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Fabrikplanung: Handbuch Produktion und Management 4
Fabrikplanung: Handbuch Produktion und Management 4
Fabrikplanung: Handbuch Produktion und Management 4
eBook1.062 Seiten8 Stunden

Fabrikplanung: Handbuch Produktion und Management 4

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Über dieses E-Book

Das mehrbändige Handbuch "Produktion und Management" richtet sich an Fach- und Führungskräfte technologieorientierter Unternehmen, die nach methodischer Unterstützung suchen, ebenso wie an Wissenschaftler und Studenten der Ingenieurwissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre.

Der Band Fabrikplanung behandelt diese als einen modularen Prozess. Die frei konfigurierbaren Planungsmodule ermöglichen die individuelle Anpassung der Fabrikplanung an sich ändernde Rahmenbedingungen. Jedes Planungsmodul wird detailliert vorgestellt. Dabei werden neben methodischen Vorgaben auch konzeptionelle Lösungen zur Gestaltung aller Teilbereiche der Fabrik vorgeschlagen. Damit erhält der Fabrikplaner ein Handbuch, das ihn bei seiner täglichen Arbeit unterstützt und eine wissenschaftliche Vertiefung der Praxisthemen ermöglicht.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Vieweg
Erscheinungsdatum19. März 2021
ISBN9783662619698
Fabrikplanung: Handbuch Produktion und Management 4

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    Buchvorschau

    Fabrikplanung - Peter Burggräf

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021

    P. Burggräf, G. Schuh (Hrsg.)Fabrikplanunghttps://doi.org/10.1007/978-3-662-61969-8_1

    1. Einführung in die Fabrikplanung

    Peter Burggräf¹  , Günther Schuh¹  , Matthias Ebade Esfahani¹  , Matthias Dannapfel¹  , Jan Nöcker¹   und Cathrin Wesch-Potente¹  

    (1)

    Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen, Aachen, Deutschland

    Peter Burggräf (Korrespondenzautor)

    Email: p.burggraef@wzl.rwth-aachen.de

    Günther Schuh

    Email: g.schuh@wzl.rwth-aachen.de

    Matthias Ebade Esfahani

    Email: m.ebade-esfahani@wzl.rwth-aachen.de

    Matthias Dannapfel

    Email: m.dannapfel@wzl.rwth-aachen.de

    Jan Nöcker

    Email: j.noecker@wzl.rwth-aachen.de

    Cathrin Wesch-Potente

    Email: c.wesch@wzl.rwth-aachen.de

    In der Regel ist die Layoutplanung die nächstliegende Vorstellung vom Begriff Fabrikplanung. Ein Verständnis der Fabrikplanung als Methodik zur Anordnung von Flächen greift jedoch viel zu kurz. Die Fabrikplanung gehört stattdessen zu den facettenreichsten Aufgaben für Ingenieurinnen und Ingenieure der Produktion. Gleichsam des sportlichen Zehnkampfes gilt es, in einer engen zeitlichen Abfolge unterschiedlichste Disziplinen auszuführen: Prozessplanung, Auslegung der Produktionssteuerung, Personalplanung, Kosten- und Investitionsrechnung und Gebäudeplanung, um nur einige Beispiele zu nennen. Berechtigterweise kann sich die Fabrikplanung daher als Königsdisziplin des Maschinenbaus bezeichnen lassen.

    1.1 Grundlagen der Fabrikplanung

    Um dem Facettenreichtum der Fabrikplanung gerecht zu werden, bietet sich der Komplexitätsbegriff zur Beschreibung der Planungsaufgabe an. Die Vielfalt der Aufgaben erfordert eine intensive Zusammenarbeit von verschiedenen Fachexperten. Die Beteiligten müssen im Projekt in die Planung eingebunden und zielorientiert koordiniert werden. Weiterhin müssen die Planungsergebnisse transparent aufbereitet werden. In diesem Kapitel wird das Komplexitätsausmaß, das mit der Planung von Fabriken verbunden ist, dargestellt. Dabei ist sowohl die Fabrikplanung als auch die Fabrik selbst als eine komplexe Aufgabe (siehe Abschn. 1.1.1 und 1.1.2) bzw. als ein komplexes System zu verstehen. Äußere Einflüsse auf die Planung sowie interne und externe Wechselwirkungen auf die Fabrikplanung werden abschließend in Abschn. 1.1.3 beschrieben.

    1.1.1 Fabrikplanung als komplexe Planungsaufgabe

    Die moderne industrielle Produktion ist ein komplexes Wirkungsgefüge mit einem breiten und tiefen Erzeugnisspektrum, räumlich verteilten Standorten und verschiedenen, im Mix verwendeten Produktionstypen [1, 2]. Dementsprechend komplex ist auch die Planung einer industriellen Produktionsstätte. Dafür verantwortlich sind mehrere Komplexitätstreiber, die im Folgenden erläutert werden.

    Zunächst wird die Komplexität anhand des besonderen Projektcharakters der Fabrikplanung beschrieben. Es werden die Vielfalt an Planungsbeteiligten und der permanente Planungscharakter aufgezeigt. Zudem ist die Zeit ein Komplexitätstreiber. Es wird vor diesem Hintergrund in Abschn. 1.1.1.2 aufgezeigt, warum Fabrikplanung immer vor dem Hintergrund einer zeitlichen Beschränktheit gesehen werden muss, da die Fabrik, ihre Objekte und das Produktionsprogramm selber einem zeitlichen Verfall unterliegen [2]. Dazu werden die dynamischen Lebenszyklen der Planungsobjekte im Vergleich analysiert. Die Planungskomplexität wird auch durch die Planungstiefe als weiterer Komplexitätstreiber bestimmt. Fabrikplanung umfasst unterschiedliche Betrachtungsebenen, die von der Positionierung einer Fabrik im Wertschöpfungsnetzwerk über die Gestaltung einer Fertigungslinie bis zur lokalen Ausgestaltung eines Arbeitsplatzes reichen. Während die Planungstiefe das Detaillevel der Planung beschreibt, adressiert die Planungsbreite die Fülle verschiedener Aufgaben eines Planungsprojekts, von denen eine Auswahl vorgestellt wird.

    Um die hohe Komplexität überhaupt beherrschbar zu machen, sind die einzelnen Planungsaufgaben einzelnen sogenannten Planungsdomänen zugeordnet, die der Kapitelstruktur dieses Bandes entsprechen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass aufgrund der Vielschichtigkeit der Planungsaufgaben und der Interaktion dieser eine trennscharfe Abgrenzung nicht immer möglich sein kann.

    Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es sich bei der Fabrikplanung um ein komplexes soziotechnisches System handelt, das weit über die reine Gestaltung von Ressourcen und Prozessen hinausgeht. Komplex in dem Sinne, dass die einzelnen Bestandteile der Fabrik einen hohen Vernetzungsgrad untereinander aufweisen und sich, und somit auch das Planungsobjekt Fabrik, kontinuierlich verändern. Vor allem muss aber auch die Planung selber als komplexes soziotechnisches System verstanden werden, in dem Menschen aus verschiedenen Fachdisziplinen mit unterschiedlichen Qualifikationen, Betrachtungsweisen und Zielsystemen gemeinsam auf das Produkt Fabrik hinarbeiten.

    1.1.1.1 Planung von Fabriken

    In diesem Unterkapitel wird zunächst das grundsätzliche Verständnis von Planung allgemein beschrieben, um dann den Projektcharakter, die Interdisziplinarität und die Permanenz der Fabrikplanung darzustellen.

    Planung ist die geistige Vorwegnahme der zukünftigen Realität

    Planung ist die gedankliche Vorwegnahme und Verarbeitung zukünftiger Ereignisse [3]. Der Anlass einer Planung ist eine Diskrepanz zwischen heutigen Gegebenheiten und (zukünftigen) Anforderungen. Planung umfasst dabei immer einen Objektbereich, der zugleich den Planungsgegenstand bildet [4]. Der Plan ist dabei ein Modell, das einen Realitätsausschnitt zum Zeitpunkt t1 antizipiert (siehe Abb. 1.1). Unter Planung wird demnach der Entwurf eines anforderungsgerechten Plans verstanden [5].

    ../images/59939_2_De_1_Chapter/59939_2_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Grundlagen der (Fabrik-) Planung i. A. a. [5]

    Dementsprechend ist der Anlass der Fabrikplanung eine mangelnde Übereinstimmung des Ist-Zustandes der Fabrik (bzw. der noch nicht vorhandenen Produktionsstätte) mit den an sie gestellten Anforderungen [6]. Diese können inner- und außerbetrieblicher Natur sein. Der genaue Umfang der Planung leitet sich aus der spezifischen Situation der Fabrik bzw. des Unternehmens ab und bestimmt maßgeblich mit der Divergenz von Realität und Anforderungen den Planungsgrundfall [7, 8].

    Generell lassen sich die Neuplanung (Greenfieldplanung), die Umplanung und/oder Erweiterung bereits bestehender Fabriken (Brownfieldplanung) oder der Rückbau und Revitalisierung als Planungsgrundfälle unterscheiden (vgl. Abb. 1.2) [9].

