Alles zu seiner Stunde: Band 1
Von Theres Wallisch
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Über dieses E-Book
Die Vorbesitzer des Rieshofs, Walburga und Ägidius Biber, sind durch mehrere Unglücksfälle gezwungen ihren Hof aufzugeben. In dem jungen Ehepaar Wagner finden sie würdige Nachfolger.
Josephs und Anna-Marias Wunsch nach einem Kind will sich über viele Jahre nicht erfüllen. Dann, als sie die Hoffnung schon aufgegeben haben, kommt 1805 die Tochter Josepha zur Welt.
In der Hebamme Creszenz Wolf findet die ldig geborene Anna-Maria eine mütterliche Freundin, die ihr in all den Jahren mit Rat und Tat zur Seite steht.
Als Josepha 12 Jahre alt ist, soll sie für mehrere Wochen zu Verwandten. Dieser Aufenthalt prägt Josepha maßgebend.
In Ihrer Base Victoria findet Josepha eine Vertraute, die sich in sie einfühlen kann. Mit Victorias Hilfe entwickelt Josepha ein Selbstbewusstsein, dass sie bisher nicht hatte.
In Reichenau trifft sie zum ersten Mal auf die junge Hebamme Candida Riepold. Das Verhalten der Hebamme verunsichert Josepha immer wieder aufs Neue.
Irgendetwas ist mit dieser Candida, dass sie sich nicht erklären kann.
Dass Candida ein lang gehütetes Familiengeheimnis bewahrt, weiß Josepha zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Mit großen Erwartungen kehrt Josepha nach Hause zurück. Auf dem Rieshof entwickelt sich alles anders als sie sich es ausgemalt hat.
Das Leben geht weiter.
Eine herbe Enttäuschung führt dazu, dass Josepha in ein tiefes Loch fällt. Nur durch die Unterstützung ihrer Familie fasst sie wieder Fuß.
Ängste, Hoffnungen und Wünsche haben bis dahin ihre Persönlichkeit geprägt.
Das Schicksal fordert sie in Weil, bei ihrer Mentorin, heraus. Kann Josepha diesem die Stirn bieten?
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Buchvorschau
Alles zu seiner Stunde - Theres Wallisch
Kapitel 1
Zum letzten Mal sitzen der alte Riesbauer und die alte Riesbäuerin auf der Bank vor ihrem Hof.
Wehmütig blicken sie auf ihre Felder und die gewohnte Umgebung.
Die Abendsonne taucht die Landschaft in ein wunderschönes Licht.
Es ist der letzte Abend, den die Bauersleute hier, in ihrer Heimat, verbringen.
Zärtlich tätschelt er ihre Hand und sagt leise:
„Morgen beginnt ein neuer Lebensabschnitt, unser letzter."
Seine Frau sieht ihn traurig an. Ja, morgen werden sie für immer ihren Hof verlassen.
Der alten Riesbäuerin fällt der Abschied besonders schwer. Es ist ihr Elternhaus. Ihre Heimat.
Manchmal hat sie immer noch das Gefühl, dass ihre kleinen Mädchen gleich um die Ecke gerannt kommen und voller Stolz die eingesammelten Hühnereier zeigen. Oder sie bringen ihr einen Blumenstrauß aus Korn- und Mohnblumen. Tränen laufen der Riesbäuerin über die Wangen, wenn sie an ihre Burgel und Josepha denkt.
Der Tag hatte so schön angefangen. Sie hatte die Kleinen ins Gras gesetzt und ihnen gezeigt, wie sie mit Gänseblümchen einen Blumenkranz binden können.
Die Mädchen, sie waren sechs und fünf Jahre alt, fragten die Mutter nach einem kleinen Korb, damit sie die gepflückten Gänseblümchen sammeln könnten. Es war einfach herzig, wie die zwei die wohl schönsten Gänseblümchen suchten, die es auf der Wiese gab.
Voller Stolz sind die beiden Mädchen nach vollendeter Suche zur Mutter in die Küche gerannt und haben ihr ihre Ausbeute gezeigt.
„Jetzt, so sagten sie, „machen wir für jeden einen Kranz. Für dich, Vater, und für uns beide, und dann gehen wir damit zur Maiandacht.
Josepha, die kleinere von beiden, war ganz vertieft in ihre Arbeit. Sie wollte wohl den schönsten und größten Blumenkranz machen. Ganz so wollten ihre kleinen Fingerchen aber nicht, sodass ihre Schwester Burgel immer wieder helfen musste. Für die Mutter war es richtig schön, ihre beiden Mädchen so einträchtig beieinander zu sehen.
