Pilgerreise durch Indien: FYÜ - Reiseberichte
Von Bernd Prokop
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Buchvorschau
Pilgerreise durch Indien - Bernd Prokop
verlag@fyue.de
Motto:
Indien, die spirituelle Weltmacht!
Vorwort
Jetzt, rund 3 Jahre nach Beginn meiner Indienreise, und nachdem ich inzwischen den Meister, von dem ich in Indien eine sehr schlechte Meinung gewonnen hatte, nach Deutschland eingeladen und schätzen gelernt habe, erinnere ich mich gerne an die Zeit in Indien zurück und beschäftige mich immer mehr liebevoll mit meinen Erinnerungen. Das viele Bild- und Video-Material, das ich mit nachhause gebracht habe und teilweise zum ersten Mal sichte, ist dabei eine große Hilfe.
Mehr und mehr wird mir bewusst, welch eine reiche Ernte an Erfahrungen ich in den sechs Monaten eingefahren habe. Gleich nach der Reise war einfach noch viel zu viel zu verdauen.
Mein innerer Groll gegen Indien hat sich also gelegt. Wohl auch, weil ich mit Amma und anderen Lichtgestalten aus Indien, die alle Jahrhunderte gesprossen sind und immer noch sprießen, wieder hauptsächlich mit den Perlen dieses Landes und nicht mehr mit dessen Rückständigkeit konfrontiert bin.
Nachdem ich gerade meine Reisetagebücher zu Russland 2014 und 2015 überarbeitet und herausgegeben habe, ging ich im Anschluss auch gerne meine indischen Tagebücher durch, um sie um viele Details zu bereichern, sie zu ergänzen und sie hiermit einem größeren Leserkreis zugänglich zu machen.
Meine nächste Indienreise wird wohl frühestens zum nächsten Kumbh Mela in Allahabad 2025 sein. Der Flug nach Buenos Aires am 21. Oktober 2016 ist allerdings bereits gebucht.
Inhaltsverzeichnis
Motto:
Vorwort
Fotolinks
Mo 29. Okt 2012 – Noch vier Wochen
Di 20. Nov 2012 – Abflug
Mi 21. Nov 12 – Von Mumbai nach Pune
Do 22. Nov 2012 – Tempel und Slums
Fr 23. Nov 2012 – Das reiche Indien
Sa 24. Nov 12 – Vorbereitung der Weiterfahrt
So 25. Nov 12 – Von Pune nach Solapur
Mo 26. Nov 12 – Hyderabad – Vijayawada
Di 27. Nov 12 – Vijayawada bis Visakhapatnam
Mi 28. Nov 2012 – Visakhapatnam
Do 29. Nov 12 – Visakhapatnam – Puri
Fr 30. Nov 12 – Puri erster Tag: großes Malheur
Sa 1. Dez 2012 – Karar-Aschram
So 2. Dez 12 – Jagannath-Tempel
Mo 3. Dez 12 – Konark, Sonnentempel
Di 4. Dez 12 – Fischer, Tempel, SIM-Karte
Mi 5. Dez 2012 – Bhubaneswar
Do 6. Dez 12 – Bhubaneswar – Kolkata
Fr 7. Dez 12 – Zum Dakshineswar-Aschram der YSS
Sa 8. Dez 12 – Vedanta Society - Bibhuti
So 9. Dez 12 – Fahrt nach Malda
Mo 10. Dez 2012 – Malda, Bibhuti
Di 11. Dez 2012 – Serampore
Mi 12. Dez 12 – Kolkata mit dem Fahrrad
Do 13. Dez 12 – Yogananda-Stätten
Fr 14. Dez 12 – Dakshineswar - Kolkata City
Sa 15. Dez 12 – Indian Museum, Wanderung durch Kolkata
So 16. Dez 12 – Howrah Bahnhof
Mo 17. Dez 12 – Diebstahl, Ankunft Ranchi
Di 18. Dez 2012 – SIM-Karte in Indien
Mi 19. Dez 12 – Glückliche Wendung
Do 20. Dez 12 – Radkauf, Handyshops
Fr 21. Dez 12 – Fallaufnahme zum Dritten
Sa 22. Dez 12 – Neues altes Handy
So 23. Dez 12 – 8-stündige Weihnachtsmeditation
Mo 24. Dez 1212 – Bodh Gaya
Di 25. Dez 12 – Bummelzug Gaya-Varanasi
Mi 26. Dez 12 – Varanasi - Manikarnika Ghat