    ../images/59939_2_De_1_Chapter/59939_2_De_1_Fig2_HTML.png

    Abb. 1.2

    Planungsgrundfälle in der Fabrikplanung [9]

    Bei einer Neuplanung wird die Fabrik auf der „grünen Wiese" mit maximalen Freiheitsgraden errichtet. Durch die hohen Freiheitsgrade kann eine weitestgehend optimale Ausgestaltung erreicht werden. Allerdings erhöhen die Freiheitsgrade auch Komplexität und den Planungsaufwand, da bei der Neuplanung zusätzliche Aufgaben wie beispielsweise die Standortwahl anfallen. Bei der Umgestaltung einer Fabrik werden die bestehenden Anlagen, Prozesse und Gebäude modernisiert und an marktseitige Produktionsprogrammänderungen angepasst. Eine besondere Herausforderung ist die Umplanung hinsichtlich der Berücksichtigung bestehender Restriktionen wie beispielsweise bestehender Infrastruktur. Zu einer Erweiterung der bestehenden Fabrik kommt es immer dann, wenn die vorhandenen Kapazitäten nicht mehr ausreichend sind. Eine Erweiterung kann wie die Neuplanung auch mit einer Standortwahl für den Neuaufbau der Zusatzkapazität verbunden sein. Der Rückbau ist das Gegenstück zur Erweiterung. Sind Überkapazitäten vorhanden (z. B. durch Anpassung der Wertschöpfungsstruktur, Outsourcing oder Umsatzrückgang), werden diese über Restrukturierungs- und Redimensionierungsmaßnahmen abgebaut. Mit der Revitalisierung von Fabriken sind im Kern Sanierungsmaßnahmen gemeint, die zu einer Neu- bzw. Wiedernutzung von stillgelegten Industriebetrieben führen [9].

    In Abb. 1.3 wird qualitativ der Grad der Veränderung der einzelnen Planungsgrundfälle in den verschiedenen Planungsdomänen (siehe Abschn 1.1.1.4) dargestellt. Deutlich sichtbar werden der hohe Freiheitsgrad der Neuplanung oder die vergleichsweise wenigen Veränderungen einer Umgestaltung. Aus der Menge an Veränderungen darf jedoch nicht auf die Komplexität des Planungsfalls geschlossen werden. Insbesondere organisch gewachsene Strukturen und die daraus resultierenden Restriktionen machen eine Umplanung oft schwieriger als eine Neuplanung auf der „grünen Wiese". Über alle Planungsfälle hinweg ändern sich stets die Produktionsstruktur und Produktionslogistik. Dies ist durch die starke Abhängigkeit der Fabrikstruktur und -organisation zu den anderen Domänen begründet. Ändert sich beispielsweise das Produktionsprogramm, führen die veränderten Durchlaufzeiten zu einer Änderung in der Ablauforganisation und durch Änderungen in den Bearbeitungsschritten muss die Produktionsstruktur angepasst werden.

    ../images/59939_2_De_1_Chapter/59939_2_De_1_Fig3_HTML.png

    Abb. 1.3

    Veränderungsgrad der Planungsgrundfälle in den Planungsdomänen

    Fabrikplanung hat Projektcharakter

    Generell bezeichnet ein Projekt ein Vorhaben, das durch Einmaligkeit bezüglich der Zielvorgaben, seinen zeitlichen, finanziellen, personellen und anderen Begrenzungen und durch eine spezifische Organisation charakterisiert ist [10].

    Mithilfe eines Projektmanagements, werden Projekte organisiert, geplant, gesteuert und koordiniert, um diese Projekte dann sach-, termin- und kostengerecht abzuwickeln [11]. Die Aufgaben des idealtypischen Projektmanagements bestehen aus vier Hauptbestandteilen (vgl. Abb. 1.4). Projektziele werden in der Projektdefinition geklärt, in der auch die Projektaufgabe festgesetzt wird. Im nächsten Bestandteil, der Projektplanung, wird ein Projektstrukturplan erarbeitet, der die zeitliche Abarbeitung des Projekts strukturiert und dabei Termine und Fristen (z. B. Beschaffung einer neuen Maschine) berücksichtigt. Der dritte Bestandteil ist die Phase der Projektdurchführung. Hier geschieht die eigentliche Verrichtung des Projekts, während zeitgleich Abweichungen der Ist- und Soll-Zustände aufgezeigt und auch die Einhaltung der festgesetzten Termine kontrolliert werden. In der letzten Phase, dem Projektabschluss, kommt das gesamte Projektteam zusammen und das Projekt wird reflektiert. Dabei wird verstärkt auf die Stärken und Schwächen der Planung, sowie auf Erkenntnisse, die bei anderen zukünftigen Aufgaben von Bedeutung sind, geachtet [12].

    ../images/59939_2_De_1_Chapter/59939_2_De_1_Fig4_HTML.png

    Abb. 1.4

    Projektmanagement in der Fabrikplanung [12]

    Damit die sach-, termin- und kostengerechte Durchführung aller Teilprojekte in allen Phasen der Fabrikplanung sichergestellt wird und auch frühzeitig mögliche Abweichungen erkannt werden, ist ein präventives Projektmanagement erforderlich. Dabei werden die Anforderungen aller an dem Projekt involvierten Unternehmensbereiche berücksichtigt. Grundsätzlich sollte die Projektdurchführung so exakt wie möglich geplant werden, da dadurch vermeintlich weniger Probleme in den späteren Phasen des Projekts auftreten. Die Projektplanung ist allerdings nicht als einmaliger Vorgang anzusehen. Besonders bei langfristigen und großen Vorhaben, wird der Detaillierungsgrad der Planung nur für die ersten Entwicklungsabschnitte ausreichend genau sein. So ist meist eine vertiefende Planung vonnöten, wenn das Projekt weiter fortschreitet. Also beeinflusst die Projekthistorie das weitere Vorgehen im Projekt. Außerdem kann ein Anpassen der Planvorgaben oder sogar ein erneutes Durchlaufen von bestimmten Planungsphasen erforderlich werden, wenn eine nachträglich gestellte Anforderung eine nicht vorhersehbare Änderung hervorruft [12].

    Da den Planer oder der Planerin in jedem Projekt eine unterschiedliche Planungssituation und Aufgabenstellung erwartet, ist die Fabrikplanung dadurch gekennzeichnet, dass sie nur bedingt auf standardisierte Lösungen zurückgreifen kann [13]. Durch die oftmals neuartige Problemstellung ist Fabrikplanung von einem hohen Anteil innovativen Wissens geprägt und bedient sich oft heuristischer Methoden, die über den Vergleich und die Bewertung von Planungsvarianten eine (optimale) Lösung finden [12, 14]. Das dafür notwendige Wissen ist jedoch selten auf eine oder wenige Personen konzentriert, da Fabriken hochtechnisierte vernetzte Systeme aus verschiedenen physischen und zunehmend auch digitalen Elementen darstellen. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit der Einbindung einer Vielzahl an Experten aus verschiedenen Fachdisziplinen.

    Der interdisziplinäre Charakter der Fabrikplanung verlangt eine Vielfalt an Planungsbeteiligten

    Der interdisziplinäre Charakter von Fabrikplanungsprojekten erfordert eine teamorientierte Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachrichtungen. Je nach Problemlage sind in das Planungsteam mit einzubeziehen: Mitarbeiter der Arbeitsvorbereitung, Mitarbeiter der Organisationsbereiche (Informations- und Steuerungstechnik, PPS), Mitarbeiter der kaufmännischen Bereiche (Kostenanalyse, Investitionsrechnung, Finanzierung), Bauingenieure/Industriearchitekten, Spezialisten für Sondergewerke (Klimatechnik, Ver- und Entsorgungstechnik, Arbeitssicherheit) und Spezialisten für Planungs- und Entscheidungstechniken (Simulation von Fabrik- und Materialflussprozessen, Bau- und Montageablaufmanagement) [9].

    Die unterschiedlichen Planungsbeteiligten lassen sich zumeist in ein Kernteam, ein erweitertes Team und ein informiertes Umfeld einteilen. Daneben gibt es für die Klärung und Diskussion spezifischer Fragestellungen Funktionsteams (vgl. Abb. 1.5). Das Kernteam wird i. d. R. aus je einem Mitglied der wichtigsten Fabrikbereiche gebildet. Neben „dem Fabrikplaner bzw. „der Fabrikplanerin besteht das Team häufig aus einem Verantwortlichen oder einer Verantwortlichen der Produktion/Produktionsplanung, der technischen Gebäudeausrüstung und dem Facility Management. Das erweiterte Team ergänzt das Kernteam um Spezialisten aus den einzelnen funktionalen Fabrikbereichen (siehe dazu Abschn. 1.1.2.2), die in bestimmten Detailfragen zu einer temporären Unterstützung des Teams hinzugezogen werden. Nach der Ausführung ihrer Aufgabe scheiden die Spezialisten (vorläufig) wieder aus dem Team aus. Sie bleiben aber über den Projektstand fortlaufend informiert, falls im Verlauf des Projekts ein weiteres Mal ihre Kompetenz erforderlich ist.

