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Die Ghule aus der Calle Goya: Die Costa del Sol-Sammlung
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Die Ghule aus der Calle Goya: Die Costa del Sol-Sammlung
eBook348 Seiten4 Stunden

Die Ghule aus der Calle Goya: Die Costa del Sol-Sammlung

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Über dieses E-Book

Ein junges Ehepaar auf Flitterwochen in Spanien wird von Spukgestalten terrorisiert, die die Ehefrau in den Nervenzusammenbruch treiben. Nach der Flucht nach Thailand, die Heimat der Ehefrau, beginnt der lange Weg zurück in die Normalität. In England finden die beiden schließlich Antworten und ein unerwartetes Glück.

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum9. Nov. 2023
ISBN9781667465791
Die Ghule aus der Calle Goya: Die Costa del Sol-Sammlung

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    Buchvorschau

    Die Ghule aus der Calle Goya - Owen Jones

    DIE GHULE

    AUS DER

    CALLE GOYA

    ––––––––

    Eine heilsame Erzählung von guten Absichten und bösen Taten

    ––––––––

    von

    ––––––––

    Owen Jones

    ––––––––

    Übersetzt von

    Eva-Maria Peidelstein

    ––––––––

    Copyright © 5th November, 2023 Owen Jones

    Fuengirola, Spanien, und Bangkok, Thailand

    Das Recht von Owen Jones, als Urheber dieses Werks bezeichnet zu werden, wurde gemäß den Abschnitten 77 und 78 des Urheberrechts- und Patentgesetzes 1988 geltend gemacht. Das Urheberpersönlichkeitsrecht wurde geltend gemacht.

    Die Figuren und Ereignisse in diesem Roman sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder sie werden völlig fiktiv verwendet. Einige Orte mögen existieren, aber die Ereignisse sind völlig fiktiv.

    Die Ghule aus der Calle Goya

    Eine heilsame Erzählung von guten Absichten und bösen Taten

    von Owen Jones

    Veröffentlicht von Megan Publishing Services

    bei CreateSpace and Kindle

    WIDMUNG

    Diese Ausgabe ist meiner Frau Pranom Jones gewidmet, weil sie mein Leben so einfach macht, wie sie nur kann – sie macht ihre Sache sehr gut. Unsere Tochter, Chalita, war unglaublich gütig zu uns, während dieses Buch geschaffen wurde, das auf mehr al seiner Ebene auf Elementen der Wahrheit beruht.

    Aliya ist verantwortlich für die künstlerische Gestaltung des Umschlags.

    Karma wird jedem alles gerecht vergelten.

    INSPIRIERENDE ZITATE

    Glaube nicht einfach an alles, nur weil du es gehört hast.

    Glaube nicht einfach an alles, nur weil man darüber spricht und redet.

    Glaube nicht einfach an alles, nur weil es in deinen religiösen Büchern geschrieben steht.

    Glaube nicht einfach an alles, nur weil die Autorität deiner Lehrer und Eltern es fordert.

    Glaube nicht einfach an alles, nur weil die Tradition es über Generationen hin gebietet.

    Falls du aber nach genauer Beobachtung und Analyse erkennst, dass es vernünftig ist

    und dem Guten wie dem Wohlergehen des Einzelnen und aller dient,

    dann akzeptiere es und lebe strikt danach.

    Gautama Buddha

    ———

    Oh großer Geist, dessen Stimme ich in den Winden vernehme, höre mich. Ich brauche Deine Kraft und Weisheit.

    Mache, dass ich immer den roten und purpurnen Sonnenuntergang sehe. Mögen meine Hände die Dinge achten, die Du mir gegeben hast.

    Lehre mich die Geheimnisse, die unter jedem Blatt und jedem Stein verborgen sind, wie Du die Menschen schon immer gelehrt hast.

    Lass mich meine Kraft nicht dazu gebrauchen, meinen Brüdern überlegen zu sein, sondern um meinen größten Feind – mich selbst – zu bekämpfen.

    Lass mich immer mit reinen Händen und einem offenen Herz vor dich treten, damit mein Geist, wenn mein Erdenleben wie der Sonnenuntergang schwindet zu Dir zurückkehren kann, ohne sich schämen zu müssen.