Do 27. Dez 12 – Verpasste Einweihung
Fr 28. Dez 12 – Tabla-Lehrer gesucht
Sa 29. Dez 12 – Licht und Schatten
So 30. Dez 12 – Umzug in die Old Yogi Lodge
Mo 31. Dez 2012 – Sarnath
Di 1. Jan 13 – Umzug ins Alaknanda Guest-House
Mi 2. Jan 13 – Mein Alltag in Varanasi
Do 3. Jan 13 – Erste Hindi-Stunde
Fr 4. Jan 13 – Der indische Weg
Sa 5. Jan 13 – Rückständiges Indien
So 6. Jan 2013 – Kälterekord
Mo 7. Jan 2013 – Minusrekord
Di 8. Jan 13 – Kashi Vishwanath Temple, Umzug ins Vishnu Resthaus
Mi 9. Jan 13 – Altstadt nach Süden, Konzert
Do 10. Jan 13 – Erstes Gangesbad
Fr 11. Jan 13 – »Schicksal« und erste Sitar-Stunde
Sa 12. Jan 2013 – Kauf einer Sitar
So 13. Jan 13 – Wieder einem Gauner auf den Leim gegangen
Mo 14. Jan 2013 – Kite-Festival
Di 15. Jan 12 – Ein Gauner, wie er im Buche steht
Mi 16. Jan 13 – Noch einmal geleimt
Do 17. Jan 13 – Smartphonetod, Bootsfahrt
Fr 18. Jan 13 – Regenschauer
Sa 19. Jan 2013 – Mukesch
So 20. Jan 13 – Fahrradrikscha-Tour
Mo 21. Jan 13 – Zwei Monate Indien
Di 22. Jan 13 – Nach Süden aus der Stadt heraus
Mi 23. Jan 2013 – Flotter Otto
Do 24. Jan 13 – Drei mal Unterricht
Fr 25. Jan 13 – Besuch beim Patenkind
Sa 26. Jan 13 – Erste Vorbereitungen für den Abschied
So. 27. Jan. 13 – Urenkel Lahiri Mahasayas
Mo 28. Jan 13 – Schließen von Kapiteln
Di 29. Jan 13 – Paket nach Deutschland
Mi 30. Jan 2013 – Indisches Kino
Do 31. Jan 2013 – Shibendu Lahiri
Fr 1. Feb 2013 – Satyalok
Sa 2. Feb 2013 – Karte gesperrt
So 3. Feb 2013 – Shibendu Puja
Mo 4. Feb 13 – Kriya-Einweihung
Di 5. Feb 13 – Das Wesen eines Gurus
Mi 6. Feb 13 – Fahrt nach Allahabad
Do 7. Feb 13 – Bad am Sangam
Fr 8. Feb 13 – Die Fülle des Kumbh Mela
Sa 9. Feb 13 – Vorabend des wichtigsten Hauptbadetags
So 10. Feb 13 – Neumond Badetag, 30 Mio Pilger
Mo 11. Feb 13 – Umzug ins gebuchte Camp
Di 12. Feb 13 – Zu Fuß unterwegs
Mi. 13. Feb. 13 – Kriya Yoga Camp
Do 14. Feb 13 – YSS-Camp
Fr 15. Feb 13 – Ganges-Bad mit YSS
Sa 16. Feb 13 – Dauerregen und Wind
So 17. Feb 13 – Exkursion in die Stadt
Mo 18. – So 24. Feb 2013 – Halbzeit
So 24. Feb – Mo 4. März 13 – Lucknow
Mo 4. - Fr 15. März 2013 – Vipassana
Fr 15. März 2013 – Rajpur
16./17. März 2013 – Bareilly
18. – 26. März 2013 – Delhi
26. - 29. März 13 – Ludhiana - Amritsar
Fr 29. März - Mi 3. April – Jammu - Srinagar
Mi 3.- Sa 6. April 2013 – Jammu und Srinagar zum zweiten
Sa 6. - Mi. 9. April 13 – Ladakh - Leh
9.4.- 12.4. 2013 – Kargil-Jammu
12.-16. April 2013 – Dharamsala
16. -19. April 2013 – Shimla
Fr 19. April.- Mi 1. Mai 2013 – Rishikesh
Mi 1.- Fr 3. Mai – Haridwar, Delhi, Jaipur
Fr 3. – Mi 8. Mai 2013 – Jaipur - Udaipur
Mi. 8.5. – Sa. 11.5. Ahmedabad
11. - 16. Mai 2013 – Mumbai
Spirituelles Tagebuch
Fr 19. Okt 12 -- Man soll die Feste feiern, wie sie fallen
Fr 7. Dez 2012 – In Indien
Do 13. Dez 2012 – Dakshineswar Aschram
Fr 28. Dez 2012 – Ranchi-Aschram
So 3. März 13 – Zwischenbericht Indien
Mo 18. März 2013 – Vipassana
Di 2. April 13 – Meditationsanweisung für Fortgeschrittene
Sa 13. April 13 – Gott spricht zu mir
Mi 8. Mai 13 – Wirkung von Zucker
Di 16. Juli 13 – Wirkung von Klangschalen?