    ../images/59939_2_De_1_Chapter/59939_2_De_1_Fig5_HTML.png

    Abb. 1.5

    Planungsbeteiligte der Fabrikplanung

    Das informierte Umfeld berücksichtigt den Teil der Belegschaft, der nicht direkt in die Planungsaufgabe involviert ist. Um Vertrauen zu schaffen und eine Begeisterung für die anstehende Veränderung hervorzurufen, ist es wichtig, dass sich jeder einzelne Mitarbeiter mit dem Planungsvorhaben identifizieren kann. Dazu sind eine transparente Planungsdurchführung (z. B. Präsentation von Meilensteinen) und eine Einbindung der Mitarbeiter durch das Planungsteam unerlässlich. Das informierte Umfeld betrifft auch häufig Personen außerhalb des Unternehmens, wenn es beispielsweise um die Einbindung von Politik, Nachbarschaft oder Naturschutzverbänden geht.

    Fabrikplanung ist ein permanenter Transformationsprozess

    Der Fabrikplanungsprozess stellt aus methodischer Sicht einen Transformationsprozess dar. Dies bedeutet, dass Eingangsdaten bzw. Anforderungen, z. B. durch Anwendung von Vorschriften, Berechnungsformeln, Variantenentscheide, je nach Problemstellung in Zwischen- oder Endergebnisse (Projekte, Studien) und damit in Ausgangsdaten transformiert werden [9]. Dabei kann die Fabrikplanung als permanente Planungsaufgabe aufgefasst werden. Diese beginnt mit einem Anlass bzw. einem aus dem Fabrikbetrieb entstandenen Problem, worauf die Planung und Realisierung folgen. Ein immer wiederkehrender Anlass resultiert beispielsweise aus der Beschränktheit des Fabriklebenszyklus (siehe dazu Abschn. 1.1.1.2). Tritt solch ein Planungsanlass auf, wird er abgegrenzt und das Fabrikplanungsvorhaben formuliert. Die Bereichs- und Unternehmensziele müssen dazu aufgegriffen werden, um im Kontrast zur Ist-Situation einen gemeinsamen Drang zum Handeln zu entwickeln. Eine Planung ist dann erforderlich, wenn die Problemstruktur komplex und zunächst unbekannt ist oder sich ein mittel- bzw. langfristiger Zeitaufwand für die Problemlösung ergibt. Andernfalls kann auf eine Planung verzichtet werden und das Problem wird per „Improvisation oder „Sofortentscheidung gelöst. In der Realisierung wird das Planungsergebnis verwirklicht. Es folgt ein laufender Vergleich zwischen den realisierten Ergebnissen mit den Planungsergebnissen. Darauf folgt der laufende Betrieb, der wiederum so lange ohne erneute Planung aufrechterhalten werden kann, so lange ein erneuter Anlass nicht vorliegt [15]. Damit schließt sich der Kreislauf der permanenten Planung als Ausgleich des Ist-Zustands der Fabrik mit der an sie gestellten, zeitlich veränderlichen Anforderungen.

    1.1.1.2 Lebenszyklus einer Fabrik

    Im vorigen Kapitel wurde der Planungs- und Realisierungszyklus eines Fabrikplanungsprojektes analysiert. In diesem Kapitel werden die temporäre Beschränktheit und der zeitliche Verfall einer Fabrik beschrieben, die unweigerlich zu einer Neuplanung, Umplanung oder Erweiterung führen. Der Fabriklebenszyklus ist ein Modell für den zeitlichen Werdegang einer Fabrik. Charakteristisch für den Fabriklebenszyklus sind die Parallelität und die unterschiedliche Dauer der Lebenszyklen einzelner Elemente der Fabrik [16]. Bei der Planung von Fabriken werden Strukturen festgelegt, die über Jahre bestehen können und Änderungseinflüssen unterworfen sind. Bevor auf die zeitliche Veränderlichkeit der Fabrikelemente eingegangen wird, stellt Abb. 1.6 die Lebensdauer der wichtigsten Elemente im Vergleich dar.

    ../images/59939_2_De_1_Chapter/59939_2_De_1_Fig6_HTML.png

    Abb. 1.6

    Nutzungsdauer von Elementen der Fabrik i. A. a. [15]

    Die Lebensdauer der einzelnen Elemente variiert zwar fallspezifisch, jedoch ist zu erkennen, dass der Produktlebensdauer deutlich längere Grundstücks- und Gebäudelebenszyklen gegenüberstehen. Innerhalb des Fabrikgebäudes unterscheiden sich die Lebenszyklen von Rohbau, Ausbauten und technischer Gebäudeausrüstung ebenfalls erheblich. Grundstücke haben eine nahezu unbegrenzte Lebensdauer. Dies hat zur Konsequenz, dass die unterschiedlichen Lebensdauern der Planungsobjekte bei der Planung berücksichtigt werden müssen. Bei genauer Betrachtung der einzelnen Lebensdauern muss der Verlauf der Lebenszyklen der einzelnen Fabrikobjekte analysiert werden. In Abb. 1.6 sind die einzelnen Lebenszyklen mit ihrem Gebrauchswert über der Zeit aufgetragen. Der Gebrauchswert bezeichnet die Nützlichkeit eines Gegenstandes und ist unabhängig von seinem ökonomischen Wert. Der Gebrauchswert ist eine subjektive Größe, die sich aus der Verfügbarkeit und Nützlichkeit des betrachteten Objekts ableitet.

    Der Gebrauchswert eines Produkts ist initial sehr hoch, da dieses ein spezielles Kundenbedürfnis erfüllt. Dieser Gebrauchswert sinkt mit der Zeit, z. B. durch Alterung oder neue Technologien am Markt. Durch das Aufsetzen einer neuen, angepassten Produktgeneration kann der Gebrauchswert kurzfristig noch einmal gesteigert werden, bevor das Produkt nach einer gewissen Zeit endgültig vom Markt genommen wird. Der Prozesslebenszyklus ist ebenso einer Dynamik unterworfen. Lernkurven- und Skaleneffekte erhöhen die Produktivität der verwendeten Technologie stark, lassen sich jedoch nicht beliebig ausnutzen. Spätestens mit dem Abflachen der Produktionsmenge sinkt gleichzeitig auch die Effizienz des Prozesses. Innerhalb der nächsten Produktgeneration wird der Prozess durch neuere Technologien ersetzt.

    Auch Gebäude sind zeitlich determiniert. Auf den Gebäudelebenszyklus kann aus fabrikplanerischer Sicht jedoch gezielt Einfluss genommen werden. Durch Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen lassen sich der Gebrauchswert und damit die Lebensdauer über mehrere Produktgenerationen hinweg ausweiten.

    Die unterschiedlichen Lebenszyklen haben gravierende wirtschaftliche Auswirkungen. Während der Planung, Errichtung und Inbetriebnahme der Fabrik fallen ausschließlich Investitionskosten an, denen keine Erlöse gegenüberstehen. Frühestens mit dem Anlauf der Produktion werden positive Deckungsbeiträge erzielt. Diese stehen dann zur Verfügung, um die Investitionskosten der Fabrik auszugleichen. Das für Investitionen in die Fabrik eingesetzte Kapital wird mithin erst spät zurückgewonnen. Diese lange Amortisationszeit reduziert die Attraktivität der Investitionen, da mit längerem Zeithorizont die Wahrscheinlichkeit für unvorhersehbare Ereignisse (z. B. disruptive Innovationen, Naturkatastrophen) und somit das Risiko steigt. Außerdem muss die Investition nach ihrer Amortisationsdauer überproportional starke Renditen erwirtschaften, um mit Alternativinvestitionen des Kapitalmarkts konkurrieren zu können [17]. Um diese Auswirkungen gering zu halten, müssen die einzelnen Lebenszyklen aufeinander abgestimmt werden. Dazu empfiehlt es sich, die Fabrik selbst als ein Produkt mit einem definierten Lebenszyklus anzusehen [2]. Dieser Ansatz ermöglicht die zahlreichen Methoden und Werkzeuge des Produktdesigns auch für die Fabrikplanung zu adaptieren.

    1.1.1.3 Planungstiefe: Fabrikplanung vom Wertschöpfungsnetzwerk bis zum Arbeitsplatz

    Fabrikplanung umfasst die Planung der Wertschöpfungsverteilung in einem Produktionsnetzwerk, die Planung der eigentlichen Fabrik mit ihren verschiedenen Segmenten bis hin zur Planung von einzelnen Linien und Arbeitsplätzen. Diese Planungsebenen sind hierarchisch miteinander verknüpft (siehe Abb. 1.7). Eine erfolgreiche Planung erfordert daher ein effizientes Zusammenspiel über alle betrachteten Ebenen hinweg.

    ../images/59939_2_De_1_Chapter/59939_2_De_1_Fig7_HTML.png

    Abb. 1.7

    Hierarchieebenen in der Fabrikplanung i. A. a. [5]

    Auf der Ebene des Wertschöpfungsnetzwerks wird festgelegt, ob ein Produkt fabrikintern hergestellt oder über das Wertschöpfungsnetzwerk fremdbezogen werden soll (Make-or-Buy Entscheidung). Eng verbunden damit ist die Kapazitätsdefizitermittlung. Kann eine Anfrage aufgrund von Kapazitätsmängeln nicht bedient werden, besteht die Möglichkeit, neue Kapazitäten bereitzustellen oder den Auftrag an einen Zulieferer zu vergeben. Eine Kapazitätserweiterung kann durch Neu- oder Umplanung von Fabriken erreicht werden (vgl. Abschn. 1.1.1.1) [18].