    (Frei nach einem traditionellen Gebet der Sioux)

    INHALTSVERZEICHNIS

    1.  1 MJØSA-SEE, NORWEGEN

    Der alte Baron saß an dem großen, hochpolierten Schreibtisch aus Teakholz und Leder in seinem Arbeitszimmer und genoss die Aussicht auf den See. Er war kleingewachsen für einen Norweger, etwa einen Meter dreiundsiebzig, hatte vornehm lockiges graues Haar und ein eher rundes Gesicht mit braunen bebrillten Augen. Er war leger gekleidet in einen dunkelgrünen Kaschmircardigan, ein offenes Hemd und graue Flanellhosen, denn mögliche Besucher erwartete er nicht vor dem Mittagessen. Die perfekte Stille wurde nur gelegentlich unterbrochen von dem Geräusch des berstenden Eises auf dem See oder von Vögeln, die im seichten Wasser nach kleinen Fischen suchten. Das alte Schloss stand seit fünf Jahrhunderten abgeschieden innerhalb seiner großen Ländereien und der Baron hatte nach Abschluss seiner Ausbildung seine gesamte Zeit hier verbracht. Stille war tief in ihm verwurzelt.

    Als das lang erwartete Klopfen an der Tür schließlich kam, antwortete er mit überraschend lauter Stimme.

    „Herein! Ah, Maximilian, ich hoffe, Sie haben gute Nachrichten für mich." In seiner Stimme klang mehr als nur eine Spur Ungeduld mit.

    „Ja, Herr Baron, ich bin sicher, ich habe gute Nachrichten. Die Telefonleitung und die Satellitenschüssel sind nach dem Sturm gestern Nacht vollständig wiederhergestellt und funktionsfähig. Außerdem ist die Post gekommen." Maximilian hielt dem Baron das Silbertablett hin, das er mitgebracht hatte, und der Baron nahm das gute Dutzend Briefumschläge, das darauf lag, an sich.

    „Das heißt, dass die Telefon-, Breitband- und Satellitenkommunikation wieder vollständig hergestellt sind?"

    „Meine Tests würden darauf hindeuten, dass dem tatsächlich so ist, Herr Baron."

    „Sehr gut. Danke, Maximilian. Sie können mit den Vorbereitungen fortfahren. Geht in dieser Hinsicht alles wie geplant?"

    „Ja, mein Herr, es gibt keine Probleme."

    Der Baron fächerte die Briefe aus, während der Butler absolut lautlos hinausging, allerdings nicht ohne sich einen Blick auf das Gesicht seines Arbeitgebers zu erlauben, bevor er die Tür hinter sich zuzog. Er hielt es zwar für sehr mutig und frech, das zu tun, aber es war ihm wichtig, immer zu wissen, in welcher Stimmung der Baron gerade war.

    Maximilian war schon der Diener des Barons gewesen, als dieser in Heidelberg studierte und beide noch junge Männer gewesen waren. Er war Deutscher und die einzige Person, die ihn Herr Baron nennen durfte. Er hatte das völlige Vertrauen des gesamten Haushalts. Sie waren nun schon über fünfzig Jahre zusammen und kannten einander besser als ihre eigenen Ehefrauen.

    Der Baron durchsuchte die Post nach den schweren dunkelgrünen Kuverts, die bedeuteten, dass sie von den Mitgliedern des engsten Familienkreises und der Gemeinschaft, in der er arbeitete, kamen. Diese öffnete er mit einem offensichtlichen Gefühl der Besorgnis zuerst, die anderen legte er für später beiseite. Er lächelte, als er die RSVP-Karten eine nach der anderen aus den Umschlägen zog. Es waren acht. Er hielt sie vor sich in die Höhe und wandte sich an ein altes Familienporträt.

    „Der Klan kommt zusammen, Großvater Peter. Wir werden wieder vereint sein und die uralte Familientradition fortsetzen!"

