»Es ist auch mehr so ein Gefühl«, erklärte Lumi.
Mit einem ungeduldigen Schnauben wandte Kette den Kopf ab.
»Und was ist mit dem Reh, das eben vor uns den Pfad gekreuzt hat?«
»Welches Reh?«, fragte Lumi überrascht.
»Lumi, ich weiß wirklich nicht, was ich mit dir anfangen soll!«, schimpfte Kette. »Deine Mutter konnte eine Maus auf dreihundert Meter Entfernung hören und ein Reh auf fünfhundert Meter sehen. Flocke war eine der besten Jägerinnen im ganzen Funklerwald! Und du bemerkst ein Tier erst, wenn es dir fast auf die Tatze tritt!«
Lumi sackte in sich zusammen. Warum hatte sie das Jagdtalent ihrer Mutter bloß nicht geerbt? Gab es denn gar keine Ähnlichkeit zwischen ihnen? Sie beschloss, noch mehr zu üben. Sie wollte ja eine gute Jägerin werden. So gut wie Flocke. Oder zumindest so gut wie Rissa.
Still lief sie