Hans Hellers Höllenfahrt: Erlebnisse in französischer Kriegsgefangenschaft
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Buchvorschau
Hans Hellers Höllenfahrt - Otto von Gottberg
Hans Hellers Höllenfahrt
Erlebnisse in französischer Kriegsgefangenschaft
von
Otto von Gottberg
_______
Erstmals erschienen bei:
Otto Elsner Verlagsgesellschaft m. b. H., Berlin, 1917
__________
Vollständig überarbeitete Ausgabe.
Ungekürzte Fassung.
© 2017 Klarwelt-Verlag
ISBN: 978-3-96559-079-3
www.klarweltverlag.de
Inhaltsverzeichnis
Titel
Einführung
Erzählung
Einführung
uf dem Bahnhof in Konstanz saßen aus Frankreich gekommene Invaliden, darunter Stelzfüße und Einarme, aus deren Augen doch warm und hell die Freude am Wiederschauen der Heimat lachte. Nur ein anscheinend kaum Leidender stand ernsten, fast schwermütigen Gesichts und starrte so zweifelnd oder ungläubig ins Leere, dass ich fragen musste, warum er die Freude seiner Kameraden nicht teile. Er hob müde die Schultern und wehrte ab, als möge er sich nicht offenbaren:
„Ich kann mich noch nicht freuen, weil ich zu lange in der Hölle war."
Ich gewann Hans Hellers Vertrauen und hörte allmählich die Geschichte seines grausigen Leidens in französischer Kriegsgefangenschaft. Wer sie liest, wird in der Tat glauben, in die Hölle, nämlich den tiefsten Abgrund menschlicher Verworfenheit, zu blicken. — —
Der Weltkrieg ist ein Kampf nicht nur des Rechts gegen das Unrecht in der Welt, sondern auch des Anstandes gegen Verkommenheit. Unsere Feinde führen die Waffen des Fürsten der Lüge, und teuflisch ist auch ihre Grausamkeit.
Der Engländer ist grausam im Kampf. Als erster verwendete er die in Notwehr auch von uns darum gebrauchten Giftgase in der Lydditgranate. Er ist der Erfinder der Dumdumkugel und neuerdings des Explosivgeschosses für den Fliegerkampf. Warf aber der Engländer einen Gegner nieder, dann findet sein unleugbar praktischer Sinn selten Zeit für zweckloses Quälen des Opfers. Des Russen Grausamkeit entspringt seiner Gleichgültigkeit gegen menschliches oder tierisches Leiden. Er liebt sein Pferd, aber denkt selten daran, ihm vor dem Verenden den Gnadenschuss zu geben. Er kaut neben einem in Schmerz und Qual sich windenden Sterbenden ein Butterbrot, ohne auf den Gedanken zu kommen, einen helfenden Finger zu rühren. „Brüderchen, du wirst sterben", grunzt er wohl zwischen zwei Happen, aber . . . nitschewo . . ., das macht nichts, wenn das Butterbrot schmeckt. So ist die Masse der Russen geartet, obwohl der eine oder andere die angeborene Grausamkeit handelnd betätigen mag. Gewöhnlich geschieht es durch schnelles Morden, das freilich mehr oder wenig scheußlich sein mag. Der grausamste unserer Gegner aber ist — abgesehen von kulturlosen Halbwilden und Wilden, wie Montenegrinern, Italienern, Serben und Rumänen — der Franzose. Er will seine Grausamkeit durch Qualen niedergeworfener wehrloser Opfer betätigen. Er scheint einen Feind nicht bluten sehen zu können ohne den Wunsch, ein Messer in der Wunde herumzudrehen. Der gebildete Franzose mag das abscheuliche Verlangen gelegentlich unterdrücken. Vorhanden ist es zweifellos auch in ihm. Eine uralte, überlieferte Eigenschaft der Franzosen will jeden Hass auf einen Gegner schüren und mehren. Sogar in den Wunden besiegter Volksgenossen wühlt der Franzose mit gehässiger Grausamkeit. Auf dem Montmartre zu Paris wölbt sich eine aus dem ganzen Weichbild der weiten Riesenstadt