    Die Fabrikebene umfasst die Generalbebauung bzw. das Werkslayout, sowie den inner- und außerbetrieblichen Materialfluss. Neben der eigentlichen Produktion wird hier auch die Anbindung indirekter Bereiche (Produktionsleitung, Arbeitsvorbereitung, Disposition, Logistikbereiche) festgelegt [19]. Klassische Fragestellungen auf Fabrikebene beschäftigen sich mit der Erweiterbarkeit, der Trennung von Personen- und Materialflüssen sowie der effizienten Nutzung des zur Verfügung stehenden Grundstücks. Auf der folgenden Bereichs- oder Segmentebene werden mehrere Linien und Gruppen strukturiert und indirekte Aktivitäten wie die Qualitätssicherung oder Instandhaltung in der Layoutplanung berücksichtigt. In der Linien- oder Gruppenebene werden einzelne Arbeitsplätze zu Stationen oder Gruppen zusammengefasst und anhand ihrer Stellung im Bearbeitungsprozess räumlich angeordnet. Dabei muss insbesondere auf den Material-, Personal- und Informationsfluss Rücksicht genommen werden. Die niedrigste Stufe des Modells bildet der einzelne Arbeitsplatz mit seinen Ressourcen: Betriebsmittel, Material und Personal. Hier wird beispielsweise die Maschinenarbeitsplatzfläche unter Berücksichtigung von Bedien-, Bereitstellungs-, und Wartungsflächen ausgelegt [5].

    1.1.1.4 Planungsbreite: Vielfalt der Planungsaufgaben

    Die Fabrikplanung umfasst eine Vielzahl von Planungsaufgaben, welche in diesem Band übergeordnet als Planungsdomänen zusammengefasst sind. Die Planung einer Fabrik kann eine ganze Reihe an Aufgaben umfassen, die projektspezifisch sind, d. h. jedes Projekt ist durch eine einzigartige Auswahl an Planungsaufgaben hinsichtlich des Umfangs und der Detaillierung charakterisiert (vgl. Abb. 1.8).

    ../images/59939_2_De_1_Chapter/59939_2_De_1_Fig8_HTML.jpg

    Abb. 1.8

    Auszug aus den Planungsaufgaben

    Abb. 1.8 zeigt beispielhaft, welche Planungsaufgaben in der Fabrikplanung zu bewältigen sind. Neben der Planung der äußeren Hülle in der Gebäudeplanung bildet die Lagerplanung eine häufige Planungsaufgabe. Diese interagiert mit der Gestaltung der Fabrik hinsichtlich Prozess, Technologie und Transportmittel. Resultierend aus dieser inhaltlichen Vernetzung ist es erforderlich, eine Strukturierung der Planungsaufgaben vorzunehmen und sich über die Schnittstellen Klarheit zu verschaffen.

    Die 12 Planungsdomänen der Fabrikplanung

    In der Planungsdomäne Standortplanung (Kap. 2) werden Bewertungsverfahren zum Vergleich möglicher Standortalternativen vorgestellt, die den Planer oder die Planerin mit einem mehrstufigen Auswahlprozess bei der Standortentscheidung unterstützen. Mit der Standortstrukturplanung wird derjenige Wertschöpfungsumfang bestimmt, den der (neue) Standort umfassen soll. Hieraus und aus der Unternehmensstrategie erfolgt anschließend die strategische Ausrichtung des Standortes innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerks.

    Fragen zur Dimensionierung und Strukturierung einer Fabrik beantwortet Kap. 3. Dabei sind das Produktionsprogramm sowie Flächen- und Kapazitätsbedarfe zu planen. Die räumliche Anordnung der Funktionseinheiten (z. B. Fertigung, Montage, Lager) erfolgt in der Strukturierung. Ziele der Strukturierung sind die Minimierung der Transportkosten, die Transparenz des Materialflusses und die organisatorische Beherrschbarkeit des Prozessablaufes. Es werden Methoden vorgestellt, um die Struktureinheiten nach Größe, Flexibilität und Kompetenzverteilung zu bewerten.

    Die direkten Bereiche einer Fabrik sind die Fertigung und Montage. Auf die Planung der Fertigungs- und Montageprozesse und die Planung der Produktionslogistik, d. h. die Beschaffung und Bereitstellung von Material, gehen die Produktionsprozessplanung (Kap. 4) und die Produktionslogistikplanung (Kap. 5) ein.

    Ressourcenplanung (Kap. 6) ist in der Fabrikplanung eine Planungsdomäne, die eine starke Abhängigkeit zu anderen Planungsaufgaben hat. Die Auswahl der Produktionsmittel, z. B. der Fertigungsmaschinen, muss in enger Absprache zur Produktionsprozessplanung, zur Produktionsstrukturierung und zur Layoutplanung geschehen.

    Vor allem in Abstimmung mit der Produktions- und Montageprozessplanung ist die Produktionssteuerung auszulegen. Kap. 7 vergleicht Prinzipien zur Auslegung der Produktionssteuerung, gibt Methoden zur Konfiguration vor und klärt, wie und nach welchen Kenngrößen die Steuerung auszulegen und zu bewerten ist.

    In der Domäne Layoutplanung (Kap. 8) werden die einzelnen Struktureinheiten der Fabrik detailliert betrachtet. Innerhalb einer Struktureinheit werden die Arbeitsplätze bzw. Stationen materialflussgerecht angeordnet. Der Detaillierungsgrad verfeinert sich in einem weiteren Schritt bis hin zur Gestaltung der einzelnen Arbeitsplätze. Anschließend wird das neue Layout einer Bewertung unterzogen. Fällt diese positiv aus, kann mit der Gebäudeplanung und technischen Gebäudeausrüstung fortgefahren werden. Diese Aufgaben fallen unter die Planungsdomäne Infrastrukturplanung und werden in Kap. 9 erörtert.

    Zur Unterstützung der Inbetriebnahme der Fabrik und für die Bewältigung von Änderungen und Störungen während des laufenden Fabrikbetriebs wurde das Anlaufmanagement (Kap. 10) eingeführt. Dabei handelt es sich nicht direkt um eine Planungsdomäne, die mit anderen Domänen in Wechselwirkung steht, sondern um über eine übergeordnete Querschnittsaufgabe.

    1.1.2 Systemischer Ansatz der Fabrik

    Dieses Kapitel setzt sich mit der Fabrik selbst auseinander und hilft das komplexe System Fabrik zu verstehen.

    Die Betrachtung von Zusammenhängen als ein System wird in der Wissenschaft zur praktischen Problemlösung benutzt, um der Komplexität der Probleme gerecht zu werden. Innerhalb einer Fabrik gibt es eine Vielzahl von Einzelproblemen und Zusammenhängen, die durch ihre gegenseitigen Abhängigkeiten untereinander die Fabrik zu einem System machen (vgl. Abb. 1.9). Als Beispiel können hier die Interdependenzen zwischen Fertigungsform, Auswahl der Maschinen und der Qualifikation der Mitarbeiter genannt werden.

    ../images/59939_2_De_1_Chapter/59939_2_De_1_Fig9_HTML.png

    Abb. 1.9

    Wertschöpfung und systemtechnisches Verständnis der Fabrik i. A. a. [5]

    Zunächst wird auf die Fabrik als Ort der Wertschöpfung eingegangen, bei dem eine Transformation von Input- zu Outputfaktoren stattfindet. Danach wird der Systembegriff eingeführt und die Fabrik als System mit ihren einzelnen Elementen beschrieben. Konstituierend für den Systembegriff sind die Objekte in einer Fabrik, die über Wirkbeziehungen miteinander verknüpft sind. Die Wechselwirkungen zwischen den Objekten haben entscheidenden Einfluss auf die im vorigen Kapitel beschriebenen Planungsaufgaben.

    1.1.2.1 Die Fabrik als Ort der Wertschöpfung

    Das eine Fabrik als Ort der Wertschöpfung bezeichnet wird, mag trivial klingen. Zum weiteren Verständnis soll dennoch im Folgenden die Transformationsleistung einer Fabrik behandelt werden, um ein grundlegendes Verständnis für die Rolle einer Fabrik im Wertschöpfungsnetzwerk zu schaffen.

    Eine Fabrik ist eine Stätte zur Herstellung eines Produktes durch Transformation der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit, Kapital, Energie und Information [5, 20]. Transformation ist die qualitative und quantitative Veränderung von Objekten. Eine durch den Menschen veranlasste und der Nutzenerhöhung (Wertschöpfung) dienende Leistung, die zielgerichtet gelenkt ist und sich systematisch einer Transformation vollzieht, wird Produktion genannt. Dabei muss die Transformation nicht der unmittelbaren Befriedigung eigener Bedürfnisse dienen. Eine Wirtschaftseinheit, welche sich hauptsächlich der Wertschöpfung verschrieben hat, heißt Betrieb [21]. Die Produktion ist demnach neben dem Handel die Kernfunktion jedes Betriebs, bzw. jeder gewinnorientierten Unternehmung. Die moderne industrielle Produktion eines Betriebes ist ein komplexes Wirkungsgefüge mit einem breiten und tiefen Erzeugnisspektrum, räumlich verteilten Standorten und verschiedenen, im Mix verwendeten Produktionstypen [1].