So 19. Mai 2013 – Resümee
Do 21. Nov 2013 – Resümee II
Sa 1. Nov 2015 – Resümee III
Weitere Veröffentlichungen des Verlags
Fotolinks
Bis 24.11.2012 – Pune
25. - 28.11.2012 – Solapur - Vijayawada
27. - 29.11.2012 – bis Visakhapatnam
29.11.2012 – Visakhapatnam - Puri
4.12.2012 – Puri und Konark
5.12.2012 – Bhubaneswar
7. - 8. 2012 – Kolkata
9. - 10. 12. 2012 – Malda
12.12.2012 – Fahrt nach Serampore
Bis 16.12.2012 – Kolkata 2
Bis 23.12.2012 – Ranchi
24.12.2012 – Bodh Gaya
Bis 31.12.2012 – Varanasi und Sarnath
Bis 23.1.2013 – Varanasi
25.1.2013 – Besuch beim Patenkind
27.1.2013 – Ramnagar Fort
Bis 4.2.2013 – Satyalok, Varanasi
7. - 9.2.2013 – Kumbh Mela, Allahabad
10.2.2013 – Hauptbadetag, Kumbh Mela
11. - 15.2.2013 – Kumbh Mela III
16. - 24.2.2013 – Kumbh Mela und Allahabad
24.2. - 4.3.2013 – Lucknow
25. - 17.3.2013 – Vipassana, Rajpur, Bareilly
18. - 25.3. 2013 – Delhi
26. - 29.3. 2013 – Von Delhi nach Amritsar
29.3.- 3.4.2013 – Über Jammu nach Srinagar
5. - 9.4.2013 – Von Srinagar nach Leh
9. - 11.4.2013 – Von Leh nach Jammu
12. - 16.4.2013 – Dharamsala
16. - 19.4.2013 – Shimla
19.4. - 1.5.2013 -- Rishikesh
24. - 26.4.2013 – Trecking Shivpuri Tal hoch
27. - 29.4.2013 – Trecking Devprayag
1. Mai 2013 – Haridwar
3. - 5. Mai 2013 – Jaipur
6. - 9. Mai 2013 – Udaipur und Ahmedabad
10. – 16. Mai 2013 – Ahmedabad, Mumbai
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Mo 29. Okt 2012 – Noch vier Wochen
Die Vorbereitungen sind so gut wie abgeschlossen. Seit über zwei Jahren bin ich schon dabei, die ausgewählten Teile meines Gepäcks schön langsam vollständig zu bekommen.