Kurz vor dem Mittagessen waren die Blumenmädchen mit ihren Kränzen fertig. Ausnahmsweise durften Burgel und Josepha ihren Blumenschmuck anbehalten. Die Eltern bekamen auch jeweils einen Kranz, diese aber legten sie auf die Ofenbank.
Der Riesbauer hatte eine rechte Freude an seinen beiden Mädchen. Kurz entschlossen versprach er seinen drei Mädels, dass sie heute mit ihm in der Kutsche zur Kirche fahren dürften.
Der Riesbauer hatte sich überlegt, nach der Kirche eine kleine Rundfahrt mit der Kutsche um Münster herum zu machen, damit die beiden Mädchen ihre Blumenkränze ausführen könnten. Da würden sich alle freuen, auch er hätte seinen Spaß dabei.
Die beiden kleinen Mädchen waren der Blickfang unter den älteren Kirchgängern.
Burgel und Josepha waren recht unbefangen.
„Das Ave-Maria haben sie sehr andächtig mitgebetet", sagte eine der Kirchgängerinnen im Nachhinein anerkennend.
Was dann genau auf der Rückfahrt passiert ist, weiß man nicht.
Die junge Familie ist nach der Kirche durch den Wald heimgefahren.
Als sie nicht wie gedacht zu Hause ankamen, hatte man sich auf dem Rieshof Sorgen gemacht und die Bauersfamilie gesucht.
Man wusste, dass der Riesbauer den Weg durch den Wald nehmen würde, da dies die längere Strecke war und die kleinen Mädchen ja ihre Blumenkränze ausführen wollten.
Das gesamte Gesinde machte sich auf den Weg und suchte nach den Herrschaften. Schließlich fand man die Riesbauerfamilie schwer verletzt.
Das Pferd war wohl durchgegangen und dabei muss der Kutschbock umgefallen sein.
Die zwei kleinen Mädchen waren so schwer verletzt, dass sie an den Folgen der Verletzungen wenige Tage später starben.
Der Unfall war über Tage das Gesprächsthema in und um Münster. Selbst heute noch sprechen Leute hin und wieder von der Tragödie.
Die Sonne ist bereits untergegangen. Es ist Nacht geworden. Die Eheleute gehen ins Haus und die Riesbäuerin richtet das Nachtmahl her. Sie deckt den Tisch für drei Personen.
Die Türe zur Küche geht auf und ein junger Mann betritt sie. Er tut sich schwer, aufrecht zu gehen, auch zieht er sein linkes Bein nach.
Andreas, der Sohn von Ägidius und Walburga Biber, weiß, dass die Eltern den Hof aufgeben werden, weil er ihn nicht weiterführen kann.
Vor über zwei Jahren ist Andreas bei Ausbesserungsarbeiten am Stall von der Leiter gefallen und hat sich dabei das Becken gebrochen.
Er trat ins Leere, da eine der Sprossen gebrochen war, und fiel mit einem lauten Aufschrei, zusammen mit der Leiter, zu Boden.
Der Doktor kam erst zwei Tage später aus Bruck. Seine Einschätzung war niederschmetternd. Nur unter strenger Bettruhe für die nächsten Monate kann es mit viel Glück sein, dass Andreas wieder laufen lernt. Auf dem Hof aber wird er nicht mehr mitarbeiten können. Er ist invalide.
Der Riesbauer weiß, dass Andreas sich Selbstvorwürfe macht, weil er wegen des Unfalls den Hof zusammen mit seinen Eltern nicht weiterführen kann.
Wie es seine Art ist, tätschelt der Vater die Hand seines Sohnes.
„Es ist alles in Ordnung, Sohn. Wer weiß, wofür es gut ist. Klar hätten deine Mutter und ich gern bis zu unserem Lebensende hier auf dem Hof, im Austragshaus, leben wollen, aber das hat das Schicksal, Gott, eben nicht vorgesehen", sagt Ägidius Biber.
Andreas ist froh, dass die Eltern ihm nicht das Gefühl geben, dass er schuld an der Situation ist. Dass es für sie in Ordnung geht, so wie es ist.
Er und seine Eltern werden morgen zu den Schmied-Bauersleuten ziehen. Die Schmied-Bäuerin ist die Schwester seiner Mutter.
Am nächsten Morgen, es ist der letzte Tag für die Familie in ihrem alten Haus, wartet man auf Joseph und Anna-Maria Wagner, die neuen Pächter des Hofes.
Pünktlich, wie vereinbart, fahren Joseph und seine Frau auf dem Gehöft vor.
Sie werden herzlichst von dem alten Ehepaar und deren Sohn begrüßt.