    1.1.2.2 Die Fabrik als komplexes System

    In diesem Kapitel werden der Systembegriff und die allgemeine Systemtheorie generell beschrieben, um ein grundlegendes Verständnis für die Auffassung der Fabrik als System zu ermöglichen. Die drei unterschiedlichen Sichtweisen der Systemtheorie werden anschließend zu einem dreidimensionalen Ansatz verdichtet und zur Klassifikation des Fabrikbegriffs verwendet. Ein System ist nach DIN 25424 die Zusammenfassung von technisch-organisatorischen Mitteln zur autonomen Erfüllung eines Aufgabenkomplexes. Die Systemtheorie behandelt die Beziehungen zwischen Elementen eines Systems, Beziehungen zwischen Strukturen und Funktion von Systemen und die Beziehung zwischen Teilsystemen und dem Gesamtsystem [2] (Abb. 1.10).

    ../images/59939_2_De_1_Chapter/59939_2_De_1_Fig10_HTML.png

    Abb. 1.10

    Aufbau und Axiome eines Systems i. A. a. [22]

    Bei der allgemeinen Systemdefinition können alle Dinge oder Sachverhalte, auch Bereiche und Prozesse, als Systeme oder Elemente bezeichnet werden. Ein System lässt sich in Subsysteme gliedern, denen wieder Systemcharakter zukommt, bis zu den Elementen, die bezüglich der jeweiligen Systembetrachtung die niedrigste Ordnung darstellen. Dieser Sachverhalt wird als hierarchische Ordnung bezeichnet [15]. Die allgemeine Systemtheorie geht auf den Biologen von Bertalanffy zurück. Sie ist als Gegenentwurf zur reduktionistischen Betrachtungsweise der klassischen Wissenschaften zu verstehen. Deren isolierte Betrachtung von Einzelphänomenen empfand von Bertalanffy für die Biologie als nicht adäquat, da die betrachteten Phänomene in der Realität niemals isoliert, sondern untereinander vielfältig vernetzt auftraten. Insbesondere bei Wechselbeziehungen und nicht-linearer Kopplung – ein Tatbestand, der von Bertalanffy als organisierte Komplexität bezeichnet wird – müssten anstelle eines einzelnen die Phänomene in ihrer Gesamtheit inkl. deren Vernetzung (als System) betrachtet werden. Darauf aufbauend betrachtet die Allgemeine Systemtheorie insbesondere Systeme, die komplexe Wechselbeziehungen zwischen ihren Bestandteilen aufweisen [23]. Ziel einer Systemkonstruktion ist nach Luhmann die Reduktion von Komplexität. Durch die Systembildung (die Selektion aus der Umwelt) mit ihren Systemgrenzen wird die Komplexität der Welt auf ein für die jeweilige Problemstellung beherrschbares Maß begrenzt. Systeme können somit als Lösungsansatz für Probleme betrachtet werden. Sie erfüllen folglich eine Funktion. Um eine Funktion erfüllen zu können, muss innerhalb des Systems eine Ordnung geschaffen werden, indem die Systembestandteile in bestimmte Beziehungen zueinander gebracht werden. Diese Ordnung wird Systemstruktur bezeichnet [24]. Hierarchie, Funktion und Struktur beschreiben die drei unterschiedlichen Deutungen des Begriffs System, welche verschiedene Systemaspekte in den Vordergrund stellen. Wie auch schon bei Ropohl werden dementsprechend hier das hierarchische, das funktionale und das strukturale Systemkonzept unterschieden (siehe Abb. 1.11) [25].

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    Abb. 1.11

    Systemtechnische Konzepte i. A. a. [5]

    Das hierarchische Systemkonzept besagt, dass ein System immer als Teil eines umfassenderen Systems, des sog. Supersystems, angesehen werden kann. Der kleinste nicht weiter zerlegbare Teil eines Systems wird Element bezeichnet [26]. Die Struktur des Systems setzt sich also aus verschiedenen Systemebenen zusammen [27]. Ein System kann daher auf Basis einer einzigen Hierarchieebene nicht vollständig beschrieben werden (Gesetz des ausgeschlossenen Reaktionismus) [25]. Beim funktionalen Systemkonzept wird von der Konkretisierung des Systems und seines Aufbaus abgesehen. Stattdessen wird auf den Zweck, die Systemfunktion abgestellt. Die Funktion eines Systems kann als Input-Output Transformation beschrieben werden [25]. Das strukturale Konzept der Systemtechnik stellt die Elemente eines Systems sowie die verknüpfenden Relationen in den Vordergrund. Die Systemstruktur wird durch die jeweiligen Elemente selbst gebildet [5]. Ein System ist als Gesamtheit miteinander verknüpfter Elemente zu betrachten. Diese dürfen nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, sondern sind in ihrer Interdependenz mit anderen Teilen des Systems und dessen Umwelt zu sehen (Holistisches Gesetz) [25]. Die Beziehungen können in Kopplungsrelationen (Relationen zwischen Komponenten: Ordnungsrelationen, Flussrelationen) und Übertragungsrelationen (Relationen zwischen Flussgrößen) unterschieden werden. Die Struktur eines Systems bestimmt dessen Funktion, aber die Funktion des Systems nicht die Struktur, da eine Funktion über verschiedene Strukturen erreicht werden kann.

    Die Verwendung nur eines systemtechnischen Konzepts zur Klassifikation würde der Komplexität einer Fabrik nicht gerecht werden. Ein Produktionsbetrieb besitzt Eigenschaften, die allen drei Konzepten zugeordnet werden können. Daher ist für eine vollständige Einordnung eine dreidimensionale Betrachtung nötig.

    Eine hierarchische Systematisierung der Fabrik ist nötig, da eine Fabrik verschiedene Systemebenen besitzt. Angefangen mit dem Supersystem „Wertschöpfungsnetzwerk" bis zum einzelnen Arbeitsplatz kann das System Fabrik in immer kleinere Subsysteme zerlegt werden. Das funktionale Konzept wird benötigt, weil, wie in Abschn. 1.1.2.1 bereits erläutert wurde, eine Fabrik durch die Wandlung von Input- in Output-Güter eine Transformationsfunktion erfüllt. Des Weiteren bilden die einzelnen Objekte einer Fabrik (siehe dazu Abschn. 1.1.2.3) eine vernetzte Struktur deren Beziehungen mit dem strukturalen Systemkonzept beschrieben werden können. Entsprechend dieser drei Dimensionen kann die Systematisierung einer Fabrik in einem Würfelmodell dargestellt werden (siehe Abb. 1.12).

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    Abb. 1.12

    Systemtechnische Darstellung der Fabrik i. A. a. [5]

    Die erste Dimension systematisiert die Produktion nach ihrem hierarchischen Aufbau. Sie reicht entsprechend Abb. 1.7 vom Supersystem des Wertschöpfungsnetzwerkes über das System Fabrik bis zum Subsystem Segment/Bereich, welches wiederrum über Linien und Gruppen in Subsysteme eingeteilt werden. Das hierarchisch niedrigste Subsystem bildet der einzelne Arbeitsplatz bzw. die einzelne Arbeitsstation [5]. Die abstrakte Transformationsfunktion eines Produktionsbetriebs kann weiter detailliert werden. Innerhalb eines Fabriksystems werden hier folgende Grundfunktionen unterschieden: [5]

    Bearbeiten (Ressourcen, Prozesse oder Organisationen die zu einer Zustandsänderung führen)

    Transportieren (Ressourcen, Prozesse oder Organisationen die zu einer Ortsveränderung von Rohstoffen und Produkten führen)

    Lagern (Ressourcen, Prozesse oder Organisationen die zum Lagern von Rohstoffen und Produkten dienen)

    Unterstützung (Ressourcen, Prozesse oder Organisationen die zu einer Hilfe für andere Funktionen dienen)

    Entsprechend ihrer Rolle innerhalb des Systems, werden die Elemente eines Produktionsbetriebs in drei Kategorien unterschieden. Dabei handelt es sich um die Aufteilung in Ressource, Prozess und Organisation. Ressourcen umfassen alle Mittel, die zur Produktion von Gütern und Dienstleistung benötigt werden. Dazu gehören beispielsweise Maschinen, Kapital, und Personal. In der Kategorie Prozess werden alle Prozesse innerhalb eines Produktionsbetriebs erfasst. Dies kann z. B. die Fertigung sein, oder aber auch Logistik- oder Buchhaltungsprozesse. In die Kategorie Organisation können Stellen aus der Aufbauorganisation des Betriebs oder der Linien- oder Arbeitsplatzorganisation eingeordnet werden. Abb. 1.13 zeigt ein Beispiel für die strukturale Aufteilung.

