L'Adultera: Roman
Von Theodor Fontane und André Hoffmann (Editor)
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Über dieses E-Book
L'Adultera, geschrieben von Theodor Fontane und 1882 veröffentlicht, ist eine eindrucksvolle und feinfühlige Erzählung, die sich mit den Themen Ehebruch und gesellschaftliche Konventionen im 19. Jahrhundert auseinandersetzt.
Im Zentrum der Handlung steht die junge, schöne Melanie van der Straaten, geborene de Caparoux, eine Genferin, die im Alter von etwa siebzehn Jahren den um ein Vierteljahrhundert älteren Berliner Kaufmann Ezechiel van der Straaten heiratet. Aus dieser Ehe gehen zwei Töchter hervor, Lydia und Heth, die jeweils unterschiedliche Aspekte ihrer Eltern widerspiegeln.
Die Erzählung beginnt mit Melanies Leiden unter den Eigenheiten ihres Mannes: Ezechiels ungehobelte Bemerkungen und ständige Eifersucht belasten die Ehe. Diese Eifersucht wird durch eine Kopie des Gemäldes "L'Adultera" von Jacopo Tintoretto symbolisiert, das Ezechiel als ständige Mahnung in ihr Zuhause holt.
Das Geschehen nimmt eine entscheidende Wendung, als der charmante und ordensgeschmückte Ebenezer Rubehn, der Sohn eines Frankfurter Geschäftsfreundes, in den Haushalt der van der Straatens einzieht. Melanie, von Rubehns gegensätzlichem Wesen fasziniert, nähert sich ihm an, was schließlich zur Flucht aus ihrem bisherigen Leben führt.
Die Reise mit Rubehn in den Süden und die spätere Geburt ihrer Tochter Aninettchen in Venedig markieren den Beginn eines neuen Lebensabschnitts für Melanie. Doch ihre Rückkehr nach Berlin bringt sie in Konflikt mit ihrer früheren Gesellschaft und ihren Töchtern. Lydia, die ältere Tochter, weist Melanie schroff zurück, während Heth zunächst noch Zugang zu ihrer Mutter findet.
Der Bankrott von Rubehns Bankhaus zwingt das Paar, ein bescheidenes Leben zu führen. Melanie beginnt Musik- und Nachhilfestunden zu geben, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Ihre Haltung beeindruckt die Berliner Gesellschaft, die sich nun ihrer neuen Situation gegenüber wohlwollender zeigt.
L'Adultera ist ein zeitloses Werk, das durch seine tiefgründige Erzählweise und die präzise psychologische Darstellung besticht. Fontanes meisterhafte Erzählkunst und seine feine Beobachtungsgabe machen diese Novelle zu einer fesselnden Lektüre, die die Leser tief berührt und zum Nachdenken anregt. Ein Meisterwerk der deutschen Literatur, das auch heute noch nichts von seiner Relevanz verloren hat.
Theodor Fontane
Theodor Fontane, 1819 in Neuruppin geboren, gilt als der bedeutendste Vertreter des poetischen Realismus in Deutschland. Über seine detaillierte Beschreibung von Einzelpersonen bringt Fontane häufig seine Kritik an der Gesellschaft zum Ausdruck. Neben Romanen schrieb er auch Erzählungen, Balladen und Gedichte, darunter das bekannte Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland. Fontane starb 1898 in Berlin.
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L'Adultera - Theodor Fontane
L'Adultera
Roman von Theodor Fontane
Vorwort
Erzählt wird die spannende Geschichte der jungen, schönen Melanie van der Straaten, geborene de Caparoux, einer Genferin, die im Alter von siebzehn Jahren den um ein Vierteljahrhundert älteren Berliner Kaufmann Ezechiel van der Straaten heiratet. Aus dieser Ehe gehen zwei Töchter hervor: Lydia, das Ebenbild ihrer Mutter, und Heth, das Lachen und die Lebhaftigkeit des Vaters. Zur Familie gehören auch die schrullige alte Dame Riekchen und die Klavierlehrerin Anastasia Schmidt, die regelmäßig eingeladen werden, mit Melanie und ihren Töchtern in die Tiergartenvilla zu ziehen.