Mein Gepäck soll bestehen aus:
Rucksack 65 l
Daunen-Schlafsack
Brusttasche mit Ausweisen/Passbilder/Bargeld/Bank- und Kreditkarten
Geldbeutel für Hosentasche mit Anhängemöglichkeit an Hose
kleiner Computer-Rucksack
Netbook (10 Zoll Acer One) + Netzteil
Kindle+Kabel
Handy+Kabel
Kamera+Kabel/Ersatzakkus/Speicherkarte/Kleinstativ
Schuhe: Sandalen/Treckingschuhe
Unterwäsche: 3x
Kleider: 2x Hose 2x Hemd, Gürtel für Hose (wobei ich nur feste Hose und festes Hemd mitnehme, sommerliche Kleidung kaufe ich dort)
Wolljacke
Handtuch
Baseball Kappe
Regenhaut
Decke
Matte
Moskitonetz
Klopapier/Stofftaschen
Rai in der Tube
Waschzeug 2x Zahnbürste, Zahncreme, Duschgel, Zahnseide, Nagelklipper
Stifte (Marker/Kuli/Blei)
Klappcampingbesteck
Schlüsselband zum Anhängen von Geldbeutel und Schlüssel
Anhängerbremsseil (zusammen mit Vorhängeschloss als leichtes Fahrradschloss und zum Sichern von Rucksack etc. verwendbar)
2 Vorhängeschlösser
Kleines Fernglas
Lupe
Indienkarte
Kleine Taschenlampe zum Kurbeln
Klebeband/Pflaster
Ringelblumensalbe
Ersatzbrille
3 Kabelbinder
Schnüre/Karabiner
Das Einzige, was wirklich noch fehlt, ist – das Visum ...
Flug schon Mitte August gebucht: Abflug 20. November von München mit der Turkish Airlines nach Mumbai. Rückflug am 16. Mai 2013 von Mumbai nach München.
Geplant ist nach der Ankunft in Mumbai gemächliches Weiterreisen nach Puri über Pune und Hyderabad in ungefähr 10 Tagen. Einige Tage Aufenthalt in Puri, dann weiter nach Kolkata wo ich im YSS-Aschram Dakshineswar vom 7.-15. Dezember einen Aufenthalt gebucht habe. Danach Weiterreise nach Ranchi auch dort ist die Bleibe im Aschram vom 17. bis 23. Dezember gebucht.
Von Ranchi weiter nach Bodh Gaya, um am 30. Dezember in meinem Quartier in der Old Yogi Lodge, Varanasi, abzusteigen. Dort Aufenthalt bis 30. Januar gebucht. Dann weiter nach Allahabad auf die Kumbh Mela. Zeltplatz dort im Bereich Festival of Enlightened Living
vom 1. bis 20. Februar gebucht.
Soweit habe ich fest geplant. Weitere Ziele sind: Besuch im Dwarahat-Aschram, Haridwar (vielleicht Aschram von Mataji, die ich vom Yoga-Festival in Berlin her kenne), Rishikesh (Sivanada-Aschram), Badrinath, vielleicht Ganges Quelle, Shimla, 10 Tage Vipassana in Dharamsala, vielleicht Srinagar, vielleicht Amritsar, Delhi, Ananda Aschram bei Delhi, YSS-Aschram bei Delhi, Mumbai.
Meine Vorstellung ist, dass ich viel meditieren und viel lesen werde (hab gestern meinen Kindle mit den Yoga-Niketan-Büchern, die ich mit Calibre in mobi-Dateien umgewandelt habe, vollgepackt) und viel beobachten.
Nachdem ich über 30 Jahre auf diese Reise warte, fühle ich, dass es jetzt wirklich an der Zeit ist und es trägt mich auch irgendetwas dahin.
An dieser Stelle, d.h. dem Yogananda Forum im Netz, will ich mein Reisetagebuch veröffentlichen. Die Pilgerreise ist ja auch vor allem meinem Guru Paramahansa Yogananda gewidmet, von dem viele behaupten, er sei der Avatar des neuen Zeitalters (Dvapara Yuga), was meines Erachtens auch gut sein kann.
Di 20. Nov 2012 – Abflug
Flughafen München Gate H30, 14 Uhr, Abflug 14:35 Uhr. Das erste Mal seit über 23 Jahren wieder fliegen. Die Abläufe musste ich erst erneut kennenlernen. Es hat sich doch einiges verändert seit damals, als ich drei Mal (für längstens 3 Wochen) in den USA war. Damals war die USA das Land des Lichts für mich. Dort tut sich auch immer noch sehr viel. Doch Indien offenbart immer mehr seine Klasse. Die vielen Weisen, die dort die Spiritualität vorantreiben. Spirituelle Koryphäen, die oft weltweit wirken und die noch bestehende materielle Überlegenheit des Westens zweifellos oft zu nutzen suchen.