    Die getäfelten Wände des Arbeitszimmers waren gesäumt mit Familienporträts, aber es gab nur zwei, die der Baron in diesem Moment ansehen wollte. Diese waren jedoch nicht für jedermann zur Schau gestellt; nicht, dass viele Menschen je in die Intimität seines privaten Arbeitszimmers eingelassen würden. Nur eine Handvoll von Geschäftsleitern, Anwälten, Buchhaltern und ähnlichen hatten je dessen Schwelle übertreten.

    Der Baron hatte allerdings noch ein anderes Zimmer, ein geheimes Zimmer, in das man durch sein Arbeitszimmer gelangte. Es war immer schon dagewesen, seit das Schloss erbaut worden war, aber mit Hilfe von Restaurationsarbeiten im Wert von Millionen von Dollar war es mit hochmodernen Sicherheits-, Lebenserhaltungs- und Kommunikationssystemen ausgestattet ins einundzwanzigste Jahrhundert gebracht worden. Er aktivierte die Fernbedienung in seiner Tasche und ein perfekt als Wandtafel getarnte Schiebetür öffnete sich – lautlos.

    Der Raum war absolut riesig. In der Mitte stand ein perfekter runder Tisch mit dreizehn passenden Stühlen; ein scheinbar nutzloser antiker Kronleuchter hing darüber. Die Kerzen darauf konnten mit Piezofeuerzeugen angezündet und mit Luftstößen aus Pressluftkartuschen ausgemacht werden, alles mit Hilfe derselben Fernbedienung. Allerdings wurde er nur zu sehr speziellen Anlässen benutzt, denn verborgene Lichtquellen sorgten bereits für die perfekte Beleuchtung des Raums, die sich an jeden Anlass anpassen ließ. Als er das Allerheiligste, wie er es nannte, betrat, drückte er einen weiteren Knopf auf der Fernbedienung und sofort zeigte eine Hälfte der gegenüberliegenden Wand eine Ansicht von der Umgebung des Schlosses. Es handelte sich um eine besondere Art von halbdurchlässigem Fenster. Indem man eine elektrische Ladung durch das Glass schickte, konnte man es durchsichtig machen oder nicht.

    Der Baron beachtete die Schwäne kaum, die auf dem See nach Futter suchten. Er drückte noch ein paar Knöpfe und zwei weitere Fensterscheiben wurden aktiviert. Sie enthüllten seine kostbarsten Besitztümer. Ein altes Ölgemälde und eine Zeichnung in klimakontrollierter Umgebung wurden sichtbar. Der Baron hielt dem Mann auf dem Gemälde die RSVP-Karten entgegen und sprach.

    „Bald findet die vierhundertste jährliche Versammlung unseres Klans statt, Hochverehrtester Vorfahre. Man hat lange versucht, Eure Verbindung zu unserer Familie zu leugnen, aber wir haben uns nie einschüchtern lassen. Wir haben Euch nie verleugnet und werden das auch nie tun! Wir wissen, dass wir alle vom gleichen Blut sind und wir bleiben zuversichtlich! Nur noch drei Tage, und dann werden wir alle wieder vereint sein – ich vertraue darauf, dass Ihr uns an diesem verheißungsvollen Tag mit Eurer Anwesenheit beehren können werdet, und sei es nur für kurze Zeit?"

    Der Baron lächelte, als er die stille Zusage in seinem Kopf fühlte. Er lächelte den Herrn mittleren Alters mit drahtigem Haar auf dem Gemälde an und fühlte wieder eine Antwort. Dann ging er weiter zu der Frau auf dem zweiten Bild. Es handelte sich nicht um ein Porträt, doch war auf dem Bild nur eine Person zu sehen. Er verneigte sich leicht und schlug seine Hacken zusammen. Dies war die beste Art seinen höchsten Respekt auszudrücken, die er kannte.

    „Verehrte Vorfahren, gemäß unserer uralten Familientradition wird Euer Wille getan werden." Nach diesen Worten verbeugte er sich noch einmal vor jedem Bild, machte auf den Fersen kehrt, verließ das Allerheiligste und drückte die notwendigen Knöpfe, damit der Raum mit einem kaum hörbaren Rauschen der Schiebetür wieder in Lockdown-Zustand versetzt wurde. Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück, schaltete seinen Computer ein und rief wieder nach seinem Butler.