Obwohl die Situation idyllisch scheint, leidet Melanie unter den Eigenheiten ihres Mannes: Seine unpassenden Bemerkungen und seine ständige Eifersucht belasten sie. Ezechiel lässt sogar eine Kopie des Gemäldes „L’Adultera" anfertigen, um Melanie an ihre angebliche Untreue zu erinnern. Melanie ist von diesen Unterstellungen genervt, doch sie tut es als Laune ihres Mannes ab.
Der Hausstand wird im Frühsommer durch einen Logiergast erweitert: Ebenezer Rubehn, Sohn eines Frankfurter Geschäftsfreundes, zieht ein. Melanie ist sofort von ihm angetan, und er erweist sich als das Gegenteil ihres ungehobelten Ehemanns. Melanie und Ebenezer kommen sich schnell näher.
In dieser Situation sieht Melanie nur eine Möglichkeit: die Flucht aus dem Haus van der Straatens und ein neues Leben mit Ebenezer. Mit Hilfe der alten Dienerin Christel verlässt sie nachts das Haus. Ezechiel versucht, sie zum Bleiben zu bewegen, verspricht sogar, das Kind als sein eigenes zu akzeptieren, doch Melanie bleibt entschlossen.
Mit Ebenezer reist Melanie in den Süden. Nach der Scheidung von Ezechiel und der Eheschließung mit Ebenezer bringt sie in Venedig ihre dritte Tochter zur Welt. Zurück in Berlin stellt sie fest, dass sie nicht vollständig von der Gesellschaft verstoßen ist. Doch das Wiedersehen mit ihren älteren Töchtern endet im Fiasko, da Lydia ihre Mutter ablehnt.
Ebenezer hat geschäftliche Sorgen, und das Bankhaus Rubehn muss den Bankrott erklären. Melanie sieht darin eine Chance für einen Neuanfang. Sie ziehen aus der großzügigen Wohnung aus, und Ebenezer sucht sich eine Anstellung, während Melanie Musik- und Nachhilfestunden gibt. Die Gesellschaft, die bisher zu Ezechiel gehalten hat, wendet sich nun dem jungen liebenden Paar zu, das zeigt, dass wahre Liebe und Entschlossenheit alle Hindernisse überwinden können.
Diese packende Erzählung von Fontane beleuchtet die Konflikte zwischen Ehre, Liebe und gesellschaftlichem Druck im preußischen Milieu und fesselt mit tiefgründiger Charakterzeichnung und historischer Authentizität.
Theodor Fontane war ein herausragender Schriftsteller des poetischen Realismus in Deutschland. Während seiner Lehrzeit in Berlin kam er in Kontakt mit dem Literaturbetrieb und war Mitglied des literarischen Vereins Tunnel über der Spree, wo er literarische Förderung und gesellschaftliche Anerkennung fand. 1849 gab er seinen Apothekerberuf auf, um freier Schriftsteller zu werden. 1850 heiratete er Emilie Rouanet-Kummer und hatte mit ihr sieben Kinder. In den folgenden Jahren reiste Fontane nach London und arbeitete als Korrespondent, bevor er sich der Reiseliteratur widmete. Fontane schrieb auch über Kriege und war als Theaterkritiker tätig. In den 1870er Jahren entschloss er sich, wieder als freier Schriftsteller zu leben, was zu schweren Ehekrisen führte. Trotz gesundheitlicher Probleme schrieb er einige seiner bedeutendsten Romane wie „Effi Briest". Seine Werke sind geprägt von ironischem Humor und einer feinen Beobachtungsgabe, die die Gesellschaft und menschliche Schwächen meisterhaft darstellen. Fontane hinterlässt ein literarisches Erbe, das bis heute fasziniert.