Das Vorgefühl ist wie die Erfüllung einer lang gehegten Sehnsucht – endlich mal nachhause kommen. Raus aus diesem fremden Land, in dem ich vor 48 Jahren hineingeboren wurde, in dem ich lang genug brauchte, mich recht und schlecht zu arrangieren. Jetzt endlich ist es an der Zeit, dass alles passt. Schon mehrmals hatte ich Anlauf genommen, mich vorbereitet auf eine Reise, die ich immer wieder verschob. Jetzt ist die Zeit reif, ich fühle vollkommene innere Stimmigkeit.
Inzwischen sitze ich im Flugzeug nach Istanbul. Mindestens ein Viertel der Sitzplätze ist leer.
Bei der Vorbereitung war vor allem zeitaufwändig, die wirklich notwendigen Gegenstände in kompakter und leichter Form zu beschaffen und meinen 10 Zoll-Computer so einzurichten, dass ich alles dabei habe, was ich brauchen könnte, sollte ich mal wirklich in einen Arbeitsfluss kommen. Govindas (dem indienerfahrenen Bayern, der mit mir vor zwei Monaten die Yoga-Lehrer-Ausbildung bei Yoga Vidya abgeschlossen hat) Ratschlag eingedenk, leicht zu reisen, ist mein Rucksack halb leer. 3,6 kg wiegt mein Computerrucksack mit meiner gesamten Technikausrüstung. Der bepackte 65 l –Rucksack wiegt nicht einmal 12 kg, davon der Rucksack selbst bereits 2,7 kg.
Ich seh aber schon: So viel zum Lesen und Arbeiten werd ich wohl nicht kommen. Überall gibt es Unmengen zu sehen. Die beste Arbeitsumgebung bleibt halt doch das traute Heim, wo alles so vertraut ist, dass man Neues nur in der eigenen Arbeit und im geistig Genossenen findet. Dieser Vorteil wurde jedes Jahr durch die trübe Winterzeit um einiges potenziert – das fällt heuer flach.
Nach dem schönen Blick auf die Alpen geht’s beim Anflug auf Istanbul schon bei Dunkelheit über das endlose Wirrwarr von Häuserblöcken und Straßen. Da wird mir deutlich bewusst, wie unzählig die Menschen auf Erden sind.
Dann nach dem Umsteigen beim Flug über einen Scheichstaat fällt mir auf, dass alle Straßen, bis zum letzten Einsiedler beleuchtet sind, das Ganze ergibt von oben schön anzuschauende Lichterketten, der Sinn ist jedoch zweifelhaft …
Mi 21. Nov 12 – Von Mumbai nach Pune
1997 hatte ich begonnen, in den Sommersemesterferien weite und lang, meist zweimonatige Reisen zu machen. Als Geografie- und Geschichtsstudent fühlte ich mich aufgerufen, die Orte, über die ich in den Vorlesungen und Seminaren etwas erfuhr, auch einmal persönlich in Augenschein zu nehmen. So kamen mir meine Reiseziele, lange Rundreisen mit dem Auto (um die Ostsee herum bis zum Nordkap, um das Mittelmeer herum bis nach Ägypten, um das Schwarze Meer herum bis nach Kasachstan, nach Marrakesch, etc.), meist in den Vorlesungen. Die erste vierwöchentliche Reise war noch etwas von Heimweh und Langeweile geprägt. Doch man entwickelt seine eigene Reisetechnologie und bald wurde die jährliche zwei- bis dreimonatige Reise zur Routine. Das waren immer langsame Annäherungen.
Hier bin ich von einem auf den anderen Tag in einer anderen Welt.
Um 5 Uhr morgens kommen wir in Mumbai an. Massen von Menschen wollen ins Land, offensichtlich sind mehrere große Flugzeuge gleichzeitig gelandet. Ich bin, da ich die Zugkarte nach Pune schon von Deutschland aus gebucht habe, auf dieses Transportmittel eingeschworen, obwohl Bus und andere Angebote im Moment am bequemsten (aber auch viel teurer wären, z.B. für 7000 Rupien mit dem Taxi nach Pune, 100 Euro, für europäische Verhältnisse nicht teuer, die Zugkarte kostet aber gerade mal 2 Euro) wären. Außerdem will ich mich ja nicht wie in einer sterilen Welt von einem Touristen-Getto zu nächsten kutschieren lassen, ohne mit der indischen Lebenswirklichkeit in Berührung zu kommen. Gerade das Gegenteil! Allen westlichen Komfort und westliche Enklaven in Indien empfinde ich erst mal höchst uninteressant und höchst verabscheuungswürdig.
