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Die andere Seite der Welt
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eBook396 Seiten5 Stunden

Die andere Seite der Welt

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Über dieses E-Book

Ein Mann betritt das Büro eines erfolgreichen Anwaltes - und fällt auf unerklärliche Weise plötzlich in Ohnmacht. Unmittelbar darauf spricht eine seltsame Stimme durch seinen Mund...
Mit dieser Szene beginnt einer der geheimnisvollsten esoterischen Romane aller Zeiten!
Georg Korf hat in seinem Leben nur dieses eine Werk verfasst. Es enthält genug Weisheit für ein ganzes Menschenleben. Es umspannt Erde und Himmel, das Diesseits und das Jenseits mit allen seinen Bewohnern. Es führt den Leser durch immer neue Welten und Erfahrungen, bis er atemlos innehält und sich fragt: Kann das wirklich so geschehen sein?
Für jene Leser, die ein "esoterisches" Weltbild besitzen, wird sich Vieles des Wunderbaren und Unglaublichen vor dem Hintergrund eines geistigen Wissens entschlüsseln lassen. Doch auch für sie bleibt der Spannungsbogen der Handlung erhalten und noch vieles Unerklärliche zu entdecken.
Ein Roman über die "andere Seite der Welt", die scheinbar so fern ist, in Wirklichkeit jedoch unsere irdische Wirklichkeit unmittelbar umgibt und durchdringt. Ein unglaublich spannendes Lesevergnügen und die Entdeckung einer ungeheuer großen "anderen Wirklichkeit"!

SpracheDeutsch
HerausgeberAquamarin Verlag
Erscheinungsdatum25. Mai 2020
ISBN9783968611419
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    Buchvorschau

    Die andere Seite der Welt - Georg Korf

    WELT

    GEORG KORF

    DIE ANDERE SEITE

    DER WELT

    ROMAN

    Aquamarin Verlag

    Deutsche Ausgabe:

    1. Auflage 2020

    © Aquamarin Verlag GmbH

    Voglherd 1 • D-85567 Grafing

    www.aquamarin-verlag.de

    Umschlaggestaltung: Annette Wagner unter Verwendung von:

    Eye © rolffimages #30284385 und © Stasys Eidiejus #10368666

    Fotolia.com

    ISBN 978-3-96861-141-9

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Nachwort

    DIE GEISTERWELT IST NICHT VERSCHLOSSEN;

    DEIN SINN IST ZU, DEIN HERZ IST TOT!

    AUF, BADE, SCHÜLER, UNVERDROSSEN

    DIE IRD’SCHE BRUST IM MORGENROT!

    GOETHE, FAUST 1

    1

    IN EINEM DER GRÖSSTEN P ATENTBÜROS B ERLINS erschien an einem Vormittag, bald nach Beginn der Geschäftszeit, ein etwas schmächtig aussehender Mann, der etwa dreißig Jahre alt sein mochte und begehrte, den Chef selbst zu sprechen. Dieser, ein pünktlicher und fleißiger Mensch, war bereits anwesend.

    Der Fremde wurde durch zwei geräumige Kontore bis in ein etwas kleineres Zimmer geleitet, das zwar einfach gehalten, doch behaglich ausgestattet war. Dem Kenner zeigte sich mit einem Blick, dass die Einrichtungen in diesem Raum zu einem Apparat gefügt waren, der eine schnelle Abwicklung der Geschäfte und eine genaue Ausführung der Arbeiten ermöglichte, und dass der Beherrscher dieses Apparates, ein intelligent und wohlwollend aussehender Herr in den vierziger Jahren, vorbildlich arbeitete.

    Der Patentanwalt war in die Beschreibung einer neu eingereichten Erfindung vertieft. Er empfing den Eingetretenen sehr freundlich, wies ihm einen Platz in einem bequemen Sessel neben seinem Schreibtisch an und fragte verbindlich nach seinem Wunsch.

    »Ich habe die Ehre, Herrn Clarus vor mir zu sehen«, sagte der Fremde, »mein Name ist Atlamos. Ich komme aus einer fremden Welt zu Ihnen. Was Sie sehen, bin nicht ich, sondern ich bin nur vorübergehend Gast in diesem Körper, dessen Besitzer ein Schauspieler namens August Fischer ist, der sich mit seiner Tante auf einige Wochen hier in Berlin aufhält. Ich komme zu Ihnen, nicht gerade in Erfindungsangelegenheiten; es handelt sich vielmehr um Entdeckungen von größter Bedeutung für die gesamte Menschheit, zu deren Offenbarung Ihre gütige Mitarbeit wertvoll sein könnte.«

    Der Patentanwalt, der während seiner vieljährigen Berufstätigkeit schon Bekanntschaft mit vielen Verfechtern kleiner und großer Wahnideen gemacht hatte, dachte: »Der ist ein ganz Schlimmer. Er wird mich günstigenfalls eine Stunde, unnütz für ihn und für mich, aufhalten.«

    Zu dem Fremden sagte er aufspringend: »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick, mein Verehrtester – ein dringendes Telegramm.«