Gemeinsam sitzen sie bei einer warmen Tasse Milch und Apfelnudeln am Tisch. Viel gibt es nicht mehr zu besprechen.
Anna-Maria lässt sich in der Küche noch einiges erklären. Joseph geht zwischenzeitlich mit dem alten Riesbauern noch einmal durch den Stall und den Geräteschuppen.
Zeit, Abschied zu nehmen. Andreas und seine Mutter sitzen bereits auf dem Fuhrwerk, während sein Vater und Joseph Wagner die letzte Kiste auf den Wagen heben.
Ägidius Biber übergibt Joseph Wagner die Schlüssel für den Rieshof.
Kapitel 2
Joseph und Anna-Maria Wagner winken den alten Riesbauersleuten und deren Sohn nach.
Joseph dreht sich zu seiner Frau um, nimmt sie bei der Hand und führt sie zur Haustür. Er steckt den Schlüssel hinein und drückt die Klinke herunter. Rasch öffnet er die Haustür und die beiden gehen händchenhaltend in den Flur ihres neuen Zuhauses.
Nun sind sie die neuen, die jungen Riesbauern!
Die jungen Bauersleute ziehen die Luft hörbar ein. Ja, das ist ihr neues Zuhause. Hier werden sie ab heute leben und arbeiten.
Für Joseph und Anna-Maria gibt es heute noch nicht viel zu tun. Josephs und Anna-Marias Truhe muss noch in die Kammer gebracht werden und das ein oder andere muss noch seinen Platz finden.
Viel haben die Eheleute nicht in ihr neues Heim mitgenommen. Sie besitzen nicht viel. Sie sind einfache Leut’.
Anna-Maria geht in die Stube. Dort im sogenannten Herrgottswinkel hängt sie ihr Kruzifix auf. Darunter stellt sie eine Muttergottesstatue.
Anna-Maria betet jeden Abend und dankt Gott für den Tag. Mehrmals im Jahr betet sie auch eine neuntägige Novene. Ihr Glaube gibt ihr Halt.
Joseph war zwischenzeitlich im Stall und ist allein um den Hof gelaufen. Er hat seine Gedanken schweifen lassen.
Auf dem Hof hat er den Knecht Michel und die Magd Genoveva, zu der alle nur Eva sagen, getroffen.
Es sind die einzigen Leute, die die Wagners von den alten Riesbauern übernommen haben.
Die alten Riesbauersleute haben den Großteil ihrer Felder an umliegende Bauern verpachtet. Gleichzeitig haben sie dafür gesorgt, dass das ganze Gesinde mit Ausnahme von Michel und Eva bei den anderen Bauern in der Nähe unterkommen konnte. Sonst hätten Joseph und Anna-Maria niemals den Hof übernehmen können.
In der Gegend wechselt das Gesinde an Lichtmess, dem 2. Februar, oder am 29. September, an Michaeli, die Stelle.
Mittlerweile ist es Nachmittag geworden. Die Jungbauern haben ihr Hab und Gut eingeräumt.
Anna-Maria hat den Wäscheschrank gefüllt und die Sonntagskleidung in diesen gehängt.
Joseph hat mit Michels Hilfe einen Platz gefunden, wo er seinen Schnitzblock aufstellen und das dazugehörende Werkzeug aufbewahren kann.
Joseph und Anna-Maria machen sich auf den Weg, die Gegend zu erkunden. Ganz fremd ist ihnen die Umgebung nicht, aber nun werden sie hier leben, das fühlt sich anders an. Es ist anders.
Das junge Paar läuft von der naheliegenden Kapelle den Hügel hinauf. Von hier aus sieht man den Rieshof und die umliegenden Felder.
Beide sehen sich voller Ehrfurcht an. Gehören tut ihnen der Rieshof zwar nicht, aber man hat ihnen die Möglichkeit geschaffen, es zu etwas zu bringen.
Ohne ein Wort zu sagen, versprechen sie sich beide, dass sie die Herausforderung annehmen werden und das in sie gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen wollen. Gemeinsam werden sie es schaffen. Unabhängig davon, was das Schicksal mit ihnen vorhat.
Anna-Maria kann in dieser Nacht nicht schlafen, sie ist zu aufgewühlt. Es war ein ereignisreicher Tag. Seit heute, dem 27. September 1797, sind sie und ihr Mann Pächter des Rieshofes.
Ihre Gedanken schweifen zurück.
Vor etwas mehr als zwei Jahren kam sie als Hilfsmagd und Küchenhilfe auf den Rieshof. Es war zu der Zeit, als der Bauerssohn den schweren Unfall hatte und sich seine Mutter um seine Pflege kümmern musste.