Aber erst mal zu dem Bahnhof hinkommen, von dem aus ich gebucht habe (Kalyan Junction) und wie den Zug und den Sitzplatz finden, den ich reserviert hab.
Nachdem ich gleich mal zweihundert Euro gewechselt habe, sollte das aber kein Problem sein. Vor dem Flughafen bieten sich auch viele Inder an, mich für Unsummen, wenn man mal in Rupien denkt, direkt nach Pune zu bringen. Ich bin zufrieden, als mich ein Motorrikschafahrer für 300 Rupien zur nächsten S-Bahn-Haltestelle bringt, ein sehr gutes Geschäft für ihn, wie mir erst Tage später klar wird.
Mir ist alles fremd und ich bin ziemlich orientierungslos. Doch mit Unterstützung jederzeit hilfsbereiter Einheimischer gelingt es mir, erst einmal zu diesem Verkehrsknotenpunkt rund 50 km östlich von Bombay zu kommen. Man Muss erst mal mit der einen S-Bahn-Linie nach Süden, dort umsteigen und mit der anderen S-Bahn-Linie nach Nord-Westen fahren. Bei mehreren Indern bedanke ich mich mit meiner Visitenkarte. So viele Visitenkarten wie am ersten Tag habe ich den ganzen Rest der Reise nicht mehr verteilt. Mit demjenigen, der mir an der Kalyan Junction hilft, Zug und Gleis zu finden und mich auch zum Zug begleitet, ein Sinti, der auf dem Weg nach Nashik ist, bleibe ich die nächsten Monate noch in Kontakt. Zu einem geplanten nochmaligen Treffen kommt es jedoch nicht.
Den von mir gebuchten Zug erreiche ich zwar nicht, doch darf ich auch mit jedem anderen Zug fahren. All das weiß ich nicht.
So sitze nun in einem Zug, der die von mir gebuchte Strecke fährt, inmitten eines bunten Volks, beobachte die Landschaft und schreibe. Das Schreiben hilft die Eindrücke zu verarbeiten, mich zu sammeln. Der Acer One macht sich gut. Nachdem ich im Flugzeug gestern bereits etwas gearbeitet habe, zeigt er an, dass er immer noch Saft für drei Stunden hat.
In Pune angekommen kleide ich mich erst mal mit Hose und Hemd (auf Empfehlung des Verkäufers von bester Qualität, die dann auch hielt, was er versprach), die besser zum örtlichen heißen Klima passen ein. Der Himmel ist klar und die Temperaturen wie bei uns an einem warmen Sommertag.
Dann kommt die Zimmersuche. In der Nähe des Bahnhofs ist es mir zu teuer. Ein Rikscha-Fahrer fährt mich etwas aus der Innenstadt heraus und vermittelt mir ein schlichtes Zimmer mit Gemeinschaftsklo und Dusche für 400 Rupien. Das ist mir im Grunde auch noch zu teuer und ich werd in Zukunft bei 200 bis 300 Rupien limitieren. Ich bezahle das Zimmer bis Sonntag den 25.11. Für diesen Tag habe ich schon eine Fahrkarte nach Solapur gekauft und auf dem Computer gespeichert. Mit dem Sitzplatz steh ich jedoch noch auf einer Warteliste. Das ist jedoch bisher immer noch irrelevant, weil ich gar nicht wüsste, in welchen Zug ich steigen müsste und wo der Sitzplatz zu suchen wäre. In der Buchungsbestätigung steht nicht, wann der Zug planmäßig abfährt. Doch das bekomme ich vielleicht die nächsten Tage noch heraus.
Noch am Nachmittag mache ich mich zu einer kleinen Stadterkundung zu Fuß auf den Weg: eine Orientierungsübung zurück zum Bahnhof und von dort durch ein Armenviertel zum Fluss nach Norden, dann am Ufer entlang zurück zum Zimmer. Auf dem Weg kaufe ich für die erste Mahlzeit Cashew-Nüsse, die kaum günstiger sind als bei uns, aber vorsichtiges Herantasten an die indische Kost ist ratsam ...
