Der praktische Büchsenschütze
Von Heinrich Kummer
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Über dieses E-Book
Das Werk ist deshalb nicht nur für den von Interesse, der sich mit der Schießpraxis in den Anfangsjahren des 1861 gegründeten Deutschen Schützenbundes beschäftigt, sondern fast mehr noch für Schützen, die heute wieder, wie 1862, mit Vorderladern nach der Scheibe schießen. Viele der Waffen, die der moderne Vorderlader-Schütze benutzt, sind Nachbauten der um 1862 verwendeten Waffen und gerade der Vorderlader-Schütze, der bereits erste Erfahrungen im Umgang mit dem Vorderlader gesammelt hat, wird hier eine Vielzahl von immer noch aktuellen Hinweisen, Tipps oder Tricks finden, auch wenn sich die Entfernungen, auf die damals ausschließlich stehend freihändig geschossen wurde, von denen unterscheiden, die jetzt üblich sind.
Die Zeit um 1860 war gerade für den Waffenbau ausgesprochen dynamisch. Die Entwicklung neuer Laufprofile und Geschossformen ermöglichte den Bau von Vorderladern, mit denen eine bis dahin nicht gekannte Schusspräzision erreichbar war. Das führte bald dazu, dass die eher altertümlichen Büchsen mit Kalibern von zwölf und mehr Millimetern und mit ihnen die gepflasterte Rundkugel nach und nach von den Ständen verschwanden und durch Langgeschosse und Büchsen mit kleinerem Kaliber ersetzt wurden, zu denen auch solche mit polygonalen Laufprofilen gehörten, von denen in diesem Buch die Rede sein wird.
Heinrich Kummer
Heinrich Kummer, geboren am 8. Mai 1809 in Dresden als Sohn eines Kgl. sächsischen Kammermusikers, folgte dem Beruf des Vaters und wurde Musiker. Von 1837 bis 1847 war er erster Fagottist im Kaiserlichen Theaterorchester in St. Petersburg. 1847 verließ er Russland und ließ sich in Schaffhausen in der Schweiz nieder, ehe er 1851 wieder nach Dresden zog. Bereits in St. Petersburg hatte er sich mit mechanischen Problemen beschäftigt und konzentrierte sein Interesse in den folgenden Jahren auf die Feinmechanik und die Schießkunst. Er setzte sich für die Einführung des Freihandschießens in Sachsen ein und half bei der Einrichtung zweier Schießstände (Fischhaus bei Dresden und auf dem Steiger bei Pottschappel). Weithin bekannt wurde er durch sein Buch „Der praktische Büchsenschütze“, durch von ihm konstruierte Gewehre und durch viele Beiträge in der „Deutschen Schützen- und Wehrzeitung“, in denen er sich mit waffen- und schießtechnischen Fragen auseinandersetzte. Heinrich Kummer starb am 20. März 1880 in Dresden.
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Buchvorschau
Der praktische Büchsenschütze - Heinrich Kummer
Schützenkleidung
Einleitung
Längen- und Gewichtsmaße
Man wundre sich nicht, daß ich in einem deutschen Schützenbuche die Längen- und Gewichtsbestimmungen auf das Meter und Gramm zurückgeführt habe. Welches deutsche Maß, deren Zahl Legion ist, hätte ich nehmen sollen! Beim Meter, wie beim Gramm, sind in abwärtssteigender Ordnung alle Zahlen in lateinischer, in aufwärtssteigender dagegen in griechischer Sprache benannt.
Abwärts
Längenmaß
1 Meter = 10 Decimeter
1 Decimeter = 10 Centimeter
1 Centimeter = 10 Millimeter
Gewichtsmaß
1 Gramm = 10 Decigramm
1 Decigramm = 10 Centigramm
1 Centigramm = 10 Milligramm
Aufwärts
Längenmaß
10 Meter = 1 Decameter
10 Decameter = 1 Hectometer
10 Hectometer = 1 Kilometer
Gewichtsmaß
10 Gramm = 1 Decagramm
10 Decagramm = 1 Hectogramm
10 Hectogramm = 1 Kilogramm
Durch beifolgende Tafel, welche die gebräuchlichsten europäischen Längenmaße enthält, wird es leicht möglich sein, ein bekanntes Maß mit obigem zu vergleichen.
Ein Meter ist gleich
3.18620 preuß. oder rhein. Fuß
3,16345 österreich. Fuß
3,42631 bairisch. Fuß
3,53120 sächs. Fuß
3,42355 hannöversch. Fuß
3,49052 württemberg. Fuß
3,50432 braunschweig. Fuß
3,47585 kurhess. Fuß
3,33333 badensch. und schweizerisch. Fuß
3,28090 engl. und russ. Fuß
3,07844 paris. Fuß¹
Zoll sächs. würde beinahe dieselbe Länge geben), so hat man mit hinlänglicher Genauigkeit die Länge von einem Meter. Theilt man diese Länge in 10 gleiche Theile, so erhält man 10 Decimeter, den Decimeter teilt man in 10 Centimeter und wenigstens 1 Centimeter in 10 Millimeter – und der Metermaßstab ist fertig.