    „Maximilian, sagte er, „es scheint, dass das Verbindungsnetz tatsächlich wieder normal funktioniert. Die Briefe, die ich heute Morgen empfangen habe, lassen darauf schließen, dass die traditionelle Familienzusammenkunft wie geplant stattfinden wird. Seien Sie so gut und leiten Sie die alten Verfahren für die vierhundertste Zusammenkunft und einhundertste Sonderinitiation ein. Sie haben doch schon ein Dutzend Initiationen vorbereitet, nicht wahr, Maximilian?

    „Das ist korrekt, Herr Baron, dies wird mein dreizehntes Mal."

    „Ihre Dienste werden sehr geschätzt, Maximilian, nicht nur von mir, sondern von der ganzen Familie. Wurden die neuen Angestellten über ihre Pflichten während der Zusammenkunft in Kenntnis gesetzt und hat man ihnen Anweisungen gegeben, wo sie sich während der zweitägigen Festivitäten aufhalten können und wo nicht?"

    „Jawohl, mein Herr, es ist alles wie es sein sollte."

    „Unterkunft für diejenigen Gäste, die bei uns übernachten, Essen, Trinken, spezielle Bedürfnisse etc.?"

    „Ja, Herr Baron, ich habe mich persönlich um alle Einzelheiten gekümmert."

    „Gibt es etwas, wobei Sie meine Hilfe brauchen?"

    „Nein, mein Herr, nur die Dinge, von denen ich nichts weiß."

    „Also gut, Sie können sich wieder Ihren Aufgaben widmen."

    „Jawohl, Herr Baron."

    Damit richtete der Baron seine Aufmerksamkeit wieder auf seine alltäglichen Geschäfte und beachtete den Butler nicht weiter.

    Die einunddreißig übernachtenden Gäste kamen am folgenden Nachmittag fast zur selben Zeit an. Sie kamen mit ihren eigenen Fahrzeugen, die meisten mit Autos, obwohl zwei von ihnen mit ihren eigenen Hubschraubern einflogen. Elf waren Mitglieder des Inneren Kreises, vier waren Anwärter, zehn Ehepartner und sechs Teenager. Die Ehepartner sowie Kinder über dreizehn waren zugelassen, galten aber nicht als Innerer Kreis, der aus dem Baron, der Baronin und elf anderen engen Freunden und Familienmitgliedern bestand. Die Gäste, die nicht zum Inneren Kreis gehörten, wurden auf Distanz zum Hauptzweck der Veranstaltung gehalten. Partner, Freundinnen und Freunde waren streng verboten.

    Die elf anderen Mitglieder des Inneren Kreises waren allesamt Blutsverwandte, egal wie weitschichtig verwandt sich auch waren, und sie hatten zehn Ehepartner und zehn Kinder. Vier dieser Kinder waren für „besonderes Augenmerk" auserwählt worden.

    Bei der Zeremonie für den Ersten Grad waren die Kandidaten willig aber ängstlich, aufgeregt aber vorsichtig.  Diejenigen, die mehr darüber wussten, was mit ihnen geschehen würde, sagten nichts, obwohl ihre Bürgen hofften, dass ihre eigenen Kandidaten den Test bestehen und beweisen würden, dass ihre Urteilskraft nicht durch die familiären Bande beeinträchtigt war.  Wenn sie den Test bestanden, würden sie Lehrlinge – Anwärter auf die Mitgliedschaft im Inneren Kreis – werden und die Geheimnisse seiner Mitglieder erfahren, wenn eines der Mitglieder das Zeitliche segnete, um die Großen Vorfahren zu treffen.