Im Dezember 2024
1 Kommerzienrat Van der Straaten
Der Kommerzienrat Van der Straaten, Große Petristraße 4, war einer der vollgültigsten Finanziers der Hauptstadt, eine Tatsache, die dadurch wenig alteriert wurde, daß er mehr eines geschäftlichen als eines persönlichen Ansehens genoß. An der Börse galt er bedingungslos, in der Gesellschaft nur bedingungsweise. Es hatte dies, wenn man herumhorchte, seinen Grund zu sehr wesentlichem Teile darin, daß er zu wenig »draußen« gewesen war und die Gelegenheit versäumt hatte, sich einen allgemein gültigen Weltschliff oder auch nur die seiner Lebensstellung entsprechenden Allüren anzueignen. Einige neuerdings erst unternommene Reisen nach Paris und Italien, die übrigens niemals über ein paar Wochen hinaus ausgedehnt worden waren, hatten an diesem Tatbestande nichts Erhebliches ändern können und ihm jedenfalls ebenso seinen spezifisch lokalen Stempel wie seine Vorliebe für drastische Sprichwörter und heimische »geflügelte Worte« von der derberen Observanz gelassen. Er pflegte, um ihn selber mit einer seiner Lieblingswendungen einzuführen, »aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen,« und hatte sich, als reicher Leute Kind, von Jugend auf daran gewöhnt, alles zu tun und zu sagen, was zu tun und zu sagen er lustig war. Er haßte zweierlei: sich zu genieren und sich zu ändern. Nicht als ob er sich in der Theorie für besserungsunbedürftig gehalten hätte, keineswegs, er bestritt nur in der Praxis eine besondere Benötigung dazu. Die meisten Menschen, so hieß es dann wohl in seinen jederzeit gern gegebenen Auseinandersetzungen, seien einfach erbärmlich und so grundschlecht, daß er, verglichen mit ihnen, an einer wahren Engelgrenze stehe. Er sähe mithin nicht ein, warum er an sich arbeiten und sich Unbequemlichkeiten machen solle. Zudem könne man jeden Tag an jedem beliebigen Konventikler oder Predigtamtskandidaten erkennen, daß es doch zu nichts führe. Es sei eben immer die alte Geschichte, und um den Teufel auszutreiben, werde Beelzebub zitiert. Er zög' es deshalb vor, alles beim alten zu belassen. Und wenn er so gesprochen, sah er sich selbstzufrieden um und schloß behaglich und gebildet: »O rühret, rühret nicht daran,« denn er liebte das Einstreuen lyrischer Stellen, ganz besonders solcher, die seinem echt berlinischen Hange zum bequem Gefühlvollen einen Ausdruck gaben. Daß er eben diesen Hang auch wieder ironisierte, versteht sich von selbst.
Van der Straaten, wie hiernach zu bemessen, war eine sentimental-humoristische Natur, deren Berolinismen und Zynismen nichts weiter waren, als etwas wilde Schößlinge seines Unabhängigkeitsgefühls und einer immer ungetrübten Laune. Und in der Tat, es gab nichts in der Welt, zu dem er allezeit so beständig aufgelegt gewesen wäre, wie zu Bonmots und scherzhaften Repartis, ein Zug seines Wesens, der sich schon bei Vorstellungen in der Gesellschaft zu zeigen pflegte. Denn die bei diesen und ähnlichen Gelegenheiten nie ausbleibende Frage nach seinen näheren oder ferneren Beziehungen zu dem Gutzkowschen Vanderstraaten ward er nicht müde, prompt und beinahe paragraphenweise dahin zu beantworten, daß er jede Verwandtschaft mit dem von der Bühne her so bekannt gewordenen Manasse Vanderstraaten ablehnen müsse, 1. weil er seinen Namen nicht einwortig, sondern dreiwortig schreibe, 2. weil er trotz seines Vornamens Ezechiel nicht bloß überhaupt getauft worden sei, sondern auch das nicht jedem Preußen zuteil werdende Glück gehabt habe, durch einen evangelischen Bischof, und zwar durch den alten Bischof Roß, in die christliche Gemeinschaft aufgenommen zu sein, und 3. und letztens weil er seit längerer Zeit des Vorzugs genieße, die Honneurs seines Hauses nicht durch eine Judith, sondern durch eine Melanie machen lassen zu können, durch eine Melanie, die, zu weiterem Unterschiede, nicht seine Tochter, sondern seine »Gemahlin« sei. Und dies Wort sprach er dann mit einer gewissen Feierlichkeit, in der Scherz und Ernst geschickt zusammenklangen.