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    Abb. 1.13

    Einordnung der Elemente in die Kategorien i. A. a. [5]

    1.1.2.3 Objekte einer Fabrik und deren Wirkbeziehungen

    Unter einem Fabrikobjekt oder auch einem Fabrikelement wird eine fabrikplanerisch gestaltbare physische oder nicht-physische Einheit einer Fabrik verstanden [28]. Innerhalb einer Fabrik gibt es drei unterschiedliche Arten von Fabrikobjekten, die gemäß der vorgestellten Systemdefinition in die drei Kategorien Ressource, Prozess und Organisation eingeordnet werden können (Abb. 1.14).

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    Abb. 1.14

    Einordnung der Objekte einer Fabrik in die Kategorien Ressource, Prozess und Organisation i. A. a. [5]

    Ressourcen beinhalten Betriebsmittel, Grundstücke, Gebäude und Gebäudetechnik

    Betriebsmittel dienen direkt oder indirekt der betrieblichen Produktion. Dazu zählen unter anderem Fertigungseinrichtungen, Montageeinrichtungen, Logistikeinrichtungen, Qualitätseinrichtungen und Informations- und Kommunikationseinrichtungen. Fertigungseinrichtungen sind alle Einrichtungen zum Urformen, Umformen, Trennen, Fügen, Beschichten und Ändern der Stoffeigenschaften [29]. Montageeinrichtungen sind Systeme, die zum Zusammenbau geometrisch bestimmter Körper dienen. Unter Logistikeinrichtungen fallen Einrichtungen für den innerbetrieblichen Transport, die Handhabung, die Lagerung und die Kommissionierung von Material. Zu Qualitätseinrichtungen zählen die Messstationen und Vorrichtungen zur Qualitätsprüfung der geforderten Produkteigenschaften. Die Informations- und Kommunikationseinrichtungen beinhalten EDV-Systeme zur Übertragung und Speicherung von Daten und Medien zur verbalen und visuellen Kommunikation [28].

    Direkte und indirekte Prozesse verknüpfen statische Ressourcen

    Neben den physischen Elementen einer Fabrik, gibt es jedoch auch immaterielle Elemente in Form von Prozessen, welche die Fabrik funktional beschreiben. Kernprozesse bzw. direkte Prozesse einer Fabrik sind vor allem die Fertigung und die Montage. Sowohl Fertigung als auch Montage können in verschiedenen Formen auftreten. Zu nennen sind hier beispielsweise die Werkstattfertigung, Gruppenfertigung und Fließfertigung, bzw. die Baustellen-, Gruppen-, und Fließmontage. Daneben gibt es indirekte Prozesse zur Unterstützung der Kernprozesse. Dazu zählen die Produktionsplanung und -steuerung, die Auftragsabwicklung, das Rechnungswesen, das Qualitätsmanagement und die Instandhaltung [5, 28].

    Prozesse und Ressourcen bedürfen Organisation

    Die Kategorie Organisation deckt alle organisatorischen Bestandteile einer Fabrik ab. Darin enthalten sind bspw. die Aufbauorganisation des Unternehmens, das Logistikkonzept, die Arbeitsorganisation und Raum- und Flächenkonzepte. Die Aufbauorganisation gibt die Beziehungen von Stellen und Abteilungen eines Unternehmens bzw. von Standorten eines Unternehmensnetzwerks an. Im Logistikkonzept werden unter anderem Versorgungskonzepte (Einzelbeschaffung, Vorratsbeschaffung, produktionssynchrone Beschaffung), Lagerstrategien (feste und freie Lagerplatzvergabe), Handhabungskonzepte (interne Transporte), und die Distributionslogistik (Art und Anzahl der Distributionsstufen zum Kunden) zusammengefasst. Die Arbeitsorganisation beinhaltet Entscheidungen bezüglich der Arbeitsform und der Arbeitsplatzgestaltung. Die Raum- und Flächenkonzepte regeln die räumliche Aufteilung des Gebäudes und die Anordnung von Transport-, Abstell-, und Umschlagsflächen [5, 28]. Die Objekte der Fabrikplanung stehen in vielfacher Beziehung zueinander. Beispielsweise besteht eine Abhängigkeit zwischen der Gestaltung der Gebäude der Fabrik und der Wahl der Betriebsmittel. Wenn sich Wechselwirkungen zwischen zwei oder mehreren Objekten ergeben, ist ein sequenzielles Vorgehen unmöglich. Typischerweise wird dann rekursiv bzw. iterativ geplant [30].

    Die Wechselwirkung zwischen den Objekten verlangt Planungsvarianten

    Beziehungen zwischen Objekten können stofflichen, energetischen, informationellen, oder ökonomischen Charakter haben. Es kann zwischen zweistelligen Relationen, die nur jeweils zwei Objekte verbinden (z. B. Transportbeziehung zwischen zwei Maschinen) und mehrstelligen Relationen, die über mehr als zwei Objekte verlaufen (z. B. Durchlauf von Erzeugnissen) unterschieden werden [17]. Insbesondere bei komplexen Vorhaben, bei denen bei denen Wechselwirkungen zwischen den Ausprägungen der Planungsobjekte bestehen, kann durch die Betrachtung von Gestaltungsvarianten eine Vielzahl von Lösungen generiert werden [5]. Im Folgenden wird erläutert, wie sich diese Komplexität in der Fabrikplanung äußert bevor ein innovativer Ansatz zum Umgang mit diesen Herausforderungen vorgestellt wird.

    1.1.3 Wechselwirkungen, Einflüsse und Anforderungen an die Fabrikplanung

    In diesem Kapitel werden die externen Einflüsse auf die Fabrik (Abschn. 1.1.3.1), Wechselwirkungen zwischen Produkt und Fabrik (Abschn. 1.1.3.3) und die Wechselwirkungen zwischen Planungsobjekten und Planungsbeteiligten (Abschn. 1.1.3.4) dargestellt. Abschließend werden Anforderungen an die heutige Fabrikplanung in Abschn. 1.1.3.5 abgeleitet, die einerseits die Wechselwirkungen und Einflüsse, aber auch die Komplexität der Fabrik und der Planung widerspiegeln. Die industrielle Produktion ist immer Teil der dynamischen Wechselwirkung zwischen Angebot und Nachfrage. Das Ziel einer hohen Flexibilität ergänzt zunehmend das Ziel einer hohen Auslastung. Moderne Produktionsstrategien zielen auf geringe Kosten, kurze Durchlaufzeiten und absolute Beherrschbarkeit der Technologie bei gleichzeitig hohem Flexibilitätsanspruch [15]. Die Fabrik soll wandlungsfähig sein, um so auf veränderliche Marktbedingungen schnell und kostenneutral reagieren zu können. Für die Fabrikplanung ergibt sich das Ziel, die benötigte Planungszeit zwischen Idee und Realisierung drastisch zu verkürzen. Dies stellt insofern eine Herausforderung dar, da sich parallel die Arbeitsteiligkeit im Projektteam (Einbindung von Spezialisten) und die Vernetzung der Planungsaufgaben erhöhen.

    1.1.3.1 Äußere Einflüsse und marktseitige Herausforderungen

    Der heutige Wettbewerb ist geprägt von einer weltweiten Konkurrenz, dynamischen Handelsrestriktionen und kundenindividuellen Produkten sowie Dienstleistungen [2]. Um im Markt bestehen zu können, versuchen sich die Unternehmen über einzigartige Produkteigenschaften von der Konkurrenz zu differenzieren oder die Kostenführerschaft zu übernehmen. Je nach Strategiewahl ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an die Fabrik und Herausforderungen für die Fabrikplanung. Als Folge von Diversifizierungsstrategien sinken die Produktlebenszyklen und die Variantenzahl steigt. Der Kostenwettbewerb hingegen führt zu einer Verschlankung der Produktion und zur Bildung von feingliedrigen Wertschöpfungsnetzwerken. Außer Konkurrenz und Kunden gibt es noch eine Vielzahl an weiteren Anspruchsgruppen an eine Unternehmung und damit an die Produktion bzw. an die Fabrikplanung (siehe Abb. 1.15).

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    Abb. 1.15

    Wechselwirkung zwischen Unternehmen und Stakeholdern i. A. a. [5]

    Neben dem Staat, der mit Regelungen zum Umweltschutz und dem Abbau von internationalen Handelshemmnissen die Produktion lokal und global beeinflusst, üben vor allem die Kapitalgeber einen starken Einfluss auf die Unternehmen aus. Um für Kapitalgeber attraktiv zu sein, stehen Unternehmen unter dem Druck sich der Bewertung renditeorientierter Kennzahlen, wie beispielsweise dem Return on Capital Employed (ROCE) zu unterziehen. Der ROCE ist der Quotient aus dem operativen Gewinn nach Steuern und dem langfristig gebundenen Kapital (Anlage- und Betriebsvermögen) und steht damit im unmittelbaren Zusammenhang zur Fabrik. Der Drang, diese Kennzahl zu steigern, birgt die Gefahr, Investitionen (fälschlicherweise) zu verschieben oder die Eigenleistungstiefe zu verringern, um kurzfristige Erfolge zu erzielen, die langfristig jedoch zu Problemen führen.