    Die Mitglieder des Inneren Kreises waren alt, aber nicht uralt, und da sie reich waren, hatten sie auf der ganzen Welt Zugang zur besten medizinischen Versorgung. Der Baron war mit seinen siebzig Jahren nach seiner Frau Ingrid der zweitjüngste im Vorstand, wie der Innere Kreis manchmal genannt wurde, und der Präsident. Seine Frau war zehn Jahre junger und Vorsitzende. Sie waren nicht mit Kindern gesegnet worden, sodass sie den Vorstand nicht mit ihren Nachkommen besetzen konnten, aber sie hatten nichtsdestotrotz so gut wie vollständige Kontrolle über die Gruppe. Das war die Art wie die Organisation vor vierhundert Jahren eingerichtet worden war.

    Tatsächlich waren ihre Statuten, soweit vorhanden, ziemlich fortschrittlich in dem Sinne, dass Männer und Frauen chancengleich waren, aber war ein Oberhaupt einmal gewählt, konnte er oder sie autokratisch führen, wenn sie wollten. Der Baron war so angesehen, weil er immer auf Widersprüche hörte und manchmal akzeptierte, dass die Meinungen anderer seiner überlegen waren, aber es war nicht so, dass er das tun musste.

    Präsidentschaft und Vorsitz des Vorstands waren Ämter auf Lebenszeit, oder, wie sie es ausdrückten, „für die Dauer des irdischen Daseins der gewählten Person. Es war zu erwarten, dass der Baron und die Baronin ihre Rollen für weitere zehn bis zwanzig Jahre erfüllen würden, aber niemand ärgerte sich darüber. Immerhin war er, was die Vorstandsmitglieder anging, der engste lebende Verwandte des „Hochverehrten Vorfahren auf der Welt. Sicher, auch andere erhoben Anspruch auf diese Abstammung, und manche konnten sie sogar beweisen, aber der norwegische Zweig sah sich selbst als die einzige wirkliche Familie; sie waren die einzigen, die ihn wirklich verstanden, und die einzigen, die ihm wirklich die Treue hielten, auch wenn sie von den etablierten Historikern – wie übrigens auch von allen anderen – nicht anerkannt wurden.

    Allerdings machte ihnen das nicht die geringsten Sorgen. Sie genossen es. Was sie anging, sie kannten ihre Abstammung und nahmen keinerlei Rücksicht auf die Meinung von Außenstehenden. Im Laufe der Jahrhunderte waren manchmal Gerüchte über die Geheimgesellschaft nach außen gedrungen, aber diese waren jedes Mal zum Verstummen gebracht worden. In den Anfangstagen wurde das mithilfe schonungsloser Gewalt erreicht, aber im barmherzigeren Geist der heutigen Zeit erwiesen sich Gerichtsverfahren als ebenso wirkungsvoll. Die Familie Sedolfsen hatte Zugang zu den hinterhältigsten Anwälten der Welt und war bereit, sie beim geringsten Hauch eines Skandals auf die Menschheit loszulassen.

    Das passierte nicht sehr oft, denn die Zeitungsredakteure kannten das Risiko, das sie eingingen, wenn sie die Sedolfsens angriffen, aber ein paar wenige mutige Wahrheitssuchende waren in der Vergangenheit in den Bankrott getrieben worden, weil sie versucht hatten mehr zu enthüllen als sie beweisen konnten, und die nächste Runde von potenziellen Enthüllungen würde in Kürze beginnen.

    Verärgerte gescheiterte potenzielle Kandidaten stellten das größte Risiko dar. Da sie jung waren, betranken sie sich oft und enthüllten Freunden gegenüber Einzelheiten, die sie für sich behalten sollten. Manchmal verkauften diese „Freunde" dann ihre Storys über die mächtigen, aber verschlossenen Sedolfens an die Presse. In den nächsten ein oder zwei Monaten würden sie am verwundbarsten sein. Die Feiern würden zwei Tage dauern. Am ersten Tag würden örtliche Honoratioren und solche von weiter weg, die es herschafften, teilnehmen, aber diese Gäste würden nicht zum Übernachten eingeladen. Wenn nach dem Grund für die Feier gefragt wurde, war die Antwort immer dieselbe.

    „Ach, wir wissen gar nicht mehr, warum! Einer unserer Verwandten, äh, Zwanzig-Ur-Onkel Peter, glauben wir, hat die Tradition eines Fests an diesem Tag vor vierhundert Jahren ins Leben gerufen, und niemand hat je einen Grund gefunden, der gut genug gewesen wäre, die Feiern abzusagen. Seither veranstalten wir sie jedes Jahr!"