Aber der Ernst überwog, wenigstens in seinem Herzen. Und es konnte nicht anders sein, denn die junge Frau war fast noch mehr sein Stolz als sein Glück. Älteste Tochter Jean de Caparoux', eines Adligen aus der französischen Schweiz, der als Generalkonsul eine lange Reihe von Jahren in der norddeutschen Hauptstadt gelebt hatte, war sie ganz und gar als das verwöhnte Kind eines reichen und vornehmen Hauses großgezogen und in all ihren Anlagen aufs glücklichste herangebildet worden. Ihre heitere Grazie war fast noch größer als ihr Esprit, und ihre Liebenswürdigkeit noch größer als beides. Alle Vorzüge französischen Wesens erschienen in ihr vereinigt. Ob auch die Schwächen? Es verlautete nichts darüber. Ihr Vater starb früh, und statt eines gemutmaßten großen Vermögens fanden sich nur Debets über Debets. Und um diese Zeit war es denn auch, daß der zweiundvierzigjährige Van der Straaten um die siebzehnjährige Melanie warb und ihre Hand erhielt. Einige Freunde beider Häuser ermangelten selbstverständlich nicht, allerhand Trübes zu prophezeien. Aber sie schienen im Unrecht bleiben zu sollen. Zehn glückliche Jahre, glücklich für beide Teile, waren seitdem vergangen, Melanie lebte wie die Prinzeß im Märchen, und Van der Straaten seinerseits trug mit freudiger Ergebung seinen Necknamen »Ezel«, in den die junge Frau den langatmigen und etwas suspekten »Ezechiel« umgewandelt hatte. Nichts fehlte. Auch Kinder waren da: zwei Töchter, die jüngere des Vaters, die ältere der Mutter Ebenbild, groß und schlank und mit herabfallendem, dunklem Haar. Aber während die Augen der Mutter immer lachten, waren die der Tochter ernst und schwermütig, als sähen sie in die Zukunft.
2 L'Adultera
Die Wintermonate pflegten die Van der Straatens in ihrer Stadtwohnung zuzubringen, die, trotzdem sie altmodisch war, doch an Komfort nichts vermissen ließ. Jedenfalls aber bot sie für das gesellschaftliche Treiben der Saison eine größere Bequemlichkeit, als die spreeabwärts am Nordwestrande des Tiergartens gelegene Villa.
Der erste Subskriptionsball war gewesen, vor zwei Tagen, und Van der Straaten und Frau nahmen wie gewöhnlich in dem hochpaneelierten Wohn- und Arbeitszimmer des ersteren ihr gemeinschaftliches Frühstück ein. Von dem beinah unmittelbar vor ihrem Fenster aufragenden Petri-Kirchturme herab schlug es eben neun, und die kleine französische Stutzuhr sekundierte pünktlich, lief aber in ihrer Hast und Eile den dumpfen und langsamen Schlägen, die von draußen her laut wurden, weit voraus. Alles atmete Behagen, am meisten der Hausherr selbst, der, in einen Schaukelstuhl gelehnt und die Morgenzeitung in der Hand, abwechselnd seinen Kaffee und den Subskriptionsballbericht einschlürfte. Nur dann und wann ließ er seine Hand mit der Zeitung sinken und lachte.
»Was lachst du wieder, Ezel,« sagte Melanie, während sie mit ihrem linken Morgenschuh kokettisch hin und her klappte. »Was lachst du wieder? Ich wette die Robe, die du mir heute noch kaufen wirst, gegen dein häßliches, rotes und mir zum Tort wieder schief umgeknotetes Halstuch, daß du nichts gefunden hast als ein paar Zweideutigkeiten.«
»Er schreibt zu gut,« antwortete Van der Straaten, ohne den hingeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen. »Und was mich am meisten freut, sie nimmt es alles für Ernst.«
»Wer denn?«
»Nun wer! Die Maywald, deine Rivalin. Und nun höre. Oder lies es selbst.«
»Nein, ich mag nicht. Ich liebe nicht diese Berichte mit ausgeschnittenen Kleidern und Anfangsbuchstaben.«
»Und warum nicht? Weil du noch nicht an der Reihe warst. Ja, Lanni, er geht stolz an dir vorüber.«
»Ich würd' es mir auch verbitten.«