Die Bahnhöfe machen alle den Eindruck eines Provisoriums. Ein deutliches Zeichen für die Unterentwicklung ist, dass es sogar in Pune am Hauptbahnhof, bei uns eine 1-A-Lage, auf einer Seite (nach Norden) gleich in schäbige Wohngebiete übergeht, die bald slumartigen Charakter annehmen. Auf der anderen Seite (Süden) stehen am Rade des Bahnhofsvorplatzes einige Straßenhändler neben Müllhaufen und dann geht’s mal in eine Straßenunterführung mit Ramschläden. Die gehen über, sobald man herauskommt, in kleinere Straßengeschäfte … Dreck und Müll überall. Auch am Flussufer. Das macht mir aber im Grunde nichts aus.
Da ist also noch viel aufzuholen. Zurzeit wird ja in Indien immer noch der Benzinpreis subventioniert, d.h., dem Staat fehlen nicht nur die Steuergelder, die bei uns durch die Mineralölsteuer hereinkommen, er muss sogar noch Geld von woandersher nehmen, um beim importierten Öl noch was draufzulegen. Es ist verständlich, dass dann Infrastrukturmaßnahmen nicht mehr viel Geld übrig bleibt. Dass eine Kfz-Steuer hier viel bringt, kann ich mir auch nicht vorstellen. Arbeit gäb es in diesem Land genug. Doch wer organisiert und bezahlt die Leute. Stattdessen verschwenden viele mit Kleinkrämerei und Bettelei ihre Zeit. Staatsverwaltung und Steuerwesen sind halt doch eine hohe Kunst, die sich nur langsam entwickelt.
Den Eindruck von Provisorium erwecken jedoch nicht nur die Bahnhöfe. Alles hat so den Charakter, als sei nach einer furchtbaren Kriegszerstörung alles schnell und behelfsmäßig aufgebaut, um das notwendigste Funktionieren oder bei Hütten den notwendigsten Schutz zu gewähren. Das ist jedoch ein Charakterzug, den ich bei mir auch immer feststelle, dass ich bei meiner Zimmereinrichtung keinen höheren Ansprüchen genügen möchte, funktionell und praktisch reicht vollkommen aus ...
Den ganzen Tag war ich mitten unter den Einheimischen, habe mit vielen Worte gewechselt. Da fühle ich mich wohl. Obwohl mein Zimmer offensichtlich in der Nähe vom Osho-Aschram liegt und ich dementsprechend auch Westeuropäer zu Gesicht bekomme, verspüre ich keinerlei Neigung, mit irgendjemandem von diesen Kontakt aufzunehmen.
So lang es hell war, hab ich mich trotz ziemlicher Müdigkeit wach gehalten und nur mal etwas auf einer Bank geschlafen. Als die Dunkelheit gegen 18:00 hereinbricht, gehe ich ins Zimmer zurück und will dort eigentlich noch etwas Hindi lernen (hab alles auf dem Computer gespeichert), doch die Steckdosen, die ich beim Bezug des Zimmers noch geprüft hatte, geben keinen Strom. Also meditiere ich etwas und schlafe bald ein. Um 20 Uhr Ortszeit, wache ich auf, meditiere wieder und schlafe dann wieder ein. Jetzt ist es halb eins und ich bin hellwach. Also schreib ich noch was von den Eindrücken des Tages nieder, auch wenn noch immer kein Strom da ist.
Dann plötzlich um 0:42 Uhr ist wieder Strom da.