    Der Fremde aber sagte schnell zu ihm: »Bevor Sie, verehrter Herr Clarus, Ihre wahre Absicht ausführen und, anstatt ein dringendes Telegramm aufzugeben, einen Beamten der Gesundheitspolizei durch Fernspruch herbeirufen lassen, sind Sie wohl so gütig und überzeugen sich davon, dass Sie keinen ›ganz Schlimmen‹, etwa mit einem Mangel an seinen fünf Sinnen, sondern jemand mit sogar mehr als fünf Sinnen vor sich haben, der Sie nicht eine Stunde unnütz, wie Sie befürchten, aufhalten wird, sondern dem heute höchstens zwölf Minuten zu einer kurzen Besprechung mit Ihnen zur Verfügung stehen.«

    Aufs Höchste erstaunt über diese unerwartete Äußerung des Fremden ließ der Patentanwalt sofort von seinem Vorhaben ab und fragte fast ängstlich: »Aber, mein Herr, wie – was – wer sind Sie? Sie lesen ja Wort für Wort meine Gedanken – gibt es denn wirkliches Gedankenlesen?«

    »Seien Sie nur nicht ängstlich«, erwiderte der Fremde. »Es geht alles natürlich zu, allerdings unter der Voraussetzung, dass man geneigt ist, sich das Prädikat ›natürlich‹ etwas erweiterter vorzustellen, als dies hierzulande allgemein üblich ist. Sie hatten eben den Beweis, dass Sie jemand mit sechs Sinnen vor sich haben; denn keiner der fünf Sinne, auf die Sie sich im Leben verlassen müssen, reagiert auf Schwingungen des Äthers, die durch Gedankentätigkeit hervorgerufen werden. Ich bin bereit, Ihnen einen weiteren Beweis für das Vorhandensein eines sechsten Sinnes zu geben. Setzen Sie sich bitte gleich telefonisch mit Ihrer Zweigstelle in Hamburg in Verbindung und fragen Sie dort an, ob nicht in diesem Augenblick – es ist jetzt genau 9 Uhr und 37 Minuten – sich ein Herr Ihrem Hamburger Geschäftsführer vorstellt, um mit ihm über eine Erfindung zu verhandeln, die den Zweck haben soll, eine bislang ganz unbeachtete Kraftäußerung der Natur dem Menschen durch eine geeignete Anwendung dienstbar zu machen. Er will die Keimkraft der Erde, die beispielsweise aus der unscheinbaren Eichel während eines Menschenalters einen Baumriesen erstehen lässt, durch eine besondere Maßnahme sammeln, so dass gewaltige Kraftmengen, die gewissermaßen über ein Jahrhundert verteilt sind, auf ein Jahr, einen Monat oder wenige Tage zusammengedrängt, dem Menschen nutzbar gemacht werden sollen, um ebenso – als aufgespeicherte Sonnenkräfte – friedlich die verschiedenartigen Arbeitsleistungen zu vollbringen, wie dies der durch menschlichen Einsatz erzeugte künstliche Blitz bereits vermag.«

    »Ein verabredeter Trick von den beiden«, dachte der Patentanwalt.

    »Verabredet in einem gewissen Sinn, doch ohne Wissen des anderen. Ich nenne es Inspiration, die jedoch nicht mit der Zeit in Zusammenhang steht, die gerade auf 9 Uhr 37 Minuten vorgerückt war, als mein Inspirant von Ihrem Hamburger Vertreter empfangen wurde, nachdem dieser von einem kleinen Geschäftsweg kurz vor dieser Zeit zurückkehrte. Also kein Trick, verehrter Herr Clarus, sondern einfache Telepathie«, ergänzte der Fremde, auf den unausgesprochenen Gedankengang des Patentanwalts antwortend, der mit größtem Erstaunen wiederum seine Gedanken durch den unheimlichen Fremden erkannt und beantwortet fand.

    Nach einer kleinen Pause fragte er: »Ja, was ist denn Telepathie?«

    »Dasselbe«, entgegnete Atlamos, »zwischen zwei Bewusstseinsapparaten, ich meine menschlichen Seelen, was zwischen zwei elektrischen Apparaten mit Funkspruch bezeichnet wird. Das Geschehen ist das Gleiche. Nur diese unmittelbare Gedankenübermittlung ist sehr viel einfacher als die Art, mittels fleischlicher Sprechwerkzeuge oder metallener Apparate Lufterschütterungen hervorzubringen. Allerdings ist dies keine Erfindung, sondern es gehört in das Gebiet der Entwicklung.«

    »Halten Sie ein«, rief der Patentanwalt, »entweder sind Sie oder ich verr …«

    »Wir beide nicht! Wenn Sie erst einmal einen etwas anderen Standpunkt zu den Naturgesetzen eingenommen haben werden, ereifern Sie sich nicht mehr über Dinge, die nicht wunderbarer sind als eine Mondfinsternis oder das Ausschlüpfen eines Kückens aus seiner engen Kalkzelle.«

    »Aber nun werde ich mich erst überzeugen, wie es mit den 9 Uhr 37 Minuten in meinem Hamburger Kontor aussieht«, sagte Clarus, zum Telefon schreitend.