»Verbitten! Was heißt verbitten? Ich verstehe dich nicht. Oder glaubst du vielleicht, daß gewesene Generalkonsulstöchter in vestalisch-priesterlicher Unnahbarkeit durchs Leben schreiten oder sakrosankt sind wie Botschafter und Ambassaden! Ich will dir ein Sprichwort sagen, das ihr in Genf nicht haben werdet …«
»Und das wäre?«
»Sieht doch die Katz den Kaiser an. Und ich sage dir, Lanni, was man ansehen darf, das darf man auch beschreiben. Oder verlangst du, daß ich ihn fordern sollte? Pistolen und zehn Schritt Barriere.«
Melanie lachte. »Nein Ezel, ich stürbe, wenn du mir totgeschossen würdest.«
»Höre, dies solltest du dir doch überlegen. Das Beste, was einer jungen Frau wie dir passieren kann, ist doch immer die Witwenschaft, oder »le Veuvage«, wie meine Pariser Wirtin mir einmal über das andere zu versichern pflegte. Beiläufig, meine beste Reisereminiszenz. Und dabei hättest du sie sehen sollen, die kleine, korpulente, schwarze Madame …«
»Ich sehne mich nicht danach. Ich will lieber wissen, wie alt sie war.«
»Fünfzig. Die Liebe fällt nicht immer auf ein Rosenblatt …«
»Nun, da mag es dir und ihr verziehen sein.«
Und dabei stand Melanie von ihrem hochlehnigen Stuhl auf, legte den Kanevas beiseite, an dem sie gestickt hatte, und trat an das große Mittelfenster.
Unten bewegte sich das bunte Treiben eines Markttages, dem die junge Frau gern zuzusehen pflegte. Was sie daran am meisten fesselte, waren die Gegensätze. Dicht an der Kirchentür, an einem kleinen, niedrigen Tische, saß ein Mütterchen, das ausgelassenen Honig in großen und kleinen Gläsern verkaufte, die mit ausgezacktem Papier und einem roten Wollfaden zugebunden waren. Ihr zunächst erhob sich eine Wildhändlerbude, deren sechs aufgehängte Hasen mit traurigen Gesichtern zu Melanie hinübersahen, während in Front der Bude (das erfrorene Gesicht in einer Kapuze) ein kleines Mädchen auf und ab lief und ihre Schäfchen, wie zur Weihnachtszeit, an die Vorübergehenden feilbot. Über dem Ganzen aber lag ein grauer Himmel, und ein paar Flocken federten und tanzten, und wenn sie niederfielen, wurden sie vom Luftzuge neu gefaßt und wieder in die Höhe gewirbelt.
Etwas wie Sehnsucht überkam Melanie beim Anblick dieses Flockentanzes, als müsse es schön sein, so zu steigen und zu fallen und dann wieder zu steigen, und eben wollte sie sich vom Fenster her ins Zimmer zurückwenden, um in leichtem Scherze, ganz wie sie's liebte, sich und ihre Sehnsuchtsanwandlung zu persiflieren, als sie, von der Brüderstraße her, eines jener langen und auf niedrigen Rädern gehenden Gefährte vorfahren sah, die die hauptstädtischen Bewohner Rollwagen nennen. Es konnte das Exemplar, das eben hielt, als ein Musterstück seiner Gattung gelten, denn nichts fehlte. Nach hinten zu war der zum Abladen dienende Doppelbaum in vorschriftsmäßigem rechten Winkel aufgerichtet, vorn stand der Kutscher mit Vollbart und Lederschurz, und in der Mitte lief ein kleiner Bastard von Spitz und Rattenfänger hin und her, und bellte jeden an, der nur irgendwie Miene machte, sich auf fünf Schritte dem Wagen zu nähern. Er hatte kaum noch ein Recht zu diesen Äußerungen übertriebener Wachsamkeit, denn auf dem ganzen langen Wagenbrette lag nur noch ein einziges Kolli, das der Rollkutscher jetzt zwischen seine zwei Riesenhände nahm und in den Hausflur hineintrug, als ob es eine Pappschachtel wäre.
Van der Straaten hatte mittlerweile seine Lektüre beendet und war an ein unmittelbar neben dem Eckfenster stehendes Pult getreten, an dem er zu schreiben pflegte.
»Wie schön diese Leute sind,« sagte Melanie. »Und so stark. Und dieser wundervolle Bart! So denk' ich mir Simson.«
»Ich nicht,« entgegnete Van der Straaten trocken.
»Oder Wieland den Schmied.«
»Schon eher. Und über kurz