Do 22. Nov 2012 – Tempel und Slums
Zum Lesen nach der Meditation am Morgen gehe ich auf das Flachdach über meinem Zimmer und genieße die Aussicht. Als ich zurückkomme, ist die Außentür zu dem Wohnbereich mit zwei Zimmern Bad und Klo verschlossen. Dazu habe ich den Schlüssel nicht mit, da ich mein Zimmer mit einem privaten Vorhängeschloss sichere. Lautes Klopfen ruft nicht meinen Etagengenossen, der offensichtlich in die Stadt gegangen ist, auf den Plan, sondern führte nur zu wütenden Kommentaren der Bewohner unterhalb. Die herbeigerufene Vermieterin hat auch keinen Schlüssel. Da ich meinen kleinen Computerrucksack dabei habe, mache ich mich gleich zu Osho’s Aschram auf, eine sehr schöne Anlage, mir aber zu schön. Passt nicht in diese Welt. An der Rezeption wird mir erklärt, dass man eine Registrierung für rund 15 Euro (HIV-Test inklusive), eine Tageskarte für den gleichen Preis und zusätzlich noch ein marone-farbenes (wie sie es nannte, zwischen Weinrot und Violett) Gewand für tagsüber sowie ein weißes für die Abendveranstaltung bräuchte, Zimmer im Aschram kosten rund 100 € am Tag. Da ich davon ausgehe, mein Pass wäre im Zimmer eingeschlossen, reichen mir diese Infos. Vor über 20 Jahren hatte ich mal bei einigen Veranstaltungen der Osho-Szene teilgenommen. Heute ist mir das alles viel zu seicht, auch ist mir das alles viel zu sauber, von den Preisen ganz zu schweigen.
Auf dem Weg schlendernd spreche ich einen Rikscha-Fahrer an, den ich gleich nach einem Fahrradverleih frage und er bietet sich an, mich kostenlos zu einem zu bringen, gleich in der Nähe. Da schlage ich ein und stehe eine halbe Stunde später mit einem fahrtüchtigen Gefährt (500 Rupien für 3 Tage) da.
Dann steht erst mal Rasieren, Haarschneiden inclusive Kopfmassage für 100 Rupien bei dem Straßenbarbier an. Ich hatte ihm gestern versprochen, ich würde heute nochmal vorbeikommen.
Und auf geht’s zu einem Tempelziel, das ich tags zuvor auf einem Berg auf der anderen Seite des Flusses ausgemacht hatte. Das Fahrrad schließe ich unten an, ich habe ein Anhängerbremsseil dabei, das mir zusammen mit einem Vorhängeschloss vielfältige Sicherungsdienste leistet, und laufe hinauf. Dort, beim Tarakeshwar Mandir Tempel, setzte ich mich erst mal an eine Stelle mit gutem Überblick, beobachte und lese im Kindle. Das ist ein eingezäuntes Areal mit verschiedenen Altären, Statuen und Gebäuden. Es ist kurz nach Mittag und es herrscht nicht viel Betrieb. Bald werde ich von jemandem angesprochen und erfahre, dass in angrenzenden Räumlichkeiten bald eine Hochzeit stattfinden solle und dass ich da auch teilnehmen könne. Neben der Tempelanlage steht ein dreistöckiges Haus in den Berg hineingebaut mit Hallen, Stühlen, Tischen und Feuerstellen. Diese Örtlichkeit dürfen offensichtlich nicht so begüterte Familien nutzen, um darin ihre Hochzeit selbstständig auszurichten. Ich postiere mich also wieder günstig und beobachte zunächst nur. Die Hochzeitsgesellschaft trifft ein, angeführt von einer bunt gekleideten Musikantentruppe. Dann werde ich wieder von jemandem angesprochen, der sich dann die ganze Zeremonie und auch beim Hochzeitsmahl zu mir gesellte, mich ein wenig betreut. Als ich bald im großen und schlichten Speisesaal des obersten Stocks ein köstliches Gericht vor mir habe (und mir dann doch denke, da fehlt doch noch was … gut, Besteck ist in Indien überflüssig, das vereinfacht sicher auch das Abspülen), weiß ich zwar nicht, ob ich meinem Magen schon so schnell diese ureinheimische Kost zumuten kann, doch in diesem Fall gibt es kein Zaudern. Hungrig bin ich ohnehin und lass es mir also schmecken.
Man bittet mich danach sogar noch auf die Bühne zum Gruppenbild mit dem Brautpaar und ich biete mich an, ein Geschenk zu geben. Das wird aber abgelehnt. Nach weiteren Punkten des Programms nehmen mich mein Begleiter und sein Freund auf die Seite und begleiten mich noch hinunter zur Hauptstraße am Fuße des Bergs, d.h. ich darf auf dem Rücksitz des Mopeds Platz nehmen. Dort eröffnen sie