    »Ich bitte sehr darum, aber bleiben Sie doch unbedenklich an Ihrem Schreibtisch und benutzen Sie die bequemere Sprechanlage; denn Sie müssen nach dem eben Erlebten doch schon bereits überzeugt sein, dass ich Ihre Gedanken durch die abschließenden Polsterwände des Telefonzimmers hindurch ebenso deutlich vernehmen werde wie ich sie bereits wiederholt durch Ihre feste Gehirnhülle hindurch ›hörte‹, bevor Sie sie in akustische Schwingungen der Luft formten. Sprechen Sie bitte ganz zwanglos hier in meiner Gegenwart, so als wäre ich nicht hier. Ich nehme Ihnen keine Äußerung oder Verdächtigung übel; denn selbst wenn Sie mich nicht sehen, oder präziser ausgedrückt, wenn Ihre Augen das Werkzeug, dessen ich mich in Ihrer Welt bediene und das Sie immer noch für den Sprecher halten, nicht mehr sehen, kann ich in der Lage sein, alle Ihre seelischen Strömungen in Form von Gedanken, Wünschen oder Regungen wahrzunehmen.«

    »Ja, aber gestatten Sie – Herr – Herr – Atlamos, wer sind Sie denn eigentlich, und was haben Sie mit mir vor?«

    »Wer ich bin, werden Sie noch erfahren; den Zweck meines Kommens natürlich auch. Mein Vorhaben mit Ihnen und anderen ist nur Gutes, sogar Großartiges. Legen Sie nur erst die Furcht ab und seien Sie unbesorgt, ich bin kein Mephisto. Wie ich Ihnen schon sagte, geht alles natürlich zu. Nur ist jetzt keine Zeit mehr für die Erklärungen, die ich Ihnen bei meinem zweiten Besuch ausführlich geben werde. Wollen Sie mir schnell Ihr Versprechen geben, dass Sie über das eben Erlebte vorläufig völlig schweigen werden?«

    »Ja, aber …«

    »Seien Sie versichert, mein lieber Herr Clarus, ich muss eilen, und das nächste Mal bekommen Sie eine befriedigende Aufklärung. In diesem Augenblick brauche ich nur Ihren festen Willensentschluss zum Schweigen – und zum Handeln in den kommenden Minuten. Sind Sie bereit?«

    »Sie haben meine Einwilligung und mein Versprechen«, sagte Clarus schnell und entschlossen.

    »Danke, merken Sie auf. Dieser Körper wird gleich wie leblos sein. Lassen Sie ihn so lange unberührt, bis dessen Besitzer vom Schlaf erwacht ist, was nach wenigen Minuten geschehen wird. Dann benetzen Sie seine Stirn und Schläfen mit kaltem Wasser und flößen ihm auch einen Schluck davon ein. Nach einer Weile fragen Sie ihn, ob er sich von seiner Ohnmacht erholt habe und bitten ihn, unter Angabe eines Ihnen passend erscheinenden Grundes, am gleichen Tag der nächsten Woche zur Nachmittagszeit wiederzukommen. Sie sprechen dann nicht mehr mit Atlamos, sondern mit einem Herrn Fischer, der – nichts – von – allem – weiß, was – hier – soeben – vorging.«

    Während der letzten Worte, die abgebrochen und immer schwächer werdend hervorgebracht wurden, sank der Körper des Sprechenden langsam nach rückwärts an die Lehne des Sessels und blieb wie leblos liegen. –

    Einige Augenblicke stand der Patentanwalt verblüfft und entsetzt neben dem Umgesunkenen. Es machte den Eindruck, als ob dieser Mensch soeben zum ewigen Schlaf eingegangen wäre. Nach einigen Sekunden bemerkte er jedoch mit fast ängstlicher Überraschung, dass regelmäßige, wenn auch schwache Atemzüge einsetzten und das Gesicht des rätselhaften Mannes einen schwach lächelnden und Leben zeigenden Ausdruck annahm. Dann schlug er die Augen auf, wie aus einem tiefen Schlaf erwachend.

    Der Patentanwalt tat, wie ihm aufgetragen worden war und wie er versprochen hatte. Er benetzte Stirn und Schläfen des Erwachten und gab ihm einen Schluck Wasser zu trinken.