    Diese Erklärung hatte immer Gelächter hervorgerufen und damit war die Sache erledigt. Der wirkliche Grund für den ersten Abend der Feier war, das Schloss mit Energie aufzuladen, die der Innere Kreis am zweiten Tag für seine eigenen privaten Rituale nutzen konnte.

    Nicht viele Menschen verstanden und noch weniger bemerkten, dass die größten Partys alle vier Jahre stattfanden, nämlich immer, wenn potenzielle neue Lehrlinge ausgewählt wurden.

    Und die diesjährige Wahl, die hundertste, würde ein spektakuläres Ereignis werden.

    1.  2 DER JÄHRLICHE BALL DER SEDOLFSENS

    Der Baron wollte, dass der vierhundertste jährliche Ball und die hundertste Lehrlingswahl die allerbesten würden. Deshalb hatte er erst einmal gründlich nachgedacht. Dann hatten seine Frau und er die Köpfe zusammengesteckt und schließlich hatte er den Vorstand um Empfehlungen gebeten. Er machte das immer so, was einer der Gründe dafür war, dass er so beliebt war.

    Das Ergebnis war, dass dreihundertneunzig Gäste eingeladen und fünfzig zusätzliche Bedienstete aufgenommen wurden. Die Baronin war sich sehr wohl bewusst, dass dieses Jahr nichts schiefgehen durfte, auch wenn der Ballsaal nur für halb so viele Menschen geplant war wie er dieses Jahr aufnehmen musste. Also hatte sie sich die Unterstützung der besten Partyorganisatoren in Norwegen und Schweden gesichert, die ihre Zahlen überprüfen und zusätzliches Personal stellen sollten.

    Von Knutson war das beste Unternehmen in der Branche, und es ging das Gerücht, dass die Königshäuser beider Länder die Dienste der Firma in Anspruch nahmen.

    „Was sagt der Wetterbericht, Francisco? fragte die Baronin ihren Ehemann. „Glaubst du, dass die Götter dieses Jahr wohlwollend auf uns herabblicken? Sie war nur gute zwei Zentimeter größer als ihr Mann, aber sie war auf natürliche Weise dünn und elegant, während er dazu neigte, an Gewicht zuzulegen. Diese Tatsache, ihre Frisur und ihre Absätze ließen sie viel größer wirken; nicht, dass dem Baron das etwas ausgemacht hätte. Im Gegenteil: Er war, wie viele eher kleingewachsene Männer, ziemlich stolz darauf, eine Frau zu haben, die größer war als er.

    „Ich glaube, das werden sie, Joie, antwortete er, wobei er sie mit seinem Kosenamen für sie ansprach. „Das Eis auf dem See ist geschmolzen; die Vögel und Füchse kommen zurück... Es ist nicht sehr kalt und der Wetterfrosch meint, dass wir einen bemerkenswerten Frühling vor uns haben. Also, ja, ich glaube, wir haben Glück.

    Es war auch ein genialer Einfall, so viele Leute einzuladen, dass sie es drinnen zu warm finden werden, egal wie das Wetter draußen ist, allein schon wegen ihrer eigenen Körperwärme.

    „Sehr nett von dir, das zu sagen, meine Liebe. Ich bin auch ziemlich stolz auf diesen kleinen Touch. Ich meinerseits war begeistert von deinem Vorschlag, überall im Ballsaal und im Festzelt Unterhaltungskünstler zu verstecken. Die Leute werden ganz schön herumhampeln! Meine Güte, das will ich meinen."

    „Danke, Liebling. Das Catering für zweihundert Personen sowohl im Speisesaal als auch im Festzelt sollte für etwas Zirkulation sorgen; und dann ist da noch der Raucherraum, die Veranda und der Park. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass unsere Gäste reichlich Gelegenheit haben werden, ihre Körpertemperatur selbst zu regeln."