    1.1.3.2 Ausblick Urban Factory

    Unternehmen werden durch Megatrends wie Urbanisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit dazu gezwungen ihre Produktionsstandorte anzupassen. Ein urban geprägtes Fabrikkonzept könnte eine Antwort auf diese disruptiven Veränderungen sein [31]. Bei diesem Fabrikkonzept soll die Produktion wieder näher in das städtische Leben integriert werden: die urbane Produktion bzw. urbane Fabrik. Die Vorteile der urbanen Fabrik gehen einher mit den heutigen Anforderungen der Kunden. An dieser Stelle sind vor allem eine schnelle Lieferung des Produkts, eine räumliche Nähe zum Serviceangebot sowie eine individuelle Leistungserstellung (die richtige Leistung zur richtigen Zeit am richtigen Ort) zu nennen. Weitere Vorteile einer urbanen Fabrik sind geringe Logistikkosten, eine flexiblere Arbeitszeiteinteilung für Mitarbeiter und als Folge der kürzeren Wege zum Kunden und der Belegschaft zur Fabrik weniger Emissionen. Darüber hinaus bietet die Wiederverwendung von Gewerbealtflächen die Möglichkeit auf die Erschließung von Naturflächen zu verzichten. Als Nachteile sind vor allem die begrenzte und mit höheren Kosten verbundene Flächennutzung zu nennen, welche aber maßgeblich von den gewählten Fertigungsverfahren abhängt [31]. Weitere Nachteile sind mögliche Restriktionen und Herausforderungen, die sich bei der Produktion im urbanen Umfeld stellen, wie z. B. Beschränkungen der Emissionsausstöße oder städtische Zufahrtsbeschränkungen für große Lastkraftwagen im Zuge der urbanen Werkslogistik. Ziel ist es jedoch bei der urbanen Fabrik die vorhandene urbane Fläche effizient zu nutzen und mittels kontextbezogener Datenbereitstellung und einer intelligenten Vernetzung der Fertigungsprozesse eine flexible und agile Produktion zu schaffen [31, 32].

    1.1.3.3 Wechselwirkungen zwischen Produkt und Fabrik

    Neben externen Ansprüchen muss die Fabrik intern auf das Produkt als zentralen Output abgestimmt werden. Um teuren Änderungen nach der Inbetriebnahme der Fabrik vorzubeugen, muss die Fabrik in Abstimmung mit dem Produktlebenszyklus geplant werden. Dazu empfiehlt es sich, die Fabrik selbst als ein Produkt mit Phasen von der Entwicklung bis zum Abbau anzusehen [2]. Dieser Ansatz ermöglicht es, die zahlreichen Methoden und Werkzeuge des Produktdesigns auch für die Fabrik nutzbar zu machen (siehe Abb. 1.16).

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    Abb. 1.16

    Abstimmung von Produkt- und Fabriklebenszyklus

    Wie in Abb. 1.16 deutlich wird, kreuzen sich Produkt- und Fabriklebenszyklus letztendlich im Fabrikbetrieb. Dieser Punkt kann als „crossing life-cycles point" aufgefasst werden, da hier aus der Planung Realität wird und das finale Produkt in der fertigen Fabrik produziert wird. Zuvor existierten das Produkt und auch die Fabrik nur innerhalb von digitalen Modellen. Die Digitalisierung ermöglicht eine schnelle Anpassung in den Planungs- und Entwurfsphasen. Durch eine simultane Abstimmung der Fabrik- und Produktphasen vor Produktionsbeginn werden Komplikationen und Fehler in der Produktion minimiert.

    1.1.3.4 Wechselwirkungen zwischen Planungsobjekten und Planungsbeteiligten

    Die Wirkzusammenhänge in einem komplexen System (vgl. Abschn. 1.1.2.2) sind durch den Menschen nicht vollständig durchdringbar, sodass die Systemwahrnehmung abhängig vom Beobachter ist. Jeder Planungsbeteiligte hat eine andere Perspektive auf das Planungsobjekt und interpretiert die Informationen individuell und blendet unterschiedliche Aspekte aus. Je variabler die Perspektiven, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit unterschiedlicher Interpretationen oder sogar dem Vorenthalten von bestimmten Informationen. Dies führt zu Fehlentscheidungen und zeitaufwendigen Iterationen, um diese Fehler zu beseitigen. Ein anderer Aspekt der Subjektivität ist die Pfadabhängigkeit. Durch eine individuelle Ausgangssituation mit projektspezifischen Randbedingungen und getroffenen Entscheidungen ergeben sich unterschiedliche Ansprüche an den Projektablauf und die Planungsreihenfolge. Subjektivität hat somit sowohl bezogen auf den individuellen Planungsbeteiligten als auch auf das gesamte Projekt entscheidenden Einfluss [33, 34].

    Interaktion beschreibt die Abhängigkeiten und Wechselwirkungen innerhalb eines Planungsobjekts und zwischen den verschiedenen Planungsobjekten innerhalb eines Planungsprojekts. Durch die Vielzahl an Planungsobjekten in einer Fabrik ist die Interaktion im Fabrikplanungsprozess entsprechend hoch. Wird beispielsweise ein einzelner Arbeitsplatz geplant, können subjektive Perspektiven zu einer lokalen Optimierung einzelner Teilaufgaben führen, ohne das gemeinsame Planungsziel der gesamten Fabrik zu berücksichtigen [35]. Fabrikplanungsprojekte sind nicht nur durch die Interdependenzen im Planungsteam geprägt, sondern auch durch die sich gegenseitig bedingenden Planungsaufgaben. Dieser reflexive Einfluss kann gerade zu Planungsbeginn bei unvollständigen, unsicheren Informationen zu Zirkelschlüssen führen. Während des zeitlichen Planungsverlaufs müssen neu implementierte Lösungen stetig auf neu auftretende oder geänderte Interaktionen geprüft werden [34].

    1.1.3.5 Anforderungen an die Planung

    Fabrikplanungsaufgaben unterliegen oftmals der Schwierigkeit, dass schon in frühen Planungsphasen konkrete Planungsergebnisse vorliegen müssen, um nachfolgende Schritte einzuleiten. So sind für die Ermittlung des Flächen- und Raumbedarfs Kenntnisse aus der Konstruktion und Arbeitsvorbereitung nötig, die eventuell jedoch noch nicht zur Verfügung stehen [9]. Durch die permanente, interdisziplinäre Planungsaufgabe (vgl. Abschn. 1.1.1) des komplexen Systems der Fabrik mit den vorhin dargestellten inneren und äußeren Einflüssen und Wechselwirkungen resultieren zahlreichen Anforderungen an die heutige Fabrikplanung [2, 36]:

    Hohe Planungsgeschwindigkeit und Sicherheit

    Umgang mit unvollständiger, unsicherer Informationsbasis

    Hohe Bedeutung von Erfahrungswissen

    Verständniswandel von der einmaligen, projektbezogenen zur permanenten Planung

    Vorwiegend Um- und Anpassungsplanung

    Veränderung der Planungsobjekte durch Vernetzung von Unternehmens-, Fabrik-, und Kompetenznetzwerken

    Starke Vernetzung der Planungszusammenhänge und -objekte

    Mehrdimensionalität der Planungsobjekte erfordert die Einbindung zahlreicher Teilnehmer

    Hohe Bedeutung humansozialer und organisatorischer Aspekte

    Integration neuer partizipativer Planungs- und Steuerungsmethoden und Werkzeuge

    Die Fabrikplanung hat die Aufgabe, die Fabrik ständig an die Wertschöpfungsnetzanforderungen anzupassen. Die Netzwerkplanung übernimmt dabei die Nachfragefunktion, Fabrikplanung die Angebotsfunktion, welche die Wertschöpfungsnetzanfragen bestmöglich erfüllen muss [37]. Die wahrgenommene Dynamik wird somit durch den steigenden Bedarf von Gleichzeitigkeit und Dezentralität der Planungsaktivitäten erhöht. Eine klassische Definition von Planungszielen und Planungsgrundlagen im Vorfeld existiert nicht mehr. Zu Beginn der Planung ist unklar, welche Faktoren überhaupt einen Einfluss auf die Gestaltung der Fabrik haben. Unvorhersehbare, sprunghafte Veränderungen von technologischen oder marktseitigen Anforderungen erschweren eine Prognose der Anforderungsentwicklung wesentlich [38]. Diese Diskontinuitäten sind insbesondere in Hinsicht auf die Langfristigkeit der in der Fabrikplanung zu treffenden Entscheidungen ein Problem. Die Planungsaktivitäten müssen während des Projektes kontinuierlich angepasst und ergänzt werden, wobei die zulässige Dauer für solche Maßnahmen zunehmend geringer wird [5]. Dabei muss ein optimaler Kompromiss zwischen Dynamik und Stabilität bestimmt werden. Nur reaktive Anpassungen der Fabrik können dabei nicht zu einer Erfüllung der Anforderungen führen. Dementsprechend ist auch eine vorausschauende Wandlung erforderlich, bei der jedoch die Diskontinuitäten eine Prognose der zukünftigen Anforderungen wesentlich erschweren. Im Idealfall ist das reale Anforderungsniveau zu antizipieren, um eine Über- oder Unterdimensionierung der Fabrik zu vermeiden [39].