    Erstaunt um sich blickend, fragte der Fremde: »Wo – bin – ich?«

    »Sie befinden sich in meinem Kontor, Wilhelmstraße Nr. 49. Clarus ist mein Name. Ein Fremder brachte Sie hier herein – doch haben Sie sich von Ihrer Ohnmacht ganz erholt?«

    »Ohnmacht? Ach, ich war ohnmächtig? Wie kam es denn dazu? Ach ja, ich kreuzte die Wilhelmstraße auf dem Weg zur Bibliothek. Da überkam mich plötzlich ein unangenehmes Gefühl, als wenn mich der Tod auf offener Straße ereilen wollte. Ich entsinne mich noch, in ein Haus gegangen zu sein, und muss dann mein Bewusstsein verloren haben; denn wie ich in diesen Raum hier gekommen bin, in dem ich mich in Ihrer freundlichen Obhut wiederfinde, weiß ich nicht. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Mühe, die meine Gegenwart Ihnen verursachte. Von meiner Ohnmacht habe ich mich inzwischen vollkommen erholt.« Mit diesen Worten erhob der Sprecher sich von seinem Sitz. »Sie gestatten, mein Name ist Fischer, ich will nun keine Sekunde länger mehr Ihre kostbare Zeit in Anspruch nehmen.« Er griff nach seinem Hut und machte eine höfliche Verbeugung.

    »Gestatten Sie noch eine Frage«, sagte Clarus.

    »Bitte.«

    »Haben Sie häufiger solche Ohnmachten?«

    »Noch nie in meinem Leben gehabt.«

    »Fühlen Sie sich nicht mehr schwach, oder haben Sie noch Ohrensausen?«

    »Mir kommt es vor, als wenn ich kräftiger wäre und mich wohler befände als vorher. Wenn Sie mir nicht gesagt hätten, ich sei ohnmächtig gewesen, müsste ich glauben, aus einem tiefen, erquickenden Schlaf zu erwachen. Mein Kopf ist frisch und unbenommen, von Ohrensausen ist auch nicht die Spur vorhanden. Doch Ihre Zeit, Herr Clarus, ich möchte nicht länger stören, seien Sie meinetwegen unbesorgt. Noch einmal meinen herzlichen Dank für Ihre Güte, und ich bitte um Entschuldigung wegen der unliebsamen Störung.«

    »Nicht doch, verehrter Herr Fischer. Sie sind durch Zufall so in den Bereich meines Interesses gerückt, dass ich nicht umhin kann, Sie zu bitten, mir nach etwa einer Woche freundlichst von Ihrem Befinden zu berichten. Da Ihre Zeit, die Ihnen für Ihre Besuchsdauer hier zur Verfügung steht …«

    »Aber, mein Herr, woher wissen Sie denn, dass sich vorübergehend zu Besuch in Berlin bin; ich habe Ihnen das doch nicht gesagt?«

    »Oh, es ist nur eine zufällig zutreffende Annahme. Ich wollte also sagen, die Zeit, die Ihnen zur Verfügung steht, dürfte wohl nicht so knapp bemessen sein, dass Sie mir nicht noch einmal das Vergnügen Ihres Besuches bereiten könnten.«

    »Sie sind sehr gütig, Herr Clarus, gerne werde ich noch einmal vorbeischauen.«

    »Wenn ich darum bitten darf, Herr Atlamos …«

    »Wie?«

    »… ach so, Herr Fischer. Entschuldigen Sie, als Geschäftsmann hat man viele Namen im Kopf zu behalten. Wenn ich Sie bitten darf, Herr Fischer, kommen Sie doch heute in einer Woche um die Nachmittagszeit wieder vorbei, dann würde es mir am passendsten sein.«

    »Gewiss, ganz wie Sie wünschen, Herr Clarus«, versicherte Herr Fischer, während er fortging.

    Clarus fasste sich an die Stirn, als die Tür sich hinter dem sonderbaren Gast geschlossen hatte und er in seinem Zimmer allein war.

    »Das verstehe wer kann«, sagte er halblaut für sich, eilte dann ans Fenster und sah den rätselhaften Menschen festen, elastischen Schrittes über den Fahrdamm schreiten, die Richtung zur Bibliothek einschlagend.

    »So geht doch keiner, der soeben eine Ohnmacht überstanden hat – und wie rasch erholte er sich. Ach was, das war ein plumper Schwindel. Wer weiß, was für ein Gaunertrick dahinter steckt. Doch das rätselhafte Gedankenlesen – kann auch ein Trick sein. Zufall und Glück können auch einmal Bundesgenossen eines Verbrechers sein. Ich werde mich rechtzeitig schützen.«

    Er ging ans Telefon, ließ sich mit einem Detektivbüro verbinden und bat um einen tüchtigen Mitarbeiter. Vier Minuten später war dieser zur Stelle.

    »Berthold, vom Detektivbüro Flugs. Sie haben ein eiliges Anliegen?«

    »Ich wünsche umgehend die Beobachtung einer bestimmten Person. Schlanke Erscheinung, mittelgroße Figur, dunkles, langes, etwas lockiges Haar, braune Augen. Angeblich ist sie zur Bibliothek gegangen. Sie hat die Richtung dahin, so weit ich vom Fenster aus sehen konnte, auch eingeschlagen. Versuchen Sie vor allen Dingen auch seinen Bekanntenkreis zu erforschen.«

    Der Detektiv hatte ebenso schnell, wie der Patentanwalt gesprochen hatte, die Worte stenografisch in sein Notizbuch eingetragen und verschwand mit einem hastigen: »Sehr wohl, Herr Clarus«, aus der Kanzleitür.