    „Ich bin ganz deiner Meinung, Joie, ein wohlverdientes Schulterklopfen für alle Beteiligten. Na gut, dann machen wir uns wohl ans Werk. Die erste Partie von Gästen wird um acht kommen, nicht wahr?"

    „Ja, Franz, wir sollten uns fertigmachen. Es ist Zeit, das Personal und die Caterer sich selbst zu überlassen. Wir können nichts mehr machen, bevor wir selbst fertig sind."

    „Sehr gut, Joie, ich komme um acht bei dir im Ankleideraum vorbei und hole dich ab."

    Sie umarmten sich kurz, küssten einander flüchtig auf die Wange und trennten sich.

    Der Baron und die Baronin standen im Ballsaal neben einem Tisch mit Getränken etwa sechs Meter vom Eingang entfernt. Der Zeremonienmeister meldeten die Gäste bei ihrer Ankunft, aber die Gastgeber blieben nur dreißig Minuten für die Ankunft der wichtigsten Gäste, derjenigen, denen die frühere Ankunftszeit von acht Uhr mitgeteilt worden war. Für die anderen, denen eine spätere Ankunftszeit genannt worden war, würden es schwerer haben, dem Baron die Hand zu schütteln und ihm ihren Dank für die Einladung auszudrücken.

    Gesellschaftskleidung war geboten, aber das war sogar für die meisten örtlichen Händler kein Problem, die bereits über Smokings verfügten, die sie zu ihren Freimaurer- oder Round-Table-Logen trugen. Der Baron war Mitglied von beiden, obwohl er nur noch selten zu den Zusammenkünften ging. Er war ihnen eher beigetreten, um anständige Einheimische zu haben, mit denen er abends ausgehen konnte.

    Die meisten Einheimischen verstanden das und respektierten ihn, weil er sich anstrengte, die Wohltätigkeitsveranstaltungen der Nachbarschaft zu unterstützen. Die aristokratischen Sedolfsens genossen bei der überwiegenden Mehrheit der Menschen in der Nähe des Schlosses und in Provinz insgesamt einen guten Ruf.

    Beide setzten ihr bestes Lächeln auf, passend zu ihrer aristokratisch-militaristischen Kleidung passte. Der Baron trug seine Orden, Kummerbund und Schärpe, die Baronin war in ein bodenlanges dunkelgrünes Seidenballkleid gekleidet und trug ein Diadem und ebenfalls eine Schärpe. Nacheinander hielten sie jedem der ersten Gäste eine weiß behandschuhte Hand entgegen. Manchmal verbeugte sich der Baron leicht und schlug seine Hacken zusammen, während seine Frau knickste, wenn jemand von königlichem Geblüt vor ihnen stand. Als sich der Ballsaal zu füllen begann, mischten die Mitglieder des Inneren Kreises sich unter die Gäste, von den Balkontüren in den Speisesaal und beim Haupteingang, ganz wie es ihnen gefiel.

    Die Veranstaltung war spektakulär, das sagten alle. In der Lokalzeitung berichtete der Chefredakteur der Zeitung persönlich über die Party, da er dort gewesen war; genauso wie sein Chef aus Oslo, der Besitzer der Zeitung.

    Ein kleines Orchester sorgte für die passende Musik im Ballsaal für diejenigen der Gäste, die ältere Tanzstile beherrschten, und das waren nicht wenige. Ein Harfenspieler im Speisesaal spielte für Gäste, die eine Verschnaufpause brauchten, und im Festzelt führte eine kleine Theatertruppe Sketche auf. Die Menge verteilte sich gut auf die verschiedenen Veranstaltungsorte, und das Wetter war frisch, aber sicher nicht kalt.

    Die Leute wanderten zwischen den drei Haupthotspots herum und standen auf der Terrasse oder spazierten im Park herum, der von vielen computergesteuerten Lichtern in vorprogrammierten Sequenzen beleuchtet wurde. Die Überraschungseinlagen kamen gut an. Spärlich bekleidete Männer und Frauen in Strumpfhosen und Bodystockings, die die Kälte spüren mussten, sprangen in einer Flut aus buntem Licht aus Nischen und kleinen Arboreten hervor und Feuerschlucker spien von versteckten Stellen Flammen. Den ganzen Abend waren in den Außenanlagen schallendes Gelächter und überraschte Schreie zu hören.