Über den Orts-Pfarrer Müller ließ die alte Riesbäuerin bei Anna-Maria anfragen, ob sie nicht bei ihr in den Dienst gehen möchte.
Anna-Maria nahm das Angebot dankend an.
Später erzählte ihr die alte Riesbäuerin, wie das damals war.
Pfarrer Müller wusste von dem Unfall und der Aussage des Doktors, dass Andreas nur durch eine ständige Pflege eine geringe Chance haben würde, wieder laufen zu können.
Er besuchte die alte Riesbäuerin und schlug ihr vor, Anna-Maria Hauser vom nahegelegenen Ort Bach in Dienst zu nehmen.
„Riesbäuerin, sagte der Pfarrer zur Hofbesitzerin, „du tust ein gutes Werk, wenn du die junge Hauserin bei dir aufnimmst. Anna-Maria hat vor gut einem Jahr ihre Mutter verloren. Sie ist ganz allein auf der Welt. Verwandte kennt sie nicht und als sogenanntes Lediges tut sie sich auch schwer in der Gesellschaft
, meinte der Geistliche nachdenklich zur Bauersfrau.
Die alte Riesbäuerin brauchte nicht lange zu überlegen. Nur allzu gern nahm sie die Hauserin in ihren Haushalt und schließlich in ihre Familie auf. Anna-Maria ist der Riesbäuerin dafür auf immer dankbar. In kurzer Zeit wurde die alte Bäuerin zu einer mütterlichen Freundin.
Joseph Wagner war Knecht bei der Schwester der Riesbäuerin. So haben sich Anna-Maria und Joseph kennengelernt. Ganz langsam ist ihre Freundschaft gewachsen.
Heuer zu Lichtmess war sie beim Wirt in Bach in Stellung gegangen. Die Riesbäuerin hatte sie zwar nur ungern gehen lassen, meinte aber, dass es für sie besser wäre, wenn sie beim Wirt in Stellung geht, weil sie und der Bauer noch nicht wissen, wie es mit ihnen und dem Hof weitergehen wird.
Sooft es möglich war, hat Anna-Maria die Riesbauern und deren Sohn Andreas besucht.
An Johanni hat die Riesbäuerin sie zur Seite genommen.
„Ich habe gehört, du und der Joseph seid jetzt ein Paar", sagte sie lächelnd zu ihr.
Anna-Maria ist dabei rot angelaufen.
„Ja, das stimmt, aber ich dachte, das weiß niemand."
Die Riesbäuerin lachte schallend auf.
„Kind, du lebst auf dem Land, da wissen die anderen schon vorher Bescheid, bevor du es selbst weißt."
Ja, das hätten wir wissen müssen, dass unsere Beziehung nicht lang geheim bleiben wird dachte Anna-Maria bei sich.
Die Riesbäuerin setzte sich neben sie.
„Hör mir zu, Mädel, der Bauer und ich haben uns überlegt, dass ihr, du und Joseph, den Rieshof pachten könntet. Was sagst du dazu?"
Sie schaute die Riesbäuerin entgeistert an.
„Wir sollen den Rieshof pachten? Das schaffen wir nicht, wie soll das gehen? Und dann sind wir ja noch nicht einmal verheiratet."
„Der Bauer und ich haben uns schon alles überlegt. Ihr pachtet nur den Hof und das ein oder andere Feld. Vom Gesinde glauben wir, dass Michel und Eva am besten zu euch passen werden, und den Rest müsst ihr schon selbst besorgen", sagte die mütterliche Freundin zu ihr.
Joseph wusste anscheinend schon von dem Plan, denn als sie sich das nächste Mal sahen, fragte er sie, was sie von dem Vorschlag der Riesbauersleute halten würde. Zögernd hatte sie zu dem Vorhaben zugestimmt.
Mit ihm würde sie es versuchen. Zusammen könnten sie es schaffen.
Einige Wochen später, am 23. Juli 1797, haben sie dann geheiratet.
Nun liegt sie hier als junge Riesbäuerin neben ihrem Mann und hofft, dass das Schicksal es gut mit ihnen meint.
Kapitel 3
Es ist der 8. Dezember 1799, Maria Empfängnis. Anna-Maria und Joseph erwarten die alten Riesbauersleute zum Mittagessen.
Seit mehr als zwei Jahren sind sie nun schon als Pächter auf dem Rieshof.
Es war eine große Umstellung vom Knecht zum Bauer beziehungsweise von der Magd zur Hausfrau und Bäuerin.
Gemeinsam haben es die jungen Bauersleute geschafft.