    Erleichtert atmete Clarus auf. Er hatte das beruhigende Gefühl, als ob er durch einen gut ausgedachten Schachzug eine große Gefahr von sich abgewendet hätte und nun wieder ruhig an seine täglichen Aufgaben gehen könne.

    Doch da fiel ihm das Wort Telepathie wieder ein. »Wie war das noch, um 9 Uhr 37 soll sich ein Komplize bei Mehrtens in Hamburg vorgestellt haben; und dieser sogenannte Atlamos drang darauf, dass ich mich hiervon telefonisch überzeuge. Werde es sofort tun, verehrter Herr Atlamos, ha, ha.«

    Er rief in Hamburg an.

    »Was sagte der Mensch noch für sonderbares Zeug?«, monologisierte Clarus: »Er komme aus einer fremden Welt … was ich sehe, sei nicht er … er hieße Atlamos und der Besitzer des Körpers Fischer. Was für verrückte Äußerungen. Sechs Sinne will er besitzen, Gedanken will er lesen können, und meine Gedanken hat er tatsächlich gelesen. Oder war das alles Wahrscheinlichkeitshypothese, die er trefflich erkannt hat; und ich bin in der Verwirrung, die er geschickt hervorzurufen verstand, darauf hineingefallen und habe mich in dem gegebenen Augenblick von einem ganz raffinierten Schwindler, der jedes Wort mit äußerster Vorsicht und Zweckmäßigkeit und dabei scheinbar gleichgültig anwandte, um in der Gesamtwirkung das Phänomen wirklichen Gedankenlesens vorzugaukeln, täuschen lassen. Dann die Komödie der Ohnmacht, aus der er mit großem Talent erwachte. Aber weiß der Gauner denn gar nicht, dass man nach einer fingierten Ohnmacht auch Ohrensausen, mindestens aber Schwäche heucheln muss? Im Gegenteil, er hat noch die Frechheit, mir weiszumachen, er fühle sich kräftiger als vorher. Hoffentlich wird der Detektiv schnell Licht in das mystische Dunkel dieser absonderlichen Persönlichkeit bringen. Eigentümlich ist allerdings, dass der sogenannte Herr Fischer nach der Ohnmacht einen etwas veränderten Gesichtsausdruck gegenüber demjenigen des sogenannten Atlamos zeigte, dessen Blicke, eigenartig starrend, mehrere Male auf mir ruhten, was nachher nicht mehr der Fall war. Auch ist es auffallend, dass Atlamos die Vokale so schön klangvoll, dagegen einige Konsonanten fremdartig akzentuiert aussprach, was nachher ebenfalls nicht mehr geschah. Das war in der Tat ganz hervorragend geschauspielert!«

    So war der Patentanwalt noch eine geraume Zeit mit Betrachtungen über das Erlebte beschäftigt. – Es klingelte. Schnell nahm er den Hörer ans Ohr: »Hier Clarus u. Co., Berlin.«

    »Hier Clarus, Hamburg.«

    »Ist Herr Mehrtens am Apparat?«

    »Ja, bitte.«

    »Herr Mehrtens, war heute Morgen schon der Erfinder bei Ihnen, der die Keimkraft der Erde nutzbar machen will?«

    »Ja, war er denn vorher bei Ihnen?«

    »Nein – das gerade nicht – aber ich bin unterrichtet. Können Sie mir nicht die genaue Zeit sagen, wann der Mann bei Ihnen eintraf?«

    »Nein, das kann ich Ihnen leider nicht angeben; denn der Betreffende wartete schon auf mich, als ich von Steffens zurückkehrte, mit dem ich eine kurze Unterredung hatte in der Angelegenheit Bayer in Wien. Ich habe mich nicht erkundigt, wie lange der Fremde gewartet hatte.«

    »Wissen Sie denn die genaue Zeit, wann Sie Ihre Kanzlei wieder betraten und der Mann sich Ihnen vorstellte?«

    »Ja, das werde ich Ihnen gleich auf die Minute sagen können. Ich stellte nämlich im Vorbeigehen meine Taschenuhr nach der Börsenuhr, die genau 9 Uhr 33 Minuten anzeigte. Ich ging dann ohne den geringsten Aufenthalt in unser Bürohaus, das, wie Sie wissen, höchstens drei Minuten von der Börse entfernt liegt. Das macht also 9 Uhr 36. Nun fuhr ich mit dem Fahrstuhl die zwei Stockwerke hinauf, ging den Korridor gemütlich entlang, was im Ganzen wohl eine Minute in Anspruch genommen haben mag, und gleich nach meinem Eintritt wurde mir der Mann vorgestellt. Nach meiner Rechnung muss es also 9 Uhr 37 bis 37 ½ Minuten gewesen sein.«

    »Danke«, klang es aus Berlin, »vergleichen wir nun noch Ihre Taschenuhr mit meiner Kanzleiuhr, die jetzt gerade 10.30 Uhr schlägt.«