sichtbare Kuppel als Dach der Kirche vom Heiligen Herzens Mit einem Aufwand von vielen Millionen unlängst so dickwandig gebaut, dass die Kirchenstürmer von zehn Revolutionen sich an den Mauern die Finger zerbrechen konnten, steht das Gotteshaus nicht als Sinnbild der Liebe, sondern des Hasses und der Grausamkeit. Begonnen nämlich wurde der Bau zur Feier eines politischen Sieges — (als die konservative und klerikale Rechte ans Ruder gekommen war) —, um das Empfinden der unterlegenen radikalen und irreligiösen Linken zu verletzen. Mit Spott verfolgen die Jakobiner wohl alle christlichen Bräuche, aber ihre höchste Wut und ihren grimmsten Ärger fordert die mystische Anbetung des Heiligen Herzens heraus. Darum sollte auf dem Montmartre keine gewöhnliche Kirche, sondern eine dem Mysterium vom Heiligen Herzen geweihte stehen. Umgekehrt beschlossen nach einem Wahlsieg der Linken die Radikalen das Empfinden der bezwungenen Klerikalen zu verwunden durch ein Gesetz, das aus allen Gerichtssälen das Kruzifix verbannte. Um Wut, Schmerz und Empörung der unterlegenen Gegner bis zu Qual und Verzweiflung zu steigern, wählten die Sieger von allen Tagen des Jahres gerade einen — den Karfreitag — um die Gottesbilder auf die Straße zu werfen! Das erklärt wohl, warum die Franzosen die dem deutschen Gemüt schier unverständlichen seelischen und körperlichen Quälereien an unseren Verwundeten und Gefangenen begehen und warum sie den Deutschenhass auch gegen Wehrlose schüren. Des Siegers Edelmut ist dem Franzosen so unbekannt wie Ritterlichkeit, deren er sich mit aufdringlich lauter Stimme vor aller Welt rühmt, weil er sie die ihm fernste und fremdeste Eigenschaft weiß. Hellers Geschichte ist darum nicht nur die des Leidens eines pflichttreuen deutschen Soldaten, sondern auch ein Charakterbild des französischen Volkes zur Zeit des Weltkrieges. Fast wortgetreu niedergeschrieben, wird sie im Streiter an der Front den Wunsch nach Rache und Vergeltung wecken. Dem Leser in der durch unser tapferes Heer vor französischer Grausamkeit geschirmten Heimat mag sie sagen, wie gut es ihm auch in einer Zeit kleiner Entbehrungen geht.
Otto v. Gottberg.
Erzählung
ährend wir auf der Wiese lagen, weckten mich Rufe. Die Augen öffnend, sah ich Kameraden zur Chaussee laufen und nach Westen schauen. Auch ich sprang neugierig auf. Ein Trupp Husaren kam die Straße entlang. Der voraustrabende Oberleutnant hielt bei den aus dem Chausseegraben aufstehenden Offizieren unseres Bataillons. Wir konnten zuhören und sahen dann zwanzig Husaren in der Kolonne zu zweien an uns vorüberreiten. Das war alles, was von der Schwadron noch lebte. Doch mussten wir Hurra schreien, bis die Luft zitterte. So gefielen sie uns. Die nassen Haare ihrer Pferde tropften von Schweiß. Blut und Staub klebte darin. Die Nüstern der Tiere waren rot, die Ohren gespitzt und die peitschenden Schweife gehoben, denn obwohl müde und abgehetzt, wieherten und tänzelten sie noch in Erregung. Mit den staubgrauen Haaren mancher Husaren spielte der Wind. Sie hatten die Mützen verloren, während sie vormittags dreimal je eine feindliche Schwadron angriffen und zusammenhauten. Mit zerbrochenen Lanzen, mit blutbefleckten, zerschrammten Gesichtern saßen manche mit Verbänden um Kopf und Arm im Sattel, aber aus ihren großen Augen blitzte mit Stolz die Freude am Sieg. Lachend zeigten sie auf reiterlose Pferde, die sie den Franzosen genommen hatten.
Wir liefen