Sie gelten als fleißig, hilfsbereit und gottesfürchtig. Wenn jemand Hilfe benötigt, dann kann er meistens mit der Unterstützung von Joseph und Anna-Maria rechnen.
Trotz alledem meinte es das Schicksal nicht immer nur gut mit den jungen Bauersleuten. Schon zweimal war Anna-Maria guter Hoffnung gewesen. Leider hat sie jedes Mal das ungeborene Kind verloren. Der Verlust der Kinder stellte die Eheleute und ihren Glauben auf eine harte Probe.
Anna-Maria macht sich selbst die größten Vorwürfe. Sie glaubt, dass sie allein daran schuld ist, dass sie die Kinder nicht behalten konnte. Oft sitzt sie am Tisch und weint. In diesen Momenten kann sie sich zu nichts aufraffen. Am liebsten würde sie dann zu Bett gehen und erst wieder aufwachen, wenn alles gut ist.
Diese Momente sind für Joseph besonders bedrückend. Er steht der Situation hilflos gegenüber. Anna-Maria lässt es in diesen Augenblicken nicht zu, dass er sie in den Arm nimmt, sie berührt.
Er versucht, ihr gut zuzureden. Ihr zu verstehen geben, dass sie nicht daran schuld ist, sondern dass es einfach noch nicht sein soll.
Sie sind doch noch jung, sie haben doch noch Zeit. Anna-Maria weiß, dass Joseph recht hat, aber es fällt ihr schwer, das Schicksal anzunehmen.
Heute freuen sich beide auf den Besuch ihrer Verpächter.
Pünktlich zur Mittagszeit fährt der Besuch auf den Hof. Mit einem herzlichen „Grüß Gott" begrüßt man sich. Andreas, der Sohn der alten Bauersleute, ist auch mitgekommen.
Joseph und Anna-Maria schauen sich lächelnd an. Irgendetwas ist anders mit Andreas. Er wirkt gepflegter, ausgeglichener, fröhlicher.
„Na, was ist denn mit dir passiert?, fragt Joseph Andreas. „Du siehst ja ganz verändert aus, bist du verliebt?
Andreas lächelt zurück.
„Ja, ich bin seit zwei Wochen verlobt und werde am 23. Januar meine Ottilie heiraten", antwortet er Joseph.
Deswegen ist er heute mitgekommen, um sie beide zu seiner Hochzeit einzuladen.
Anna-Maria freut sich für Andreas. Schließlich hat er es seit dem Unfall nicht leicht, er ist ja erheblich eingeschränkt.
Nach dem Essen wird Andreas von den Jungbauern mit Fragen zu seiner Verlobten überhäuft. Beide freuen sich, dass Andreas sein Glück gefunden hat.
Freudestrahlend fängt Andreas an, den beiden seine Geschichte zu erzählen.
Da er aufgrund seines Unfalls so gut wie nichts machen kann, steht er eigentlich jeden Tag nur am Gartentürchen des Krautgartens. Der kleine Garten ist mittlerweile sein Reich. Es tut sich zwar schwer und braucht etwas länger, aber er kommt sich durch die Gartenpflege wenigstens nicht nutzlos vor.
In seinem Krautgarten hat er neben Rhabarber auch einige Sträucher mit Beeren. Stachelbeeren, Johannisbeeren, rote und schwarze, sowie Brom- und Himbeeren.
„Irgendwann ist mir aufgefallen, dass eine Frau mit einem kleinen Mädchen immer an den gleichen Wochentagen am Garten vorbeilief. Aber mehr als ein „Grüß Gott" haben wir nie miteinander gesprochen. Lange habe ich mich nicht getraut, die Frau anzusprechen. Was habe ich schon zu erzählen, was eine Frau interessieren könnte?
Nach Pfingsten habe ich bemerkt, dass ich das kleine Mädchen, Sophie heißt sie, schon länger nicht mehr gesehen habe. Ich nahm mir ein Herz und fragte die Frau, wo die kleine Sophie sei. Es ist ihr doch hoffentlich nichts passiert.
Sie lächelte mich an, bedankte sich für die Nachfrage, aber mit Sophie war alles in Ordnung. Sie ist jetzt wieder bei ihrer Familie. Während ihre Schwester im Kindbett lag, hatte sie die Kleine vorübergehend zu sich genommen, da sich niemand um sie kümmern konnte.
Nach diesem Tag ist Ottilie immer wieder am Zaun stehen geblieben und wir haben uns unterhalten.
Als der erste Rhabarber reif war, habe ich ihr einen geschenkt, damit sie einen Kuchen backen konnte. Tags darauf hat sie mir dann einige Kuchenstücke vorbeigebracht.
So haben wir uns letztes Jahr