    »Meine Uhr zeigt genau eine Viertelminute nach halb an, demnach geht die Ihrige eine Viertelminute nach Hamburger Börsenzeit zu spät, Herr Clarus. Aber was hat es denn auf sich mit Ihrer astronomisch genauen Nachforschung?«

    »Davon später; für heute danke ich Ihnen, mein lieber Mehrtens.«

    »War das nun echte Telepathie? Fernsehen ohne irgendeinen elektrischen Apparat, Fernhören ohne Telefon? Aber so etwas Ähnliches habe ich während meiner langen Tätigkeit noch nicht erfahren. So etwas gibt es ja überhaupt nicht, das ist ja ganz unmöglich! Halt, ich hab’s:

    Die beiden Gauner – denn mit zwei abgefeimten Schurken habe ich es zu tun – bedienen sich einer noch nicht bekannten, verbesserten Radiotelegrafie – ein kleiner Apparat, unauffällig unter der Kleidung verborgen, würde genügen. Ein Fingerdruck – und das verabredete Zeichen ist in einem geeigneten Moment gegeben. Aber das wiederum ist auch unwahrscheinlich. Jemand, der eine Erfindung gemacht hat, um die drahtlose Telegraphie zu vervollkommnen und zu vereinfachen, wird sie nicht in den Dienst des Verbrechens stellen, sondern sich seinen Vorteil auf dem gebräuchlichen Weg durch Patentschutz sichern.«

    So kreuzten Idee und Gegenidee das Gehirn des Patentanwalts, ohne dass er auch nur den geringsten Anhalt gefunden hätte, der ihm eine eindeutige Ansicht über den Unbekannten verschaffen konnte.

    Am Mittag desselben Tages meldete sich Berthold bereits wieder bei Clarus. Dieser fragte den Detektiv hastig nach dem Ergebnis seiner Nachforschungen.

    Der Detektiv begann: »In der Bibliothek sah ich einen Mann, auf den Ihre Beschreibung ganz genau passt. Er las Maeterlink »Das Leben der Bienen«, und ich musste lange warten, bis er fortging, um sich in seine Wohnung zu begeben. Das Ergebnis meiner Nachfragen, Telegrammwechsel mit auswärtigen Detektivbüros usw. ist, kurz gesagt: Der von Ihnen bezeichnete Mensch ist Schauspieler, heißt August Fischer, wohnt mit seiner Tante zusammen seit vier Tagen in der Wilmersdorfer Straße 9 im zweiten Stock. Er beabsichtigt, sich hier einige Wochen aufzuhalten. Sein Wohnsitz ist in Stuttgart, in der Theaterstraße 3. Mit Erfindungen soll er sich nie befasst haben, dagegen hat er eine besondere Vorliebe für das Studium der Tierwelt.«

    Der Patentanwalt sah den Sprecher verblüfft an und sagte nach einer kleinen Pause: »Sind Sie ganz sicher, den richtigen verfolgt und beobachtet zu haben?«

    »Haargenau denjenigen, den Sie mir in allen Einzelheiten beschrieben haben. Ich halte es für ausgeschlossen, dass sich zwei Menschen mit den von Ihnen aufgezählten Merkmalen gegenwärtig in Berlin befinden.«

    »Ich danke Ihnen, Herr Berthold.«

    Dieser empfahl sich.

    »Nun bin ich gespannt auf heute in acht Tagen«, sprach der Patentanwalt halblaut zu sich selbst.

    2

    MARTIN H AGEN UND F RITZ G UTENBERG WAREN Spiel- und Schulkameraden in einer Hafenstadt gewesen. Beide verließen im gleichen Jahr die Schule. Martin kam in eine Maschinenfabrik, Fritz ging bei einer Speditionsfirma in die Lehre. Nach beendeter Lehrzeit führte das Schicksal sie weit auseinander. Martin Hagen bekam eine Stellung auf einer großen Schiffswerft in Hamburg, wo er Gelegenheit fand, sich technisch fortzubilden; Fritz Gutenberg ging ins Ausland.

    In der ersten Zeit ihrer Trennung wechselten die Freunde häufig Briefe miteinander. Es schien, als wenn mit der Entfernung die Freundschaft gewachsen war, und beide hatten oft Sehnsucht nacheinander. Allein mit der Dauer der Trennung wuchs ein wohltuendes Vergessen empor, wie immer die Zeit eine stets neu bemusterte Decke wohltätig und freundlich über die kleinen und großen Leiden der Menschen ausbreitet. Der Briefwechsel zwischen den beiden Freunden wurde immer seltener, und nach einigen Jahren hörten sie nichts mehr voneinander.

    Seit dem letzten Briefaustausch zwischen den beiden waren nun bereits fünfzehn Jahre vergangen.