Zur Vergleichung eines bekannten Gewichts mit dem Gramm mag beifolgende Tafel dienen, welche die gebräuchlichsten europäischen Gewichte enthält.
Ein Kilogramm ist gleich
2,13807 preuß. Pfund
1,78568 österreich. Pfund
1,78571 bairisch. Pfund
2,13800 württemberg. Pfund
2,00000 badensch. oder schweizerisch. oder sächs. oder Zollpfund
2,44188 russ. Pfund
2,20460 engl. Pfund
Meter lang und ebenso breit und hoch ist.
Das Wasser, welches dieses Gefäß aufzunehmen vermag, wird genau 1 Kilogramm = 1000 Gramm = 2 Zollpfunde wiegen. Da nun 1 Cubikcentimeter Wasser 1 Gramm wiegt, so könnte man sich wohl direct mit Hilfe dieser Wasserschwere ein Grammgewicht anfertigen, indeß dürfte bei einem kleinen Hohlmaße die nöthige Genauigkeit kaum zu erreichen sein.
Um so verständlich als möglich zu sein, sollen alle spätern Angaben nur Meter = m. und Millimeter = mm. oder Gramm = gr. und Kilogramm = klgr. enthalten.
Meter, dessen unterste kleinste Eintheilung 10 Millimeter betragen. Fig. 1.
Da das während des Druckens angefeuchtete Papier sich etwas ausdehnt, später aber wieder schwindet, so lässt sich freilich, obgleich diesem Uebelstande möglichst Rechnung getragen worden ist, eine sehr große Genauigkeit von dieser Abbildung kaum erwarten, wenn sie auch für gegenwärtige Zwecke genügen dürfte.
Fig. 1.
¹Aus Dr. Carl Hartmann’s Mühlen und Maschinenbauer. Weimar 1859
I.
Die Büchse und deren Geschoss²
Nicht immer trifft der Schütze in das Schwarze! Nur wenig einsichtsvolle Schützen geben die Schuld hiervon dem Mangel an Ruhe oder irgendeinem Versehen; die meisten dagegen meinen einzig und allein den Grund in einem hohlgegossenen Geschoß, in der Lichttäuschung oder in anderen Zufälligkeiten zu finden.
Gleichwohl ist es eine unbestrittene Thatsache, daß zum regelmäßig guten Schießen ein gutes Gewehr, ein zweckentsprechendes Geschoß und eine proportionirte Pulvermenge unerläßliche Erfordernisse sind, ohne welche auch der bewährteste Schütze nichts zu leisten vermag. Es wird daher sicher gerechtfertigt erscheinen, zu allernächst festzustellen, worin eigentlich die Gewehrzuverlässigkeit besteht.
Pulver der Geschossschwere (resp. 3gr. und 18gr.) und durchschoß auf die geringe Entfernung von 10 Schritten meistens 8 fichtene Bretter, jedes etwa 30mm. dick. Nach und nach verkürzte ich das Rohr bis auf 300mm., wobei aber der Rückstoß bei stets gleicher Ladung immer empfindlicher auf die Schulter wirkte, indem das Gewehr nur kaum noch 2klgr., also ein Drittel des früheren Gewichts hatte. Bei dieser Gewichtsverminderung wurden aber, und zwar ziemlich unregelmäßig, bald nur noch 4 oder 5 Bretter durchschossen, so daß ich mich schon zu dem Glauben hinneigte, die zu geringe Länge des Rohrs sei die directe Ursache davon. Als ich jedoch den Kolben anstatt an die Schulter, gegen einen sehr großen Stein stemmte, stellte sich augenblicklich die frühere Durchdringungskraft des Geschosses wieder her, aber der Schaft wurde dabei bald defect. Aehnliche Resultate hatte später Söderström in seinen Beobachtungen und Erfahrungen über die Feuerwaffe erlangt, indem derselbe bei wiederholtem lothrechten Schießen die Dauer, bis das Geschoß wieder zur Erde fiel, auf 30 Secunden bestimmte, während nach Eingießung von einem klgr. Blei in den Schaft das Geschoß regelmäßig erst nach 36 Secunden wiederkehrte.³
Aus solchen Thatsachen kann man daher deutlichst abnehmen, daß eine schwere Büchse schärfer schießt. Wegen des geringeren Rückstoßes werden aber auch zugleich weit gleichmäßigere Schüsse zu erwarten sein, als bei einem leichten Gewehre. Allerdings ist man hier an eine gewisse Grenze gewiesen, die schon wegen der disponibeln Körperkraft beim Handhaben zu schwerer Gewehre nicht überschritten werden darf. Bei Militärgewehren, über die jedoch hier nicht abgehandelt werden soll, nimmt man als höchstes Gewicht 5klgr. an. Dem Schützen hingegen, welcher auf tagelange Märsche nicht angewiesen ist und der seine Büchse etwa nur bis auf den Schießplatz trägt, wird es immerhin anzuempfehlen sein, ein Gewehr nicht viel unter 6klgr. Schwere zu führen; dabei lässt sich auch noch bei richtiger Körperstellung und zweckmäßiger Haltung des Gewehrs beim Freihandschießen die nöthige Ruhe erlangen. Daß ich übrigens durch Empfehlung nicht zu