    Bei so vielen anwesenden Gästen und bei dem ganzen Treiben war es für die dreizehn des Inneren Kreises ein Leichtes, sich heimlich davonzumachen, wann immer sie wollten. Es war selten eine ausgemachte Sache, die Feier zu verlassen und sich zu treffen, aber es war nicht ungewöhnlich, dass sich zwei Drittel des Vorstands gleichzeitig im Allerheiligsten befanden.

    Der Baron hatte das Einwegfenster zum angrenzenden Ballsaal geöffnet. Es gab auch Überwachungskameras überall in den Außenanlagen, und das Festzelt wurde von den Hauptsicherheitskameras des Schlosses erfasst.

    „Was für eine Atmosphäre, Francisco! sagte eines der Mitglieder des Inneren Kreises, die um den Tisch saßen. „Ihr habt euch dieses Jahr wirklich selbst übertroffen.

    „Pardon, Claus? fragte der Baron, der etwas schwerhörig war, wenn die Stimme ihm nicht vollkommen vertraut war. Claus winkte in Richtung der Monitoren und hielt einen Daumen hoch. „Ah ja, ich verstehe, was du meinst. Vielen Dank. Joie hat viel Arbeit in die Party gesteckt.

    Mir gefällt besonders der geniale Einfall, für jedes Vorstandsmitglied dreißig Gäste einzuladen. Das verleiht der Atmosphäre diesen gewissen Schauer, meinen Sie nicht auch? kommentierte ein anderes Mitglied.

    „Ja, fügte Claus hinzu, „das sollte der Sache morgen wirklich Spannung verleihen. Gut gemacht, beide. Ich glaube, ich werde mal rübergehen ins Festzelt und unterwegs eine rauchen. Da drüben sieht es ziemlich lebhaft aus. Hat jemand Lust mitzugehen?

    „Ja, ich geh mit," sagte jemand anderes, und sie gingen hinaus ins Arbeitszimmer.

    Das ganze Schloss war erfüllt von den Geräuschen von Menschen, die sich amüsierten, aber die Events draußen im Garten und im Festzelt schienen die beliebtesten zu sein, einerseits, weil das Wetter so mild war und andererseits, weil der Ballsaal schnell stickig geworden war, als er sich den Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit näherte.

    Die aktivsten Nachtschwärmer waren allerdings die dreizehn Mitglieder des Inneren Kreise, die von der Erregung der Menschen um sie herum aufzublühen schienen. Baron Sedolfsen und seine Frau waren überall. Alle wollten sich mit ihnen unterhalten und sie waren bereit mitzuspielen – nein, mehr als bereit, sie genossen es. Sie ergötzten sich buchstäblich an der fröhlichen Stimmung ihrer Gäste.

    Als die Party um Mitternacht offiziell vorbei war, stellten die Gastgeber sich zum Ausgang aus dem Ballsaal, sodass sie sich persönlich bei denjenigen bedanken konnten, die ihnen gute Nacht wünschen wollten, und das waren alle, die nicht früh gehen hatten müssen.

    Nachdem die letzten paar Gäste kurz vor eins gegangen waren und die Bediensteten das Schloss für die Nacht absicherten, kam der Innere Kreis wie aus der Versenkung mitten im Ballsaal zusammen. Alle grinsten breit.

    „Tja, ich ziehe meinen Hut vor dir, Franky, und vor dir, meine liebe Joie. Ihr habt uns wirklich stolz gemacht dieses Jahr." Es folgte eine Runde Beifall.

    „Danke, Onkel Hakon, ich danke euch allen im Namen von Joie und in meinem. Wenn ihr mich nun entschuldigen würdet, ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen, bevor ich mich zurückziehe, aber ihr könnt meinetwegen ruhig weitermachen, bis ihr umfallt. Ich bin sicher, es müssen hier noch Speisen und Getränke herumstehen, die ihr durchstöbern könnt. Wenn nicht, fragt einfach das Personal, das noch

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