    Der Freund im Ausland hatte nach vielen Mühen, Entbehrungen und Reisen in Nordamerika endlich festen Fuß gefasst und sich in einer großen Fabrik in Chicago eine gute Stellung errungen. Durch Sparsamkeit und einfachen, schlichten Lebenswandel hatte er sich ein schönes Vermögen erspart, das ihn in die Lage versetzte, sich eine längere Zeit beurlauben zu lassen und größere Reisen zu unternehmen.

    Nachdem er Amerika durchquert hatte, zog es ihn mit Macht zurück zur heimatlichen Erde, zur heimischen Sprache. Er schiffte sich eines Tages von New York aus nach Deutschland ein. Hamburg, von wo aus sich der Pulsschlag des Handels über sein Heimatland erstreckte, war sein erstes Reiseziel.

    Anstelle des gigantischen Gepräges amerikanischer Großstädte zeigte ihm die deutsche Handelsmetropole ein ruhiges, ernstes Gesicht. Alte, ehrwürdige Kirchtürme, die einen großen Abschnitt deutschen Handels und Aufblühens während stürmischer und sonniger Tage erlebten, sahen wie alte Freunde und Beschützer auf das Schaffen und Treiben der Menschen in Straßen und Häfen, weit hinausragend über Rauch, Dunst und – Elend. Das alte Wahrzeichen Hamburgs, der Turm der großen Michaeliskirche, wiedererstanden in alter Form aus neuem Stoff, zeigte sich zuerst dem heimatliebenden Auge, als das Schiff, noch fern von der Stadt, elbaufwärts dampfte.

    Fritz Gutenberg setzte nicht ohne innere Erregung, nach langer Abwesenheit auf fremder Erde, seinen Fuß auf heimatlichen Boden. Bevor er weiterreiste, um die Städte seines Heimatlandes kennenzulernen und seiner eigenen Heimatstadt einen Besuch abzustatten, gedachte er, etwa eine Woche in Hamburg zu bleiben. Er nahm Quartier in einem Haus an der Außenalster, in einem Vorort, fern vom Großstadtlärm gelegen.

    Der nächste Tag war ein Sonntag. Fritz war früh aufgestanden und nahm seinen Morgenkaffee im Garten ein.

    Von diesem Platz aus genießt man einen herrlichen Überblick über die ganze Außenalster, den weit über Hamburgs und Deutschlands Grenzen bekannten, zu einem See erweiterten Nebenfluss der Elbe, auf dem sich viele Hunderte von Ruder- und Segelbooten am Tag und bis in die Nacht hinein tummeln. Kleine zierliche Dampfschiffe passieren hier in Zeitabständen von kaum fünf Minuten nach mehreren Richtungen die Landungsstelle und vermitteln einen fahrplanmäßigen Personenverkehr zwischen dem Herzen der Stadt, dem Jungfernstieg, und den verschiedenen Vororten Hamburgs. Lustige Melodien ertönen abends auf dem großen Konzertplatz, auf dem sich einheimische und fremde Besucher allabendlich zahlreich einfinden. Auf dem Wasser vor dem Konzertplatz liegen viele Gondeln und Boote, deren Insassen Ruder und Steuer aus der Hand gelegt haben, um den Klängen der Musikkapelle, die weit über das Wasser schallen, zu lauschen. Im Sommer leuchten die Umrisse des Uhlenhorster Fährhauses im Glanz tausender elektrischer Glühlampen; und auf dem Wasser strahlen bei feierlichen Anlässen die Boote aus unzähligen Lampions ein vielfarbiges Licht über die dunklen Fluten aus. Über dem bunten Treiben steht in einsamer Höhe der Mond, dessen milder Schein gegen die hier unten auf der Erde hergestellte Lichtfülle verblasst.

    Der Pförtner dieses Hauses war mit der Ordnung der Tische und Stühle, die heute Nachmittag die Sonntagsgäste aufnehmen sollten, beschäftigt. Diesen fragte Fritz Gutenberg nach den Sehenswürdigkeiten von Hamburg.

    Er fing an aufzuzählen: »Zoologischer Garten, Hafenrundfahrt mit Besichtigung eines Ozeandampfers, Museum, Kunsthalle, Rathaus mit vorzüglichem Weinkeller, Elbtunnel, Hoch- und Untergrundbahn …«

    Sicherlich hätte der buntbestresste Hüter des Tores noch sämtliche Sehenswürdigkeiten aufgezählt, die in gedruckten Führern, fein alphabetisch geordnet, für einige Münzen zu haben sind, wenn Fritz ihn nicht unterbrochen hätte: »Aber das Beste sagten Sie mir bis jetzt nicht, von dem man sogar in Amerika spricht!«

    »Ach, der Herr meinen wohl den Austernkeller in …«

    »Nein, ha, ha, ha. – Wenn Sie wieder nach Hamburger Sehenswürdigkeiten gefragt werden, dann nennen Sie zuerst Hagenbeck; das ist für heute auch mein Ziel.«

    »Hagenbeck – na gut. Das liegt aber in Stellingen, und Sie fragten nach Hamburger Sehenswürdigkeiten«, sagte pfiffig der Mann mit den blanken Knöpfen.

    Eine Stunde später befand Fritz sich im »Tonparadies«.