    Die mehrdimensionale Komplexität einer Fabrik und die Abhängigkeiten zwischen den Fabrikobjekten lassen eine analytische Dekomposition nur bedingt zu. Die Problemgröße ist für analytische Ansätze in der Regel zu umfangreich. Heuristische Methoden und das Erfahrungswissens der Planungsbeteiligten müssen genutzt werden, um kosten- und zeitgerechte Lösungen zu erstellen. Dabei muss beachtet werden, dass Komplexität eine betrachterabhängige Systemeigenschaft ist. Die Katalyse des menschlichen Wahrnehmungs- und Gestaltungsprozesses wird somit zu einem zentralen methodischen Bestandteil der Fabrikplanung [36].

    1.2 Vorgehen und Aachener Modell der Fabrikplanung

    Das folgende Kapitel beschreibt das Aachener Modell der Fabrikplanung als Antwort auf die vorherrschende Steigerung der Komplexität im Unternehmensumfeld. Dazu erfolgt zunächst eine historische Aufarbeitung, um die Tendenzen und Ansätze zu erläutern, die zur Entwicklung des Modells geführt haben, welches im weiteren Verlauf vorgestellt wird.

    1.2.1 Historische Entwicklung

    Die Entwicklung der Fabrikplanung kann nicht losgelöst von den technischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen sowie den Anforderungen an das Vorgehen durch die Veränderungen der Fabrik als Planungsobjekt betrachtet werden. Entscheidende Entwicklungen waren im Zuge der zunehmenden Industrialisierung die systematische Organisation der Arbeit und Fabrikstrukturen gefolgt von der systematisch, phasenorientierten Strukturierung des Planungsvorgehens. Die verstärkte Forderung nach Flexibilität und Wandlungsfähigkeit in den letzten Jahrzehnten führte zur Übertragung und Weiterentwicklung von Modularisierungsansätzen auf die Fabrikstrukturen. Bezogen auf die Fabrik als Planungsobjekt kann eine Entwicklung von funktionsorientierten über prozessorientierten zu objektorientierten Gestaltungsansätzen beobachtet werden [5]. Vorherrschender Ansatz im Planungsvorgehen ist seit den achtziger Jahren eine konsekutive, phasenorientierte Vorgehensweise. Vor dem Hintergrund der bereits skizzierten Entwicklungen bzw. Herausforderungen wird in diesem Buch das Aachener Fabrikplanungsvorgehen beschrieben, das sich bewusst von den starren Reihenfolgevorgaben konsekutiver Ansätze löst, um den Planungsprozess situationsspezifisch an die Planungsaufgabe, dem Unternehmenskontext und unvermeidlichen Änderungen im Projektverlauf anzupassen.

    1.2.1.1 Systematisierung der Planungsaufgabe

    Die größer werdende Nachfrage an Konsumgütern und die zunehmende Substitution der manuellen durch maschinelle Arbeit am Anfang des 19. Jahrhunderts führte zur Massenproduktion - der weitgehend starren Fertigung in hoher Stückzahl, um von Skaleneffekten zu profitieren. Unabdingbare Voraussetzung für diese Entwicklung war der technische Fortschritt, so z. B. der elektrische Einzelantrieb als Voraussetzung für eine veränderte und flexiblere Maschinenaufstellung, austauschbare Bauteile als konstruktive Notwendigkeit für die arbeitsteilige Fertigung und Montage, die Entwicklung von präziser arbeitenden Werkzeugmaschinen, um ohne Nacharbeiten Bauteile zu fertigen und die Steigerung der Arbeitsgeschwindigkeit der Werkzeugmaschinen, auch durch Erfindung des Schnellarbeitsstahls [40, 41].

    An das betriebswirtschaftliche Ziel, die Herstellungskosten zu senken, indem die Produktion effizienter gestaltet wird, schließt sich ein Rationalisierungsgedanke der Arbeit an, der als Grundzug der modernen Wirtschaft, Gesellschaft und Wirtschaftlichkeit schon von Max Webber nachzuweisen versucht wurde. Sehr relevant für die systematische Betriebsorganisation ist das von Frederick Winslow Taylor ab 1895 entwickelte Thema der wissenschaftlichen Betriebsführung, das von ihm aus der Industriepraxis abgeleitet worden ist. Taylor kritisiert die aus seiner Sicht ineffizienten, unsystematischen und vor allem unorganisierten Arbeitsabläufe, die er durch eine systematische Organisation der Arbeit verbessern will. Von ihm durchgeführte Zeitstudien zu Arbeitstätigkeiten entwickelte er zu einem in der gesamten Hierarchie angreifenden Verfahren zur Steigerung der Produktivität. Ab 1904 in Berlin (Schlesinger) und ab 1906 in Aachen (Wallichs) wurden erstmals Lehrstühle ins Leben gerufen, die den Fabrikbetrieb aus Sicht der Forschung wissenschaftlich untersuchten. Einer der bekanntesten und ersten Vertreter der von Taylor aufgestellten Prinzipien war Henry Ford (1863–1947), der das Fließband in der industriellen Produktion einführte und die Produktion konsequent nach Materialflussüberlegungen und Arbeitsinhalten plante. Im Gegensatz zu energieflussdominierenden Strukturen, stand zu dieser Zeit der Materialfluss im Mittelpunkt der Planung von Fabriksystemen. Mit der Aufteilung der Arbeit in kleine, standardisierte Arbeitsabläufe, wie von Taylor gefordert, erhöhte sich die Monotonie für die Arbeiter in hohem Maße. Zusätzlich nahm die durch das Fließband vorgegebene Arbeitsgeschwindigkeit stark zu. Diese mit der Einführung der Fließbandarbeit verbundene, höhere Arbeitsbelastung führte zu einer hohen Fluktuation von Arbeitskräften, die z. B. bei Ford durch eine Verdoppelung des Mindestlohns und einer starken Reduzierung der Arbeitszeit kompensiert werden mussten. Ungeachtet dessen konnte Ford das Modell T durch die Einführung der Fließbandarbeit von 1909 bis 1924 um über 30 % günstiger anbieten und die Produktivität zwischen 1913–1914 um 150 % steigern [42]. Die Ausrichtung der Industrie auf sehr große Stückzahlen in den 1920er Jahren führte zu der Weiterentwicklung der Fließbandarbeit über Takt- oder Transferstraße zur automatisierten Taktstraße und damit zu einer sehr spezialisierten und starren Fertigung. Im Zeitraum von 1930–1950 wurden erste Konzepte zur flexiblen Fertigung verschiedener Produkte auf derselben Fertigungslinie entwickelt. Die gesteigerte Komplexität der Produktion machten eine grundlegend systematische Planung nicht nur des Fabrikbetriebs, im Sinne von Taylor, sondern auch der Planung und Organisation der Betriebsmittel nötig. In dieser Zeit entstanden erste phasenorientierte Planungsansätze, die sich vom Ablauf bis heute wenig verändert haben [40–44].

    Erste Fabrikplanungsansätze lieferten zuerst nur Methoden, um einzelne Aspekte der Fabrikplanung zu erschließen. Die Projekte wurden aus einzelnen Planungsaufgaben, z. B. mithilfe von Netzplantechniken, zusammengestellt [45]. Bei diesen Konzepten stand noch sehr stark der Funktionsbezug im Vordergrund. Ab den 60er Jahren entstanden bereits sequenzielle Vorgehensweisen, die die Planungsaufgabe prozessorientiert behandeln. Ein allgemeingültiges Vorgehen schlägt 1955 Frank Meißner vor, der Fabrikplanungsprojekte in vier Stufen unterteilt, die sukzessiv vom Groben zum Feinen abgearbeitet werden [46]. Bis heute folgen viele Planungsansätze dem Prinzip der Phasenbildung, die durch eine zunehmende Detaillierung, ausgehend von einer groben Idealstrukturplanung zu einer feinen Realstrukturplanung, gekennzeichnet sind. Die phasenorientierten Fabrikplanungsansätze lassen sich dabei in fünf Hauptphasen unterteilen: Vorbereitung, Strukturplanung, Detailplanung, Ausführungsplanung und Ausführung. In der Phase der Vorbereitung wird nach einer Analyse der Randbedingungen und des Ist-Zustandes die Ziel- und Aufgabenstellung konkret festgelegt. Das Ergebnis dieser Phase ist eine Planungsgrundlage, die schon erste Lösungsprinzipien enthält und auf die alle folgenden Planungsschritte aufbauen. Anschließend erfolgt die Phase der Strukturplanung, in der der Produktionsablauf (Funktionsbestimmung des Planungsobjektes) bestimmt wird, die Dimensionierung der Betriebsmittel und des Flächenbedarfs erfolgt und die räumliche Strukturierung des Planungsobjektes festgelegt wird. In vielen Vorgehensweisen ist zuerst die Durchführung einer Idealplanung vorgesehen, bei der die Strukturierung des Fabrikobjektes ohne Restriktionen und Einschränkungen der Realität ausgehend von der in der Vorbereitung erarbeiteten Planungsgrundlagen erfolgt. Erst in der

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