    So etwas gab es in dem sonst in jeder Beziehung konkurrenzlosen Amerika bisher noch nicht. Nachdem Fritz Gutenberg den Park durchwandert hatte und bereits ans Fortgehen dachte, zog es ihn noch einmal zum Eismeerpanorama, wo Menschenwitz ein reizvolles Stück Nordland mit seinen weißen Bewohnern und den blankhäutigen Seelöwen künstlerisch gruppiert hat, als wäre es aus der kalten Wirklichkeit des hohen Nordens herausgeschnitten und hierher gestellt worden.

    Ganz vertieft in die scheinbare Wirklichkeit dieses Fleckchens nachgeahmter Natur vernahm Fritz hinter sich eine wohlklingende Stimme, die zwei Kinder erklärend auf die Einzelheiten der Eisbärengrotte aufmerksam machte, und die ihn, wie aus ferner Zeit, an Heimat und Jugend erinnerte. Er drehte sich um und sah in das ihm völlig fremde Gesicht eines Mannes mit blauen Augen und schönem Vollbart.

    Aber die Stimme …

    »Könnte es angehen, dass die Stimmen zweier Menschen sich genau gleichen, oder – «, Gutenberg dachte den letzten Satz nicht zu Ende. Er drehte sich schnell herum und wandte sich an den Besitzer der ihm bekannt erscheinenden Stimme: »Verzeihen Sie mein Herr, habe ich vielleicht das Vergnügen, Martin Hagen aus Bremen vor mir zu sehen?«

    »Allerdings, mein Name ist Hagen, mit wem habe …«

    Fritz ließ ihn nicht ausreden. Ihm beide Hände entgegenstreckend, rief er mit freudiger Überraschung: »Martin, mein guter alter Freund! Dein Gesicht ist mir zwar fremd geworden, doch deine Stimme ließ mich dich finden.«

    Nach einigen Augenblicken des Erstaunens erkannte Martin seinen Jugendfreund ebenfalls: »Mein lieber Freund Fritz, woher kommst du denn so unerwartet?«

    »Gestern traf ich mit dem Dampfer ›Ocean‹, von New York kommend, hier ein; und einen Tag später schon muss ich dahin gehen, wo ich zufällig deine Stimme zu hören bekomme. Wie sonderbar, dass man nach fünfzehn Jahren die Stimme eines Menschen überhaupt noch wiedererkennt.«

    »Ja, die Sprache erkennt man aus Tausenden heraus und nach Jahrzehnten wieder. Sie ist ein wichtiger und leicht erkennbarer Teil der Eigenart eines Menschen.«

    »Martin, wie geht es dir? Die zwei sind deine Kinder? Du bist also verheiratet; hast du selbst ein Geschäft?«

    »Gut geht es mir. Ich bin Ingenieur auf einer großen Schiffswerft und habe eine liebe Frau.« Damit stellte Martin seinem Freund eine blauäugige Blondine mit freundlichem Gesichtsausdruck vor.

    »Mein Mann hat oft von Ihnen aus seinen Kinder- und Jünglingsjahren erzählt, und ich bin hocherfreut, Sie nun auch persönlich kennenzulernen und einen stillen, stets gehegten Wunsch meines Mannes in Erfüllung gehen zu sehen. Und so überraschend, das ist einfach entzückend«, sagte Martins Frau mit vor aufrichtiger Freude strahlendem Antlitz.

    »Und wie freue ich mich«, sagte Fritz, »so schnell nach meiner Ankunft auf deutschem Boden durch einen glücklichen Zufall meinen einzigen Freund, den ich in Deutschland besitze, wiedergefunden zu haben. Es ist mir eine besonders große Freude, von aufrichtigen Augen und freundlichen Lippen willkommen geheißen zu werden.«

    »Wir wollen lieber sagen«, fügte Martin ein, »eine weise Fügung führte uns hier zusammen, weil es in unserem Schicksal so begründet liegt.«

    »Ach Junge, du glaubst doch wohl nicht etwa an eine Vorherbestimmung?«, entgegnete Fritz. »Zufall und Glück spielen im Leben eine große Rolle. Ohne Zufall hätten wir uns doch hier in diesem Menschengewühl wohl nicht getroffen, und ohne einen glücklichen Zufall wäre ich schwerlich in die Lage gekommen, mir eine Vergnügungsreise nach Deutschland leisten zu können. Du kennst ja meine Verhältnisse von früher.«

    »Gewiss mag man hier und da von Zufall sprechen können«, sagte Martin. »Doch wenn es sich um etwas handelt, das nicht ohne Zweck geschieht, so hatte die Erfüllung des Zwecks eine, oder besser gesagt, ihre Ursache; denn ohne Ursache gibt es doch keine Wirkung. Erkennen wir die Ursachen, deren Gesamtwirkung auf eine Zweckerfüllung hinausläuft, dann können wir die Geschehnisse nicht mehr mit dem Wörtchen Zufall abtun.«

    Inzwischen war die kleine

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